4b O 219/08 – Scheibenwischer

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1197

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 9. Juni 2009, Az. 4b O 219/08

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu zwei Jahren – wobei die Ordnungshaft an ihren jeweiligen gesetzlichen Vertretern zu vollstrecken ist –, zu unterlassen

Verbindungselemente, die dazu geeignet sind, in Vorrichtungen zum lösbaren Verbinden eines Wischblatts mit einem antreibbaren Wischarm, wobei das Wischblatt eine der zu wischenden Scheibe zugewandte Wischleiste, wenigstens ein bandartig langgestrecktes Tragelement, ein mit dem Tragelement verbundenes Reiterelement und ein an dem Reiterelement pendelbar gelagertes Verbindungselement zum Anschließen an einen Kopplungsabschnitt des Wischarms umfasst, eingesetzt zu werden, die dadurch gekennzeichnet sind, dass der Koppelungsabschnitt einen zungenartigen Einführabschnitt aufweist, dass das Verbindungselement eine Aufnahme für den Einführabschnitt aufweist und dass der Kopplungsabschnitt und das Verbindungselement Sicherungsabschnitte zur gegenseitigen dauerhaften Verbindung aufweisen, wobei zur Erreichung einer Vormontageposition, in der die Längsachse des Wischarms und die Längsachse des Verbindungselements einen Winkel α im Bereich von ca. 10° bis 100° einschließen, der Einführabschnitt weitgehend geradlinig in die Aufnahme einführbar ist, und wobei zur Erreichung einer Endmontageposition der Wischarm und der Verbindungsabschnitt um den Kontaktbereich Einführabschnitt / Aufnahme aufeinander zu verschwenkbar sind, bis die Sicherungsabschnitte eine gegenseitige dauerhafte Verbindung ermöglichen,

Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder an solche zu liefern.

II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,00 EUR.

V. Der Streitwert wird auf 250.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin ist ausschließliche und allein verfügungsberechtigte Inhaberin des europäischen Patents EP 1 565 XXX B 1 (Anlage K 1, im Folgenden: Klagepatent), das unter Inanspruchnahme einer Unionspriorität vom 26. November 2002 (aus der DE 10254XXX) und vom 27. Mai 2003 (aus der DE 10323XXX) am 21.November 2003 angemeldet wurde. Die Anmeldung wurde am 24. August 2005 veröffentlicht, der Hinweis auf die Patenterteilung am 20. Februar 2008 bekannt gemacht. Das Klagepatent betrifft eine Vorrichtung zum lösbaren Verbinden eines Wischblatts mit einem antreibbaren Wischarm. Die Beklagte hat das Klagepatent mit Nichtigkeitsklage gemäß Schriftsatz vom 16. April 2009 (Anlage HE 2) angegriffen.

Anspruch 1 des Klagepatents lautet:

„Vorrichtung (10) zum lösbaren Verbinden eines Wischblatts (12) mit einem antreibbaren Wischarm (14), wobei das Wischblatt (12) eine der zu wischenden Scheibe zugewandte Wischleiste (16), wenigstens ein bandartig langgestrecktes Tragelement (18, 20), ein mit dem Tragelement (18, 20) verbundenes Reiterelement (22), und ein an dem Reiterelement (22) pendelbar gelagertes Verbindungselement (24) zum Anschließen an einen Koppelungsabschnitt (26) des Wischarms umfasst, dadurch gekennzeichnet, dass der Koppelungsabschnitt (26) einen zungenartigen Einführabschnitt (28) aufweist, dass das Verbindungselement (24) eine Aufnahme (30) für den Einführabschnitt (28) aufweist und dass der Kopplungsabschnitt (26) und das Verbindungselement (24) Sicherungsabschnitte (42, 56) zur gegenseitigen dauerhaften Verbindung aufweisen, wobei zur Erreichung einer Vormontageposition, in der die Längsachse des Wischarms (14) und die Längsachse des Verbindungselements (24) einen Winkel α im Bereich von ca. 10° bis 100° einschließen, der Einführabschnitt (28) weitgehend geradlinig (64) in die Aufnahme (30) einführbar ist, und wobei zur Erreichung einer Endmontageposition der Wischarm (14) und der Verbindungsabschnitt (24) um den Kontaktbereich Einführabschnitt / Aufnahme aufeinander zu verschwenkbar sind, bis die Sicherungsabschnitte (40, 42, 56) eine gegenseitige dauerhafte Verbindung ermöglichen.“

Nachstehend – verkleinert – wiedergegebene Zeichnungen erläutern die Erfindung anhand vorzugswürdiger Ausführungsbeispiele.

Figur 1 ist die perspektivische Ansicht einer erfindungsgemäßen Vorrichtung (10). Figur 2 zeigt die Vorrichtung ohne Wischarm und Figur 3 einen Teilschnitt durch die Ansicht gemäß Figur 2. Figur 4 ist eine Unteransicht des Kopplungsabschnitts. Figur 5 stellt einen Teilschnitt durch die Vorrichtung in Vormontageposition und Figur 6 einen Teilschnitt der Vorrichtung in Endmontageposition dar.

