4b O 213/09 – Blutgefäßschließer III

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1318

Landgericht Düsseldorf
Schlussurteil vom 18. Dezember 2009, Az. 4b O 213/09

I.
Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Verfügungsverfahrens.

II.
Das Urteil ist wegen der Kosten für die Verfügungsbeklagten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

III.
Der Streitwert wird auf 1.000.000 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents EP 0 808 XXX („Verfügungspatent“, Anlage Ast 5), welches eine Priorität vom 08.07.1994 in Anspruch nimmt und dessen Erteilung am 05.10.2005 veröffentlicht wurde. Mit Urteil vom 06.10.2009 wies das Bundespatentgericht die gegen das Verfügungspatent gerichtete Nichtigkeitsklage ab und bestätigte das Verfügungspatent in vollem Umfang (vgl. Protokoll gemäß Anlage Ast 7).

Die Ansprüche 1 und 16 des Verfügungspatents lauten in deutscher Übersetzung (DE 695 34 XXX, Anlage Ast 6):

1.
Kollabierbare medizinische Vorrichtung (60), umfassend ein aus geflochtenen Metalllitzen gebildetes Metallgewebe, wobei die Vorrichtung (60) eine kollabierte Konfiguration zur Zuführung durch einen Kanal in einem Patienten hat und eine allgemein hantelförmig entfaltete Konfiguration mit zwei Teilen mit erweitertem Durchmesser (64) hat, die durch einen zwischen entgegengesetzten Enden der Vorrichtung gebildeten Teil mit reduziertem Durchmesser (62) getrennt sind,

d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t,

dass Klemmen (15) zum Festklemmen der Litzen an den entgegengesetzten Enden der Vorrichtung ausgeführt sind.

16.
Verfahren zum Herstellen einer medizinischen Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei das Verfahren die folgenden Schritte umfasst:

(a) Bereitstellen eines Metallgewebes, das aus einer Mehrzahl von geflochtenen Litzen gebildet ist, wobei die Litzen aus einem Metall hergestellt werden, das wärmebehandelt werden kann, um im Wesentlichen eine gewünschte Form festzulegen;

(b) Verformen des Metallgewebes, damit es allgemein einer inneren Wandfläche eines Formelements entspricht;

(c) Wärmebehandeln des Metallgewebes in Kontakt mit der Oberfläche des Formelements bei einer erhöhten Temperatur, wobei die Temperatur und die Dauer der Wärmebehandlung ausreichen, um die Form des Gewebes in seinem verformten Zustand im Wesentlichen festzulegen;

(d) Entfernen des Metallgewebes aus dem Kontakt mit dem Formelement und

(e) Festklemmen der entgegengesetzten Enden der Litzen der Vorrichtung mit Klemmen.

Die Verfügungsbeklagte zu 1), eine Gesellschaft schwedischen Rechts, vertreibt sämtliche Produkte der deutschen A GmbH. Der Geschäftsführer der A GmbH ist Mitglied der Geschäftsführung der Verfügungsbeklagten zu 1). Die Verfügungsbeklagte zu 2) ist Geschäftsführerin der Verfügungsbeklagten zu 1).

Im Rahmen einer Auskunftserteilung und Rechnungslegung der A GmbH erfuhr die Verfügungsklägerin, dass die Verfügungsbeklagte zu 1) „B“ A nach Deutschland geliefert hatte. Die Verfügungsbeklagte zu 1) gab am 17.08.2009 die aus der Anlage Ast 4 ersichtliche Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ab, welche – im Hinblick auf die am 06.10.2009 zu erwartende Entscheidung des Bundespatentgerichts im Nichtigkeitsverfahren – bis zum 15.10.2009 befristet war.

Die Verfügungsbeklagten boten A des Typs „B“ und des Typs „B“ auf ihrer Webseite www.A.com anschließend weiterhin auch in Deutschland an (vgl. Webseiten-Auszug vom 22.10.2009, Anlage Ast 9).

