4b O 459/05 – Festplattenspeicher-Lesekopf

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1230

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 8. Oktober 2009, Az. 4b O 459/05

I. Die Beklagten werden verurteilt,
1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen,
Magnetowiderstands-Sensoren mit einem Schichtsystem, das wenigstens eine Messschicht, die in der Schichtebene eine Magnetisierung (MM) aufweist, die wenigstens in einer Richtung reversibel von einem anliegenden Magnetfeld (H) abhängt und bei fehlendem Magnetfeld (H) einer vorgegebenen Grundzustandsmagnetisierung (MMo) entspricht, und auf wenigstens einer Seite der Messschicht eine Biasschicht mit einer im Messbereich des Magnetfeldes (H) wenigstens annähernd konstanten Magnetisierung (MB) in der Schichtebene enthält, wobei die Biasschicht von der Messschicht durch eine Zwischenschicht wenigstens annähernd magnetisch austauschentkoppelt ist, und mit Messkontakten (11A und 11B) an dem Schichtsystem zum Erfassen eines Widerstandssignals, das ein Maß für das anliegende Magnetfeld (H) ist,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;
bei denen an wenigstens eine Biasschicht über eine Kopplungsschicht eine Magnetschicht antiferromagnetisch angekoppelt ist;

2. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 04.11.1995 begangen haben, und zwar unter Angabe
a) der Menge der importierten, erhaltenen oder bestellten Sensoren sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei die Beklagten hinsichtlich der Angaben zu lit. a) und b) Rechnungen vorzulegen haben,
wobei die Angaben zu e) nur für die Zeit seit dem 08.06.1996 zu machen sind;

3. die in ihrem unmittelbaren und mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen unter Ziffer I. 1. beschriebenen Erzeugnisse zu vernichten oder nach Wahl der Beklagten an einen von der Klägerin zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben.

II. Es wird festgestellt,
1. dass die Beklagten verpflichtet sind, an die Klägerin für die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, in der Zeit vom 04.11.1995 bis zum 07.06.1996 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;
2. dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 08.06.1996 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.

IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

V. Der Streitwert wird auf 5.000.000,00 € festgesetzt.

T a t b e s t a n d

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität (DE 4243XXX) vom 21.12.1992 am 16.12.1993 angemeldeten euKäischen Patents 0 674 XXX (Anlage K 1, im Folgenden: Klagepatent). Die Anmeldung des in deutscher Verfahrenssprache abgefassten Klagepatents wurde am 04.10.1995 veröffentlicht, der Hinweis auf die Patenterteilung am 08.05.1996 bekannt gemacht. Das mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilte Klagepatent steht in Kraft. Die gegen das Klagepatent von den Beklagten erhobene Nichtigkeitsklage (4 Ni 70/XXX (EU)) wies das Bundespatentgericht mit Urteil vom 10.06.2008 (Anlage B 20) zurück. Über die hiergegen eingelegte Berufung ist derzeit nicht entschieden.

Das Klagepatent betrifft einen Magnetowiderstands-Sensor mit künstlichem Antiferromagneten und ein Verfahren zu seiner Herstellung. Der Vorrichtungsanspruch 1 lautet:

„Magnetowiderstands-Sensor mit
a) einem Schichtsystem, das
a1) wenigstens eine Meßschicht (2), die in der Schichtebene eine Magnetisierung (MM) aufweist, die wenigstens in einer Richtung reversibel von einem anliegenden Magnetfeld (H) abhängt und bei fehlendem Magnetfeld (H) einer vorgegebenen Grundzustandsmagnetisierung (MMo) entspricht, und
a2) auf wenigstens einer Seite der Meßschicht (2) eine Biasschicht (6) mit einer im Meßbereich des Magnetfeldes (H) wenigstens annähernd konstanten Magnetisierung (MB) in der Schichtebene enthält, wobei
a3) die Biasschicht (6) von der Meßschicht (2) durch eine Zwischenschicht (4) wenigstens annähernd magnetisch austauschentkoppelt ist,
und mit
b) Meßkontakten (11A und 11B) an dem Schichtsystem zum Erfassen eines Widerstandssignales, das ein Maß für das anliegende Magnetfeld (H) ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
c) wenigstens eine Biasschicht (6) über eine Kopplungsschicht (8) an eine Magnetschicht (10) antiferromagnetisch angekoppelt ist.“

Wegen des Inhalts der übrigen Patentansprüche wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.