Die Beklagte vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland Adapter, die, kombiniert mit einem Scheibenwischer, zur Kopplung eines Wischarms an den Scheibenwischer dienen, und die dem zur Gerichtsakte gereichten Muster Anlage HE 1 entsprechen (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform). Auch das als Anlage K 6 zur Akte gereichte Muster eines Bausatzes eines Scheibenwischerblattes enthält die angegriffene Ausführungsform als „Adapter“ für die Anbringung des Wischblatts am Wischarm. Die angegriffene Ausführungsform weist als bloßer Adapter zur Befestigung des Wischblatts am Wischarm den Wischarm selber nicht auf. Der Wischarm ist auch nicht in dem Bausatz enthalten (Anlage K 6), der die angegriffene Ausführungsform umfasst. Nachstehend wiedergegebene Lichtbilder stellen die angegriffene Ausführungsform vollständig bzw. teilweise, nämlich in seiner oberen Hälfte dar:

Die angegriffene Ausführungsform ist zur Kombination mit Wischarmen geeignet, welche dem als Anlage K 5 zur Gerichtsakte gereichten Muster entsprechen.

Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform verletze – obwohl sie unstreitig nicht den Wischarm umfasst – das Klagepatent unmittelbar wortsinngemäß. Vom Schutzbereich des Klagepatents seien weder der Wischarm noch das Wischblatt umfasst, sondern lediglich die Vorrichtung, welche die genannten beiden Elemente umfasst. Die Angaben im Anspruch des Klagepatents, welche sich auf die Ausgestaltung von Wischblatt und Wischarm beziehen, seien bloße Funktionsangaben für die gemäß der Lehre des Klagepatents ausgestaltete Vorrichtung zur Verbindung der beiden Elemente. Sie seien für die Bestimmung des Schutzbereichs nur insoweit relevant, wie sie die räumlich-körperliche Ausgestaltung des klagepatentgemäßen Verbindungselements bestimmen.

Hilfsweise macht die Klägerin eine mittelbare Verletzung des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform geltend. Es gebe keine patentfreie Verwendungsmöglichkeit für die angegriffene Ausführungsform. Daher seien auch die subjektiven Voraussetzungen einer mittelbaren Patentverletzung erfüllt, da die Eignung und Bestimmung zur patentgemäßen Benutzung offensichtlich seien.

Die Klägerin beantragt nunmehr, nachdem sie einen auf die Geltendmachung einer mittelbaren Patentverletzung gerichteten Hilfsantrag gestellt hat,

die Beklagte zu verurteilen,

es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu zwei Jahren – wobei die Ordnungshaft an ihren jeweiligen gesetzlichen Vertretern zu vollstrecken ist –, zu unterlassen

Vorrichtungen zum lösbaren Verbinden eines Wischblatts mit einem antreibbaren Wischarm, wobei das Wischblatt eine der zu wischenden Scheibe zugewandte Wischleiste, wenigstens ein bandartig langgestrecktes Tragelement, ein mit dem Tragelement verbundenes Reiterelement und ein an dem Reiterelement pendelbar gelagertes Verbindungselement zum Anschließen an einen Kopplungsabschnitt des Wischarms umfasst,

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

die dadurch gekennzeichnet sind, dass der Koppelungsabschnitt einen zungenartigen Einführabschnitt aufweist, dass das Verbindungselement eine Aufnahme für den Einführabschnitt aufweist und dass der Kopplungsabschnitt und das Verbindungselement Sicherungsabschnitte zur gegenseitigen dauerhaften Verbindung aufweisen, wobei zur Erreichung einer Vormontageposition, in der die Längsachse des Wischarms und die Längsachse des Verbindungselements einen Winkel α im Bereich von ca. 10° bis 100° einschließen, der Einführabschnitt weitgehend geradlinig in die Aufnahme einführbar ist, und wobei zur Erreichung einer Endmontageposition der Wischarm und der Verbindungsabschnitt um den Kontaktbereich Einführabschnitt / Aufnahme aufeinander zu verschwenkbar sind, bis die Sicherungsabschnitte eine gegenseitige dauerhafte Verbindung ermöglichen;

hilfsweise: die Beklagte im zuerkannten Umfange zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise: das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die von der Beklagten gegen den deutschen Teil (Aktenzeichen DE 503 09 XXX) des europäischen Patents EP 1 565 XXX B1 am 16. April 2009 beim Bundespatentgericht erhobenen Nichtigkeitsklage auszusetzen.

Die Beklagte bestreitet, das Klagepatent zu verletzen. Auch der Wischarm, den die angegriffene Ausführungsform unstreitig nicht aufweist, sei Teil des Schutzbereichs des Klagepatents, so dass im Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform keine unmittelbare Verletzung liegen könne. Jedenfalls aber weise die angegriffene Ausführungsform kein pendelbar an dem Reiterelement gelagertes Verbindungselement auf. Am Verbindungselement sei eine Spange pendelbar gelagert, welche mit dem Reiterelement fest verbunden sei. Eine mittelbare Patentverletzung sei von der Klägerin nicht dargetan. Insbesondere habe die Klägerin nicht dargelegt, dass die angegriffene Ausführungsform nur in patentgemäßer Weise eingesetzt werden könne.