Mit Schriftsatz vom 02.11.2009 hat die Verfügungsklägerin – ohne vorherige Abmahnung der Verfügungsbeklagten – im Wege einer einstweiligen Verfügung Ansprüche auf Unterlassung und Vernichtung geltend gemacht. Mit Schriftsatz vom 11.11.2009 haben die Verfügungsbeklagten diese Ansprüche – unter Verwahrung gegen die Kostenlast – vollumfänglich anerkannt. Daraufhin hat die Kammer am 27.11.2009 im schriftlichen Verfahren ein entsprechendes Teilanerkenntnisurteil erlassen (Blatt 43 ff. d.A.).

Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, die Verfügungsbeklagten müssten die Kosten des Verfahrens tragen. Die Voraussetzungen des § 93 ZPO seien nicht erfüllt, insbesondere sei vor Antragstellung auch keine Abmahnung der Verfügungsbeklagten erforderlich gewesen.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

den Verfügungsbeklagten die Verfahrenskosten aufzuerlegen.

Die Verfügungsbeklagten beantragen,

der Verfügungsklägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Verfügungsbeklagten meinen, die Verfügungsklägerin habe gemäß § 93 ZPO analog die Verfahrenskosten zu tragen, da sie keine Veranlassung für die Einleitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens gegeben hätten.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach dem zur Hauptsache ergangenen Teilanerkenntnisurteil der Kammer vom 27.11.2009 allein noch durch Schlussurteil zu treffende Kostenentscheidung war gemäß § 93 ZPO, der auch im einstweiligen Verfügungsverfahren anwendbar ist (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 27. Auflage, § 93 Rn 6, „einstweilige Verfügung“, m.w.N.), zulasten der Verfügungsklägerin zu treffen.

I.

Wie die Verfügungsklägerin zu Recht nicht in Abrede stellt, haben die Verfügungsbeklagten die streitgegenständlichen Ansprüche „sofort“ i.S.v. § 93 ZPO anerkannt, indem das Anerkenntnis bereits mit Schriftsatz vom 11.11.2009 und damit innerhalb der bis zum 17.11.2009 gewährten Stellungnahmefrist zum Antrag der Verfügungsklägerin erfolgte.
Die Verfügungsbeklagten hatten der Verfügungsklägerin vorprozessual auch keine „Veranlassung zur Klageerhebung“ i.S.v. § 93 ZPO gegeben. Für die Verfügungsklägerin bestand aufgrund des vorprozessualen Verhaltens der Verfügungsbeklagten kein Anlass zur Annahme, sie könne ihre Rechte nur durch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung durchsetzen.
Veranlassung zur Klageerhebung gibt ein Beklagter grundsätzlich nur dann, wenn er dem Begehren des Klägers auf dessen vorgerichtliche Abmahnung hin keine Folge leistet. Um der Kostenfolge des § 93 ZPO zu entgehen, obliegt es dem Kläger vor Einleitung eines Rechtsstreits oder – wie hier – eines einstweiligen Verfügungsverfahrens, den Beklagten abzumahnen. Entbehrlich ist eine vorherige Abmahnung ausnahmsweise nur dann, wenn eine solche – bei Anlegung eines objektiven Maßstabes – im Zeitpunkt der Entscheidung über das „ob“ einer Abmahnung unzumutbar ist (OLG Düsseldorf, InstGE 2, 237 – Turbolader II).

In Bezug auf patentrechtliche Unterlassungs- und Vernichtungsansprüche lässt sich eine Unzumutbarkeit lediglich bejahen, wenn

– die mit einer vorherigen Abmahnung notwendig verbundene Verzögerung unter Berücksichtigung der gerade im konkreten Fall gegebenen außergewöhnlichen Eilbedürftigkeit schlechthin nicht mehr hinnehmbar ist, etwa um besonderen Schaden vom Kläger abzuwenden, oder

– sich dem Kläger bei objektiver Sicht der Eindruck geradezu aufdrängen musste, der Verletzer baue auf die grundsätzliche Abmahnpflicht und wolle sich diese zunutze machen, um mindestens eine Zeit lang die Verletzungshandlungen begehen zu können und sich gegebenenfalls nach damit erzieltem wirtschaftlichen Erfolg unter Übernahme vergleichsweise niedriger Abmahnkosten zu unterwerfen (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.; vgl. OLG Hamburg NJWE WettbR 1996, 93).

