4b O 255/08 – Einkaufswagensicherung

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1324

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 26. November 2009, Az. 4b O 255/08

I. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu unterlassen,

Fahrzeugsicherungssysteme, die aufweisen:

eine Vielzahl von Fahrzeugen, die jeweils eine Vielzahl von Gleitrollenrädern aufweisen;

eine Perimeterantenne zum Umgeben eines Gebietes, in welchem die Fahrzeuge zurückgehalten werden sollen, wobei die Perimeterantenne ein kontinuierliches Bremsaktivierungssignal abgibt;

einen Controller;

und einen Empfänger;

wobei ein Arretiergerät an wenigstens einem Gleitrollenrad jedes Fahrzeugs befestigt ist, und welches ein Bremsglied beinhaltet, welches zwischen einer betriebslosen Position, in welcher das Rad sich frei drehen kann, und einer Betriebsposition, in welcher eine normale Operation des Fahrzeugs entlang einer Bodenfläche verhindert wird, beinhaltet, eine Sperreinrichtung bzw. Riegeleinrichtung zur freigebbaren Blockierung des Bremsgliedes in der betriebslosen bzw. in der in Betrieb befindlichen Position, und wobei der Controller die Aktivierung der Sperreinrichtung steuert,

im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

wobei das Sicherheitssystem weiterhin aufweist wenigstens eine Übertragungseinheit separat von der Perimeterantenne zum Aussenden eines Bremsfreigabesignals unterschiedlich zu dem Bremsaktivierungssignal, und wobei die Sperreinrichtung den Empfänger zum Empfangen des Bremsaktivier- und Bremsfreigabesignals enthält, wobei der Controller dem Empfänger zugeordnet ist und die Sperreinrichtung zur Freigabe des Bremsgliedes aus der Außerbetriebsposition bestätigt und es ihm gestattet, sich in die Betriebsposition bei Erfassung des Bremsaktiviersignals zu bewegen, und um das Bremsglied aus der Betriebsposition freizugeben und es in die betriebslose Position bei Erfassung nur des Bremsfreigabesignals bewegen zu lassen, unabhängig von dem Perimeterantennensignal, wobei das Bremsfreigabesignal das Bremsglied sich in die betriebslose Position bewegen lässt;

2. der Klägerin über den Umfang der vorstehend zu I.1. bezeichneten und seit dem 1. Oktober 2006 begangenen Handlungen Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten sowie der Mengen der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, ferner der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie Typenbezeichnungen und den Namen und Anschriften der Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen sowie Typenbezeichnungen und den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und -gebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktion aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin jeglichen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die vorstehend zu I.1. bezeichneten und seit dem 1. Oktober 2006 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt,

1. die vorstehend zu I.1. bezeichneten, im Besitz gewerblicher Abnehmer befindlichen Erzeugnisse zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, die sich im Besitz dieser Erzeugnisse befinden, darüber schriftlich informiert werden, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents EP 0 975 XXX erkannt hat, ihnen ein Angebot zur Rücknahme dieser Erzeugnisse durch die Beklagten unterbreitet wird und den gewerblichen Abnehmern für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Erstattung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises bzw. eines sonstigen Äquivalents für die zurückgerufenen Erzeugnisse sowie die Übernahme der Verpackungs- und Transport- bzw. Versendungskosten für die Rückgabe zugesagt wird, und die Erzeugnisse aus den Vertriebswegen endgültig zu entfernen, indem die Beklagte die Erzeugnisse entweder wieder an sich nimmt oder deren Vernichtung beim jeweiligen Besitzer veranlasst;

2. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen, vorstehend zu I.1. bezeichneten Erzeugnisse zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten zu 1) an einen zur Vernichtung bereiten Gerichtsvollzieher herauszugeben.

IV. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

V. Von den Gerichtskosten tragen die Klägerin sieben Achtel und die Beklagte zu 1) ein Achtel. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin werden der Beklagten zu 1) zu einem Achtel auferlegt. Der Klägerin werden 55 Prozent der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) sowie die vollständigen außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2), zu 3) und zu 4) auferlegt. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

VI. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

VII. Der Streitwert wird auf 500.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin ist ausschließliche Lizenznehmerin des in englischer Verfahrenssprache verfassten Europäischen Patents EP 0 975 XXX (Anlage K 1, im Folgenden: Klagepatent), von dem eine deutschsprachige Übersetzung beim Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen DE 698 16 XXX (Anlage K 2) geführt wird. Das Klagepatent wurde unter Inanspruchnahme zweier US-amerikanischer Prioritäten vom 17. April 1997 (US 843XXX) und vom 10. Februar 1998 (US 26XXX) am 30. März 1998 angemeldet und am 2. Februar 2000 offengelegt. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 6. August 2003 veröffentlicht. Das Klagepatent steht unter anderem für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Die Patentinhaberin, die Fa. A mit Sitz in B, ist Muttergesellschaft der Klägerin und erteilte ihr eine ausschließliche Lizenz am Klagepatent durch schriftliche Vereinbarung vom 17. Oktober 2008 (Anlage K 4). Das Klagepatent betrifft eine Schutzvorrichtung und ein Verfahren für u.a. Einkaufswagen.

Anspruch 1 des Klagepatents lautet:

„Fahrzeugsicherungssystem, welches aufweist:
eine Vielzahl von Fahrzeugen, die jeweils eine Vielzahl von Gleitrollenrädern (204) aufweisen;
eine Perimeterantenne (266) zum Umgeben eines Gebietes, in welchem die Fahrzeuge zurückgehalten werden sollen, wobei die Perimeterantenne (266) ein kontinuierliches Bremsaktivierungssignal abgibt;
einen Controller (276);
und einen Empfänger (240);
wobei ein Arretiergerät (210) an wenigstens einem Gleitrollenrad (204) jedes Fahrzeugs befestigt ist, welches ein Bremsglied (212) beinhaltet, welches zwischen einer betriebslosen Position, in welcher das Rad sich frei drehen kann, und einer Betriebsposition, in welcher eine normale Operation des Fahrzeugs entlang einer Bodenfläche verhindert wird, beinhaltet, eine Sperreinrichtung bzw. Riegeleinrichtung (214) zur freigebbaren Blockierung des Bremsgliedes (212) in der betriebslosen bzw. in der in Betrieb befindlichen Position, und wobei der Controller (276) die Aktivierung der Sperreinrichtung (214) steuert, dadurch gekennzeichnet, dass das Sicherheitssystem weiterhin aufweist:
Wenigstens eine Übertragungseinheit separat von der Perimeterantenne zum Aussenden eines Bremsfreigabesignals unterschiedlich zu dem Bremsaktivierungssignal, und
dass die Sperreinrichtung (210) den Empfänger (240) zum Empfangen des Bremsaktivier- und Bremsfreigabesignals enthält, wobei der Controller (276) dem Empfänger (240) zugeordnet ist und die Sperreinrichtung (214) zur Freigabe des Bremsgliedes (212) aus der Außerbetriebsposition bestätigt und es ihm gestattet, sich in die Betriebsposition bei Erfassung des Bremsaktiviersignals zu bewegen, und um das Bremsglied (212) aus der Betriebsposition freizugeben und es in die betriebslose Position bei Erfassung nur des Bremsfreigabesignals bewegen zu lassen, unabhängig von dem Perimeterantennensignal, wobei das Bremsfreigabesignal das Bremsglied (212) sich in die betriebslose Position bewegen lässt.“

Nachstehend verkleinert wiedergegebene Zeichnungen sind dem Klagepatent entnommen und erläutern dessen technische Lehre anhand vorzugswürdiger Ausführungsbeispiele:

Figur 16 zeigt ein zu einem patentgemäßen System gehöriges Einkaufswagenrad in der Seitenansicht in dem Zustand, in dem das Bremsglied 212 nicht verriegelt ist, Figur 17 zeigt das Rad mit Bremsglied in verriegeltem Zustand.