Ferner ist die Beklagte der Auffassung, das Klagepatent sei nicht rechtsbeständig. Es sei gegenüber der Offenbarung der DE 34 16 XXX A1 (Anlage K 8/D2 im Nichtigkeitsverfahren) sowie der US 2,618,XXX (Anlage K 8/D3 im Nichtigkeitsverfahren) nicht neu und beruhe überdies nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteienvorbringens wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist in ihrem Hauptantrag unbegründet, in ihrem Hilfsantrag jedoch begründet. Durch das Anbieten und Liefern der angegriffenen Ausführungsform verletzt die Beklagte das Klagepatent lediglich mittelbar, so dass sie der Klägerin gemäß Art. EPÜ, §§ 10, 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet ist.

I.

Das Klagepatent betrifft eine Vorrichtung und ein Verfahren zum lösbaren Verbinden eines Wischblatts mit einem antreibbaren Wischarm, wobei das Wischblatt eine Wischleiste, wenigstens ein Trageelement, ein hiermit verbundenes Reiterelement und ein Verbindungselement zum Anschließen an einen Kopplungsabschnitt des Wischarms umfasst.

Aus der als Stand der Technik gewürdigten WO 02/40328 A1 ist eine Vorrichtung bekannt, mit der ein Flachwischblatt an einen Kopplungsabschnitt angebunden werden kann. Hieran kritisiert das Klagepatent es als nachteilig, dass die offenbarte Vorrichtung eine Reihe von komplexen und aufwendig herzustellenden Bauteilen aufweist und überdies der Anschließvorgang des Kopplungsabschnitts des Wischarms an das Verbindungselement des Wischarms relativ komplex ist und eine gewisse Geschicklichkeit erfordert.

Das Klagepatent stellt sich daher die Aufgabe (Abschnitt [0004]), eine Vorrichtung zum lösbaren Verbinden eines Wischblatts mit einem antreibbaren Wischarm vorzuschlagen, bei der der Anschließvorgang des Verbindungselements an den Kopplungsabschnitt auf einfache Art und Weise durchgeführt werden kann und außerdem gewährleistet ist, dass der Kopplungsabschnitt zwar dauerhaft sicher mit dem Verbindungsabschnitt verbunden ist, ein Lösen des Wischblatts vom Wischarm jedoch einfach durchgeführt werden kann.

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:

1. Vorrichtung (10) zum lösbaren Verbinden eines Wischblatts (12) mit einem antreibbaren Wischarm (14).

2. Das Wischblatt (12) umfasst

2.1 eine der zu wischenden Scheibe zugewandte Wischleiste (16),
2.2 wenigstens ein bandartig langgestrecktes Tragelement (18, 20),
2.3. ein mit dem Tragelement (18, 20) verbundenes Reiterelement (22),
2.4. und ein Verbindungselement (24),
2.4.1. das an dem Reiterelement (22) pendelbar gelagert ist,
2.4.2. zum Anschließen an einen Kopplungsabschnitt (26) des Wischarms.

3. Der Kopplungsabschnitt (26) weist einen zungenartigen Einführabschnitt (28) auf.

4. Das Verbindungselement (24) weist eine Aufnahme (30) für den Einführabschnitt auf.

5. Der Kopplungsabschnitt (26) und das Verbindungselement (24) weisen Sicherungsabschnitte (42, 56) zur gegenseitigen dauerhaften Verbindung auf.

6. Der Einführabschnitt (28) ist zur Erreichung einer Vormontageposition, in der die Längsachse des Wischarms (14) und die Längsachse des Verbindungselements (24) einen Winkel α im Beriech von ca. 10° bis 100° einschließen, weitgehend geradlinig (64) in die Aufnahme (30) einführbar.

7. Der Wischarm (14) und der Verbindungsabschnitt (24) sind zur Erreichung einer Endmontageposition um den Kontaktbereich Einführabschnitt / Aufnahme aufeinander zu verschwenkbar, bis die Sicherungsabschnitte (40, 42, 56) eine gegenseitige dauerhafte Verbindung ermöglichen.

Patentgemäß wird die Aufgabe der Erfindung mithin dadurch gelöst, dass erstens der Kopplungsabschnitt einen zungenartigen Einführabschnitt aufweist, zweitens das Verbindungselement eine Aufnahme für den Einführabschnitt aufweist und drittens der Kopplungsabschnitt und das Verbindungselement Sicherungsabschnitte zur gegenseitigen dauerhaften Verbindung aufweisen, viertens der Einführabschnitt in einem recht großen Winkelbereich (zwischen den Längsachsen des Wischarms und des Verbindungselements) weitgehend geradlinig in die Aufnahme einführbar ist und fünftens eine Endmontageposition mit gegenseitiger dauerhafter Verbindung von Wischarm und Verbindungsabschnitt dadurch erreicht wird, dass diese beiden Elemente aufeinander zu verschwenkbar sind. Nach der allgemeinen Beschreibung der Erfindung (Abschnitt [0005]) werden hierdurch mehrere Vorteile erzielt: die Anbindung des Wischblatts am Wischarm erfordert lediglich zwei einfache Schritte und die erfindungsgemäß Vorrichtung baut sehr flach und schlank, so dass Windgeräusche minimiert und die Sicht des Fahrers nur geringfügig beeinträchtigt werden.

