4c O 52/14 – Fehlflaschensortierung

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2428
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 23. Juli 2015, Az. 4c O 52/14

Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

TATBESTAND

Der Kläger nimmt die Beklagte aus dem europäischen Patent EP 1 445 XXX B1 (Anlage K 1, im Folgenden: „Klagepatent“) betreffend die Sortierung von Flaschenleergut wegen der Verletzung eines Vorrichtungsanspruchs und mittelbarer Verletzung eines Verfahrensanspruchs auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf, Erstattung von Abmahnkosten zuzüglich Verzugszinsen sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.
Das Klagepatent wurde am 6. Dezember 2003 unter Inanspruchnahme einer Priorität der DE 10305XXX vom 7. Februar 2003 angemeldet und die Anmeldung am 11. August 2004 veröffentlicht. Die Eintragung wurde am 14. Februar 2007 bekanntgemacht. Das Klagepatent steht in Kraft. Die alleinige eingetragene Inhaberin des Klagepatents ist die A GmbH, über deren Vermögen mit Beschluss des Amtsgerichts Kassel vom 1. Juli 2015 (Bl. 112 d.A.) das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist (im Folgenden „Schuldnerin“). Der Kläger, der mit Beschluss des Amtsgerichts Kassel vom 1. Juli 2015 zum Insolvenzverwalter der Schuldnerin bestellt worden ist, hat mit Schriftsatz vom 10. Juli 2015 (Bl. 110 d.A.) gegenüber der Kammer erklärt, dass er den Rechtsstreit gem. § 85 Abs. 1 InsO aufnehme.
Die Schulderin hat im Jahre 2014 im Hinblick auf den deutschen Teil des Klagepatents mit Rücksicht auf eine eigene Voranmeldung, die nachveröffentlichten Stand der Technik darstellt (DE 102 44 804 / EP 1 407 834), ein Beschränkungsverfahren vor dem DPMA durchgeführt (Anlage K 3). Dabei ist der Anspruch 9 gegenüber der erteilten Fassung beschränkt worden. Eine entsprechend geänderte Patentschrift ist als Anlage K 10 zu den Akten gereicht worden. Mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2014 (Anlage B 4) hat die Beklagte Nichtigkeitsklage gegen das Klagepatent beim Bundespatentgericht erhoben, über die noch nicht entschieden worden ist.
Die für den vorliegenden Rechtsstreit maßgeblichen Ansprüche 1 und 9 des Klagepatents – letzterer in der beschränkten Fassung – lauten:

Anspruch 1:
Verfahren zum Aussortieren von Fehlflaschen aus einem auf einer Kastenbahn geförderten Flaschenkasten, mit einer Entnahmeeinrichtung für Flaschen, umfassend mehrere Greifer, wobei zur Betätigung der Greifer ein Kolbenzylinderantrieb vorgesehen ist, und wobei der Greifer einzeln ansteuerbar und einzeln vertikal verfahrbar ist, wobei die Fehlflaschen der mindestens einen Flaschensorte nach Erkennen durch eine Erkennungseinrichtung durch eine Entnahmeeinrichtung dem Kasten auf der Kastenbahn entnommen werden, wobei die entnommenen Fehlflaschen in mindestens einen weiteren zweiten Kasten eingestellt werden, der sich neben der Kastenbahn befindet, wobei der zweite Kasten als Zwischenspeicher dient, wobei nach einer bestimmten Anzahl von in dem Zwischenspeicherkasten gesammelter Fehlflaschen solche Fehlflaschen dem Zwischenspeicherkasten entnommen und in einen Kasten auf der Kastenbahn durch die Entnahmeeinrichtung eingestellt werden, wobei dieser mit Fehlflaschen besetzte Kasten von der Kastenbahn ausgeschleust wird.

Anspruch 9:
Kastenbahn, wobei sich direkt neben der Kastenbahn auf gleicher Höhe mit der Kastenbahn eine Ablage befindet, auf der Zwischenspeicherkästen vorgesehen sind, mit einer Erkennungseinrichtung und mit einer Entnahmeeinrichtung für Flaschen, umfassend mehrere Greifer, wobei jeder Greifer einen Kolbenzylinderantrieb umfasst, wobei jeder Greifer einzeln ansteuerbar und einzeln vertikal verfahrbar ist.

Hinsichtlich der lediglich insbesondere geltend gemachten Patentansprüche 2, 7, 10 und 11 wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.
Die nachstehend verkleinert wiedergegebenen Zeichnungen sind dem Klagepatent entnommen.
Figuren 1 a – c zeigen schematisch den Vorgang der Sortierung von Gutflaschen in einem Flaschenkasten mit dem Aussortieren von Fehlflaschen in den Zwischenspeicherkasten:

Figur 4 zeigt schematisch eine Draufsicht auf eine Anordnung einer Entnahmeeinrichtung mit einer mittigen Kastenbahn mit daneben angeordneten Ablagen:

Die Beklagte stellt her und vertreibt Sortieranlagen für Flaschenleergut. Eine der von ihr produzierten und angebotenen Anlagen dient der Sortierung des Leerguts in gemischt befüllten Flaschenkästen, wobei die Anlage die unterschiedlichen Flaschensorten zunächst identifiziert und diese sodann sortenrein in Flaschenkästen einer jeweils zugeordneten Kastensorte einsortiert (im Folgenden „angegriffene Ausführungsform“). Die Ausgestaltung und Arbeitsweise der angegriffenen Ausführungsform wird in einem auf der Webseite der Beklagte (www.B.de) abrufbaren Werbefilm (CD als Anlage K 7 vorgelegt) dargestellt und in einem in der Fachzeitschrift „C“, Ausgabe 3/14 vom 16. Januar 2014 (Anlage K 6) erschienenen Artikel beschrieben. Danach verfügt die angegriffene Ausführungsform über eine Kastenbahn, auf der die zu sortierenden Leergutkästen gefördert werden. Neben der Kastenbahn befinden sich mehrere sog. Pinolentische. Dabei handelt es sich um einzelne, voneinander beabstandet angeordnete geschlossene Unterbauten aus Edelstahl, deren Oberseite mit einer Vielzahl senkrecht stehender, geordneter Pinolen, d.h. angespitzter Kunststoffstäbe bewehrt ist, zwischen denen die den Kästen auf der Kastenbahn entnommenen Flaschen einsetzbar sind. Ein aus dem Werbefilm der Beklagten entnommenes Standbild, das die Ausgestaltung der Pinolentische neben der Kastenbahn zeigt, wird nachfolgend eingeblendet:

Eine angegriffene Ausführungsform stellte die Beklagte auf der Messe „D“ im September 2013 aus.
Die Schulderin ließ die Beklagte mit Schreiben ihrer Rechtsanwälte vom 26. Mai 2014 (Anlage K 8) wegen des Vertriebs der angegriffenen Ausführungsform abmahnen und zur Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung sowie zur Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwalts- und Patentanwaltskosten – unter Zugrundelegung eines Gegenstandswerts von 1 Mio € – in Höhe von 14.139,00 € bis zum 20. Juni 2014 auffordern. Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 20. Juni 2014 (Anlage K 9) bestritt die Beklagte eine Verletzung des Klagepatents, äußerte Zweifel am Rechtsbestand des Klagepatents und lehnte die Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung sowie eine Zahlung der geltend gemachten Abmahnkosten ab.

Nach Auffassung des Klägers macht die angegriffene Ausführungsform von der technischen Lehre des Anspruchs 9 des Klagepatents wortsinngemäß, aber zumindest mit äquivalenten Mitteln Gebrauch.
Der Kläger behauptet, die Greifer der angegriffenen Ausführungsform seien mit einem Kolbenzylinderantrieb im Sinne des Klagepatents ausgestattet. Das Klagepatent überlasse dem Fachmann dabei die Wahl der Ausgestaltung des Kolbenzylinderantriebs.
Zudem setze das Klagepatent nicht voraus, dass auf der neben der Kastenbahn befindlichen Ablage Zwischenspeicher in Form von Getränkekästen vorgesehen seien. Vielmehr seien auch die bei der angegriffenen Ausführungsform vorhandenen Pinolentische als Ablage mit Zwischenspeicherkästen nach der Lehre des Klagepatents anzusehen. Als Ablage im Sinne des Klagepatents sei in Abgrenzung zum Stand der Technik jede Einrichtung, die selbst nicht der Beförderung von Kästen diene, zu qualifizieren. Unter Zwischenspeicherkästen seien daher nicht nur Flaschenkästen, sondern jegliche Einrichtungen zu verstehen, die über eine bloße Ablagefläche hinaus auch eine definierte Positionierung der Flasche ermöglichen, so dass der automatisierte Sortiervorgang reibungslos ablaufen könne. Dabei sei es in technischer Hinsicht für den Fachmann völlig ohne Belang, wie diese definierte Positionierung der Flaschen erreicht werde.
Jedenfalls stellten die Pinolentische ein äquivalentes Austauschmittel zu der im Klagepatentanspruch 9 genannten Ablage und den Zwischenspeicherkästen dar. Das bei der angegriffenen Ausführungsform verwendete Pinolenfeld sei als Zwischenspeicher technisch gleichwertig und für den Fachmann zum Prioritätszeitpunkt aufgrund seines allgemeinen Fachwissens ohne weiteres bekannt und damit auffindbar gewesen. Daraus ergebe sich auch die Gleichwertigkeit im Sinne der patentgemäßen Lösung, denn die konkrete Ausgestaltung des Zwischenspeichers sei für dieses Merkmal ohne Belang. Insbesondere komme es nicht darauf an, ob der Zwischenspeicher über einen eigenen äußeren Rahmen verfüge, beweglich oder unbeweglich angeordnet sei oder welche Größe der Zwischenspeicher einnehme.
In Bezug auf den geltend gemachten Verfahrensanspruch 1 ist der Kläger der Auffassung, das Klagepatent setze nicht voraus, dass eine absolute Anzahl von Fehlflaschen im Zwischenspeicher erreicht werde. Die Anzahl sei vielmehr – für den Fachmann erkennbar – dynamisch und davon abhängig, was an Flaschen und Kästen in welcher Zusammenstellung zugeführt werde.

Die Schuldnerin hat im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung beantragt,
I. die Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,

a) Kastenbahnen, wobei sich direkt neben der Kastenbahn auf gleicher Höhe mit der Kastenbahn eine Ablage befindet, auf der Zwischenspeicherkästen vorgesehen sind, mit einer Erkennungseinrichtung und mit einer Entnahmeeinrichtung für Flaschen, umfassend mehrere Greifer, wobei jeder Greifer einen Kolbenzylinderantrieb umfasst und wobei jeder Greifer einzeln ansteuerbar und vertikal verfahrbar ist,

in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen,
und/oder

b) Vorrichtungen, die zur Durchführung eines Verfahrens zum Aussortieren von Fehlflaschen aus einem auf einer Kastenbahn geförderten Flaschenkasten geeignet sind, wobei die Kastenbahn eine Entnahmeeinrichtung für Flaschen aufweist, umfassend mehrere Greifer, wobei zur Betätigung der Greifer ein Kolbenzylinderantrieb vorgesehen ist und wobei der Greifer einzeln ansteuerbar und einzeln vertikal verfahrbar ist, wobei die Fehlflaschen der mindestens einen Flaschensorte nach Erkennen durch eine Erkennungseinrichtung durch eine Entnahmeeinrichtung dem Kasten auf der Kastenbahn entnommen werden, wobei die entnommenen Fehlflaschen in mindestens einen weiteren zweiten Kasten eingestellt werden, der sich neben der Kastenbahn befindet, wobei der zweite Kasten als Zwischenspeicher dient, wobei nach einer bestimmten Anzahl von in dem Zwischenspeicherkasten gesammelten Fehlflaschen solche Fehlflaschen dem Zwischenspeicherkasten entnommenen und in einen Kasten auf der Kastenbahn durch die Entnahmeeinrichtung eingestellt werden, wobei dieser mit Fehlflaschen besetzte Kasten von der Kastenbahn ausgeschleust wird,