Die Beklagte zu 1) war mit der Patentinhaberin durch einen schriftlichen Vertriebsvertrag vom 10. bzw. 12. Dezember 2002 (Anlage B 1) verbunden betreffend den Vertrieb von Produkten der Patentinhaberin – insbesondere eines von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch machenden Systems unter der Produktbezeichnung „C“ – in einigen europäischen Staaten. In der deutschen Übersetzung des Vertriebsvertrages lautet es auszugsweise wie folgt:

„1. Definitionen: Die folgenden Begriffe sollen bei ihrer Verwendung in diesem Vertrag eine definierte Bedeutung haben:
(a) „Beginndatum“ ist der 10. Dezember 2002.
(b) „Ablaufdatum“ ist der 10. Dezember 2005 bzw. das gleiche Datum 10. Dezember in den darauffolgenden Jahren gemäß Erläuterung in Absatz 3(b).
[…]
(d) „Produkte“ bezeichnet die Produkte von A (sc.: der Patentinhaberin“, die in Anlage A aufgeführt sind („Produkt- und Preisliste“). […] D (sc.: die Beklagte zu 1)) hat das Recht, sowohl das aktuelle Produktangebot von A als auch den Bestand an eingestellten Produkten zu verkaufen. Dieser Vertrag bezieht sich auf sämtliche damit im Zusammenhang stehenden C-Produkte der A.
[…]
(f) „Vertragsgebiet“ bezieht sich auf […] Deutschland
[…]
2. Ernennung
(a) Ernennung. A ernennt hiermit den Vertriebshändler (sc.: die Beklagte zu 1)) zu einem ausschließlichen Vertriebshändler, der die Produkte an Endabnehmer oder vollständig im Eigentum von D stehende Tochterfirmen innerhalb des Vertragsgebiets vermarktet, vertreibt und verkauft, und der Vertriebshändler stimmt dieser Ernennung zu. Der Vertriebshändler soll die Produkte einzig und allein in der Form und in der Verpackung verkaufen, in der er sie von A erhalten hat.
(c) Verkauf anderer Produkte. Während der Laufzeit dieses Vertrages darf der Vertriebshändler weder direkt noch indirekt in irgendeiner Art und Weise andere Produkte vermarkten, verkaufen oder vertreiben, die zu den Produkten (sc.: den definierten, vertragsgemäßen Produkten) in Konkurrenz stehen.
[…]
3. Laufzeit
(a) Die Laufzeit beginnt am Beginndatum und endet, sofern sie nicht wie weiter unten aufgeführt vorzeigt beendet wird, am Ablaufdatum. Ungeachtet des Vorstehenden könnte A diesen Vertrag nach seinem Ermessen beenden, wenn es der Vertriebshändler nicht schafft, für 2002, 2003 und 2004 in einem jährlichen Umfang von 400.000 $ angemessene Kaufaufträge für das Produkt zu platzieren und diese Produkte vollständig zu bezahlen. Platziert der Vertriebshändler angemessene Kaufaufträge in dem in diesem Abschnitt angegebenen Umfang, bleibt der Vertrag in Kraft. A und der Vertriebshändler werden zusammenwirken, um jeweils im November der laufenden Vertragszeit eine Verlängerung des Vertrages herbeizuführen.
(b) Angemessene Kaufaufträge:
10. Dezember 2002 – 2003 in jährlichem Umfang von 400.000 $
2004 in jährlichem Umfang von 400.000 $
2005 in jährlichem Umfang von 400.000 $
2006 am 10. Dezember 2003 zu bestimmen.
2007 im Dezember 2004 zu bestimmen und so weiter bis eine anderweitige Festlegung getroffen wird.

Der Vertriebsvertrag untersteht gemäß Ziffer 19 dem Recht des amerikanischen Bundesstaats B. Hinsichtlich dieses Vertriebsvertrages, der ab dem 10. Dezember 2002 galt, erklärte die Patentinhaberin gegenüber der Beklagten zu 1) mit Schreiben vom 1. September 2006 (Anlage B 2) die Kündigung aus wichtigem Grund zum 30. September 2006.

Mit Schreiben vom 8. Februar 2007 (Anlage K 12) bot die Beklagte zu 1) einer Fa. E, F, die Lieferung und Installation eines „D“ (im Folgenden: „angegriffene Ausführungsform 1“) an. Gemäß diesem Angebot installierte die Beklagte zu 1) die angegriffene Ausführungsform 1 in der Folgezeit in einem Ladengeschäft in G. Lichtbilder von Teilen der angegriffenen Ausführungsform 1 sind als Anlagen K 13.1, 13.2 und 13.3 zur Gerichtsakte gereicht, ein Muster eines zur angegriffenen Ausführungsform 1 gehörigen Rades eines Einkaufswagens als Anlage K 15. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die angegriffene Ausführungsform 1 von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch macht.

Die Beklagten zu 2) und 3), deren Geschäftsführer jeweils der Beklagte zu 4) ist, vertreiben Produkte der Beklagten zu 1) in Deutschland. Auf ihrer Homepage (Anlagen K 22 und K 23) benennen die Beklagten zu 1) und 2) die Beklagte zu 2) – eine am 25. Juni 2007 gegründete Gesellschaft – als Vertriebsgesellschaft in Deutschland. Gemeinsam mit der Beklagten zu 1) bewarb die Beklagte zu 2) auf der in I stattfindenden Messe „J“ mithilfe eines Prospekts (Anlage K 17) ein Einkaufswagensicherungssystem unter der Bezeichnung „D“ bzw. „H“ (im Folgenden: „angegriffene Ausführungsform 2“). Dieses System bietet die Beklagte zu 3) auf ihrer Homepage (Anlage K 16) ebenfalls an. Ein Muster eines zur angegriffenen Ausführungsform 2 gehörenden Rades eines Einkaufswagens ist als Anlage K 18 zur Gerichtsakte gereicht, das Muster einer zugehörigen Fernbedienung zum Sperren und Entsperren solcher Räder als Anlage K 19. Lichtbilder (Anlagen K 20.1 bis 20.4) zeigen die Steuerungsplatine der angegriffenen Ausführungsform 2. Wird die Sperre im Einkaufswagenrad gemäß Muster Anlage K 18 aktiviert – was sowohl mit der zum System der Patentinhaberin gehörigen Fernbedienung (Anlage K 11) als auch mit der Fernbedienung aus der angegriffenen Ausführungsform 2 (Anlage K 19) möglich ist –, so wird das Rad gegen eine Rotation in der einen Richtung blockiert, bei der Drehung in die entgegengesetzte Richtung durchläuft das Rad eine durch Klickgeräusche wahrnehmbare Klinkensperre, ist allerdings noch drehbar.