II.

Durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform verletzt die Beklagte das Klagepatent allerdings nicht unmittelbar. Die angegriffene Ausführungsform selber macht von der technischen Lehre des Klagepatents nicht vollständig Gebrauch, da sie die Merkmale 3., 5. und 6. nicht verwirklicht.

1.

Die genannten Merkmale lehren die körperlich-räumliche Ausgestaltung des Kopplungsabschnitts (26), der gemäß Merkmal 2.4.2 Element des Wischarms ist. Gemäß dieser technischen Lehre weist der Kopplungsabschnitt einen zungenartigen Einführabschnitt (28) sowie Sicherungsabschnitte (42, 56) auf, wobei der Einführabschnitt so gestaltet ist, dass er sich zur Erreichung einer Vormontageposition derart in die Aufnahme (30) des Verbindungselements (24) einführen lässt, dass die Längsachse des Verbindungselements und die Längsachse des Wischarms einen Winkel in einem Bereich von 10° bis 100° einschließen. Der so beschriebene Kopplungsabschnitt des Wischarms ist Teil der klagepatentgemäßen Vorrichtung und vom Schutzbereich des Klagepatents umfasst. Die Angaben zur Gestaltung des Kopplungsabschnitts des Wischarms sind nicht lediglich Funktions- oder Zweckangaben für die klagepatentgemäße Vorrichtung, welche den Schutzbereich nur mittelbar insoweit bestimmten, wie sie für die räumlich-körperliche Gestaltung des klagepatentgemäßen Gegenstands Bedeutung haben. Vielmehr ist der Kopplungsabschnitt des Wischarms – ebenso wie das Wischblatt gemäß Merkmalsgruppe 2 – selber Bestandteil der durch das Klagepatent gelehrten Vorrichtung.

Dies folgt bereits aus der Fassung des Anspruchs in seinem Zusammenhang. Gemäß Merkmal 1 ist die klagepatentgemäße Vorrichtung eine Vorrichtung zum lösbaren Verbinden eines Wischblatts mit einem antreibbaren Wischarm. Diese klagepatentgemäße Vorrichtung umfasst sowohl Wischblatt als auch Kopplungselement des Wischarms als ihre Bestandteile, und ist nicht etwa ein von Wischblatt und Wischarm abgrenzbares eigenständiges Element, welches weitere eigenständige Elemente – Wischarm und Wischblatt – miteinander verbindet, denn Wischarm und Wischblatt werden unmittelbar miteinander verbunden, ohne dass ein weiteres Element oder Bauteil dazwischen träte. Gemäß Merkmalen 4 und 5 wird die gegenseitig dauerhafte, gleichwohl lösbare Verbindung zwischen dem Einführabschnitt (28) des Kopplungsabschnitts (26) (des Wischarms (14)) einerseits und dem Verbindungselement (14) andererseits hergestellt, das gemäß Merkmal 2.4 ein Element des Wischblatts ist. Ein weiteres Element oder Bauteil zwischen Verbindungselement und Einführabschnitt lehrt das Klagepatent nicht. Das Vorsehen eines solchen „dritten“ Elements oder Bauteils wird durch die technische Lehre des Klagepatents sogar ausgeschlossen: Der Einführabschnitt (28) wird unmittelbar in das Verbindungselement (24) eingeführt, das zu seiner Aufnahme ausgestaltet ist, Merkmal 4. Die gegenseitig dauerhafte Verbindung von Kopplungsabschnitt (26) und Verbindungselement (24) wird durch Sicherungsabschnitte (42, 56) an den beiden genannten Elementen bewirkt, Merkmal 5. Schließlich lehrt Merkmal 6., dass der Einführabschnitt (28) nicht in beliebiger Weise in die Aufnahme (30) des Verbindungselements (24) einführbar ist, sondern gerade in der Weise, dass die Längsachse des Wischarms und die des Verbindungselements einen Winkel von 10° bis 100° Grad einschließen.

Mithin lehrt das Klagepatent eine komplementäre Ausgestaltung von Verbindungselement (28) einerseits und Kopplungsabschnitt (26) andererseits. Der Kopplungsabschnitt (als Element des Wischarms) kann nicht in beliebiger, dem gestalterischen Ermessen entsprechenden Weise ausgestaltet werden. Er muss so ausgestaltet sein, dass er in komplementärer Weise in das Verbindungselement eingreifen kann, und zwar nach Maßgabe der genannten Merkmale des Klagepatents.

