4b O 284/08 – Dämmplattenschneider

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1035

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 16. Januar 2009, Az. 4b O 284/08

I. Der Verfügungsbeklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, wobei Ordnungshaft an ihrem jeweiligen Geschäftsführer zu vollstrecken ist, untersagt,
Schneidgeräte zum Schneiden von Körpern aus Kunststoff, insbesondere Hartschaumstoff-Wärmedämmplatten, mit einer Auflage für den Körper, einem Schneiddraht an einem relativ zur Auflage beweglichen Support und einer mit dem Support verbundenen und gegenüber der Auflage um eine Achse in einem Lager verschwenkbaren Führungseinrichtung zum Führen einer Verschiebung zwischen Support und Auflage
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,
bei denen die Schwenkachse zwischen der Führungseinrichtung und der Auflage in der Ebene der Auflage und in der Schnittebene des Schneiddrahtes angeordnet ist.

II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Verfügungsbeklagte.

III. Der Streitwert wird auf 500.000,00 € festgesetzt.

T a t b e s t a n d
Die in der Schweiz geschäftsansässige Verfügungsklägerin ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 928 XXX (Anlage Ast 1, im Folgenden: Verfügungspatent). Die Anmeldung des Verfügungspatents, das ein Schneidgerät für Körper aus Kunststoff betrifft, erfolgte am 12. Januar 1998, die Veröffentlichung der Anmeldung am 14. Juli 1999. Der Hinweis auf die Erteilung des Verfügungspatents datiert vom 4. Juni 2003.

Das Verfügungspatent steht in Kraft. Sein Anspruch 1 lautet:
„Schneidgerät zum Schneiden von Körpern aus Kunststoff, insbesondere Hartschaumstoff-Wärmedämmplatten, mit einer Auflage (13) für den Körper, einem Schneiddraht (19) an einem relativ zur Auflage (13) beweglichen Support (17) und einer mit dem Support (17) verbundenen und gegenüber der Auflage (13) um eine Achse (37) in einem Lager (29) verschwenkbaren Führungseinrichtung (15) zum Führen einer Verschiebung zwischen Support (17) und Auflage (13), dadurch gekennzeichnet, dass die Schwenkachse (37) zwischen der Führungseinrichtung (15) und der Auflage (13) in der Ebene der Auflage (13) und in der Schnittebene des Schneiddrahtes (19) angeordnet ist.“

Wegen des Inhalts der übrigen Ansprüche wird auf die Verfügungspatentschrift verwiesen.

Zur Veranschaulichung der Erfindung anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele werden nachfolgend die aus der Verfügungspatentschrift stammenden Figuren 1 und 2 abgebildet. Figur 1 ist eine perspektivische Skizze eines erfindungsgemäßen Schneidgeräts; Figur 2 zeigt einen Schnitt durch die Führungseinrichtung, die Schwenkachse und den Trägerholm.

Die in der Bundesrepublik Deutschland geschäftsansässige Verfügungsbeklagte ist eine Wettbewerberin der Verfügungsklägerin. Sie vertreibt und bewirbt unter der Bezeichnung „A“ (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform) einen Dämmplattenschneider, den sie auch auf der vom 12. bis 17. Januar 2009 stattfindenden Messe BAU 2009 in München ausstellt. Die Messe Bau findet alle zwei Jahre statt. Es handelt sich um eine der größten internationalen Baumessen in Europa.

Die angegriffene Ausführungsform ist ein Schneidgerät für Dämmstoffplatten mit einer Auflage, einem Schneiddraht, der an einem relativ zur Auflage beweglichen Support angebracht ist, und mit einer mit dem Support verbundenen und gegenüber der Auflage um die Achse in einem Lager verschwenkbaren Führungseinrichtung. Die nähere Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform ist den Anlagen Ast 4, Ast 5 sowie der Anlage AG 3 zu entnehmen. Zum besseren Verständnis ist nachfolgend die erste Fotografie der Anlage Ast 5 wiedergegeben.

Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform verletze das Verfügungspatent wortsinngemäß, weshalb sie die Verfügungsbeklagte unter dem Gesichtspunkt der unmittelbaren Patentverletzung auf Unterlassung in Anspruch nimmt. Diesen Anspruch könne sie im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verfolgen. Ihr Verwaltungsrat, Herr B, habe als erster im Betrieb der Klägerin die angegriffene Ausführungsform erstmals am 29. Oktober 2008 gesehen. Nachdem seitens ihrer Patentanwälte eine wortsinngemäße Verletzung des Verfügungspatents bejaht worden sei, habe sie die Verfügungsbeklagte – insoweit unstreitig – mit Schreiben vom 17. November 2008 abgemahnt. Der Verkauf der angegriffenen Ausführungsform und insbesondere deren Ausstellung auf der BAU 2009 füge ihr, der Verfügungsklägerin, einen Schaden zu, der nicht durch spätere Schadenersatzleistungen zu kompensieren sei. Sie, die Verfügungsklägerin, vertreibt – insoweit ebenfalls unstreitig – am deutschen Markt das Schneidgerät C. Dieses verwirkliche die technische Lehre des Verfügungspatents. Den Marktanteil des C schätze sie auf 10 %. Mit ihren 860 verkauften Geräten erziele sie allein in der Bundesrepublik Deutschland einen Umsatz in Höhe von 1,6 Mio. €. Dies mache 95 % ihres Gesamtumsatzes in Deutschland aus.

Mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 4. Dezember 2008 – am selben Tag bei Gericht eingegangen – beantragt die Verfügungsklägerin,
wie zuerkannt.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen,
hilfsweise, die Vollziehung einer einstweiligen Verfügung von einer ausreichenden Sicherheitsleistung der Verfügungsklägerin abhängig zu machen.

Die Verfügungsbeklagte stellt eine Patenverletzung in Abrede. Bei der angegriffenen Ausführungsform sei die Führungseinrichtung entsprechend dem Stand der Technik oberhalb der Auflage positioniert. Dies habe zur Folge, dass die Schwenkachse nicht zwischen der Führungseinrichtung und der Auflagenplatte angeordnet, sondern seitlich unterhalb der Führungsreinrichtung liege. Ein Eilbedürfnis sei nicht zu erkennen. Dies insbesondere deshalb nicht, weil sie – insoweit unstreitig – die angegriffene Ausführungsform seit August 2008 bewerbe. Dies geschehe im Internet, worauf sie in ihrem Newsletter auch ausdrücklich hingewiesen habe. Es sei deshalb davon auszugehen, dass die Verfügungsklägerin zeitnah bereits im Sommer 2008 von der angegriffenen Ausführungsform Kenntnis erlangt habe. Überdies bestünden erhebliche Zweifel am Rechtsbestand des Verfügungspatents, welches sie – insoweit unwidersprochen – demnächst mit einer Nichtigkeitsklage angreifen werde. Das Verfügungspatent sei weder neu noch beruhe es auf einer erfinderischen Tätigkeit. Sofern eine andere Auslegung als die von ihr vertretene anzunehmen sei, mangele es dem Anspruch 1 zudem an der technischen Ausführbarkeit.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist begründet. Der Verfügungsklägerin steht gegen die Verfügungsbeklagte ein Unterlassungsanspruch zu, den sie im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzen kann.

I.
Das Verfügungspatent betrifft ein Schneidgerät für Körper, insbesondere aus Hartschaumstoff-Wärmedämmplatten. Derartige Platten werden vor allem zur Außenisolierung von Hauswänden verwendet. Da die Maße der Hauswände nicht einheitlich sind, müssen die einheitlich dimensionierten Dämmplatten vor Ort zugeschnitten werden, wobei häufig nicht nur senkrechte Schnitte, sondern auch schräge Schnitte (Gehrungsschnitte) erfolgen müssen.

Wie das Verfügungspatent einleitend ausführt, ist aus der europäischen Patentschrift A-O 124 XXX (Anlage AG 2) ein Schneidgerät für Platten oder Blöcke aus Kunststoff bekannt, bei dem zum Schneiden eines auf einer Auflage liegenden Schaumstoffkörpers die Auflage mit dem Schaumstoffkörper gegen einen elektrisch geheizten Schneiddraht geführt wird. Wie die dortige, nachfolgend abgebildete Figur 1 zeigt, ist der dortige Schneiddraht (13) zwischen zwei Armen eines unter einer Auflage (23) angeordneten Bügels/Supports (11) gespannt. Die Arme reichen von der Unterseite der Auflage (23) um diese herum und über diese hinauf. Der Bügel (11) ist in verschiedenen Stellungen an einem Standbein (15) befestigt. Zwischen der Unterseite der Auflage (23) und dem Bügel (11) ist eine Führung/Verstelleinrichtung (33) angeordnet, welche die Relativbewegung von Draht (13) und Auflage (23) herbeiführt. Die Auflage (23) ist gegenüber dieser Führung/Verstelleinrichtung (33) verschwenkbar. Die Schwenkachse ist parallel zum Schneiddraht (13) mit Abstand zur Unterseite der Auflage (23) durch zwei Arretierschrauben gegeben.