Die nachfolgend wiedergegebene Zeichnung, Figur 1, stammt aus der Klagepatentschrift und dient zur Erläuterung der technischen Lehre des Klagepatents anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels. Sie zeigt eine patentgemäße Ausführungsform eines Magnetowiderstands-Sensors im Querschnitt. Die Bezugsziffer (2) bezeichnet eine Messschicht, die Bezugsziffer (4) eine Zwischenschicht, die Bezugsziffer (6) eine Biasschicht, die Bezugsziffer (8) eine Kopplungsschicht und die Bezugsziffer (10) eine Magnetschicht.

Die in Japan geschäftsansässige Beklagte zu 2) stellt u.a. magnetische Widerstands-Sensoren (Leseköpfe) für Festplattenspeicher her, die sie an eine Vielzahl von namhaften Festplattenherstellern liefert und auch im Internet weltweit bewirbt. Die Beklagte zu 1) ist ein deutsches Tochterunternehmen der Beklagten zu 2). Als für Europa zuständiges „head office“ unterstützt sie den Vertrieb der von der Beklagten zu 2) hergestellten Produkte in der Bundesrepublik Deutschland.

Auf der Homepage der Beklagten zu 2), auf welche die Homepage der Beklagten zu 1) mittels Verlinkung verweist, werden unter der Rubrik „A“ hoch sensible magnetische Widerstands-Sensoren namens „B“ beworben (Anlage K 7). In der Zeit von Januar 2003 bis März 2006 wurde die hierin verwendete Technologie unter der Internetadresse C. (Anlage K 8) erläutert und der Aufbau der magnetischen Widerstands-Sensoren (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform 1) wie in der nachfolgend eingeblendeten Figur 6 der Anlage K 8 dargestellt:

Das als „SFP“ (anti-ferromagnetic structure) bezeichnete Teilschichtsystem wurde dabei bestehend aus zwei ferromagnetischen Schichten, jeweils Kobalt-Eisen (CoFe), und einer dazwischen liegenden nichtmagnetischen Schicht aus Ruthenium (Ru) beschrieben.

Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform 1 habe Anspruch 1 des Klagepatents – wie die eigene Verlautbarung der Beklagten Anlage K 8 zeige – wortsinngemäß verwirklicht. Soweit die Beklagten vortrügen, ihre Widerstands-Sensoren seien tatsächlich anders aufgebaut – hierzu sogleich -, sei dies letztlich unerheblich. Auch ein magnetischer Widerstands-Sensor mit dem von den Beklagten im Prozess dargelegten Aufbau mache von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Sie nimmt die Beklagten deshalb wegen Patentverletzung auf Unterlassen, Auskunft- sowie Rechnungslegung, Vernichtung und Feststellung der Entschädigungs- sowie Schadenersatzpflicht in Anspruch.

Nachdem die Beklagten hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform 1 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung gemäß Seite 48 ihres Schriftsatzes vom 30.03.2006 (Bl. 48 d. GA) abgegeben haben, haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Klägerin beantragt,
wie zuerkannt.

Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Nichtigkeitsklage auszusetzen.

Die Beklagten behaupten, tatsächlich nur solche magnetischen Widerstands-Sensoren hergestellt und vertrieben zu haben, die so aufgebaut seien, wie es die auf Seite 17 des Privatgutachtens von Prof. Dr. D (Anlage B 21) befindliche – und nachfolgend wiedergegebene – Abbildung 7 erkennen lasse (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform 2), wobei sich die verschiedenen Typen von Sensoren in den Schichtdicken der ferromagnetischen Biasschicht (CoFe) und der Magnetschicht (CoFe) unterschieden und das Verhältnis des magnetischen Moments der Magnetschicht zur Biasschicht je nach Sensor-Typ 1,3 bis 1,7 betrage.