Auch die gebotene funktionsorientierte Auslegun, des Klagepatents, also die Deutung der Merkmale und Begriffe des Patentanspruchs dahingehend, wie dies angesichts der ihnen nach der offenbarten Erfindung zugedachten technischen Funktion angemessen ist (BGH GRUR 2001, 232, 233; OLG Düsseldorf GRUR 2000, 599, 601 – Staubsaugerfilter), führt zu der Sichtweise, das vom Schutzbereich des Klagepatents Wischblatt und Kopplungsabschnitt des Wischarms mit umfasst sind. Der Fachmann erkennt, dass die in der Patentbeschreibung formulierte Aufgabe, eine Vorrichtung zur einfachen Herstellung einer lösbaren Verbindung zwischen einem Wischarm und einem Wischblatt (Abschnitt [0003]), zugleich die objektive Aufgabe des dem Klagepatent zugrunde liegenden Erfindung ist. Vom Stand der Technik grenzt sich das Klagepatent dadurch ab, dass bei den vorbekannten Verbindungsvorrichtungen die Herstellung der Verbindung, also die Montage des Wischblatts am Kopplungsabschnitt des Wischarm, recht komplex ist und eine gewisse Geschicklichkeit erfordert. Die technische Leistung der klagepatentgemäßen Erfindung liegt darin, den Vorgang des Verbindens zu vereinfachen und auch den konstruktiven Aufwand für die Gestaltung geeigneter Verbindungsvorrichtungen zu verringern. Der damit verbundene Vorteil wird nach der technischen Lehre des Klagepatents gerade dadurch erzielt, dass das Verbindungselement und der Kopplungsabschnitt komplementär ausgestaltet sind und in komplementärer Weise ohne Dazwischentreten eines weiteren Elements zusammenwirken.

Der genannten Aufgabe kann eine erfindungsgemäße Vorrichtung gemäß ihrer Funktion auch ohne Einschaltung eines „dritten“ Elements zwischen Wischarm und Wischblatt gerecht werden, wenn diese miteinander zu verbindenden Bauteile nur in geeigneter Weise ausgestaltet werden. Umgekehrt steht die funktionsgemäße Aufgabe der Erfindung der Ausführung eines weiteren Bauteils oder Elements neben Wischarm und Wischblatt sogar entgegen: Durch ein weiteres Bauteil oder Element wird der konstruktive Aufwand jedenfalls und die Komplexität des Montagevorgangs möglicherweise vergrößert. Auch die weiteren Vorteile einer erfindungsgemäßen Vorrichtung, nämlich die sehr flache und schlanke Bauweise und die damit verbundene Vermeidung von Windgeräuschen und Beeinträchtigung der Sicht des Fahrzeuglenkers (Abschnitt [0005]) würden durch das Vorsehen eines weiteren Elements nicht in besserer Weise erreicht, sondern beeinträchtigt.

Schließlich wird der Fachmann in der ausgeführten Sichtweise auch durch die Zeichnungen und ihre Beschreibungen in der Patentschrift gestützt, die zur Auslegung des Klagepatents und zur Bestimmung seines Schutzbereiches gemäß Art. 69 Abs. 1 Satz 2 EPÜ heranzuziehen sind. Figur 1 stellt nach ihrer Beschreibung (Abschnitt [0039]) die erfindungsgemäße Vorrichtung dar. Sie umfasst in ihrer Darstellung sowohl das Wischblatt (12) samt Verbindungselement (24), als auch den Wischarm (14) mit Kopplungsabschnitt (26). Dass die Figur 1 keine weiteren, nicht zur erfindungsgemäßen Vorrichtung gehörenden Elemente zeigt, folgt zum einen daraus, dass die fragliche Beschreibungsstelle (Abschnitt [0039]), in der die erfindungsgemäße Vorrichtung dargestellt ist, auch eine Beschreibung des Wischarms (14) und des Wischblatts (12) umfasst, nicht aber den Hinweis darauf, dass die erfindungsgemäße Vorrichtung zusammen mit anderen, nicht zu ihr gehörenden Bauteilen oder Elementen dargestellt würde. Zum anderen wird mit der Bezugsziffer (10) die erfindungsgemäße Vorrichtung bezeichnet. Die Bezugsziffer (10) gehört in der Figur 1 zur Gesamtheit aller dargestellten Bauteile und Elemente. Auch Bezugszeichen sind als Teil der Zeichnungen in der beschriebenen Weise bei der Auslegung des Klagepatents und Bestimmung seines Schutzbereichs heran zu ziehen (Benkard / Scharen, EPÜ, Art. 69 Rn. 22). Der Fachmann erkennt demnach aus Figur 1 und der zugehörigen Beschreibung, dass zur klagepatentgemäßen Vorrichtung Wischblatt und Wischarm jedenfalls insoweit gehören, als deren Abschnitte bei der Herstellung der lösbaren Verbindung mitwirken. Das Verbindungselement (24) wird zudem mit einer anderen Bezugsziffer bezeichnet als die Vorrichtung im Ganzen (10). Dementsprechend ist die Bezugsziffer 10 auch nur in den Figuren des Klagepatents dargestellt, welche die Vorrichtung im Ganzen zeigen sollen.