Die Klägerin ist der Auffassung, auch die angegriffene Ausführungsform 2 verletze das Klagepatent. Sie behauptet, die beiden angegriffenen Ausführungsformen unterschieden sich nicht in technischer Hinsicht, die angegriffene Ausführungsform 2 sei lediglich eine optisch geänderte Version der angegriffenen Ausführungsform 1. Dies werde dadurch belegt, dass – unstreitig – das Rad der angegriffenen Ausführungsform 2 (Anlage K 18) ebenso wie das Rad der angegriffenen Ausführungsform 1 (Anlage K 15) auf beide Fernbedienungen anspricht, nämlich sowohl diejenige aus dem „C“-System der Patentinhaberin, als auch diejenige, die zur angegriffenen Ausführungsform 2 gehört (Anlage K 19). Ferner ist die Klägerin der Auffassung, der Vertriebsvertrag zwischen der Patentinhaberin und der Beklagten zu 1) (Anlage B 2) sei durch die Kündigungserklärung vom 1. September 2006 wirksam gekündigt. Die Beklagte zu 1) habe einen gewichtigen Vertragsverstoß begangen, indem sie entgegen Ziffer 8 des Vertriebsvertrages nicht die erforderlichen Berichte über den Vertrieb der vertragsgemäßen Produkte erstattet habe. Dies belege auch das Rechtsgutachten der Rechtsanwältin K (Anlage K 21.2) zur Rechtslage nach kalifornischem Recht. Jedenfalls sei der Vertriebsvertrag durch Zeitablauf nicht mehr gültig. Die Vertragsparteien hätten im Jahre 2003 noch eine Fortgeltung bis zum 10. Dezember 2006 vereinbart, eine weitere Vereinbarung zur Verlängerung der Vertragslaufzeit sei nicht mehr zustande gekommen, das Vertragsverhältnis damit seit dem 10. Dezember 2006 beendet.

Die Klägerin beantragt, nachdem sie den Antrag auf Rückruf und Entfernung (Klageantrag zu III.1.) modifiziert und den Antrag auf Vernichtung (Klageantrag zu III.2.) gegenüber dem Beklagten zu 4) zurückgenommen hat,

die Beklagte zu 1) im zuerkannten Umfange zu verurteilen,

und darüber hinaus auch die Beklagten zu 2) bis 4), hinsichtlich der Verurteilung zur Vernichtung allerdings nur die Beklagten zu 2) und 3), entsprechend der Urteilsformel zu verurteilen sowie

festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der A, XXX L, Suite XXX, M, CA 92XXX, USA, jeglichen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die vorstehend zu I.1. bezeichneten und seit dem 1. Oktober 2006 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten berufen sich hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform 1 darauf, sie seien zur Unterbreitung des Angebots und zur Lieferung und Installation des Systems auf Grundlage des Vertriebsvertrages mit der Patentinhaberin berechtigt gewesen.

Sie sind der Auffassung, die Kündigung des Vertriebsvertrages sei unwirksam, ein Kündigungsgrund habe nicht vorgelegen. Die Beklagte zu 1) habe ihre Berichtspflichten nicht verletzt. Die Informationen, die sie der Patentinhaberin vor der Kündigungserklärung gegeben habe, seien von dieser nie als unzureichend beanstandet worden. Die Patentinhaberin habe die Kündigung auch ohne jede „Vorwarnung“ ausgesprochen. An einem Kündigungsgrund fehle es jedenfalls deshalb, weil nicht jeder Verstoß gegen Vertragspflichten zur Kündigung berechtige, sondern nur ein solcher, der durch den Empfänger der Kündigung nicht geheilt werde. Vorliegend habe die Beklagte zu 1) jedoch im unmittelbaren Nachgang zur Kündigungserklärung der Patentinhaberin in mehreren Schreiben vom 5. September 2006 (Anlage B 3), 11. September 2006 (Anlage B 4) und vom 14. September 2006 (Anlage B 5) jeweils entsprechende Informationen übermittelt und die Patentinhaberin um Hinweis gebeten, falls diese weitere Informationen gewünscht hätte. Schließlich sei die Verletzung der genannten Berichts- und Informationspflichten ohnehin nicht geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, denn dies habe sich jedenfalls nicht dauerhaft negativ auf das Vermögen der Patentinhaberin ausgewirkt. Da sich die Patentinhaberin somit vertragswidrig geweigert habe, die Beklagte zu 1) zu beliefern, sei diese gemäß kalifornischem Handelsrecht unter dem Gesichtspunkt eines „right to cover“ berechtigt gewesen, sich anderweitig mit Produkten einzudecken, selbst wenn diese von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch machen. Das „right to cover“ umfasse dabei auch die Herstellung entsprechender Produkte durch Dritte im Auftrag der Beklagten zu 1). Die Unwirksamkeit der Kündigung nach kalifornischem Recht sowie die Berechtigung der Beklagten zu 1) gemäß dem „right to cover“ seien durch das Rechtsgutachten des Rechtsanwalts O vom 1. Oktober 2009 (mit Anlagen als Anlagenkonvolut B 9) belegt.

Aus diesem Gutachten, dessen tatsächliche Ausführungen sich die Beklagten als Vortrag zu eigen machen, folge zugleich, dass aus Rechtsgründen der Vertriebsvertrag nicht durch Zeitablauf beendet sei. Nachdem der Vertriebsvertrag zwischen Vertragsparteien Ende 2004 und Ende 2005 jeweils stillschweigend für das darauffolgende Jahr verlängert worden sei, seien beide Vertragsparteien davon ausgegangen, dass der Vertrag bis zu einer Kündigung aus wichtigem Grund oder bis zu einer Unterschreitung der gemäß Ziffer 3.(b) des Vertriebsvertrages maßgeblichen Mindestabsatzzahlen fortdauere. Nach Ausspruch der Kündigungserklärung vom 1. September 2006 habe sich die Patentinhaberin in treuwidriger Weise und unter Verstoß gegen Ziff. 3.(a) Satz 4 des Vertriebsvertrages geweigert, über die Verlängerung des Vertragsverhältnisses zu verhandeln. Auf eine von der Patentinhaberin vor der Kündigungserklärung vom 1. September 2006 erhobene Forderung, zukünftig höhere Preise im voraus zu zahlen, habe die Beklagte zu 1) weder eingehen können noch wollen. Die Weigerung der Pateninhaberin, Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung zu führen, habe nach kalifornischem Recht zur Folge – wie sich wiederum aus dem Rechtsgutachten des Rechtsanwalts O ergebe –, dass sich das Vertragsverhältnis „nach Wahl der Beklagten zu 1) bis 2008 und darüber hinaus“ verlängere.