Die angegriffene Ausführungsform 2 verletze das Klagepatent nicht. Es fehle zunächst eine über eine Kopplungsschicht erzielte anitferromagnetische Ankopplung der Magnetschicht an der Biasschicht. Das Klagepatent verlange hierfür, dass das Schichtsystem aus Biasschicht, Kopplungsschicht und Magnetschicht nach außen magnetisch weitgehend neutral sei. Dies deshalb, weil es das Anliegen des Klagepatents sei, mit Hilfe dieses Schichtsystems von vornherein den Einfluss von Streufeldern der Biassicht auf die Messchicht zu unterdrücken. Folglich genüge nicht die bloße antiparallele Ausrichtung der ferromagnetischen Schichten und/oder die bloße Reduzierung des Streufeldes der Biasschicht, sondern es sei erforderlich, dass der Magnetfluss der Biasschicht und der Magnetschicht „praktisch ganz“ innerhalb des Schichtsystems geschlossen werde. Bei der angegriffenen Ausführungsform 2 sei dies nicht der Fall, da das Nettomoment des Schichtsystems bewusst groß gewählt sei. Darüber hinaus sei bei der angegriffenen Ausführungsform 2 die Biasschicht nicht von der Messschicht durch eine Zwischenschicht wenigstens annähernd magnetisch austauschentkoppelt. Eine derartige Austauschentkopplung könne nicht bereits dann angenommen werden, wenn zwischen zwei ferromagnetischen Schichten eine nicht magnetische Zwischenschicht vorhanden sei. Dies gewährleiste für sich allein genommen nämlich nicht, dass keine relevanten Kopplungskräfte mehr auftreten. Maßgeblich sei vielmehr die Schichtdicke der nichtmagnetischen Zwischenschicht, und zwar in zweierlei Hinsicht: Einerseits könnten mittels Unterschreitung einer bestimmten Mindestdicke der Zwischenschicht relevante Kopplungskräfte vermieden werden. Andererseits sei zu beachten, dass es sich bei sehr kleinen Schichtdicken gezeigt habe, dass die Austauschkopplung in Abhängigkeit von der Schichtdicke des Nichtmagneten oszilliere, so genannte RKKY(Rudermann, Kittel, Kasuya, Yoshida) -Austauschkopplung. Von einer patentgemäßen Austauschentkopplung könne deshalb nur dann die Rede sein, wenn die durch den Spin der jeweiligen ungepaarten Elektronen bewirkte Austauschkopplungskraft J ungefähr im Bereich von 0 liege, was entweder dann zutreffe, wenn sich die Schichtdicke im oszillierenden Bereich der RKKY-Kurve zwischen zwei Maxima befinde oder eine Mindestschichtdicke überschritten werde, ab der keine relevanten Kopplungskräfte mehr auftreten. Daran mangele es der angegriffenen Ausführungsform 2, da die Dicke der Zwischenschicht im Bereich des zweiten antiferromagnetischen Maximums der RKKY-Kurve, d.h. in einem Bereich starker antiferromagnetischer Kopplung liege.
Eine Verletzung des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform 1 sei ebenso wenig zu erkennen gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Kammer hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 06.09.2006 (Bl. 196 ff d. GA). Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten von Prof. Dr. E vom 30.07.2008 (Bl. 390 ff. d. GA), das Ergänzungsgutachten vom 15.07.2009 (Bl. 614 ff. d. GA) und das Protokoll seiner mündlichen Anhörung im Verhandlungstermin vom 20.08.2009 (Bl. 674 ff. d. GA) Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die zulässige Klage ist begründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft- sowie Rechnungslegung, Vernichtung und Feststellung der Entschädigungs- sowie Schadenersatzpflicht wegen Patentverletzung zu. Die angegriffenen Ausführungsformen machen, wie zur Überzeugung der Kammer auch aufgrund des nachvollziehbaren, detaillierten und in sich widerspruchsfreien Sachverständigengutachtens feststeht, von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch. Der Rechtsstreit ist nicht auszusetzen.