Hinzu kommt ein weiteres: Die Unteransprüche 3, 4, 9, 14 bis 16, und 24 bis 29 beziehen sich allesamt auf die Ausgestaltung des Kopplungsabschnitts und/oder den zum Kopplungsabschnitt gehörenden Einführabschnitt. Der Kopplungsabschnitt (und damit der Wischarm) ist somit von der technischen Lehre des Hauptanspruchs 1 umfasst.

2.

Auf dieser Grundlage lässt sich nicht feststellen, dass die angegriffene Ausführungsform die Merkmale verwirklicht, welche die Gestaltung des Kopplungsabschnitts lehren, also die Merkmale 3., 5. und 6. Unstreitig umfasst die angegriffene Ausführungsform jedenfalls den Wischarm samt Kopplungs- und Einführabschnitt nicht. Die Klägerin greift alleine ein als „Adapter“ bezeichnetes, am Wischarm zu befestigendes Bauelement an. Auch ist es unstreitig, dass die Beklagte Wischarme überhaupt nicht, erst recht nicht gemeinsam mit der angegriffenen Ausführungsform vertreibt.

III.

Die Beklagte verletzt jedoch, indem sie die angegriffene Ausführungsform anbietet und liefert, die technische Lehre des Klagepatents mittelbar, Art. 64 EPÜ i. V. m. § 10 PatG.

1.

Nach § 10 PatG ist es jedem Dritten verboten, ohne Zustimmung des Patentinhabers im Geltungsbereich des Gesetzes anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es aufgrund der Umstände offensichtlich ist, dass diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.

2.

Die angegriffene Ausführungsform ist ein Mittel, das sich auf ein wesentliches Element der patentgemäßen Erfindung bezieht. Sie ist überdies objektiv dazu geeignet, sämtliche Merkmale des Klagepatents zu verwirklichen.

Ein Mittel bezieht sich auf ein Element der Erfindung, wenn es geeignet ist, mit einem solchen bei der Verwirklichung des geschützten Erfindungsgedankens funktional zusammenzuwirken. Wesentlich ist ein Element der Erfindung regelmäßig bereits dann, wenn es – wie vorliegend – Bestandteil des Patentanspruchs ist (BGH, GRUR 2004, 758 – Flügelradzähler): Als wesentliches Element ist im vorliegenden Rechtsstreit der Wischarm anzusehen, dessen Ausgestaltung, wie oben ausgeführt, Eingang in die Merkmale 3., 5. und 6. gefunden hat und damit Teil des Patentanspruchs ist.

Zwischen den Parteien steht zu Recht außer Streit, dass bei Anbringung der angegriffenen Ausführungsform an einem geeigneten Wischarm, nämlich einem solchen wie dem als Anlage K 5 zur Gerichtsakte gereichten Muster, die so entstehende Vorrichtung sämtliche Merkmale des Klagepatents verwirklicht mit Ausnahme des Merkmals 2.4.1.

Aber auch eine Verwirklichung des Merkmals 2.4.1. durch die in der genannten Weise zusammengesetzte Vorrichtung lässt sich feststellen. Gemäß diesem Merkmal ist das Verbindungselement (24) an dem Reiterelement (22) pendelbar gelagert. Der Anspruchswortlaut begrenzt den Schutzbereich des Klagepatents dabei nicht auf Gestaltungen, bei denen das Verbindungselement und das Reiterelement unmittelbar über eine pendelbare Lagerung miteinander verbunden sind. Auch aus der oben dargelegten objektiven Funktion des Klagepatents, nämlich der einfachen Herstellung einer lösbaren Verbindung zwischen Wischarm und Wischblatt, folgt nicht, dass Verbindungselement und Reiterelement unmittelbar miteinander verbunden sein müssen.

Als Funktion der pendelbaren Lagerung des Verbindungselements am Reiterelement erkennt der Fachmann die Schaffung der nötigen Flexibilität zwischen dem am Kopplungsabschnitt befestigten Verbindungselement einerseits und der an dem Tragelement befestigten Wischleiste andererseits. Bei der Führung der Wischleiste über eine nicht ebene, sondern gekrümmte Autoscheibe wird die notwendige Anpressstellung des Wischleiste dadurch gewährleistet, dass über das pendelbar gelagert am Reiterelement gelagerte Verbindungselement stets der erforderliche Winkel zwischen Wischarm und Wischleiste besteht. Dieser Funktion kann keine zwingende Notwendigkeit entnommen werden, Verbindungselement und Reiterelement unmittelbar miteinander zu verbinden. Die erforderliche Flexibilität ist ebenso gut gewährleistet, wenn ein weiteres Element zwischen Verbindungselement und Reiterelement tritt, sofern die so ausgestaltete mittelbare Lagerung des Verbindungselement am Reiterelement eine pendelbare ist.