Die Beklagten bestreiten, dass die angegriffene Ausführungsform 2 das Klagepatent verletze. Bei diesem System wiesen die für die Blockierung der Einkaufswagen eingesetzten Räder kein Bremsglied mit patentgemäßer Funktion und Wirkung auf. Auch fehle es insoweit an einer Sperreinrichtung bzw. Riegeleinrichtung zur freigebbaren Blockierung des Bremsgliedes.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, jedoch nur zum Teil begründet, hinsichtlich der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der Patentinhaberin und hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform 2 unbegründet.

A.

Die Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor. Zwar hat die Klägerin erstmals mit Schriftsatz vom 31. Juli 2009 und somit nach Verhandlung der Parteien zur Sache im frühen ersten Termin vom 15. Januar 2009 ausdrücklich auch die angegriffene Ausführungsform 2 zum Gegenstand ihres Klagebegehrens gemacht. Darin liegt eine Änderung des Streitgegenstands, so dass die Klägerin insoweit ihre Klage geändert hat. Soweit die Klägerin vorgebracht hat, die angegriffenen Ausführungsformen seien technisch identisch und unterschieden sich lediglich in ihrem äußeren Erscheinungsbild, lässt sich dies nicht mit den zur Akte gereichten Mustern von Einkaufswagenrädern beider angegriffener Ausführungsformen in Übereinstimmung bringen. Beim Vergleich beider Muster ist festzustellen, dass beim Einkaufswagenrad aus der angegriffenen Ausführungsform 1 (Anlage K 15) bei dessen Verriegelung eine gelbe Ummantelung das Rades ruckartig ausfährt, welche das Rad sektoral zum Teil umschließt. Eine solche Ummantelung fehlt beim Rad der angegriffenen Ausführungsform 2 völlig, welches unstreitig dadurch blockiert wird, dass seine Rotation in einer Drehrichtung blockiert und in der anderen Drehrichtung nur unter Durchlaufen einer Rastung möglich ist. Während also bei der angegriffenen Ausführungsform 1 das Rad dadurch blockiert wird, dass die gelbe Ummantelung es umschließt und – im eingebauten Zustand – vom Boden beabstandet, bleibt das Rad der angegriffenen Ausführungsform 2 zwar frei, wird aber durch ein innenliegendes Element an der freien Rotation gehindert.

Die Einführung einer weiteren angegriffenen Ausführungsform, nämlich der angegriffenen Ausführungsform 2, nach erstmaliger mündlicher Verhandlung zur Sache lässt trotz des Widerspruchs der Beklagten gegen eine Klageänderung die Sachurteilsvoraussetzungen nicht entfallen. Eine solche Klageänderung ist ohne Einwilligung der Beklagten gemäß § 263, 2. Alt. ZPO zulässig, weil sie sachdienlich ist. Die zwischen den Parteien im Hinblick auf die angegriffene Ausführungsform 2 in Streit stehenden weiteren Aspekte können aufgrund der Klageänderung in einem Rechtsstreit erledigt werden, so dass ein neuer Prozess vermieden wird (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., § 263 Rn. 13 ZPO). Die technische Diskussion über die Frage, ob auch die angegriffene Ausführungsform 2 Gebrauch macht von der Lehre des Klagepatents, kann im vorliegenden Verfahren geprüft werden, ohne dass dessen Erledigung verzögert würde.

B.

Die Klage ist nur zum Teil begründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Feststellung der Schadensersatzpflicht, Rückruf und Entfernung sowie Vernichtung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB nur gegen die Beklagte zu 1), nicht gegen die übrigen Beklagten zu. Einen Anspruch auf Feststellung der Schadensersatzpflicht gegenüber der Patentinhaberin hat sie nicht, ebenso wenig wie Rechte aus dem Klagepatent im Hinblick auf die angegriffene Ausführungsform 2.

I.

Das Klagepatent betrifft eine Schutzvorrichtung und Verfahren für u.a. Einkaufswagen.

Gemäß den einleitenden Bemerkungen des Klagepatents werden Einkaufswagen mit Rädern in Supermärkten und anderen großen Geschäften den Kunden üblicher Weise zur Verfügung gestellt, um große Ladungen an Waren zusammenzutragen und nach dem Bezahlen zu einem Fahrzeug zu schaffen. Der leere Einkaufswagen wird danach durch Angestellte des Ladengeschäfts eingesammelt und zurückgebracht. Es hat sich erwiesen, dass solche Einkaufswagen oft von den Ladengeschäften und deren Parkplätzen entfernt werden, beispielsweise ein Kunde ohne Fahrzeug die eingekauften Waren nach Hause transportiert und sodann den Einkaufswagen nicht mehr zurückbringt. Dies kann sogar in einem dauerhaften Verlust oder Diebstahl des Wagens gipfeln, was wegen des relativ hohen Preises von Einkaufswagen zu beträchtlichen finanziellen Verlusten des Einzelhändlers führen kann.

Aus dem Stand der Technik sind Vorschläge für Einrichtungen bekannt, mit denen Kunden und Dritte davon abgehalten werden sollen, Einkaufswagen zu entfernen. Diese Einrichtungen enthalten üblicherweise eine Radsperrung, die aktiviert wird, wenn der Einkaufswagen über eine bestimmte Grenze rund um das Geschäft verbracht wird. An diesen Einrichtungen hat sich als nachteilig erwiesen, dass sie mit hohen Anschaffungs- und Wartungskosten verbunden sind, zu kompliziert und zu zerbrechlich sind und deswegen zu Störungen neigen. Auch ist es nachteilig, dass beim Zurückholen des Einkaufswagens nicht erkennbar ist, welche Wagen blockierte Räder aufweisen, so dass blockierte Räder, wenn mehrere Einkaufswagen in einer „Schlange“ zurückgeschoben werden, über den Boden gleiten und beschädigt werden können.

Die US 4.609.075 offenbart eine Arretiereinrichtung mit einem Bodenkontaktfühler und einer magnetischen Triggeranordnung. Wird der Einkaufswagen über die Triggeranordnung an einer äußeren Begrenzungslinie geschoben, berührt der Fühler den Boden und hebt ein Wagenrad an, so dass der Wagen unbrauchbar wird. Hieran kritisiert das Klagepatent, dass Fühler und Bodenfläche beschädigt werden, wenn der Einkaufswagen gleichwohl weitergeschoben wird. Auch sind die Magnete sehr teuer und nicht für einen weiten Umfang geeignet.

Auch die US 5.394.962 offenbart eine Bremseinrichtung mit einem Bremsglied, welches den Boden berührt und das Fahrzeugt anhebt. Hieran kritisiert das Klagepatent wiederum die Verwendung von Magneten und die Gefahr, dass das blockierte Rad über den Boden gezogen und dabei beschädigt wird.

Die WO 96/21206 offenbart eine Einrichtung mit einem Inhibitor innerhalb des Rades, um das Rad selektiv in Eingriff zu nehmen, wobei der Inhibitor durch eine Drehvorrichtung betätigt wird. Wiederum besteht dabei die Gefahr, dass das blockierte rad über den Boden gezogen wird. Diese Kritik übt das Klagepatent auch an der US 2759738, welche eine Tragrinne offenbart, welche unter der Breite des Einkaufswagens bewegbar und manuell an diesem arretierbar ist.