Figur 2

In Stand der Technik ist darüber hinaus ein Schneidgerät der genannten Gattung bekannt, welches zum Führen des Supports und des Schneiddrahtes zwei Führungsschienen aufweist, die schwenkbeweglich auf einem Auflagenbrett angeordnet sind. Aus konstruktiven Gründen liegt bei diesem Gerät die Schwenkachse für die Führungsschienen mit Abstand über der Auflage.

Beim Schneiden der Körper mit diesen aus dem Stand der Technik bekannten Geräten wird das gewünschte Körpermaß von der Schneidebene aus auf der Auflage abgemessen, der Körper mit einer Kante auf die abgemessene Stelle positioniert und dann der heiße Schneiddraht durch den Körper geführt. Dabei dringt der Schnittdraht je nach Winkel der Schnittebene an einer anderen Stelle der Auflage durch den zu schneidenden Körper. Bedingt dadurch muss beim Abmessen des zu schneidenden Körpers jeweils vom Schneiddraht ausgegangen werden. Dies erachtet das Verfügungspatent als nachteilig. Insbesondere bei einem Wechsel des Schnittwinkels muss nämlich der Schneiddraht zunächst in die Auflagenebene gebracht werden, sodann das gewünschte Maß auf der Auflage festgehalten werden, danach Schneiddraht und Auflage voneinander entfernt werden, sodann der zu schneidende Körper auf die Auflage unter den Schneiddraht gelegt und erst dann kann der Körper zugeschnitten werden.

Ausgehend von diesem Stand der Technik bezeichnet es das Verfügungspatent als seine Aufgabe, eine Schneidvorrichtung der genannten Gattung zu schaffen, bei welcher ein Schnittmaß eines Körpers unabhängig vom Schnittwinkel immer von der gleichen Stelle auf der Auflage aus abgemessen werden kann. Dadurch kann ein Maßstab fest auf der Auflage angeordnet sein, dessen Skala die Entfernung von der Austrittslinie des Drahtes aus dem Schnittgut anzeigt.

Zur Lösung dieser Aufgabe sieht das Verfügungspatent in Anspruch 1 eine Vorrichtung mit der Kombination der folgenden Merkmale vor:

1. Schneidgerät zum Schneiden von Körpern aus Kunststoff, insbesondere Hartschaumstoff-Wärmedämmplatten, mit
2. einer Auflage (13) für den Körper,
3. einem Schneiddraht (19) an einem relativ zur Auflage (13) beweglichen Support (17) und
4. einer mit dem Support (17) verbundenen und gegenüber der Auflage (13) um eine Achse (37) in einem Lager (29) verschwenkbaren Führungseinrichtung (15) zum Führen einer Verschiebung zwischen Support (17) und Auflage (13), wobei
5. die Schwenkachse (37) zwischen der Führungseinrichtung (15) und der Auflage (13) in der Ebene der Auflage (13) und in der Schnittebene des Schneiddrahtes (19) angeordnet ist.

II.
Die Verfügungsklägerin hat einen Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht. Ihr steht wegen wortsinngemäßer Verletzung des Verfügungspatentes ein Anspruch auf Unterlassung gemäß §§ 9, 139 Abs. 1 PatG i. V. m. Art. 2 Abs. 2, 64 Abs. 3 EPÜ zu.

1)
Zwischen den Parteien steht zu Recht außer Streit, dass die angegriffene Ausführungsform die Merkmale 1 bis 4 wortsinngemäß verwirklicht. Es handelt sich um ein Schneidgerät mit einer Auflage für zu schneidende Kunststoffdämmplatten, mit einem Schneiddraht, der an einem relativ zur Auflage beweglichen Support angebracht ist, und mit einer mit dem Support verbundenen und gegenüber der Auflage um die Achse in einem Lager verschwenkbaren Führungseinrichtung zum Führen einer Verschiebung zwischen Support und Auflage.