Abnehmern in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder zu liefern;

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es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,
a) Kastenbahnen, wobei sich direkt neben der Kastenbahn auf gleicher Höhe mit der Kastenbahn ein Pinolenfeld befindet mit einer Erkennungseinrichtung und mit einer Entnahmeeinrichtung für Flaschen, umfassend mehrere Greifer, wobei jeder Greifer einen Kolbenzylinderantrieb umfasst und wobei jeder Greifer einzeln ansteuerbar und vertikal verfahrbar ist,

in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen,
und/oder
b) Vorrichtungen, die zur Durchführung eines Verfahrens zum Aussortieren von Fehlflaschen aus einem auf einer Kastenbahn geförderten Flaschenkasten geeignet sind, wobei die Kastenbahn eine Entnahmeeinrichtung für Flaschen aufweist, umfassend mehrere Greifer, wobei zur Betätigung der Greifer ein Kolbenzylinderantrieb vorgesehen ist und wobei der Greifer einzeln ansteuerbar und einzeln vertikal verfahrbar ist, wobei die Fehlflaschen der mindestens einen Flaschensorte nach Erkennen durch eine Erkennungseinrichtung durch eine Entnahmeeinrichtung dem Kasten auf der Kastenbahn entnommen werden, wobei die entnommenen Fehlflaschen in ein Pinolenfeld eingestellt werden, das sich neben der Kastenbahn befindet, wobei das Pinolenfeld als Zwischenspeicher dient, wobei nach einer bestimmten Anzahl von in dem Pinolenfeld gesammelten Fehlflaschen solche Fehlflaschen dem Pinolenfeld entnommen und in einen Kasten auf der Kastenbahn durch die Entnahmeeinrichtung eingestellt werden, wobei dieser mit Fehlflaschen besetzte Kasten von der Kastenbahn ausgeschleust wird,

Abnehmern in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder zu liefern;

2. ihr – der Schuldnerin – unter Vorlage eines geordneten Verzeichnisses Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, im welchem Umfang sie – die Beklagte – die vorstehend zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 14. März 2007 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und –zeiten,

b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,

c) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,

d) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,

e) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

f) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftpflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;

3. gegenüber den gewerblichen Abnehmern die vorstehend zu 1. bezeichneten Vorrichtungen unter Hinweis darauf, dass das Gericht auf eine Verletzung des EP 1 445 XXX erkannt hat, und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Vorrichtungen wieder an sich zu nehmen;

4. an sie – die Schuldnerin – einen Betrag in Höhe von 14.139,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 8% über dem Basiszinssatz seit dem 21. Juni 2014 zu zahlen;

II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr – der Schuldnerin – allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die vorstehend zu I. 1. bezeichneten und seit dem 14. März 2007 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform und das bei ihr angewandte Sortierverfahren verletzten das Klagepatent nicht, sondern wiesen wesentliche Unterschiede zu der vom Klagepatent geschützten Lehre auf. Die angegriffene Ausführungsform unterscheide sich schon konzeptionell von der patentgemäßen Anlage, da diese anstelle einer einzigen Entnahmeeinrichtung mit einer der Flaschenzahl und –anordnung in den zu sortierenden Kästen entsprechenden Vielzahl von Greifern eine Vielzahl von Entnahmeeinrichtungen mit jeweils zwei Greifern aufweise. Dieses von der angegriffenen Ausführungsform verfolgte Konzept sei Gegenstand eigener, zum Teil noch unveröffentlichter deutscher und europäischer Patentanmeldungen der Beklagten, die unmittelbar vor der Erteilung stünden sowie dem kürzlich zugunsten der Beklagten erteilten Patent DE 10 2013 109 XXX B4, von dem die Beklagte eine Patentschrift im Termin zur mündlichen Verhandlung zu den Akten gereicht hat. Der Vorteil des Konzepts der angegriffenen Ausführungsform sei die – mit dem Klagepatent gerade nicht realisierbare – völlige Unabhängigkeit der Anlage von einer speziellen Kastengröße und die Minimierung des Verfahrensweges in Transportrichtung für jedes Greiferpaar.
In Bezug auf den Klagepatentanspruch 9 trägt die Beklagte vor, die angegriffene Ausführungsform weise weder eine Ablage, noch Zwischenspeicherkästen im Sinne von Anspruch 9 des Klagepatents auf. Das Merkmal Zwischenspeicherkästen sei dahingehend auszulegen, dass als Zwischenspeicher ein Flaschenkasten vorgesehen sein müsse. Für den Fall, dass die bei der angegriffenen Ausführungsform vorhandenen Pinolentische als Ablage und Zwischenspeicherkasten angesehen würden, befänden sich diese nicht – wie vom Klagepatent gefordert – direkt neben der Kastenbahn, da zwischen den Pinolentischen und der Kastenbahn eine ca. 30 cm breite Bande aus Edelstahl angeordnet sei, an deren äußerer Wand eine Reling zum Einhaken der Pinolentische angebracht sei. Zudem befänden sich der Boden der Pinolentische und die Kastenbahn nicht auf gleicher Höhe, wie dies vom Klagepatent gefordert werde. Schließlich sei nicht dargelegt, dass jeder der Greifer bei der angegriffenen Ausführungsform mit einem Kolbenzylinderantrieb ausgestattet ist.
Auch eine Verletzung des Klagepatentanspruchs 9 mit äquivalenten Mitteln scheide aus, da die bei der angegriffenen Ausführungsform verwendeten Pinolentische zu der im Klagepatent vorgesehenen Ablage mit Zwischenspeicherkästen kein naheliegendes, gleichwirkendes und gleichwertiges Austauschmittel darstellten.
Im Hinblick auf den Klagepatentanspruch 1 ist die Beklagte der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform stelle kein Mittel zur Durchführung des patentgemäßen Verfahrens dar, weil die entnommenen Fehlflaschen nicht in einen weiteren, zweiten Flaschenkasten eingestellt, sondern auf Pinolentischen abgestellt werden. Des weiteren würden bei der angegriffenen Ausführungsform die Fehlflaschen den Pinolentischen nicht nach einer bestimmten Anzahl von in dem Zwischenspeicher gesammelten Fehlflaschen entnommen und in einen Kasten auf der Kastenbahn eingestellt. Das Erfordernis in Anspruch 1 des Klagepatents, dass eine Vorgabe für die Anzahl der bis zum Umsetzen der zu sammelnden Flaschen gemacht, das Erreichen dieser Anzahl überwacht und bei ihrem Erreichen den Umsetzvorgang ausgelöst wird, sei bei der angegriffenen Ausführungsform gerade nicht erfüllt. Tatsächlich sei bei dem Verfahren der angegriffenen Ausführungsform das Erreichen einer vorgegebenen Flaschenzahl im Zwischenspeicher ein völlig untergeordnetes Kriterium und nicht das den Umsetzvorgang auslösende Ereignis.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, auf die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16. Juni 2015 (Bl. 107 f. d.A.) Bezug genommen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die Klage ist unbegründet. Die angegriffene Ausführungsform macht von der technischen Lehre des Klagepatents weder wortsinngemäß noch mit äquivalenten Mitteln Gebrauch.