I.
Das Klagepatent betrifft einen Magnetowiderstands-Sensor, der insbesondere auch als Bauteil für Leseköpfe in Festplatten eingesetzt wird und mit dessen Hilfe die auf dem Speichermedium der Festplatte magnetisch gespeicherten Informationen ausgelesen werden. Dieses Auslesen basiert auf der Erkenntnis, dass ein äußeres Magnetfeld Änderungen des elektrischen Widerstands eines ferromagnetischen Materials verursacht. Tastet ein mit ferromagnetischem Material bestückter Sensor ein Speichermedium, z. B. eine Harddisk, ab, aus dem lokale Magnetfelder austreten, bewirken diese eine Änderung der Magnetisierungsausrichtung in den magnetischen Schichten des Sensors und damit (auch) eine Veränderung des elektrischen Widerstands des Sensors. Mittels von an dem Sensor angeordneten Messkontakten kann das Widerstandssignal, welches ein Maß für das anliegende Magnetfeld des Speichermediums ist, erfasst werden.

1)
Den einleitenden Bemerkungen des Klagepatents zufolge ist im Stand der Technik der mit dieser Erkenntnis zusammenhängende anisotrope Magnetowiderstandseffekt bzw. der anisotrope magnetoresistive Effekt bekannt, wonach in ferromagnetischen Übergangsmetallen der elektrische Widerstand von der Größe und der Richtung eines das Material durchdringenden Magnetfeldes abhängt. Die Widerstandsänderung bei Drehung der Magnetisierung bezüglich der Stromrichtung kann einige Prozent des normalen isotropen Widerstands betragen.

Wie das Klagepatent sodann fortführend erläutert, sind im Stand der Technik darüber hinaus Mehrschichtsysteme bekannt, bei denen zu einem Stapel angeordnete ferromagnetische Schichten durch eine metallische Zwischenschicht voneinander getrennt sind, und deren Magnetisierung jeweils in der Schichtebene liegt. In diesen Mehrschichtsystemen tritt zusätzlich zu dem anisotropen magnetoresistiven Effekt in den einzelnen Schichten der so genannte Giant-magnetoresistive Effekt oder Giant-Magnetowiderstand (Giant-MR) auf. Dieser beruht auf der unterschiedlich starken Streuung von Majoritäts- und Minoritätsleitungselektronen im Volumen der Schichten sowie an den Grenzflächen zwischen ferromagnetischen und den Zwischenschichten. Dieser Giant-MR ist ein isotroper Effekt und kann erheblich größer sein als der anisotrope Magnetowiderstand mit Werten bis zu 70% des normalen isotropen Widerstandes. Die Sensitivität eines den Giant-magnetoresistiven Effekt nutzenden Sensors ist angesichts dessen deutlich erhöht mit der Folge, dass die Speicherdichte von Informationen auf dem Speichermedium der Festplatte erhöht werden kann.