2)
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht darüber hinaus Merkmal 5 des Verfügungspatents, wonach die Schwenkachse (37) zwischen der Führungseinrichtung (15) und der Auflage (13) in der Ebene der Auflage (13) und in der Schnittebene des Schneiddrahtes (19) angeordnet sein muss. Diese Anweisung bedingt die Anordnung des die Schwenkachse (37) enthaltenden Lagers (29) seitlich neben der Auflage (13), nicht aber auch zwingend die seitliche Anordnung der Führungseinrichtung (15).

a)
Die Führungseinrichtung (15) bewerkstelligt bei dem erfindungsgemäßen Schneidgerät das Verschieben des mit ihr verbundenen Supports (17) gegenüber der Auflage (13), wobei dies, wie Merkmal 4 erhellt, mittels eines Verschwenkens der Führungseinrichtung (15) um eine Achse (37) in einem Lager (29) erfolgt. Die Führungseinrichtung (15) verfügt folglich über ein Lager (29) bzw. ist mit einem solchen verbunden, wobei der Anspruch insoweit keine konstruktive Einschränkung bereithält. In dem Lager (29) befindet sich die Schwenkachse (37).
In bezug auf diese Schwenkachse (37) sieht das Merkmal 5 weiter vor, dass diese in der Ebene der Auflage (13) und in der Schnittebene des Schneiddrahts (19) angeordnet ist. Diese Anordnung der Schwenkachse ist es, die aufgabengemäß eine Vorrichtung ermöglicht, bei welcher ein Schnittmaß eines Körpers unabhängig vom Schnittwinkel immer von der gleichen Stelle der Auflage aus abgemessen werden kann. Wenn die Führungseinrichtung (15) um eine Schwenkachse (37) schwenkt, die sowohl in der Ebene der Auflage (13) – und damit die horizontale Erstreckung erfasst – wie auch in der Schnittebene des Schneiddrahtes (19) – und damit die vertikale Schnittrichtung abbildet – liegt und damit ein Koordinatenkreuz mit festgelegtem Nullpunkt vorhanden ist, bedarf es insbesondere bei Gehrungsschnitten nicht mehr der aus dem Stand der Technik bekannten umständlichen Verfahrensweise. Die zu schneidende Kunststoffplatte kann einmal und unabhängig von dem jeweiligen Schnittwinkel auf die Auflage gelegt werden, und zwar in der erforderlichen Entfernung von der Austrittslinie des Schneiddrahtes (19), wobei dies anhand einer zuvor auf der Auflage angeordneten Skalierung erfolgen kann (Anlage Ast 1, Abschnitte [0005] und [0006]). Nach der Auflage der Kunststoffplatte in entsprechender Entfernung kann der Schnitt erfolgen. Eine individuelle Berechnung der Anlage der Kunststoffplatte auf der Auflage ausgehend von dem Schneiddraht unter Berücksichtigung des gewünschten Winkels ist dadurch ebenso wenig erforderlich wie ein Entfernen der Auflage von dem Schneiddraht.
Die erfindungsgemäße Anordnung der Schwenkachse (37) in den genannten Ebenen hat zur Konsequenz, dass das Lager, in welchem sich die Schwenkachse (37) befindet, seitlich neben der Auflage (13) angeordnet sein muss. Auch wenn der Wortlaut des Anspruchs 1 diese Vorgabe nicht ausdrücklich enthält – ein seitlicher Abstand wird dort nicht explizit benannt –, so entnimmt der Fachmann dies der Anweisung, die Schwenkachse (37) sowohl in der Ebene der Auflage (13) als auch in der Schnittebene des Schneiddrahtes (19) vorzusehen. Wenn im Schnittpunkt dieser beiden Ebene die Schwenkachse liegen soll, kann das sie umfassende Lager nicht oberhalb oder unterhalb der Auflage angeordnet sein. Die Verfügungsklägerin hat auch nicht erläutert, wie das genannte Koordinatenkreuz anders realisiert werden kann.
Diesem Gedanken entsprechend heißt es in der Beschreibung der Verfügungspatentsschrift auch, dass die erfindungsgemäße Anordnung der Schwenkachse dadurch erreicht wird, dass das Lager für die Schwenkachse in einem Abstand neben der Auflagenfläche angeordnet ist (Anlage Ast 1, Absatz [0007], Z. 8 – 12). Dies ist nicht nur die Beschreibung eines bevorzugten Ausführungsbeispiels, sondern Teil der allgemeinen Beschreibung, wie zum einen die Wortwahl in diesem Absatz (erst in Zeile 12 ff ist von einer „vorzugsweisen“ Ausgestaltung die Rede) und die bereits erörterte Funktion der Anordnung zum Ausdruck bringt. Dieses Verständnis wird dem Fachmann überdies durch die figürliche Darstellung bevorzugter Ausführungsbeispiele nahegebracht. Die Figuren 1 und 2 des Verfügungspatents zeigen erfindungsgemäße Ausführungsbeispiele, bei denen das Lager inklusive der Schwenkachse jeweils seitlich neben der Auflage angeordnet ist.