Das Klagepatent stellt sich daher die Aufgabe (Abschnitt [0008]), eine neue und verbesserte Schutzvorrichtung für ein Fahrzeug mit Rädern, beispielsweise einen Einkaufswagen, zu schaffen, welche zuverlässig und rentabel den Diebstahl oder das Entfernen des Fahrzeugs oder Wagens aus einem bestimmten Bereich, beispielsweise einem Parkplatz eines Ladengeschäfts, verhindert.

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor

Fahrzeugsicherheitssystem mit

(1) einer Vielzahl von Fahrzeugen, die jeweils eine Vielzahl von Gleitrollenrädern (204) aufweisen;

(2) einer Perimeterantenne (266), die
(2.1) ein Gebiet umgibt, in welchem die Fahrzeuge zurückgehalten werden sollen, und
(2.2) ein kontinuierliches Bremssignal abgibt;

(3) einem Controller (276);

(4) einem Empfänger;

(5) einem Arretiergerät (210), das
(5.1) an wenigstens einem Gleitrollenrad (204) jedes Fahrzeugs befestigt ist, und beinhaltet
(5.2) ein Bremsglied (212), welches zwischen einer betriebslosen Position, in welcher das Rad sich frei drehen kann, und einer Betriebsposition, in welcher eine normale Operation des Fahrzeugs entlang einer Bodenfläche verhindert wird, verstellbar ist,
(5.3) eine Sperreinrichtung bzw. Riegeleinrichtung (214) zur freigebbaren Blockierung des Bremsgliedes (212) in der betriebslosen bzw. in der in Betrieb befindlichen Position, und
(5.4) einen Controller (276), der die Aktvierung der Sperreinrichtung (214) steuert,

dadurch gekennzeichnet, dass das Sicherheitssystem weiterhin aufweist:

(6) wenigstens eine Übertragungseinheit separat von der Permiterantenne zum Aussenden eines Bremsfreigabesignals unterschiedlich zu dem Bremsaktivierungssignal und

(7) die Sperreinrichtung (210), die enthält
(7.1) den Empfänger (240) zum Empfangen des Bremsaktivier- und Bremsfreigabesignals und
(7.2) den Controller (276), der dem Empfänger (240) zugeordnet ist und die Sperreinrichtung (214) zur Freigabe des Bremsgliedes (212) aus der Außerbetriebsposition betätigt und es ihm gestattet, sich in die Betriebsposition bei Erfassung des Bremsaktiviersignals zu bewegen, und um das Bremsglied (212) aus der Betriebsposition freizugeben und es in die betriebslose Position bei Erfassung nur des Bremsfreigabesignals bewegen zu lassen, unabhängig von dem Perimeterantennensignal, wobei das Bremsfreigabesignal das Bremsglied (212) sich in die betriebslose Position bewegen lässt.

II.

Die Beklagte zu 1) hat das Klagepatent widerrechtlich verletzt, indem sie die angegriffene Ausführungsform 1 mit Schreiben vom 8. Februar 2007 anbot und sodann lieferte und installierte. Dass die angegriffene Ausführungsform 1 sämtliche Merkmale des Klagepatents verwirklicht, steht zwischen den Parteien zu Recht außer Streit und bedarf daher keiner Erörterung.

Die Beklagte zu 1) war auch nicht aufgrund des zwischen ihr und der Patentinhaberin am 10./12. Dezember 2002 geschlossenen Vertriebsvertrages (Anlage B 1) dazu berechtigt, von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch zu machen. Zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung, also jedenfalls am 8. Februar 2007, entfaltete der Vertriebsvertrag keine Wirkungen mehr. Er war zu diesem Zeitpunkt bereits durch bloßen Zeitablauf erloschen.

1.

Ziffer 3. des Vertriebsvertrages betreffend die Laufzeit ist in der Weise auszulegen, dass der Vertriebsvertrag zunächst eine Laufzeit bis zum 10. Dezember 2005 hatte und sodann um jeweils ein weiteres Jahr wiederholt verlängert werden konnte. Die Auslegung des Vertriebsvertrages muss dabei im Hinblick auf die Regelung in seiner Ziffer 19. nach dem Recht des US-amerikanischen Bundesstaates B erfolgen. Diese Rechtswahlklausel ist gemäß Art. 27 EGBGB wirksam, so dass das gewählte ausländische Recht anzuwenden ist. Die Ermittlung des Regelungsgehalts ausländischen Rechts im Wege der Beweisaufnahme obliegt dem erkennenden Gericht gemäß § 293 ZPO. Das Gericht ist dabei gemäß § 293 Satz 2 ZPO nicht an Beweisantritte der Parteien gebunden, da ausländische Rechtsnormen Rechtssätze und keine – auf Antrag durch Durchführung einer Beweisaufnahme – zu ermittelnden Tatsachen sind (Zöller / Geimer, a.a.O., § 293 Rn. 14). Das Gericht ist vielmehr verpflichtet, sich Kenntnis vom anwendbaren ausländischen Recht zu verschaffen. Es steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen, welcher Erkenntnisquellen es sich dabei bedienen will.

Vorliegend haben die Parteien in Erfüllung ihrer Pflicht, bei der Ermittlung ausländischen Rechts mitzuwirken (Zöller / Geimer, a.a.O., § 293 Rn. 16) Rechtsgutachten zum anwendbaren kalifornischen Recht vorgelegt, nämlich die Klägerin ein Rechtsgutachten der Rechtsanwältin K (in deutscher Übersetzung Anlage K 21.2) und die Beklagten ein Rechtsgutachten des Rechtsanwalts O (Anlage B 9). Auf Grundlage dieser mit Blick auf den konkreten Rechtsstreit gefertigten Rechtsgutachten lässt sich die Rechtslage nach kalifornischem Recht ermitteln. Zwar kommen die beiden Gutachten – je nachdem, von welcher Partei sie beigebracht wurden – zu gegensätzlichen Ergebnissen, jedoch stimmen sie in der abstrakten Darlegung der Rechtssätze nach kalifornischem Recht so weit überein und deuten auf eine so starke Ähnlichkeit zu den einschlägigen deutschen Rechtssätzen hin, dass es der weiteren Ermittlung der Rechtslage, etwa durch Einholung eines Rechtsgutachtens eines gerichtlich zu bestellenden Sachverständigen, nicht bedarf (vgl. auch Zöller / Geimer, a.a.O., Rn. 15).

2.