I.
Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zum Aussortieren von Fehlflaschen aus einem auf einer Kastenbahn geförderten Flaschenkasten, sowie eine Entnahmevorrichtung, insbesondere zur Durchführung des beschriebenen Verfahrens.
Einleitend führt das Klagepatent aus, dass es beim Rücklauf von Pfandflaschen vermehrt zu einer Durchmischung der einzelnen Flaschenkästen mit Flaschen verschiedensten Ursprungs komme, da eine Vielzahl verschiedener Formen und Farben von (Leeergut-)Flaschen existiere. Bevor die Flaschen zum Waschen und nachfolgenden Wiederbefüllen gegeben werden, müsse deshalb dafür gesorgt werden, dass die Flaschenkästen ausschließlich mit sortenreinen Flaschen und ohne sog. Fehlflaschen oder Nichtproduktionsflaschen, die nicht befüllt werden können oder sollen, dem Leergutauspacker zugeführt werden.
Aus dem Stand der Technik sind zum Zwecke der Sortierung verschiedener Leergutflaschen verschiedene Verfahren und Vorrichtungen bekannt. Aus der DE 93 13 112 U ist ein Greiforgan für Packmaschinen zum Umsetzen von Flaschen bekannt. Hierbei ist die Funktion des Greiforgans durch einen die Gefäßfarbe erkennenden Sensor steuerbar, wobei der die Farbe des Gefäßes erkennende Sensor mit dem Greiforgan mitführbar sein soll. Die DE 25 34 183 C3 offenbart eine Vorrichtung zum Auspacken von Flaschen aus Kästen, wobei die Vorrichtung eine Steuereinrichtung mit Prüfelementen aufweist, um nur Flaschen einer bestimmten Größe bzw. Beschaffenheit zu ergreifen. Die DE 43 32 183 C3 beschreibt ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Sortieren von verschiedenartigen Gegenständen, und hier insbesondere Flaschen, die ebenfalls eine Erkennungseinrichtung aufweist, um Flaschen gleicher Art zu erkennen, und entsprechend aus den Sammelbehältern zu entnehmen. Aus der DE 198 28 765 A1 sind ein Verfahren und eine Vorrichtung zur selektiven Sortierung von Flaschen aus Kästen bekannt. Beschrieben wird ein Greifmechanismus zum Erfassen der Flaschen, der vorzugsweise mit Unterdruck arbeitet. Die EP 0 638 478 A1 beschreibt eine Vorrichtung zum Entnehmen von Flaschen aus Kästen, bei der wiederum nur Flaschen mit bestimmten Merkmalen aus dem entsprechenden Behälter entnommen werden sollen. Die nachveröffentlichte DE 102 44 804 B3 offenbart ein Verfahren zum Aussortieren von Fehlflaschen und eine Entnahmeeinrichtung zur Durchführung des Verfahrens. Des weiteren ist eine Sortiereinrichtung, z.B. aus der EP 0 569 689 A2 oder der DE 200 06 059 U1 bekannt, durch die in einem Kasten vorhandene Fehlflaschen nach Erkennung entnommen werden und auf Flaschenbändern abgestellt werden. Solche Flaschenbänder, die die Flaschen aufnehmen, befinden sich auf verschiedenen Ebenen. Beschrieben ist auch ein Auspacker mit Greiftulpen, die in dem Sinn einzeln ansteuerbar sind, das jede Greiftulpe eine Flasche erfasst. An den einzelnen Flaschenbahnen steht im Folgenden eine Vielzahl von Personen, um per Hand eine Sortierung der Flaschen nach den einzelnen Flaschenarten vorzunehmen.
An den aufgeführten bekannten Verfahren kritisiert es das Klagepatent als nachteilig, dass die Verfahren sehr aufwändig und entsprechend teuer sind.
Vor diesem Hintergrund formuliert es das Klagepatent als technische Aufgabe (Absatz [0011] des Klagepatents), ein Verfahren der zuvor genannten Art bereitzustellen, mit dem die Sortierung wesentlich preiswerter und auch schneller zu bewerkstelligen ist.
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent in seinem vorliegend geltend gemachten Anspruch 1 ein Verfahren mit folgenden Merkmalen vor:

1. Verfahren zum Aussortieren von Fehlflaschen aus einem auf einer Kastenbahn (1) geförderten Flaschenkasten,

2. die Kastenbahn (1) weist eine Entnahmeeinrichtung für Flaschen auf,

3. die Entnahmeeinrichtung umfasst mehrere Greifer,

3.1 zur Betätigung der Greifer ist ein Kolbenzylinderantrieb vorgesehen,
3.2 der Greifer ist einzeln ansteuerbar und einzeln vertikal verfahrbar,