b)
Eine Notwendigkeit, auch die Führungseinrichtung seitlich neben der Auflage anzuordnen, kann der Fachmann der technischen Lehre des Verfügungspatents demgegenüber nicht entnehmen.
Eine derartige Anweisung leitet er nicht aus dem im Anspruch verwendeten Begriff „zwischen“ ab. Hierbei handelt es sich nicht um eine räumliche Ortsangabe zur Positionierung der Führungseinrichtung. „Zwischen“ belegt vielmehr die Verbindung der Bestandteile, die – infolge der Schwenkachse – gegeneinander verschwenkt werden können sollen und kennzeichnet so (nur) das Verhältnis dieser Bestandteile zueinander.
Einen ersten Anhalt für dieses Verständnis bietet die sprachliche Fassung des Anspruchswortlauts.
Einen weiteren Anhalt gewinnt der Fachmann aus dem Umstand, dass der Anspruch – wie bereits erwähnt – die konstruktive Ausgestaltung der Verbindung von Lager (29) und Führungseinrichtung (15) in sein Ermessen stellt. Zwingende konstruktive Vorgaben werden nicht aufgestellt. Verlangt wird lediglich, dass die Führungseinrichtung um eben jenes Lager verschwenkbar ist. Ob die Führungseinrichtung oberhalb, seitlich oder unterhalb der Auflage angeordnet ist, ist für die technische Funktion der Führungseinrichtung als solcher ohne Belang. Eine Verschiebung zwischen Support (17) und Auflage (13) ist jeweils möglich. Auch für die Verwirklichung des verfügungspatentgemäßen Erfolges kommt es nicht entscheidend darauf an, wo die Führungseinrichtung selbst angeordnet ist. Maßgeblich ist nach der technischen Lehre des Verfügungspatents die Anordnung der in dem Lager befindlichen Schwenkachse in den genannten Ebenen. Dies ist das entscheidende erfindungsgemäße Mittel. Solange und soweit dies gewährleistet ist, besteht keine technische Notwendigkeit, auch die Führungseinrichtung seitlich neben der Auflage zu positionieren. Eine solche Notwendigkeit ist seitens der Verfügungsbeklagten auch nicht dargetan worden.
Des weiteren wird der Fachmann zu dem hier zugrunde gelegten Verständnis in Anbetracht des in Figur 1 dargestellten bevorzugten Ausführungsbeispiels gelangen. Die dort dargestellte Ausführungsform erachtet das Verfügungspatent offensichtlich als erfindungsgemäß; es sieht mithin eine Ausgestaltung als der technischen Lehre des Verfügungspatents entsprechend an, in dem nicht die (seitliche) Anordnung Auflage – Lager mit Schwenkachse – Führungseinrichtung vorhanden ist, sondern Lager und Führungseinrichtung nebeneinander seitlich von der Auflage angeordnet sind. Diese Anordnung passt – wie auch die Verfügungsbeklagte in der mündlichen Verhandlung gesagt hat – nicht zu einer räumlichen Ortsangabe in dem von der Verfügungsbeklagten vertretenen Sinne. Dann aber wird der Fachmann dies zur Kenntnis nehmen und dem Anspruch eine Bedeutung beimessen, die auch die gerade als erfindungsgemäß bezeichneten Ausführungsbeispiele umfasst. Dies ist bei dem hier zugrunde gelegten Verständnis zwanglos möglich.
Schließlich wird der Fachmann deshalb von einer Interpretation als räumliche Ortsangabe Abstand nehmen, weil er als verständiger Fachmann stets bemüht ist, einen Anspruch in der Weise zu verstehen, dass dieser einen technischen Sinn ergibt und zu einer ausführbaren technischen Lehre führt. Wie auch die Verfügungsbeklagte in der mündlichen Verhandlung zugestanden hat, wäre der Anspruch 1 technisch nicht ausführbar, wenn er in der von ihr vertretenen Weise zu verstehen wäre. Der Schneiddraht könnte dann nicht mehr untergebracht werden. Der Anspruch ist hingegen – ebenso unstreitig – ohne weiteres ausführbar, wenn er in der hier zugrunde gelegten Weise zu begreifen ist. Folglich wird der Fachmann diesem Verständnis den Vorzug geben.