Beide Gutachten belegen den Rechtssatz, dass nach kalifornischem Recht (ähnlich wie nach deutschem Recht) die Auslegung eines Vertrages anhand des Willens der Parteien geschehen muss und einzelne Vertragsklauseln im Zusammenhang des gesamten Vertragswortlauts auszulegen sind. Das Gutachten K weist darauf hin (Anlage K 21.2, Seite 5, Zeilen 17ff.), dass nach kalifornischem Recht ein Vertrag in seiner Gesamtheit zu betrachten ist, um jedem Teil Wirkung zu verleihen, wobei jede Klausel bei der Auslegung der anderen Klausel hilft. Daher ist, wenn eine Vertragsbestimmung mehrere Bedeutungen haben kann, diejenige zu wählen, die ihr im Kontext des Vertragstextes insgesamt Sinn verleiht. In gleicher Weise geht aus dem Gutachten O (Anlage B 9, Seite 8, Zeilen 16ff.) hervor, dass ein Vertrag gemäß kalifornischem Recht (wiederum nicht anders als nach den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB) so auszulegen ist, dass es dem gemeinsamen Willen der Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses Rechnung trägt, und weiter (Anlage B 9, Seite 8, Zeilen 33ff.), dass die Auslegung gemäß kalifornischem Recht jeder Bestimmung eines Vertrags Wirkung zu verleihen hat und demgegenüber eine Auslegung zu vermeiden ist, die andere Teile des Vertragswerks außer acht lässt, indem sie als selektive Auslegung nur einzelne Bestimmungen in den Blick nimmt. Die Gutachten stimmen also darin überein, dass die am Willen der Parteien (zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses) orientierte Vertragsauslegung sich auf die jeweilige Klausel in ihrem Kontext beziehen und dem gesamten vertraglichen Regelungsgehalt zur sinnvollen Wirkung verhelfen muss.

3.

Hiernach ist Satz 3 der Ziffer 3.(a) des Vertriebsvertrages

„Platziert der Vertriebshändler angemessene Kaufaufträge in dem in diesem Abschnitt angegebenen Umfang, bleibt der Vertrag in Kraft“

im Kontext mit dem davor stehenden Satz 2 und im Hinblick auf den nachfolgenden Satz 4 einschränkend auszulegen: Erreicht die Beklagte zu 1) als Vertriebshändlerin die mit der Patentinhaberin vereinbarten Absatzzahlen nicht, ist diese berechtigt, den Vertrag aus eben diesem Grunde gemäß Ziff. 3(a) Satz 2 zu kündigen, erreicht sie die Zahlen jedoch, ist dieser Kündigungsgrund nicht gegeben, was allerdings nicht das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund gemäß Ziff. 17.(a) ausschließt (gemäß Ziffer 17.(a) Satz 3 soll dieses Kündigungsrecht nämlich zusätzlich zu jeglichem sonstigen Recht einer der beiden Vertragsparteien bestehen), und auch die anderweitige Beendigung des Vertragsverhältnisses durch Zeitablauf unberührt lässt. Nach dieser Auslegung fügt sich Ziff. 3(a) Satz 3 auch nahtlos in die Regelung des nachfolgenden Satzes 4 ein, welcher eine Verpflichtung beider Vertragsparteien begründet, für eine Verlängerung des Vertragsverhältnisses im November des jeweils laufenden Jahres zusammenzuwirken. Umgekehrt wäre diese Regelung nicht mit einer Auslegung von Satz 3 in Einklang zu bringen, nach welcher der Vertrag ungeachtet der ursprünglich vereinbarten Vertragslaufzeit fortdauern sollte, solange nur die vereinbarten Umsatzzahlen erreicht werden.

Diese Auslegung wird darüber hinaus gestützt durch das Verhalten der Vertragsparteien nach Vertragsschluss. Das Verhalten der Vertragsparteien nach Vertragsschluss, also ihre praktische Umsetzung des Vertrages, ist, wie das Gutachten O herausstellt (Anlage B 9, Seite 9, Zeilen 16ff.), bei der Auslegung des Vertrages zu beachten. Die Vertragsparteien haben sehr wohl die Notwendigkeit gesehen, über den Fortbestand des Vertriebsvertrages jeweils gegen Ende eines jeden Vertragsjahres zu verhandeln. Dies belegt etwa das „Addendum“ zum Vertriebsvertrag vom 16. Januar 2004 (Anhang V zur Anlage B 9), in welchem die Vertragsparteien das Ergebnis von Vertragsverhandlungen aus dem Dezember 2003 festhalten, und in dem sie zwar nicht die weitere Vertragsdauer ausdrücklich regeln, jedoch den Mindestumsatz für die Jahre 2004 und 2005 festlegen, wodurch sie – worauf sich die Beklagten selber berufen – die Vertragsdauer stillschweigend verlängern. Die Vertragsparteien haben die Erreichung des Mindestumsatzes mithin keineswegs als ausreichend angesehen, um den Vertrag unbefristet weiterlaufen zu lassen, sondern die Notwendigkeit erkannt, sich jeweils gegen Ende eines Vertragsjahres über den Fortbestand und die zukünftig gültigen wirtschaftlichen Bedingungen des Vertrages zu einigen.

4.

Demnach bestand der Vertriebsvertrag aufgrund einvernehmlicher Verlängerungen der Laufzeit um jeweils ein Jahr zwar im Jahre 2006 noch, was auch dadurch belegt wird, dass die Patentinhaberin die Notwendigkeit sah, den Vertrag durch Schreiben vom 1. September 2006 zum 30. September 2006 zu kündigen. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass jedoch eine Vereinbarung über eine Verlängerung der Vertragslaufzeit über den 10. Dezember 2006 hinaus nicht, auch nicht stillschweigend, getroffen wurde.

Eine Fiktion der Verlängerung der Vertragslaufzeit aus Rechtsgründen, nämlich als Konsequenz eines etwaigen Verstoßes der Patentinhaberin, mit der Beklagten zu 1) gemäß Ziff. 3(a), Satz 4 über die Verlängerung des Vertriebsvertrages zu verhandeln, kommt nicht in Betracht. Das Gutachten O erläutert (Anlage B 9, Seite 11, Zeilen 1 bis 14), dass sich nach kalifornischem Recht die Laufzeit eines Dauerschuldverhältnisses auch ohne entsprechende Vereinbarung nach Wahl nur einer Partei unter der Voraussetzung verlängert, wenn die andere Partei entgegen Treu und Glauben die Verpflichtung verletzt, über eine Vertragsverlängerung zu verhandeln, indem sie solche Verhandlungen verweigert oder einseitig einstellt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer solchen Vertragsverlängerung als Sanktion eines Verstoßes gegen eine vertragliche Pflicht zur Verhandlung sind vorliegend nicht erkennbar dargetan. Im Gegenteil ergibt sich aus dem Vorbringen der Beklagten, dass die Patentinhaberin zur Verhandlung über zukünftige Vertragsbedingungen bereit war. Die Beklagten bringen vor, die Patentinhaberin habe vor Erklärung der Kündigung aus wichtigem Grund mit Schreiben vom 1. September 2006 neue Bedingungen vorgeschlagen, nämlich höhere Preise und Vorauszahlungen der Beklagten zu 1) gefordert, hierauf habe sich die Beklagte zu 1) aber nicht einlassen wollen. Hiernach war es nicht die Patentinhaberin, sondern die Beklagte zu 1), die sich der Verhandlung zukünftiger Vertragsbedingungen wiedersetzte. Die Forderung nach höheren Preisen und Vorauszahlungen mag für die Beklagte zu 1) wirtschaftlich nachteilig gewesen sein, auch sie war indes gemäß Ziff. 3(a) Satz 4 des Vertriebsvertrages verpflichtet, über den Fortbestand des Vertragsverhältnisses zu verhandeln und deshalb nicht berechtigt, sich auf eine solche Forderung von vornherein nicht einzulassen.