Giant-MR-Mehrschichtsysteme sind im Stand der Technik in zwei Grundtypen bekannt:
Bei dem ersten Typ sind die ferromagnetischen Schichten über die Zwischenschichten antiferromagnetisch aneinander gekoppelt, so dass sich die in den Schichtebenen liegenden Magnetisierungen von zwei benachbarten ferromagnetischen Schichten ohne äußeres Magnetfeld antiparallel ausrichten. Durch ein äußeres Magnetfeld werden sodann die Magnetisierungen von benachbarten Schichten gegen die antiferromagnetischen Kopplungskräfte gedreht und parallel ausgerichtet.
Bei dem zweiten Typ sind die ferromagnetischen Schichten durch eine zwischen ihnen liegende nicht magnetische Schicht aus Metall getrennt, wobei die Zwischenschicht so dick gewählt ist, dass die magnetische Austauschkopplung zwischen den Magnetisierungen der ferromagnetischen Schichten möglichst gering ist. Die ferromagnetischen Schichten, welche eine parallele oder antiparallele Magnetisierungsausrichtung inne haben können, weisen unterschiedliche Koerzitivfeldstärken auf, wobei die eine ferromagnetische Schicht, die Messschicht, aus weichmagnetischerem Material und die andere ferromagnetische Schicht, die Biasschicht, aus magnetisch härterem Material besteht. Bei Anlegen eines äußeren Magnetfeldes werden die Schichten – infolge unterschiedlicher Hysteresekurven und unterschiedlicher Koerzitivfeldstärken – unterschiedlich stark gedreht und es stellt sich ein vom Magnetfeld abhängiger Winkel zwischen den Mittelwerten der Magnetisierung der beiden ferromagnetischen Schichten ein.
Als nachteilig an diesen bekannten Mehrschichtsystemen erachtet es das Klagepatent, dass das Magnetowiderstands-Signal von der Vorgeschichte der Schichtsysteme abhängt, d.h. auf welchem Weg und zwischen welchen Werten für das Magnetfeld sowie in welcher Richtung die Hysteresekurven durchlaufen werden. Mit derartigen Schichtsystemen lässt sich deshalb dem Klagepatent zufolge kein Magnetowiderstands-Sensor mit einer eindeutigen Kennlinie realisieren. Was bedeutet, dass der Sensor möglicherweise eine unterschiedliche Magnetisierung der Messschicht annimmt, obwohl das gleiche zu messende äußere Magnetfeld anliegt, so dass sich einer Magnetisierung kein bestimmter Wert mehr zuordnen lässt. Außerdem schließt sich bei den bekannten Schichtsystemen ein Teil des Magnetflusses der härteren Biasschicht über den weicheren Messschichten. Dieses magnetische Störfeld verringert die Messempfindlichkeit des Sensors und hat eine unerwünschte Verschiebung der Sensorkennlinie zur Folge. Der zur Verfügung stehende Messbereich wird dann nicht mehr vollständig ausgeschöpft.

Das Klagepatent würdigt sodann, ohne ausdrückliche Kritik zu üben, den aus dem EP 0 346 817 (Anlage K 3) bekannten Magnetowiderstands-Sensor. Dieser – da austauschentkoppelt dem zweiten Typ zuzurechnende – Sensor besteht aus einem Schichtsystem mit einer ferromagnetischen Messschicht und einer ferromagnetischen Biasschicht, die durch eine nichtmagnetische Zwischenschicht voneinander austauschentkoppelt sind, und der mit Messkontakten an dem Schichtsystem zum Anlegen eines elektrischen Stroms und Abgreifen der Messpannung versehen ist. In einer ersten Ausführungsvariante dieses Magnetowiderstands-Sensors weist die Messschicht eine kleinere Koerzitivfeldstärke als die Biasschicht auf. In einer zweiten Ausführungsvariante liegt an der Biasschicht eine antiferromagnetische Schicht an, wodurch die Messschicht eine im Messbereich des Magnetfeldes reversibel vom Magnetfeld abhängende, drehbare Magnetisierung in der Schichtebene aufweist, während die Biasschicht eine in diesem Messbereich konstante Magnetisierung in ihrer Schichtebene hat. Die Biasschicht wird durch die anliegende antiferromagnetische Schicht „festgehalten“ bzw. „gepinnt“. Hierdurch wird eine erwünschte antiparallele, weil einen größeren Widerstand erzeugende Ausrichtung der Magnetisierungen der ferromagnetischen Schichten unter Einsatz eines äußeren Magnetfeldes erreicht.
Zur Veranschaulichung des Schichtaufbaus dieser zweiten Ausführungsvariante wird nachfolgend die Figur 4 des EP 0 346 817 (Anlage K 3) eingeblendet, wobei (A) die ferromagnetische Messchicht, (B) die ferromagnetische Biasschicht, (C) die nichtmagnetische Zwischenschicht und (D) die zusätzliche Schicht aus antiferromagnetischem Material ist.

Ausgehend von dem Stand der Technik stellt sich das Klagepatent die Aufgabe, einen Magnetowiderstands-Sensor mit einem Schichtsystem aus wenigstens einer Messschicht und wenigstens einer durch eine Zwischenschicht von der Messchicht austauschentkoppelten Biasschicht anzugeben, der eine eindeutige Kennlinie aufweist und bei dem Störfelder der Biasschicht in der Messschicht weitgehend unterdrückt werden. Es soll insbesondere ein linearer Magnetowiderstands-Sensor angegeben werden.