c)
Die Schwenkachse der Führungseinrichtung der angegriffenen Ausführungsform liegt unstreitig, und wie insbesondere der Anlage AG 3 zu entnehmen ist, in der Ebene der Auflage und in der Schnittebene des Schneiddrahtes.
Das Lager der Führungseinrichtung ist neben der Auflage angeordnet. Dies folgt zum einen aus dem soeben Gesagten und zum anderen aus den Anlagen Ast 5 und AG 3. Die schematische Zeichnung der Verfügungsbeklagten auf Seite 2 der Anlage AG 3 zeigt ein Lager (L), das neben der Auflage eingezeichnet ist. Die Fotografien der Anlage Ast 5 zeigen Gleiches. Soweit die in den Fotografien zu sehende weiß-blau karierte Platte der angegriffenen Ausführungsform sich auch von der Führungseinrichtung, dem Support und den weiteren Schneidgerätbestandteilen weiter erstreckt, ist dieser Teil der Platte nicht mehr als erfindungsgemäße Auflage zu charakterisieren. Auflage in diesem Sinne ist lediglich das Bauteil, auf dem die zu schneidende Kunststoffplatte bestimmungsgemäß für den Schneidvorgang aufzulegen ist. Im übrigen ist den Fotografien zu entnehmen, dass die weiß-blau karierte Platte im Bereich des Lagers der Führungseinrichtung eine Vertiefung aufweist. Sie stellt sich als dunkelblaue Fläche dar. Diese Vertiefung ermöglicht es, das Lager mit der Schwenkachse in die erfindungsgemäße Ebene der Auflage zu bringen. Dies ist notwendig, weil die Auflage gerade nicht seitlich vor dem Lager mit einer Kante abschließt.
Darauf, ob daneben die Führungseinrichtung der angegriffenen Ausführungsform auch seitlich der Auflage angeordnet ist, kommt es angesichts der Ausführungen unter a) nicht an. Gleichwohl ist zu bemerken, dass auch hier die erwähnten Vertiefungen in der weiß-blauen Platte dafür Sorge tragen, dass die das Lager umfassende Führungseinrichtung der angegriffenen Ausführungsform an der entscheidenden Stelle bis in die Ebene der Auflage hinunterreichen kann.

III.
Die Verfügungsklägerin hat das Bestehen eines Verfügungsgrundes glaubhaft gemacht.

Der Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen Verletzung gewerblicher Schutzrechte setzt voraus, dass die begehrte Regelung gemäß § 940 ZPO zur Abwendung wesentlicher Nachteile für die Verfügungsklägerin nötig erscheint. Dies verlangt nicht nur eine „Dringlichkeit“ in einem rein zeitlichen Sinne, sondern darüber hinaus eine materielle Rechtfertigung des vorläufigen Unterlassungsgebotes aus den dem Schutzrechtsinhaber ohne das gerichtliche Eingreifen drohenden Nachteilen, welche gegen die Interessen des als Verletzer in Anspruch Genommenen abgewogen werden müssen. Anders als im Wettbewerbsrecht wird das Vorliegen eines Verfügungsgrundes in Patentverletzungsstreitigkeiten nicht vermutet. § 12 Abs. 2 UWG ist wegen der besonderen Komplexität der Sach- und Rechtslage nicht – auch nicht entsprechend – anwendbar (OLG Düsseldorf, GRUR 1983, 79, 80 – AHF-Konzentrat; OLG Düsseldorf, Mitt 1982, 230 – Warmhaltekanne; OLG Düsseldorf, GRUR 1994, 508; OLG Düsseldorf, Mitt 1996, 87, 88 – Captopril).

