4b O 207/08 – Wasserstoffbeseitigung (Arbeitnehmererf.)

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1125

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 19. Februar 2009, Az. 4b O 207/08

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist für die Beklagte vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
IV. Der Streitwert wird auf EUR 16.000 festgesetzt.

T a t b e s t a n d

Der Kläger war in der Zeit von 1973 bis Ende 1998 als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Beklagten tätig. Der Kläger tätigte während des Arbeitsverhältnisses eine Diensterfindung betreffend eine Vorrichtung zur Beseitigung von Wasserstoff. Auf diese Diensterfindung geht das Patent DE 36 04 XXX C2 zurück, welches am 12.02.1986 angemeldet und am 19.4.1990 eingetragen wurde. Auf dem Deckblatt der zugehörigen Patentschrift ist unter anderem der Kläger als Erfinder ausgewiesen.
Auf Antrag des Klägers vom 21.07.1986 (Anlage B 2) wurde zwischen den Parteien wegen Streitigkeiten über eine etwaige Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Vergütung für die oben genannte Diensterfindung ein Schiedsverfahren vor dem DPMA (Az.: Arb.Erf. 62/XX) eröffnet.
In Januar 1987 übertrug die Beklagte ihren Rechtsanteil an der Diensterfindung einschließlich der Patentanmeldung und des Rechts auf die Einreichung von gleichlautenden Nachanmeldungen im Ausland unentgeltlich auf die Kernforschungsanlage A GmbH und räumte dieser das Recht ein, die Erfindung gewerbsmäßig zu nutzen (Anlage B 5). Ebenfalls im Jahre 1987 gab die Beklagte dem Kläger die Diensterfindung für die in der europäischen Patentanmeldung nicht genannten ausländischen Staaten unter dem Vorbehalt teilweise frei, dass die Beklagte dort das nicht ausschließliche Recht zur Benutzung der Diensterfindung gemäß § 14 Abs. 3 ArbEG ausüben durfte.
Das DPMA unterbreitete den Parteien am 17.09.1991 im oben genannten Schiedsverfahren einen Einigungsvorschlag (Anlage K 1), den die Parteien nicht widerriefen. Am 26.01.1999 trafen die Parteien eine aus der Anlage B 7 näher ersichtliche Vereinbarung über eine freie Mitarbeit des Klägers.

Nachdem die Diensterfindung zu keinem Zeitpunkt einer industriellen Verwertung hatte zugeführt werden können, gab die Beklagte diese mit Schreiben vom 27.07.2006 auf.

Der Kläger meint, ihm stehe im Hinblick auf den Einigungsvorschlag des DPMA jedenfalls ab dem Jahre 1997 ein Vergütungsanspruch zumindest in Höhe der Klageforderung zu, weil die Beklagte das Patent DE 3604XXX C2 als Vorratspatent gehalten habe und ihm „auch für weitere im Rahmen des Arbeitsverhältnisses realisierte Dienstpatente (Anlage K 3)“ eine Vergütung zustehe. Er behauptet, die Beklagte habe das Patent DE 3604XXX C2 unbeschränkt in Anspruch genommen. Mit der Vereinbarung über eine freie Mitarbeit „habe die Beklagte eine entsprechende Vergütungsverpflichtung für das Vorratspatent verhindern wollen“; seine Arbeitskraft sei nämlich zu keinem Zeitpunkt abgerufen worden. Mit Schriftsatz vom 27.01.2009, beim Landgericht Düsseldorf eingegangen am 06.02.2009, hat der Kläger behauptet, „alleiniger Erfinder an den hier 28 streitgegenständlichen Patenten gemäß Auflistung der Patente und deren Erfinder sowie der teilweise zusätzlichen Patente … zu sein“ und hierzu auf die Anlage 1 dieses Schriftsatzes verwiesen.

Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 16.000 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.03.2008 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, der Kläger habe im Zusammenhang mit seiner freien Mitarbeit Vergütung für insgesamt 119 Arbeitsstunden verlangt. Sie beruft sich hilfsweise auf die Einrede der Verjährung.