4. die Fehlflaschen der wenigstens einen Flaschensorte werden durch eine Erkennungseinrichtung erkannt,

5. die Fehlflaschen werden sodann durch die Entnahmeeinrichtung dem Kasten (10) auf der Kastenbahn (1) entnommen,

6. die entnommenen Fehlflaschen (12) werden in mindestens einen weiteren zweiten Kasten (20) eingestellt,

6.1 der weitere zweite Kasten (29) befindet sich neben der Kastenbahn;
6.2 der weitere zweite Kasten (20) dient als Zwischenspeicher,

7. solche Fehlflaschen werden dem Zwischenspeicherkasten entnommen und in einen Kasten auf der Kastenbahn (1) durch die Entnahmeeinrichtung eingestellt;

7.1 dies erfolgt nach einer bestimmten Anzahl von in dem Zwischenspeicherkasten gesammelten Fehlflaschen (12),

8. dieser mit Fehlflaschen besetzte Kasten wird von der Kastenbahn ausgeschleust.

Das Klagepatent schlägt ferner in seinem Anspruch 9 eine Vorrichtung zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens mit folgenden Merkmalen vor:

1. Kastenbahn (1);

2. eine Ablage (2) befindet sich

2.1 direkt neben der Kastenbahn (1),
2.2 auf gleicher Höhe mit der Kastenbahn (1),

3. auf der Ablage (2) sind Zwischenspeicherkästen (20, 25) vorgesehen,

4. die Kastenbahn weist eine Erkennungseinrichtung auf,

5. die Kastenbahn weist eine Entnahmeeinrichtung für Flaschen auf,

6. die Entnahmeeinrichtung umfasst mehrere Greifer (70),

6.1 jeder Greifer (70) umfasst einen Kolbenzylinderantrieb (76),
6.2 jeder Greifer (70) ist einzeln ansteuerbar und einzeln vertikal verfahrbar.

II.
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht die technische Lehre der Ansprüche 1 und 9 des Klagepatents weder wortsinngemäß, noch mit äquivalenten Mitteln.

1.
In Bezug auf eine Verletzung von Anspruch 9 des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform stehen die Merkmale 2, 3 und 9 zwischen den Parteien im Streit. Jedenfalls eine Verwirklichung des Merkmals 3 durch die angegriffene Ausführungsform lässt sich nicht feststellen.

a.
Die angegriffene Ausführungsform macht von der technischen Lehre des Merkmals 3 keinen wortsinngemäßen Gebrauch. Sie verfügt nicht über Zwischenspeicherkästen im Sinne des Klagepatents.

aa)
Merkmal 3 setzt voraus, dass auf der Ablage der Vorrichtung Zwischenspeicherkästen vorgesehen sind. Dies bedeutet, dass auf der Ablage Flaschen-/Leergutkästen positioniert sein müssen, die als Zwischenspeicher bei der Sortierung der Leergutflaschen in sortenreine Kästen dienen.
Dieses Verständnis ergibt sich für den Fachmann aus dem Wortlaut des geltend gemachten Anspruchs des Klagepatents, der gem. § 14 Satz 1 PatG unter Heranziehung der Beschreibung und der Zeichnungen den Schutzbereich des Patents bestimmt. Der Begriff „Zwischenspeicherkasten“ beinhaltet die Vorgabe, dass ein „Kasten“ als Zwischenspeicher für die Leergutflaschen dient.
Das Klagepatent verwendet in seinem Anspruch den Begriff „Zwischenspeicherkasten“, ohne dass dieser Begriff in den Ansprüchen selbst oder in der Beschreibung näher definiert oder erläutert wird. Der Begriff „Kasten“ wird vom Klagepatent jedoch durchgängig in den Ansprüchen und der Beschreibung synonym mit dem Begriff „Flaschenkasten“ verwendet, so dass der Fachmann den Begriff des „Kastens“ ausschließlich als „Flaschenkasten“ verstehen wird. Das Klagepatent bezeichnet in Anspruch 1 den auf der Kastenbahn beförderten Leergutflaschenkasten einmal als „Flaschenkasten“ und in der Folge als „Kasten“. In gleicher Weise spricht das Klagepatent in Abs. [0012] und Abs. [0013] überwiegend von einem „Kasten“ auf der Kastenbahn, dem Fehlflaschen entnommen werden, und bezeichnet diesen vereinzelt als „Flaschenkasten“. Aufgrund der synonymen Verwendung der Begriffe „Flaschenkasten“ und „Kasten“ erkennt der Fachmann, dass das Klagepatent den Begriff „Kasten“ gleichbedeutend mit dem Begriff „Flaschenkasten“ ansieht. Dahingegen gibt das Klagepatent keinerlei Anhaltspunkt, dass mit dem Begriff „Kasten“ ein anderer Kasten als ein „Flaschenkasten“ gemeint sein könnte, da zum einen auf der Kastenbahn ausschließlich Flaschenkästen befördert, entleert und befüllt werden und keine sonstigen Kästen und das Klagepatent auch im Übrigen – außer den Flaschenkästen – keine weiteren Kästen beschreibt.
Die Klagepatentschrift gibt dem Fachmann keinen Anlass, den Begriff des Zwischenspeicherkastens auf einen – irgendwie ausgestalteten – Zwischenspeicher zu reduzieren, weil in diesem Fall die räumlich-körperliche Vorgabe des Anspruchs, dass gerade ein Kasten zur Zwischenspeicherung vorgesehen werden soll, gänzlich missachtet würde. Zwar bedarf es zur Erfüllung der Funktion des Zwischenspeicherkastens – Positionierung und Zwischenspeicherung der Leergutflaschen – nicht notwendigerweise eines Zwischenspeichers in der Form und Ausgestaltung eines Flaschenkastens bzw. Kastens. Vielmehr kann die Funktion auch durch eine andere Form des Zwischenspeichers erfüllt werden. Patentanspruch 9 setzt in seinem Merkmal 3 einen „Zwischenspeicherkasten“ voraus, worunter der Fachmann – wie ausgeführt – einen Flaschenkasten versteht. Auch wenn grundsätzlich eine funktionsorientierte Auslegung angebracht ist und Merkmale und Begriffe des Patentanspruchs regelmäßig so zu deuten sind, wie dies angesichts der ihnen nach dem offenbarten Erfindungsgedanken zugedachten technischen Funktion angemessen ist, darf die gebotene funktionale Betrachtung bei räumlich-körperlich definierten Merkmalen nicht dazu führen, dass ihr Inhalt auf die bloße Funktion reduziert und das Merkmal in einem Sinne interpretiert wird, der mit der räumlich-körperlichen Ausgestaltung, wie sie dem Merkmal eigen ist, nicht mehr in Übereinstimmung steht (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2014, 185, 187 – WC-Sitzgarnitur).
Darüber hinaus ergibt sich das dargestellte Verständnis auch in technischer Hinsicht und unter dem Blickwinkel der vom Klagepatent formulierten technischen Aufgabe, ein preiswerteres Sortierungsverfahren bereitzustellen. Denn bei einer Verwendung von Flaschenkästen als Zwischenspeicherkästen, die sowieso in einem Getränkeabfüllbetrieb vorhanden sind, entfällt – für den Fachmann erkennbar – die Notwendigkeit, technisch ggfs. aufwändigere und in der Herstellung teurere Zwischenspeichervorrichtungen zu bauen, zu installieren und zu warten.
Schließlich wird die dargelegte Auslegung des Merkmals 3 gestützt durch die im Klagepatent in den Figuren 1 a) – c) und 2 a) – c) gezeigten bevorzugten Ausführungsbeispiele, bei denen die mit der Bezugsziffer „25“ bezeichneten Zwischenspeicherkästen identisch mit den auf der Kastenbahn geförderten Flaschenkästen, welche die Bezugsziffer „10“ tragen, dargestellt und gezeichnet sind, wobei nicht verkannt wird, dass die zeichnerische Darstellung bevorzugter Ausführungsformen den Schutzumfang eines Patentanspruchs nicht beschränkt (BGH, GRUR 2008, 797 – Mehrgangnabe).