1)
Die zeitliche Dringlichkeit ist gegeben.
Wer in Kenntnis der maßgeblichen Umstände und der ihm fortdauernd drohenden Nachteile ohne überzeugenden Grund längere Zeit mit der Stellung eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zuwartet und dadurch die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs verzögert, gibt zu erkennen, dass er auf eine vorläufige Regelung nicht dringend angewiesen ist (Benkard – Rogge/Grabinski, PatG, 10. Aufl., § 139 Rn. 153c; Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbsachen, 2. Aufl., Rn 67; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Aufl., § 12 Rn 3.15; Meier-Beck, GRUR 1998, 861 (867); Schulte/Kühnen, PatG, 8. Aufl., § 139 Rn 393). Ob die Zeitspanne, die zwischen positiver Kenntniserlangung von der behaupteten Verletzungshandlung und dem Einreichen eines Verfügungsantrages bei Gericht verstrichen ist, dringlichkeitsschädlich ist, bemisst sich nach den Umständen des konkreten Einzelfalls. Starre und feste (Monats-)Fristen, die automatisch und zwangsläufig für jede Konstellation Geltung beanspruchen könnten, gibt es nicht. Es sind lediglich „Regelfristen“ anzuerkennen, die als Richtschnur dienen, jedoch je nach Fallgestaltung unter- oder überschritten werden können.

Dies zugrundegelegt, kann nicht von einem vorprozessualen zögerlichen Verhalten der Verfügungsklägerin ausgegangen werden.
Die Verfügungsklägerin hat vorgetragen, ihr Verwaltungsrat, Herr B, habe als erster Verantwortlicher der Verfügungsklägerin am 29. Oktober 2008 die angegriffene Ausführungsform erstmalig gesehen. Zur Glaubhaftmachung dieser Behauptung hat sie die eidesstattliche Versicherung von Herrn C vorgelegt (Anlage Ast 9), in dem dieser dies bestätigt. Ein Anhalt dafür, dass diese eidesstattliche Versicherung nicht glaubhaft ist, ist nicht ersichtlich. Soweit die Verfügungsbeklagte – unwidersprochen – vorgebracht hat, dass sie die angegriffene Ausführungsform bereits seit August 2008 per Newsletter und via Internet bewirbt, steht dies der Glaubhaftmachung nicht entgegen. Da keine allgemeine Marktbeobachtungspflicht besteht und auch nicht die bloße Möglichkeit einer Kenntnisnahme genügt (Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbsachen, 2. Aufl., Rn. 78; Kühnen/Geschke, Die Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 3. Aufl., Rn 674), hätte es konkreter tatsächlicher Umstände bedurft, aus denen sich eine frühere positive Kenntnis der Verfügungsklägerin ergibt.

2)
Durchgreifende Zweifel an der Rechtsbeständigkeit des Verfügungspatents, welche der Annahme eines Verfügungsgrundes entgegenstehen könnten, hat die Verfügungsbeklagte nicht glaubhaft gemacht.