Umgekehrt ist dem Klagepatent sogar die Erläuterung eines vorzugswürdigen Ausführungsform zu entnehmen (Abschnitt [0060]), bei der die pendelbare Lagerung des Verbindungselements am Reiterelement gerade nicht als unmittelbare Verbindung zueinander ausgeführt ist, sondern weitere Bauteile, nämlich über zwei fluchtend zueinander angeordnete Lagerzapfen (88) mittelbar hergestellt ist. Daraus folgt, dass auch eine mittelbare Konstruktion der Verbindung zwischen Verbindungselement und Reiterelement der technischen Lehre des Klagepatents entspricht.

Das Vorsehen eines weiteren Elements zwischen dem Verbindungselement und dem Reiterelement steht auch nicht der Erreichung des patentgemäßen Vorteils entgegen, eine flache Konstruktion zur Verfügung zu stellen. Es liegt im gestalterischen Ermessen, in welchem Maße das weitere Element zur Bauhöhe der Konstruktion beiträgt. Möglich ist es insbesondere, die Elemente so zu konstruieren, dass sie ineinander greifen, so dass etwa das Verbindungselement sich über das weitere Element stülpt, welches deshalb im Ergebnis zur Bauhöhe nichts beiträgt.

Es kommt demnach nicht darauf an, ob – wie die Klägerin meint – bei der angegriffenen Ausführungsform das Reiterelement aus zwei Bestandteilen zusammengesetzt ist, nämlich auch eine Spange umfasst, oder ob – so die Auffassung der Beklagten – diese Spange nicht Teil des Reiterelements, sondern zwischen diesem und dem Verbindungselement angebracht ist. Selbst wenn die Auffassung der Beklagten zutreffend wäre, ließe sich eine Verwirklichung des Merkmals 2.4.1. feststellen, nämlich in Gestalt einer mittelbaren Lagerung des Verbindungselements am Reiterelement in pendelbarer Weise.

3.

Die subjektiven Voraussetzungen einer mittelbaren Patentverletzung sind erfüllt.

a)

§ 10 Abs. 1 PatG setzt in subjektiver Hinsicht voraus, dass der Dritte weiß oder es aufgrund der Umstände offensichtlich ist, dass die angebotenen und/oder gelieferten Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der geschützten Erfindung verwendet zu werden. Offensichtlichkeit ist dabei anzunehmen, wenn im Zeitpunkt des Angebots oder der Lieferung nach den gesamten Umständen des Falles die drohende Verletzung des Ausschließlichkeitsrechts aus der objektivierten Sicht des Dritten so deutlich erkennbar ist, dass ein Angebot oder eine Lieferung unter diesen objektiven Umständen der wissentlichen Patentgefährdung gleichzustellen ist (BGH, GRUR 2007, 679 – Haubenstretchautomat; OLG Düsseldorf, InstGE 9, 66 – Trägerbahnöse). Verlangt ist ein hohes Maß an Vorhersehbarkeit der Bestimmung der Mittel zur unmittelbar patentverletzenden Verwendung seitens der Angebotsempfänger oder Abnehmer der Mittel (BGH, GRUR 2001, 228 – Luftheizgerät; BGH, GRUR 2005, 848 – Antriebsscheibenaufzug). Dies ist beispielsweise dann anzunehmen, wenn eine patentfreie Nutzung des angegriffenen Gegenstandes nicht möglich ist (BGH GRUR 2005, 848 – Antriebsscheibenaufzug; Kühnen / Schulte, PatG, 8. Aufl., § 10 Rn. 31).

b)

Unter Anwendung dieser Maßstäbe lässt sich vorliegend feststellen, dass die angegriffene Ausführungsform offensichtlich dazu geeignet und bestimmt ist, für die Benutzung des Klagepatents verwendet zu werden. Die Klägerin hat vorgetragen, die angegriffene Ausführungsform könne nur in patentgemäßer Weise verwendet werden, auf dem Markt seien keine Wischarme erhältlich, an denen die angegriffene Ausführungsform so angebracht werden könne, dass nicht sämtliche Merkmale des Klagepatents verwirklicht würden. Hiernach hätte es der Beklagten oblegen, eine patentfreie Verwendungsmöglichkeit konkret zu benennen. Das Fehlen einer patentfreien Verwendungsmöglichkeit ist eine negative Tatsache, so dass die Darlegungs- und Beweislast insoweit auf die Beklagte übergeht, als sie patentfreie Verwendungsmöglichkeiten in konkreter Weise benennen muss (Kühnen / Schulte, a.a.O., § 10 PatG Rn. 37). Dieser Darlegungsobliegenheit hat die Beklagte nicht genügt. Sie hat sich im nachgelassenen Schriftsatz vom 20. Mai 2009 auf den Hinweis beschränkt, sie habe in der mündlichen Verhandlung vom 28. April 2009 dargelegt, die angegriffene Ausführungsform könne an einem Wischarm in der Weise montiert werden, dass die Längsachsen des Wischarms und der angegriffenen Ausführungsform einen kleineren Winkel aus 10 ° oder einen größeren Winkel als 100 °einschlössen. Dieses Vorbringen, dass sich inhaltlich auf eine schlichte negative Behauptung beschränkt, stellt keinen zu berücksichtigenden Tatsachenvortrag dar. Die Beklagte hat weder einen konkreten Typ von Wischarm benannt, an dem die angegriffene Ausführungsform in patentfreier Weise angebracht werden kann, noch hat sie eine patentfreie Verwendung mithilfe der in dem als Anlage K 6 zur Gerichtsakte gereichten Muster eines Bausatzes enthaltenen Bauteile substantiiert aufgezeigt.