Die tatrichterliche Feststellung derartiger tatsächlicher Umstände lässt der Vortrag der Verfügungsklägerin nicht zu. Ihr Vorbringen lässt nicht erkennen, dass es nicht zumindest möglich gewesen wäre, die Verfügungsbeklagten beispielsweise mittels E-Mail, Telefax pp. unter Setzung einer kurzen Frist (vgl. zu dieser Möglichkeit Kühnen/Geschke, Die Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 4. Auflage, Rn 452) abzumahnen. Insbesondere lässt sich auf folgende von der Verfügungsklägerin geltend gemachte Gesichtspunkte keine Unzumutbarkeit stützen:

1)
Es kann im hier interessierenden Zusammenhang offen bleiben, ob den Verfügungsbeklagten – was diese in Abrede stellen – eine vorsätzliche Patentverletzung zur Last fällt. Denn der Umstand, dass jemand ein Patent aus Sicht des Klägers vorsätzlich missachtet, macht eine Abmahnung nicht entbehrlich (OLG Düsseldorf, a.a.O; OLG Oldenburg, NJW-RR 1990, 1330; anderer Ansicht OLG Frankfurt a.M., GRUR 1988, 312). Zum einen vermag die Vorsätzlichkeit eines Verstoßes nichts darüber auszusagen, wie ein Beklagter sich verhalten wird, wenn ihm eine Abmahnung zugeht, und ob sich auf diese Weise nicht doch ein gerichtliches Verfahren vermeiden lässt. Zum anderen handelt es sich insoweit nicht um ein taugliches Abgrenzungskriterium, weil es sich um subjektive Elemente handelt, die ein Kläger demzufolge kaum erkennen kann.

2)
Der Hinweis der Verfügungsklägerin auf den Parallelrechtsstreit gegen die Verfügungsbeklagte zu 1) in Schweden (vgl. den Klageantrag gem. Anlage Ast 11) verfängt nicht. Im vorliegenden Verfahren sind naturgemäß allein Benutzungshandlungen in Deutschland von Bedeutung. Ein automatischer Schluss, dass jemand, welcher im Ausland trotz eines dort anhängigen Rechtsstreits Benutzungshandlungen fortsetzt, sich nicht durch eine Abmahnung wegen Benutzungshandlungen in Deutschland beeindrucken lassen werde, verbietet sich. Denn die Beantwortung der Frage, ob man sich einem Prozessrisiko unterwerfen möchte, hängt regelmäßig von zahlreichen Faktoren ab, die von Staat zu Staat eine ganz unterschiedliche Bedeutung haben können. Wie die Verfügungsbeklagten unwidersprochen vorgebracht haben, legten beispielsweise Gerichte in England, in den Niederlanden und in Spanien das Verfügungspatent anders aus als die Kammer (vgl. Urteil gem. Anlage Ast 1) und der Patentsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf (vgl. Urteil gem. Anlage Ast 2), die in parallelen deutschen Rechtsstreitigkeiten im Sinne der hiesigen Verfügungsklägerin entschieden. Vor diesem Hintergrund ist es gerade nicht ausgeschlossen, dass die Verfügungsbeklagten in Kenntnis der Rechtsprechung deutscher Gerichte zum Verfügungspatent auf eine entsprechende Abmahnung hin eine – erneute (vgl. dazu sogleich) – strafbewehrte Unterlassungserklärung für das Territorium der Bundesrepublik Deutschland abgegeben hätten.