bb)
Ausgehend von diesem Verständnis verwirklicht die angegriffene Ausführungsform Merkmal 3 des Klagegebrauchsmusters nicht wortsinngemäß. Bei der angegriffenen Ausführungsform sind als Zwischenspeicher für die zu sortierenden Leergutflaschen keine Flaschenkästen, sondern ausschließlich neben der Kastenbahn angeordnete Pinolentische vorgesehen.

b.
Merkmal 3 des Patentanspruchs 9 wird auch nicht mit einem patentrechtlich äquivalenten Mittel verwirklicht. Denn das bei der angegriffenen Ausführungsform verwendete Austauschmittel – Pinolentische – erfüllt die technische Lehre des Merkmals 3 (in Kombination mit dem Merkmal 2 – Ablage) nicht in äquivalenter Weise.

aa)
Unter dem Gesichtspunkt der patentrechtlichen Äquivalenz kann eine vom Wortsinn abweichende Ausführungsform dann in den Schutzbereich einbezogen werden, wenn sie das der Erfindung zu Grunde liegende Problem mit abgewandelten, aber objektiv im Wesentlichen gleichwirkenden Mitteln löst (Gleichwirkung) und seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen, die abgewandelten Mittel als im Wesentlichen gleichwirkend aufzufinden (Naheliegen), wobei die Überlegungen, die der Fachmann anstellen muss, derart im Sinngehalt der im Schutzanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sein müssen, dass der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als eine der gegenständlichen Lösung gleichwertige Lösung in Betracht zieht (Gleichwertigkeit; zu allen Voraussetzungen: BGH GRUR 2002, 511, 512) – Kunststoffrohrteil; BGH GRUR 2002, 515, 518 – Schneidmesser I; BGH GRUR 2002, 519, 521 – Schneidmesser II; BGH GRUR 2002, 527, 529 – Custodiol II; BGH GRUR 2007, 410 415 f. – Kettenradanordnung; BGH GRUR 2004, 758, 760 – Flügelradzähler; BGH GRUR 2007, 959, 961 – Pumpeinrichtung; BGH GRUR 2007, 1059, 1063 – Zerfallszeitmessgerät; BGH GRUR 2012, 45 – Diglycidverbindung; zur Gleichwirkung: BGH GRUR 2015, 361, 362 – Kochgefäß). Der Schutzbereich des Patents wird auf diese Weise nach Maßgabe dessen bestimmt, was der Fachmann auf der Grundlage der erfindungsgemäßen Lehre als äquivalent zu erkennen vermag.
Für eine Gleichwertigkeit ist erforderlich, dass die Überlegungen, die der Fachmann anzustellen hat, um zu der gleichwirkenden Abwandlung zu gelangen, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sind, dass er die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als eine dieser technischen Lehre gleichwertige Lösung in Betracht zieht (BGH, GRUR 2002, 515 – Schneidmesser I; BGH, GRUR 2006, 313 – Stapeltrockner; BGH, GRUR 2011, 701 – Okklusionsvorrichtung; OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.11.2013 – 2 U 29/12 – WC-Sitzgelenk m. w. N.; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 6. Aufl., Rn. 75 m. w. N.; Rinken/ Kühnen in: Schulte, PatG, 9. Aufl., § 14 Rn. 65 m. w. N.). Für die Gleichwertigkeit genügt es nicht, wenn der Fachmann aufgrund seines Fachwissens die abgewandelte Lehre als technisch sinnvoll und in gleicher Weise zielführend wie die im Patentanspruch formulierte Lehre erkennt. Vielmehr müssen sich, da der Patentinhaber an die technische Lehre gebunden ist, die er unter Schutz hat stellen lassen (BGH, GRUR 2002, 511 – Kunststoffrohrteil), die Überlegungen des Fachmannes am Patentanspruch orientieren. Dieser ist in allen seinen Merkmalen nicht nur Ausgangspunkt, sondern maßgebliche Grundlage für die Überlegungen des Fachmanns (BGH, GRUR 1989, 205 – Schwermetalloxidationskatalysator; BGH, GRUR 2002, 515 – Schneidmesser I). Die technische Lehre des Patents ist dabei von ihm als sinnhaft hinzunehmen und darf bei der Suche nach einem gleichwirkenden Ersatzmittel in ihrer sachlichen Berechtigung nicht infrage gestellt werden. Zudem muss die angegriffene Ausführungsform in ihrer für die Merkmalsverwirklichung relevanten Gesamtheit – und nicht nur isoliert bezogen auf das abgewandelte Mittel – eine auffindbar gleichwertige Lösung darstellen (BGH, GRUR 2007, 959 – Pumpeneinrichtung).