Ferner belegt ein anwaltliches Schreiben der Patentinhaberin vom 10. November 2006 (Anhang P zu Anlage B 9), dass die Patentinhaberin sogar nach Erklärung der Kündigung und kurz vor dem regulären Ablauf der Vertragslaufzeit am 10. Dezember 2006 weitere Verhandlungen keineswegs endgültig verweigert hat. In diesem Schreiben fordert sie die Beklagte zu 1) vielmehr auf, sich unmittelbar ihr gegenüber bis zum 16. November 2006 zu erklären, ob sie die wechselseitige Geschäftsbeziehung fortsetzen wolle. Hiernach stellte sich die Patentinhaberin nicht auf den Standpunkt, ihre Kündigung vom 1. September 2006 sei wirksam und jegliche Verhandlung über den Fortbestand des Vertrages sei überflüssig, vielmehr erklärte sie ihre grundsätzliche Bereitschaft zu Verhandlungen über den Fortbestand der Geschäftsbeziehung.

III.

Dass auch die angegriffene Ausführungsform 2 von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch macht, lässt sich hingegen nicht feststellen. Jedenfalls das zwischen den Parteien im Streit stehende Merkmal 5.2 wird durch die angegriffene Ausführungsform 2 nicht verwirklicht.

1.

Gemäß Merkmal 5.2 lehrt das Klagepatent ein Bremsglied (212), welches zwischen zwei Positionen verstellbar ist, nämlich einer, in der das Rad sich frei drehen kann, und einer weiteren, in der eine normale Operation des Fahrzeugs entlang einer Bodenfläche verhindert wird. Als erfindungsgemäßes Bremsglied betrachtet der Fachmann jedes Bauelement, das zwei Positionen einnehmen und dadurch bewirken kann, dass das Rad des Einkaufswagens sich entweder unbehindert und frei über den Boden rollend dreht oder in einer solchen freien Drehung dadurch behindert wird, dass wenigstens ein Rad des Einkaufswagens vom Boden angehoben und/oder getrennt wird, so dass der Einkaufswagen nicht mehr bestimmungsgemäß geschoben werden kann.

Zu dieser Auslegung gelangt der Fachmann aufgrund der Erkenntnis, dass die konkrete räumliche Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Bremsgliedes durch das Klagepatent nicht vorgegeben wird, und deshalb begrifflich zunächst jedes Element in Betracht kommt, das den Einkaufswagen zu bremsen geeignet ist. Bei der Überlegung, wie er die technische Lehre des Klagepatents konkret ausführen kann, wird der Fachmann daher die Vorgabe ernst nehmen (Abschnitt [0011]), das Bremsglied könne jede geeignete Form haben, die einen vorstehenden Abschnitt zum Anheben oder Trennen des Rades vom Boden aufweist. Diese Angabe ist aus fachmännischer Sicht nicht als die Darstellung eines Ausführungsbeispiels zu begreifen, sondern als allgemeine Beschreibung der Erfindung. Der Begriff des Bremsgliedes kann nicht abstrakter und weiter verstanden werden, etwa in der Weise, dass hierunter ungeachtet der konkreten Ausgestaltung jedes Glied einer Konstruktion zu fassen wäre, das geeignet ist, ein anderes Konstruktionselement irgendwie zu bremsen, also dessen Bewegung zu verlangsamen oder gar zu stoppen. Aus dem Stand der Technik, von dem sich die technische Lehre des Klagepatents abgrenzt, sind in dieser Weise weit verstandene Elemente bekannt und sie werden vom Klagepatent deshalb abgelehnt, weil bei ihrer Verwendung die Gefahr besteht, dass ein lediglich blockiertes, vom Boden nicht getrenntes Rad dennoch über den Boden geschoben und dadurch beschädigt wird. Aus eben diesem Grunde werden die technischen Lösungen abgelehnt, wie sie in der US ‘962 (Abschnitt [0005]), der WO ‘206 (Abschnitt [0006]) und der US ‘738 (Abschnitt [0007]) offenbart sind. Insbesondere kritisiert das Klagepatent (Abschnitt [0003]), dass beim Einsammeln der Einkaufswagen versehentlich ein Wagen mit blockiertem Rad bzw. blockierten Rädern in eine Schlange von Wagen eingereiht wird und das blockierte Rad bzw. die blockierten Räder sodann beschädigt werden können.

Diese Auslegungsweise ergibt sich für den Fachmann ferner aus der funktionsorientierten Auslegung, also der Deutung der Merkmale und Begriffe des Patentanspruchs dahingehend, wie dies angesichts der ihnen nach der offenbarten Erfindung zugedachten technischen Funktion im Zusammenhang des gesamten Patentanspruchs angemessen ist (BGH GRUR 2001, 232, 233 – Brieflocher; OLG I GRUR 2000, 599, 601 – Staubsaugerfilter): Nur ein Trennen des Rades vom Boden in der Betriebsposition des erfindungsgemäßen Bremsgliedes kann gewährleisten, dass das blockierte Rad gleichwohl über den Boden geschoben wird und dabei durch Reiben und Schleifen beschädigt wird.

2.

Demnach erfüllt die angegriffene Ausführungsform 2 das Merkmal 5.2 des Klagepatents nicht. Das zu diesem System gehörende Einkaufswagenrad kann – wie am Muster gemäß Anlage K 18 erkennbar ist – von einem nicht blockierten, frei drehenden Zustand in einen Zustand versetzt werden, bei dem sich zwar das Rad in eine Richtung gar nicht mehr drehen lässt und in die andere Richtung eine Rastung durchlaufen muss, bei dem aber das blockierte Rad nach unten hin offen bleibt und auch nicht in anderer Weise vom Boden getrennt wird. Dieser Zustand wird bei der angegriffenen Ausführungsform 2 – nach dem unbestrittenen Vorbringen der Beklagten – dadurch bewirkt, dass eine federbelastete Sperrklinke beim Empfangen des Bremsaktivierungssignals freigegeben und sodann durch die Federkraft gegen ein Sperrrad gedrückt wird. Im blockierten Zustand lässt sich demnach der mit diesem Rad versehene Einkaufswagen nicht mehr bestimmungsgemäß schieben, weil das Rad nämlich nicht mehr in die Richtung drehen kann, in die es beim Vorwärtsschieben des Wagens drehen müsste. Dies wird dadurch bewirkt, dass das Rad zwar vollständig drehbar am Einkaufswagen angebracht ist, das Verbindungsstück aber nicht mittig über dem Rad angebracht ist. Beim Vorwärtsschieben dreht sich das Rad daher hinter den Verbindungspunkt und muss bei der weiteren Fortbewegung in eine bestimmte Richtung rotieren, und zwar diejenige, in welche bei der angegriffenen Ausführungsform die Rotation im blockierten Zustand blockiert ist. Gleichwohl kann das unmittelbar mit dem Boden in Berührung stehende Rad noch geschoben werden, wobei es aber erheblichen Gleitreibungskräften ausgesetzt ist und beschädigt zu werden droht.