3)
Auch das Argument der Verfügungsklägerin, die Verfügungsbeklagte zu 1) habe eine unzureichende Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung (Anlage Ast 4) abgegeben, ist nicht geeignet, die Unzumutbarkeit einer Abmahnung zu begründen.
In diesem Zusammenhang ist zunächst zu beachten, dass – in Bezug auf die Frage der Eignung zur Beseitigung einer Wiederholungsgefahr – eine zeitliche Befristung eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung nicht per se unzulässig macht. Entscheidend ist insoweit, ob die abgegebene Erklärung ernst gemeint ist und sich der Erklärende an diese rechtsverbindlich halten will. So ist es beispielsweise anerkannt, dass eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung an die auflösende Bedingung der bestandskräftigen Vernichtung des geltend gemachten Schutzrechts geknüpft werden kann, ohne dass dadurch deren Ernsthaftigkeit in Frage gestellt ist (Schulte/Kühnen, Patentgesetz mit EPÜ, 8. Auflage, § 139 Rn 46).
Vor diesem Hintergrund vermag der Umstand, dass die Verfügungsbeklagte zu 1) ihre Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung zeitlich auf einen Zeitpunkt befristete, der nach der zu erwartenden Entscheidung des Bundespatentgerichts über die Nichtigkeitsklage gegen das Verfügungspatent lag, deren Erklärung nicht die Ernsthaftigkeit zu nehmen. Da es im hier interessierenden Zusammenhang nicht einmal um die Eignung der betreffenden Erklärung zur Beseitigung einer Wiederholungsgefahr, sondern lediglich um die Frage der Unzumutbarkeit einer regelmäßig notwendigen und damit der Verfügungsklägerin grundsätzlich obliegenden Abmahnung geht, schadet es auch nicht, dass die zeitliche Befristung gegenüber einer auflösenden Bedingung in Form der bestandskräftigen Vernichtung des Verfügungspatents ein Minus darstellt. Vielmehr zeigt die – wenn auch zeitlich befristete – Verpflichtungs- und Unterlassungserklärung, dass die Verfügungsbeklagte zu 1) durchaus gewillt war, sich rechtstreu zu verhalten. So heißt es in dem Begleitschreiben zur Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung (Anlage Ast 4) gerade auch, dass die Erklärung „zur Vermeidung weiterer Rechtsstreitigkeiten“ erfolge. Soweit die Verfügungsklägerin geltend macht, die Abgabe der zeitlich befristeten Erklärung habe „augenscheinlich“ nur dem Zweck gedient, die Verfügungsbeklagte zu 1) im Hinblick auf das Nichtigkeitsverfahren „über die Zeit zu retten“, bringt sie keine konkreten Anhaltspunkte vor, die diesen rein plakativen Vorwurf belegen können.
Im hier interessierenden Zusammenhang darf auch nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, der Umstand, dass die Verfügungsbeklagten nicht von sich aus in Kenntnis der für sie nachteiligen Entscheidung des Bundespatentgerichts die Frist verlängerten bzw. dass sie keine erneute Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abgaben, lasse eine gleichwohl ausgesprochene Abmahnung als „bloße Förmelei“ erscheinen. Auch der diesbezügliche Vortrag der Verfügungsklägerin beschränkt sich letztlich allein auf die entsprechende Behauptung, ohne dass dies mit geeigneten Tatsachen belegt wird. Nicht geeignet ist der Hinweis auf Verstöße der A GmbH und die daran anknüpfenden zahlreichen gerichtlichen Verfahren – denn an letzteren war die hiesige Verfügungsbeklagte zu 1) unstreitig nicht beteiligt.
Ferner liefe der Schluss von der zeitlichen Befristung der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung durch die Verfügungsbeklagte zu 1) auf eine daraus resultierende Unzumutbarkeit einer Abmahnung nach Fristablauf auch darauf hinaus, dass diese gegenüber einem Verletzer, der von vornherein keine Unterwerfungsbereitschaft zeigt, schlechter gestellt wäre, was – auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Verfügungsbeklagten die Verletzungsformen nach dem Urteil des Bundespatentgerichts in Deutschland anboten – offensichtlich nicht sachgerecht ist. Von daher sind für die Annahme der Unzumutbarkeit einer Abmahnung über den bloßen Fristablauf hinausgehende Umstände zu verlangen, die hier – wie ausgeführt – indes nicht ersichtlich sind.

II.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.