Eine Benutzung mit äquivalenten Mitteln liegt nach diesen Grundsätzen vor, wenn der Patentanspruch und die zu seiner Auslegung heranzuziehende Beschreibung erkennen lassen, dass auch im Anspruch nicht ausdrücklich genannte Mittel in den Schutzbereich einbezogen werden sollen. Dies kann etwa bei einer erkennbar unvollständigen Formulierung des Anspruchs zu bejahen sein. Hingegen kommt eine äquivalente Benutzung nicht in Betracht, wenn sich aus dem Gesamtzusammenhang des Anspruchs ergibt, dass mit der Anspruchsformulierung eine bewusste Beschränkung auf ein bestimmtes Lösungsmittel vorgenommen werden soll. Hat sich der Anspruch in diesem Sinne nach Auslegung durch die Beschreibung auf eine bestimmte konkret umschriebene Lösung festgelegt, so liefe eine Abweichung von diesen Vorgaben darauf hinaus, die technische Lehre des Schutzrechts zu ändern. Das widerspricht jedoch dem auch im Rahmen der äquivalenten Benutzung geltenden Grundsatz, dass die im Wortsinn des Patentanspruches beschriebene technische Lehre als sinnhaft hingenommen werden muss (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.09.2013 – 2 U 26/13; Kühnen, aaO, Rn. 93).

bb)
Diese Voraussetzungen patentrechtlicher Äquivalenz liegen hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform nicht vor. Es kann dahinstehen, ob die objektive Gleichwirkung und das Naheliegen des Austauschmittels – Pinolentisch – zu bejahen sind. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die Tatsache, dass zugunsten der Klägerin lediglich ein Jahr nach der Erteilung des Klagepatents ein Gebrauchsmuster (DE 20 2004 005 XXX U1, Anlage B 4) für eine Einrichtung zum Speichern von Flaschen, die einen Pinolentisch vorsieht, gewährt worden ist, für ein Naheliegen des Pinolentischs als Austauschmittel zu einem Zwischenspeicherkasten spricht. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Umstand, dass zugunsten der Beklagten mit Datum vom 19. März 2015 ein Patent betreffend eine Flaschensortieranlage und ein Verfahren zum Sortieren von Flaschen (DE 10 2013 109 XXX B4) eingetragen worden ist, das nach dem Vortrag der Beklagten die angegriffene Ausführungsform erfasst, als ein gegen das Naheliegen des Austauschmittels zum Zwischenspeicherkasten sprechendes Indiz zu bewerten ist.

Denn es lässt sich jedenfalls nicht feststellen, dass der Fachmann orientiert am Sinngehalt der im Klagepatentanspruch 9 unter Schutz gestellten technischen Lehre den bei der angegriffenen Ausführungsform verwendeten Pinolentisch als eine dieser technischen Lehre gleichwertige Lösung in Betracht zieht.

Das Klagepatent schützt in seinem Vorrichtungsanspruch 9 einen Zwischenspeicher für die Fehlflaschen in Form eines Flaschenkastens. Charakteristisch für den als Zwischenspeicher vorgesehenen Flaschenkasten ist, dass er eine kostengünstige und naheliegende Möglichkeit einer Zwischenspeichereinrichtung für die dem auf der Kastenbahn geförderten Flaschenkasten entnommenen Fehlflaschen bietet, weil er im Abfüllbetrieb ohnehin vorhanden ist und zudem gewährleistet ist, dass die Fehlflaschen passgenau und relativ bruchsicher in die Ausnehmungen des Flaschenkastens eingestellt werden können. Im Falle eines Defekts ist der Flaschenkasten zudem schnell und kostengünstig durch einen anderen Flaschenkasten austauschbar. Im Gegensatz dazu stehen Pinolentische, bei denen es sich um eigens gefertigte und fest installierte Unterbauten aus Edelstahl handelt, deren Oberseite mit einer Vielzahl senkrecht stehender, geordneter Pinolen, d.h. angespitzter Kunststoffstäbe bewehrt ist, zwischen denen die den Kästen auf der Kastenbahn entnommenen Flaschen einsetzbar sind.