IV.

Eine Aussetzung des Verfahrens kommt nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht in Betracht.

Nach Auffassung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung, BlPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die durch das Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe) und den Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug) bestätigt wurde, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung der Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, da dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist (§ 58 Abs. 1 PatG). Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen.

Die gebotene Interessensabwägung geht dann zu Lasten der die fehlende Rechtsbeständigkeit einwendenden Beklagten aus, wenn diese die Nichtigkeitsklage (oder den Einspruch) so spät erhebt, dass der Patentinhaber hierauf nicht mehr oder nicht in angemessener Weise reagieren kann. Dieses für den Patentinhaber nachteilige Zeitmoment ist bei der Ausübung des durch § 148 ZPO eröffneten Aussetzungsermessens in der Weise zu berücksichtigen, dass in einer solchen Konstellation die Aussetzung regelmäßig nicht veranlasst ist (Kühnen / Geschke, Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 3. Aufl., Rn. 617).

Vorliegend hat die Beklagte Nichtigkeitsklage erst mit Schriftsatz vom 16. April 2009, mithin erst 12 Tage vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung, jedoch knapp sieben Monate nach Erhebung der Patentverletzungsklage, erhoben. Die Klägerin hatte aufgrund der kurzfristigen Erhebung der Nichtigkeitsklage keine Gelegenheit, auf den Angriff der Beklagten angemessen zu erwidern. Auch hätte die Beklagte seit Klageerhebung ausreichend Zeit gehabt, die Nichtigkeitsklage so frühzeitig zu erheben, dass die Klägerin darauf hätte reagieren können. Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend ausnahmsweise eine späte Erhebung der Nichtigkeitsklage veranlasst war, sind nicht ersichtlich.

V.

Aus der festgestellten Schutzrechtsverletzung ergibt sich der zuerkannte Unterlassungsantrag. Die Beklagte ist der Klägerin gem. Art. 64 EPÜ, §§ 139 Abs. 1, 10 PatG im tenorierten Umfang zur Unterlassung ihrer Angebots- und Vertriebshandlungen verpflichtet. Dabei war das von der Klägerin begehrte generelle und umfassende Vertriebsverbot („Schlechthinverbot“) auszusprechen. Gemäß obigen Ausführungen ist davon auszugehen, dass die angegriffene Ausführungsform ausschließlich patentgemäß verwendet werden kann. Dies rechtfertigt die Anordnung eines Schlechthinverbots (LG Düsseldorf InstGE 5, 173 – Wandverkleidung; Kühnen / Schulte, a.a.O., § 10 Rn. 37).

VI.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Daraus, dass die Klage im Hauptantrag als unbegründet abzuweisen war, folgt keine anteilige Kostenlast der Klägerin. Haupt- und Hilfsantrag betrafen denselben Gegenstand im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG. Die beiden Anträge schließen sich einander aus, da im Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform entweder eine unmittelbare oder eine mittelbare Verletzung liegt (vgl. zum Begriff desselben Gegenstandes i.S.v. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG BGH NJW-RR 2003, 713). Es findet somit keine Streitwertaddition statt.

Dies hat im konkreten Fall die Konsequenz, dass die Abweisung des Hauptantrages keine Kosten ausgelöst hat, welche die Klägerin zu tragen hätte (vgl. BGH NJW 1962, 915; a.A. – allerdings ohne Berücksichtigung des § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG – wohl Zöller/Herget, ZPO, 27. Aufl., § 92 Rn. 8). Im vorliegenden Fall übersteigt der Wert des Hauptantrages denjenigen des Hilfsantrages nicht, so dass die Kosten der Klägerin auch nicht nach dem Verhältnis einer etwaigen Wertdifferenz zwischen Haupt- und Hilfsantrag aufzuerlegen sind. Die Antragstellung weist vorliegend die Besonderheit auf, dass die Klägerin in Haupt- und Hilfsantrag jeweils nur einen Unterlassungsanspruch geltend gemacht hat und nicht etwa weitere Ansprüche, die bei einer mittelbaren Patentverletzung nicht oder nur in einem geringeren Umfange als bei einer unmittelbaren Patentverletzung geltend gemacht werden könnten. Auch ist vorliegend ein Schlechthinverbot auszusprechen, welches in seiner gegenständlichen Reichweite nicht hinter einem Verbot wegen unmittelbarer Patentverletzung zurückbleibt. Schließlich sind im konkreten Fall keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass das Interesse, welches die Klägerin mit dem Hauptantrag verfolgt, einen geringeren Wert hat als ihr Streitinteresse am Hilfsantrag.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.