Zur Lösung des technischen Problems schlägt das Klagepatent in seinem Anspruch 1 eine Vorrichtung mit der Kombination der folgenden Merkmale vor:

1. Magnetowiderstands-Sensor

2. Der Magnetowiderstands-Sensor besteht aus
a) einem Schichtsystem und
b) Messkontakten (11A und 11B).

3. Das Schichtsystem enthält
a) wenigstens eine Messschicht (2) und
b) auf wenigstens einer Seite der Messschicht (2) eine Biasschicht (6)
c) wobei die wenigstens eine Biasschicht (6) über eine Kopplungsschicht (8) an eine Magnetschicht (10) antiferromagnetisch angekoppelt ist.

4. Die Messschicht (2) weist in der Schichtebene eine Magnetisierung (MM) auf, die
a) wenigstens in einer Richtung reversibel von einem anliegenden Magnetfeld (H) abhängt und
b) bei fehlendem Magnetfeld (H) einer vorgegebenen Grundzustandsmagnetisierung (MMo) entspricht.

5. Die Biasschicht
a) hat in der Schichtebene eine im Messbereich des Magnetfeldes (H) wenigstens annähernd konstante Magnetisierung (MB) und
b) ist von der Messschicht durch eine Zwischenschicht (4) wenigstens annähernd magnetisch austauschentkoppelt.

6. Die Messkontakte (11A und 11B)
a) befinden sich an dem Schichtsystem
b) und dienen zum Erfassen eines Widerstandssignales, das ein Maß für das anliegende Magnetfeld (H) ist.

2)
Für ein zutreffendes Verständnis der technischen Lehre des Klagepatents sind – worauf sich auch der Streit der Parteien konzentriert – die Merkmale 3. c) und 5. b) von entscheidender Bedeutung.

a)
Unter einer antiferromagnetischen Ankoppelung im Sinne des Merkmals 3. c) versteht der Fachmann – ein mit der Entwicklung von Magnetowiderstands-Sensoren befasster promovierter Festkörperphysiker, der über mehrjährige berufliche Erfahrung auf dem Gebiet ferromagnetischer Schichtsysteme verfügt sowie den Stand der Grundlagenforschung auf diesem Gebiet verfolgt hat – die ohne Einwirkung eines äußeren Magnetfeldes antiparallele Ausrichtung der Magnetisierungsrichtungen der Bias- und der Magnetschicht unter Bildung eines künstlichen Antiferromagneten. Dieser aus Biasschicht, Kopplungsschicht und Magnetschicht gebildete künstliche Antiferromagnet muss weitgehend magnetisch neutral sein, wobei das Klagepatent insoweit allerdings nicht die Verhinderung der Entstehung jedes magnetischen Nettomoments zwingend erfordert, sondern nur ein solches als nicht (mehr) patentgemäß ansieht, das zu einem Störfeld im Sinne der Erfindung führt.

Das Erfordernis der genannten antiparallelen Ausrichtung der Magnetisierungsrichtungen der benachbarten ferromagnetischen Schichten, die durch eine nicht ferromagnetische Schicht getrennt sind, entnimmt der Fachmann seinem allgemeinen Fachwissen, welches für den im Anspruchswortlaut verwendeten Begriff „antiferromagnetisch angekoppelt“ – wie der Sachverständige bestätigt hat – eben dieses Verständnis bietet, und welches vom Klagepatent aufgegriffen wird, wenn es dort in der allgemeinen Beschreibung bei der Würdigung des Standes der Technik heißt: „Bei dem ersten Typ sind die ferromagnetischen Schichten über die Zwischenschichten antiferromagnetisch aneinander gekoppelt, so dass sich die in den Schichtebenen liegenden Magnetisierungen von zwei benachbarten ferromagnetischen Schichten ohne äußeres Magnetfeld antiparallel ausrichten.“ (Klagepatent Sp. 1, Z. 42 – 48; siehe auch Sp. 9, Z. 44 – 49). Auf eine bestimmte Schichtdicke legt sich das Klagepatent insoweit nicht fest.