Es ist denkbar und möglich, dass der Fachmann dank seines Fachwissens und gestützt auf den Stand der Technik grundsätzlich in der Lage war, die Ausgestaltung des Zwischenspeicherkastens als Pinolentisch aufzufinden, weil ihm ein Pinolentisch – wie die Klägerin vorträgt – zur Halterung von Gegenständen bekannt war. Hierfür findet er jedoch – was Voraussetzung für die erforderliche Gleichwertigkeit wäre – keinen Anhalt im vorliegend maßgeblichen Patentanspruch. Dieser lehrt den Fachmann nicht nur, dass die den Flaschenkästen auf der Kastenbahn entnommenen Flaschen einem Zwischenspeicher zugeführt werden. Vielmehr gibt Patentanspruch 9 die Ausgestaltung des Zwischenspeichers (Zwischenspeicherkasten) konkret vor. Mit diesem im Patentanspruch aufgenommenen Merkmal verbindet der Fachmann zwangsläufig einen technischen Sinn. Denn allein die Aufnahme des Begriffs „Kasten“ in den Patentanspruch zeigt, dass dieser für die technische Nacharbeitbarkeit der Lehre von wesentlicher Bedeutung ist. Allein darauf abzustellen, dass irgendein Vorrichtungsteil die Funktion des Zwischenspeichers wahrnimmt, würde dem nicht gerecht. Die vom Klagepatent gelehrte Ausgestaltung des Zwischenspeichers wäre bei dieser Betrachtung ohne technische Bedeutung. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit ist eine solche Bedeutung einem in den Patentanspruch aufgenommenen Merkmal aber auch dann zuzuweisen, wenn der Fachmann der Patentbeschreibung einen konkreten Vorteil in Bezug auf dieses Merkmal nicht entnehmen kann. In einem derartigen Fall wird er sich mangels abweichender Erkenntnisse im Zweifel eng an die Vorgabe des Patentanspruchs halten (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 7. Auflage 2014, Rn. 95 unter Hinweis auf LG Düsseldorf, Urteil vom 31.05.2005 – 4b O 210/04).
Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass der Fachmann seine Äquivalenzüberlegungen nur an der nach dem Wortlaut von Patentanspruch 9 gelehrten Art des Zwischenspeichers ausrichten wird. Charakteristisch für den Zwischenspeicher ist danach, dass er durch einen Flaschenkasten gebildet wird, der im Getränkeabfüllbetrieb bereits vorhanden ist und auch für den Transport der Leergutflaschen auf der Kastenbahn genutzt wird.

2.
Die Beklagte verletzt durch das Anbieten und Liefern der angegriffenen Ausfüh-rungsform in Deutschland auch nicht mittelbar die technische Lehre von Anspruch 1 des Klagepatents, § 10 PatG.
Die angegriffene Ausführungsform ist kein Mittel, das sich auf ein wesentliches Ele¬ment der Erfindung bezieht. Sie ist nicht objektiv dazu geeignet, sämtliche Merk-male des Klagepatents entweder wortsinngemäß oder in äquivalenter Weise zu verwirklichen. Zwischen den Parteien ist – zu Recht – ausschließlich streitig, ob die angegriffene Ausführungsform geeignet ist, die Merkmale 3.1, 6 und 7 zu erfüllen. Jedenfalls eine Eignung zur Verwirklichung des Merkmals 6 lässt sich weder wortsinngemäß, noch im Wege einer äquivalenten Verwirklichung feststellen.

a.
Merkmal 6 setzt voraus, dass die entnommenen Fehlflaschen in mindestens einen weiteren zweiten Kasten eingestellt werden, wobei sich – Merkmal 6.1 – der weitere zweite Kasten neben der Kastenbahn befindet und – Merkmal 6.2 – der weitere zweite Kasten als Zwischenspeicher dient. Dies bedeutet, dass nach dem in Anspruch 1 vorgesehenen Verfahren die den auf der Kastenbahn geförderten Flaschenkästen entnommenen Flaschen in einen zweiten Flaschenkasten eingestellt werden sollen, der sich neben der Kastenbahn befindet und als Zwischenspeicher für die Leergutflaschen dient. Dass der in Merkmal 6 verwendete Begriff „Kasten“ dahingehend auszulegen ist, dass das Klagepatent damit einen Flaschenkasten bezeichnet, ergibt sich aus der oben bereits dargelegten Auslegung des Patentanspruchs 9. Für den Fachmann ergeben sich auch keinerlei Hinweise, dass der in Merkmal 6 von Anspruch 1 verwendete Begriff des „Kastens“ abweichend von dem in Anspruch 9 verwendeten Begriff des „Zwischenspeicherkastens“ zu verstehen ist. Vielmehr stützt und bestätigt der Wortlaut von Merkmal 6 das Verständnis, dass das Klagepatent mit einem „weiteren zweiten Kasten“ einen Flaschenkasten bezeichnet, der neben der Kastenbahn positioniert als Zwischenspeicher für die dem Flaschenkasten auf der Kastenbahn entnommenen (Fehl-)Flaschen dient. Denn Anspruch 1 beschreibt in Merkmal 5 zunächst, dass nach dem Verfahren gemäß Patentanspruch 1 die Fehlflaschen dem Kasten auf der Kastenbahn entnommen werden, um dann – Merkmal 6 – in mindestens einen weiteren zweiten Kasten eingestellt zu werden. Aus der Bezeichnung des Kastens in Merkmal 6 als „weiteren zweiten Kasten“ ergibt sich für den Fachmann aus dem Zusammenhang mit dem Wortlaut von Merkmal 5, dass der in Merkmal 6 bezeichnete Kasten der gleiche wie der in Merkmal 5 bezeichnete „erste“ Kasten sein soll und somit ein zweiter, weiterer „Flaschenkasten“ gemeint ist.

b.
Die angegriffene Ausführungsform ist auch nicht geeignet, Merkmal 6 mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln zu verwirklichen. Denn die bei der angegriffenen Ausführungsform als Zwischenspeicher vorgesehenen Pinolentische stellen kein äquivalentes Mittel zu dem in Merkmal 6 genannten „weiteren zweiten Kasten“ dar. Da der in Merkmal 6 bezeichnete Kasten dem in Merkmal 3 von Patentanspruch 9 genannten „Zwischenspeicherkasten“ entspricht, kann zur Begründung insoweit im Wesentlichen auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Zudem verdeutlicht der Wortlaut von Anspruch 1 – „weiterer zweiter Kasten“ – in besonderer Weise, dass das Klagepatent als Zwischenspeicher gerade einen solchen Kasten vorsehen und nutzen will, der sowieso im Getränkeabfüllbetrieb vorhanden ist und der den Kästen entspricht, in dem die Leergutflaschen auch auf dem Kastenband befördert werden und in welche die Flaschen im Rahmen der Sortierung eingebracht werden und der Fachmann somit, ausgehend vom Klagepatentanspruch, keinen Anhalt für die Verwendung eines vom Flaschenkasten abweichenden Zwischenspeichers findet.

III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 Satz 1 ZPO.

Der Streitwert wird auf 1.000.000,00 € festgesetzt.