Auch wenn der Patentanwalt der Verfügungsbeklagten in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll gegeben hat, dass die Verfügungsbeklagte ihn mit der Erhebung einer Nichtigkeitsklage mandatiert hat, und somit vorliegend der Einwand des mangelnden Rechtsbestandes trotz bislang nicht erhobener Nichtigkeitsklage (OLG Düsseldorf, InstGE 7, 147 – Kleinleistungsschalter) Berücksichtigung finden könnte, bleibt er jedenfalls in der Sache ohne Erfolg.
Die Verfügungsbeklagte hat sich darauf beschränkt, in der mündlichen Verhandlung drei Schutzrechte, das Gebrauchsmuster 86 31 XXX.4, die Offenlegungsschrift 1915XXX und das deutsche Patent 195 45 XXX vorzulegen, und vorzutragen, diese drei Schutzrechte stünden jedenfalls der erfinderischen Tätigkeit und möglicherweise auch der Neuheit des Verfügungspatents entgegen. Diese Schutzrechte sähen bereits das auch vom Verfügungspatent gewählte Koordinatenkreuz Auflagenebene/Schnittebene vor, weshalb das Verfügungspatent – wenn man in der Anweisung „zwischen“ keine Ortsangabe für die Führungseinrichtung sehe – eine platte Selbstverständlichkeit enthalte. Die entgegengehaltenen Schutzrechte beträfen Gehrungssägen bzw. Gehrungsschnitte auf anderen Gebieten als dem Schneiden vom Wärmedämmplatten. Hierfür habe es einen Nachholbedarf gegeben.
Dieser Vortrag genügt nicht. Die Darlegung, dass eines dieser Schutzrechte sämtliche Merkmale des Verfügungspatents neuheitsschädlich vorwegnimmt, fehlt. Der punktuelle Verweis auf einige Textstellen in den Schutzrechten oder Schwenkachsen, die (beispielsweise) ortsfest in einer Auflagenebene und in der Schneidebene liegen, reicht insoweit offensichtlich nicht aus, auch nicht in Anbetracht des Eilcharakters des einstweiligen Verfügungsverfahrens. Gleiches gilt für den Vortrag zur vermeintlich fehlenden erfinderischen Tätigkeit. Die Verfügungsbeklagte hat zwar auf das Gebrauchsmuster 86 31 XXX.4 als nächstliegenden Stand der Technik verweisen, dann jedoch einen substantiierten Vortrag zu den Überlegungen des Fachmannes ausgehend von dieser Schrift hin zur technischen Lehre des Verfügungspatents vermissen lassen. Unabhängig davon ist zu bemerken, dass keine der Entgegenhaltungen – wie die Verfügungsbeklagte selbst vortrug – eine Erfindung auf dem Gebiet des Schneidens von Kunststoff-/Wärmedämmplatten ist. Weshalb der Fachmann die dortigen Erfindungen auf das nun in Rede stehende technische Gebiet (schlicht) übertragen sollte, ist nicht dargetan.

Schließlich ist zu bemerken, dass das Verfügungspatent, dessen Anmeldung am 14. Juli 1999 und dessen Erteilung am 4. Juni 2003 veröffentlicht wurden, bislang unangefochten blieb. Ein Einspruchsverfahren wurde nicht eingeleitet. Das Verfügungspatent wird vom Markt seit Jahren akzeptiert.

3)
Abschließend sind in die vorzunehmende Interessenabwägung zugunsten der Verfügungsklägerin die erheblichen wirtschaftlichen Nachteile einzustellen, die sie durch das Anbieten der angegriffenen Ausführungsform auf der Messe BAU 2009 erleidet. Die Verfügungsklägerin hat insoweit vorgetragen, dass sie mit 860 Geräten ihres Schneidgeräts C allein in der Bundesrepublik Deutschland einen Umsatz in Höhe von mehr als 1 Mio. € erziele. Dies mache 95 % ihres Gesamtumsatzes in Deutschland aus. Den Marktanteil des C schätze sie auf 10 %. Ihre Angaben hat sie mittels eidesstattlicher Versicherung ihres Verwaltungsrates, Herrn C, (Anlage Ast 9) glaubhaft gemacht. An der Glaubhaftigkeit dieser eidesstattlichen Versicherung bestehen keine durchgreifenden Zweifel, auch wenn die Verfügungsbeklagte die Angabe im einzelnen bestritten hat. Es sind keine tatsächlichen konkreten Umstände zutage getreten, die das Bestreiten der Verfügungsbeklagten letztlich stützen. Sie hat ihre Behauptungen nicht glaubhaft gemacht.

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die einstweilige Verfügung war nicht gem. §§ 921, 936 ZPO von einer Sicherleistung abhängig zu machen. Die Voraussetzungen des § 921 Satz 1 ZPO sind nicht gegeben; sowohl der Verfügungsanspruch wie auch der Verfügungsgrund sind glaubhaft gemacht. § 921 Satz 2 ZPO greift ebenso wenig. Überdies hat die Verfügungsbeklagte trotz Hinweises in der mündlichen Verhandlung keine Angaben zur Höhe einer etwaigen Sicherheitsleistung gemacht.