Die Kammer hat dem Kläger im Termin vom 15.01.2009 die aus Seite 2 des Terminsprotokolls (Blatt 40 d.A.) näher ersichtlichen Hinweise erteilt und ihm eine Stellungnahmefrist von zwei Wochen gewährt.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst der zugehörigen Anlagen verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt der mit der Klage geltend gemachte Vergütungsanspruch zu.

I.
1)
Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung einer Vergütung für die streitgegenständlichen Diensterfindungen ergibt sich insbesondere nicht aus dem nicht widerrufenen Einigungsvorschlag des DPMA gemäß Anlage K 1.

Vielmehr lautete der Tenor des Einigungsvorschlages wie folgt:

„Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass an den Antragsteller I (Anm.: = Kläger) für seinen Anteil als Miterfinder an der Diensterfindung, welche Gegenstand des deutschen Patents Nr. 36 04 XXX … ist, derzeit keine Vergütung von der Antragstellerin II (Anm.: = Beklagte) zu zahlen ist.“

a)
Auf diesen Einigungsinhalt lässt sich der vom Kläger geltend gemachte Anspruch selbst für die das Patent DE 3604XXX C2 betreffende Diensterfindung aus mehreren Gründen nicht stützen:

Zum einen lässt der Kläger unberücksichtigt, dass der Vorschlag bereits in zeitlicher Hinsicht auf Ansprüche bis 1991 beschränkt ist, so dass der hier streitgegenständliche Zeitraum ab 1997 von der Einigung der Parteien gar nicht erfasst ist.

Vor allem aber einigten die Parteien sich darauf, dass die Beklagte derzeit nicht zu einer Vergütung verpflichtet sei. Die Einschränkung „derzeit“ bedeutet auch nicht etwa, dass die Beklagte für die Zukunft vertraglich verbindlich eine Vergütung zusagte. Soweit das DPMA in der Begründung seines Einigungsvorschlages erläuterte, unter welchen Bedingungen für die Zukunft ein Anspruch des Klägers bestehe, sind diese Ausführungen erkennbar nicht Bestandteil der konkret erzielten Einigung, die – wie ausgeführt – nur die Zeit bis 1991 erfasste.

b)
Erst recht kann die Einigung im Schiedsverfahren keine Grundlage für die weiteren streitgegenständlichen Diensterfindungen sein. Denn Gegenstand des Schiedsverfahrens war ausschließlich die Frage einer Vergütung für die technische Lehre des Patents DE 3604XXX C2.

2)
Der mit der Klage geltend gemachte Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 9 ArbEG.

Der Klägervortrag erlaubt nämlich jedenfalls nicht die tatrichterliche Feststellung der für die Ermittlung der Vergütungshöhe relevanten Tatsachen.

a)
Dies gilt zunächst für die Diensterfindung betreffend das Patent DE 3604XXX C2.

Nach § 9 Abs. 2 ArbEG ist für die Angemessenheit der Vergütung in erster Linie die wirtschaftliche Verwertbarkeit der Diensterfindung maßgeblich. Unstreitig war die Diensterfindung nicht wirtschaftlich verwertbar, weshalb der Kläger selbst auch nur eine Vergütung als sog. Vorratspatent geltend macht. Eine wirtschaftliche Verwertung dieses Patents kann namentlich nicht in der unentgeltlichen Übertragung der Diensterfindung an die Kernforschungsanlage A GmbH gesehen werden (vgl. die zutreffenden Ausführungen im Einigungsvorschlag der Schiedsstelle, Anlage K 1, Seite 8 f.).