Demnach unterfällt die angegriffene Ausführungsform 2 nicht dem Schutzbereich des Klagepatents. Es handelt sich auch nicht um eine lediglich verschlechterte Ausführungsform. Dies könnte nur unter der Voraussetzung angenommen werden, dass das Klagepatent durch Merkmal 5.2. eine konkrete räumlich Gestaltung lehrt, die durch die angegriffene Ausführungsform 2 wortsinngemäß verwirklicht, dabei jedoch die Vorteile der patentgemäßen Lehre nicht oder in nur unvollkommener Weise erreicht (BGH GRUR 1991, 436, 441f. – Befestigungsvorrichtung II; Schulte/Kühnen, a.a.O, § 14 Rn. 69 m.w.N.). Das Klagepatent lehrt indes, wie oben unter 1. ausgeführt, in Merkmal 5.2 keine räumliche Ausgestaltung, so dass sich eine wortsinngemäße Verwirklichung bei Verfehlung der patentgemäßen Vorteile gerade nicht feststellen lässt. Vielmehr entspricht die Gestaltung der angegriffenen Ausführungsform 2 dem Stand der Technik, von dem sich die technische Lehre des Klagepatents abgrenzt: Das Rad verfügt, wie durch die WO ‘206 offenbart, über eine in seinem inneren angeordnete Sperre, die selektiv das Rad in Eingriff nehmen kann. Dies lehnt das Klagepatent wegen der Gefahr einer Beschädigung des blockierten Rades ab (Abschnitt [0007]).

3.

Ob die angegriffene Ausführungsform das ebenfalls zwischen den Parteien in Streit stehende Merkmal 5.3. verwirklicht, bedarf demnach keiner Erörterung.

IV.

Hieraus ergeben sich die Rechtsfolgen im zuerkannten Umfang:

1.

Die Beklagte zu 1) hat durch das Anbieten sowie die Lieferung und die Installation der angegriffene Ausführungsform 1 das Klagepatent widerrechtlich benutzt. In der Lieferung und Installation des Systems liegt ein Herstellen gemäß § 9 PatG, weil dadurch die Einzelteile des Systems in einer Weise zusammengestellt wurden, welche alle Patentmerkmale verwirklicht (vgl. Schulte/Kühnen, a.a.O., § 9 Rn. 48).

Daher ist die Beklagte zu 1) gemäß Artikel 64 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG im Hinblick auf die angegriffene Ausführungsform 1 der Klägerin zur Unterlassung der Benutzungshandlungen verpflichtet, da die Klägerin unstreitig ausschließliche Lizenznehmerin am Klagepatent ist (vgl. Schulte/Kühnen, a.a.O, § 139 Rn. 14).

Die Beklagte zu 1) trifft ein zumindest fahrlässiges Verschulden. Bei Anwendung der von ihr im Geschäftsverkehr zu fordernden Sorgfalt hätte sie die Benutzung des Klagepatents erkennen und vermeiden können. Für die Zeit nach Patenterteilung schuldet die Beklagte zu 1) daher Ersatz des Schaden, welcher der Klägerin durch die patentgemäße Benutzung der angegriffenen Ausführungsform 1 entstanden ist und noch entstehen wird, Artikel 64 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG. Da die genaue Schadensersatzhöhe derzeit noch nicht feststeht, die Klägerin nämlich keine Kenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen durch die Beklagte zu 1) hat, hat die Klägerin ein rechtliches Interesse gemäß § 256 ZPO daran, dass die Schadensersatzpflicht der Beklagten dem Grunde nach festgestellt wird. Anspruchsinhaberin ist insoweit die Klägerin, da die Entstehung eines eigenen Schadens der Klägerin in ihrer Eigenschaft als ausschließliche Lizenznehmerin wahrscheinlich ist (vgl. Schulte/Kühnen, a.a.O., § 139 Rn. 14).

Um die Klägerin in die Lage zu versetzen, den ihr zustehenden Schadensersatz zu beziffern, ist die Beklagte zu 1) verpflichtet, im zuerkannten Umfange über ihre Benutzungshandlungen Rechnung zu legen. Im Rahmen der gemäß § 140 b PatG bestehenden Auskunftspflicht hat die Beklagte außerdem die betreffenden Belege zu überlassen (vgl. OLG I, InstGE 5, 249 – Faltenbalg). Hinsichtlich der Angebotsempfänger ist der Beklagten ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (vgl. OLG I, InstGE 3, 176 – Glasscheiben-Befestiger; Kühnen/Geschke, Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 3. Aufl., Rn. 437).

Der Anspruch auf Rückruf und Entfernung aus den Vertriebswegen folgt aus § 140a Abs. 3 PatG, derjenige auf Vernichtung aus § 140a Abs. 1 PatG. Dass die Inanspruchnahme der Beklagten zu 1) im Sinne von § 140a Abs. 4 PatG unverhältnismäßig wäre, ist nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich.

2.

Indes folgt aus der patentverletzenden Herstellung und dem patentverletzenden Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform 2 durch die Beklagte zu 1) nicht der mit dem Klageantrag zu Ziffer II.2. geltend gemachte Anspruch der Klägerin auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 1) gegenüber der Patentinhaberin. Ein Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht ist begründet, wenn für den Schadenseintritt eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, die nicht hoch zu sein braucht, und die etwa dann anzunehmen ist, wenn der Schutzrechtsinhaber an der Ausübung einer ausschließlichen Lizenz wirtschaftlich partizipiert (BGH GRUR 2008, 896, 898 [26 f.] – Tintenpatrone). Vorliegend genügt das klägerische Vorbringen diesen (geringen) Anforderungen nicht. Die Klägerin hat nicht, auch nicht auf den ausdrücklichen Hinweis in der mündlichen Verhandlung vom 3. November (Bl. 183 GA) dargelegt, inwiefern die Patentinhaberin durch die widerrechtliche Benutzung des Klagepatents einen Vermögensnachteil erleiden kann – etwa weil eine Stücklizenz vereinbart sei und damit die Lizenzzahlungen durch Verletzungshandlungen geschmälert würden.

3.

Eine Haftung der Beklagten zu 2) bis 4) durch Verletzungshandlungen mit der angegriffenen Ausführungsform 1 besteht ebenfalls nicht. Zu dem Zeitpunkt, für den hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform 1 Verletzungshandlungen geltend gemacht werden, war die Beklagte zu 2) noch nicht gegründet. Eine Beteiligung der Beklagten zu 3) ist insoweit nicht dargetan, so dass auch eine Haftung des Beklagten zu 4), der Geschäftsführer der Beklagten zu 2) und 3), nicht aber der Beklagten zu 1) ist, nicht besteht.

4.

Da Herstellung und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform 2 das Klagepatent gemäß den Ausführungen oben unter III. nicht verletzen, bestehen insoweit die gegen die Beklagten geltend gemachten Ansprüche nicht.

V.

Die Kostenentscheidung folgt – unter Anwendung der sog. „Baumbach’schen Formel“ – aus §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 4, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.