Unter Zugrundelegen dieses allgemeinen Fachverständnisses gelangt der Fachmann zu der Erkenntnis, dass das Klagepatent diese antiferromagnetische Ankopplung mittels eines künstlichen Antiferromagneten erreichen will. Die antiparallele Ausrichtung soll nicht, wie beispielsweise im nächstliegenden Stand der Technik, dem EP 0 346 817 (Anlage K 3), durch das Vorsehen einer direkt auf der Biasschicht liegenden Schicht aus antiferromagnetischem Material erzielt werden, sondern durch Ausbildung eines Teilschichtsystems bestehend aus Biasschicht, Kopplungsschicht und Magnetschicht.
Dies geht zum einen aus dem Anspruchswortlaut hervor, der in Merkmal 3. c) die Bestandteile eines derartigen Schichtaufbaus zwingend vorschreibt, zum anderen aus der dies aufgreifenden Beschreibung des Klagepatents in Spalte 3, Zeile 57 bis Spalte 4, Zeile 7, in der es ausdrücklich heißt: „Die Biasschicht, die Kopplungsschicht und die Magnetschicht bilden einen „künstlichen Antiferromagneten“, der nach außen magnetisch weitgehend neutral ist, d.h. dessen Magnetfluss sich praktisch ganz zwischen der Biasschicht und der Magnetschicht schließt. Ein besonderer Vorteil dieses „künstlichen Antiferromagneten“ ist die Stabilisierung der Magnetisierung MB der Biasschicht auch bei starken äußeren Magnetfeldern H.“. Diese Charakterisierung des künstlichen Antiferromagneten ist nicht nur eine Darstellung eines besonders bevorzugten Ausführungsbeispiels, welches in den Anspruch selbst keinen Eingang gefunden hätte. Es handelt sich vielmehr um einen Teil der allgemeinen Beschreibung, der die Erfindung als solche darstellt. Dies zeigen die Stellung des Zitats im gesamten Beschreibungsteil und der Gesamtinhalt des vollständigen Absatzes, der von Spalte 3, Zeile 44 bis Spalte 4, Zeile 9 reicht, sowie der Inhalt des Zitats selbst. Wenn der in Merkmal 3. c) vorhandenen Anweisung Folge geleistet wird und eine Biasschicht über eine Kopplungsschicht antiferromagnetisch an eine Magnetschicht gekoppelt wird, entsteht dadurch nach der technischen Lehre des Klagepatents (zwangsläufig) ein künstlicher Antiferromagnet. Der Begriff des künstlichen Antiferromagneten dient als synonyme Bezeichnung des erfindungsgemäßen Aufbaus aus Bias-, Kopplungs- und Magnetschicht. Er ist die „automatische“ Konsequenz des Teilschichtenaufbaus und nicht nur eine mögliche Ausführungsvariante einer erfindungsgemäßen antiferromagnetischen Ankopplung einer Biasschicht über eine Kopplungsschicht an eine Magnetschicht.
Der künstliche Antiferromagnet ist zugleich das kennzeichnende Merkmal der Erfindung zur Lösung der dieser zugrunde liegenden Aufgaben. Der vollständige Absatz, aus dem das obige Zitat stammt, beschreibt die mit der Erfindung zwingend zu erzielenden Vorteile. Dies sind entsprechend der Aufgabenstellung des Klagepatents (Sp. 3, Z. 33 – 42) zwei: Erstens das Erreichen einer annähernd konstanten Magnetisierung der Biasschicht, die unabhängig von der reversiblen Magnetisierung der Messschicht ist. Dies gewährleistet eine eindeutige Kennlinie; die Magnetisierung der Messschicht soll eindeutig vom zu messenden Magnetfeld abhängen. Zweitens das Verhindern des Schließens eines Teils des Magnetflusses der Biasschicht über die Messschicht, so dass es nicht zur Verschiebung der Kennlinie kommt.