Unter Vorratspatenten versteht man Patente für solche Erfindungen, die im Erteilungszeitpunkt noch nicht verwertet werden oder noch nicht verwertbar sind, mit deren späterer Verwertung oder Verwertbarkeit aber zu rechnen ist (vgl. RL 21). Auch nach Erteilung eines Schutzrechts bleibt dem Arbeitgeber noch eine gewisse Überlegungsfrist (Prüfungs- und Erprobungsphase), innerhalb derer mangels anderweitiger Anhaltspunkte aus der bloßen Aufrechterhaltung des Schutzrechts noch kein Rückschluss auf ein Vorratspatent gerechtfertigt ist (vgl. RL 23). Die Schiedsstelle hat in ständiger Praxis grundsätzlich einen Zeitraum von 7 Jahren ab Patentanmeldung im Hinblick auf RL Nr. 21 und RL Nr. 23 vergütungsfrei gelassen (vgl. die Nachweise bei Bartenbach/Volz, ArbEG, 4. Auflage, Fn 634). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe stünde dem Kläger zwar für das Patent DE 36 04 XXX ab dem Jahre 1993 (nämlich 7 Jahre nach der Anmeldung im Jahre 1986) eine Vergütung für die Nutzung als Vorratspatent zu – denn unstreitig gingen beide Parteien seinerzeit noch davon aus, dass die Erfindung verwertbar sei bzw. eine Verwertbarkeit noch erzielt werden könne.

Jedoch hat der Kläger trotz der Hinweise gemäß Seite 2 des Protokolls des Sitzungstermins vom 15.01.2009 nicht diejenigen tatsächlichen Umstände dargetan, deren Kenntnis die Kammer für die Ermittlung der Vergütungshöhe benötigt. Hinsichtlich der gem. RL Nr. 21 Abs. 2 zu schätzenden Höhe einer Vorratsvergütung ist es überzeugende Praxis der Schiedsstelle, welcher sich die Kammer insoweit anschließt, ab dem 8. bis grundsätzlich zum 13. Laufjahr eines Patents einen mit dem Anteilsfaktor zu multiplizierenden jährlichen Erfindungswert von 1.250 DM (639,11 €) zu vergüten (siehe die Nachweise bei Bartenbach/Volz, a.a.O., § 9 Rn 207). Soweit die Prozessbevollmächtigte des Klägers im Termin vorgetragen hat, dem Kläger stehe ein Anteilsfaktor in Höhe von 100 % zu, verkennt dies, dass der Anteilsfaktor nicht dem Erfinderanteil entspricht; der Anteilsfaktor trägt vielmehr dem Umstand Rechnung, dass eine Diensterfindung aufgrund betrieblicher Arbeiten oder Kenntnisse gefunden und der Betrieb den Erfinder mit technischen Hilfsmitteln unterstützt. Zum Anteilsfaktor enthält auch der – nach Ablauf der im Anschluss an die oben genannten Hinweise gewährten Schriftsatzfrist von zwei Wochen bei Gericht eingegangene – Schriftsatz vom 27.01.2009 keine weitergehenden Darlegungen.

b)
Die vorhergehenden Ausführungen gelten entsprechend für die geltend gemachten Vergütungsansprüche betreffend alle weiteren – in Anlage 1 zum Schriftsatz vom 27.01.2009 aufgelisteten – Diensterfindungen.

3)
Im Übrigen sind sämtliche etwaigen Ansprüche des Klägers für die Zeit bis einschließlich Ende 2004 nicht durchsetzbar, weil insoweit die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung erfolgreich ist (§ 214 BGB).

Gem. Art. 229, § 6 Abs. 4 EGBGB gilt die neue hier maßgebliche Verjährungsfrist von 3 Jahren ab Schluss des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist und in dem der Arbeitnehmer zugleich von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB) auch für bis zum 31.12.2001 bereits entstandene Arbeitnehmervergütungsansprüche, und zwar beginnend mit dem 01.01.2002. Die nach altem Recht maßgebliche Verjährungsfrist von 30 Jahren gem. § 195 a.F. BGB war länger und lief vorliegend auch nicht vor der neuen Verjährungsfrist ab. Demnach begann die Verjährung der Ansprüche des Klägers für die Jahre 1997 bis 2001 am 01.01.2002 und endete am 31.12.2004. Vergütungsansprüche für die Jahre 2002, 2003 und 2004 verjährten jeweils am 31.12. der Jahre 2005, 2006 bzw. 2007. Die im Juni 2008 erhobene Klage hemmte die Verjährung folglich nicht.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, S. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

Der Schriftsatz des Klägers vom 27.01.2009 gab keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.