Beide Vorteile werden nach der Erfindung mittels der antiferromagnetischen Ankopplung unter Bildung des künstlichen Antiferromagneten erreicht. Dieser Teilschichtaufbau ist das erfindungsgemäße Mittel. Die Eindeutigkeit der Sensorkennlinie erfolgt durch das „Pinnen“ der Biasschicht, wobei das Klagepatent dies anders als der Stand der Technik (EP 0 346 817 (Anlage K 3)) nicht mit einer aus antiferromagnetischem Material bestehenden, direkt an der Biasschicht anliegende Zwischenschicht bewirkt, sondern durch ein künstlich gebildetes Teilschichtsystem, den künstlichen Antiferromagneten. Gerade dieser führt infolge der antiparallelen Ausrichtung der Magnetisierungsrichtungen von Bias- und Magnetschicht zu einer Kopplung bzw. zu einem Festhalten der Biasschicht, insbesondere auch bei starken äußeren Magnetfeldern. Grund hierfür ist, dass in dem Schichtsystem an den Stirnflächen der Biasschicht und der Magnetschicht magnetische Streufelder existieren. Der sich dadurch über die Stirnseiten schließende magnetische Streufluss trägt zur antiparallelen Ausrichtung der Magnetisierungen der beiden Schichten längs zu der Schichtoberfläche bei und somit insgesamt auch zu einer zusätzlichen Vergrößerung der Koerzitivfeldstärke der Biasschicht. Das unerwünschte Verschieben der Kennlinie wird gleichfalls durch den künstlichen Antiferromagneten vermieden, weil der Schichtaufbau gerade das leisten kann, was der Stand der Technik nicht zu leisten vermochte: Der von der Biasschicht ausgehende magnetische Streufluss wird weitestgehend nicht über der Messschicht, sondern stattdessen über die mittels der Kopplungsschicht angekoppelten Magnetschicht geschlossen. Das Vorhandensein der Magnetschicht reduziert den Einfluss von Streufeldern auf die Messschicht und führt damit zur Erhöhung der Messempfindlichkeit des Sensors. Die an den Stirnflächen der Biasschicht und der Magnetschicht existierenden Streufelder reduzieren den Beitrag der magnetostatischen Energie des Gesamtsystems, wodurch – wie bereits erwähnt – eine Erhöhung der Koerzitivfeldstärke des Teilschichtsystems bewirkt wird.
Wenn das Klagepatent im Anspruch von einer antiferromagnetischen Ankopplung der Biasschicht an die Magnetschicht über die Kopplungsschicht spricht, meint es folglich nicht nur die antiparallele Ausrichtung der Magnetisierungsrichtungen, sondern es setzt auch das Vorhandensein eines künstlichen Antiferromagneten, bestehend aus den genannten Schichten voraus. In diesem Verständnis wird der Fachmann gestärkt, wenn er die Beschreibung bevorzugter Ausführungsbeispiele zur Kenntnis nimmt, in denen der Begriff des künstlichen Antiferromagneten in dieser Weise verstanden wird (Klagepatent Sp. 6. Z. 45 – 54, Sp. 7, Z. 3, Z. 5 – 8, Z. 55; Sp. 8, Z. 48 – 51, Sp. 9, Z. 38).

Dies bedeutet allerdings nicht, dass der das Teilschichtsystem aus Bias-, Kopplungs- und Magnetschicht zwingend magnetisch neutral sein muss bzw. dass er nur ein durch Fertigungstoleranzen bedingtes magnetisches Nettomoment aufweisen dürfte. Für ein derart restriktives Verständnis bietet das Klagepatent keinen Anhalt.
Abgesehen davon, dass dem Anspruch keine Angaben zu einem (bestimmten) Gesamtnettomoment des Teilschichtaufbaus zu entnehmen sind, ist in der allgemeinen Beschreibung, wie bereits zitiert, nur von einem „nach außen weitgehend neutralen“ künstlichen Antiferromagneten die Rede. Die Neutralitätsanforderung wird mithin relativiert. In ebenso relativierender Weise versteht der Fachmann den sich anschließenden Satzteil, in dem es heißt, der Magnetfluss schließe sich „praktisch ganz“. Dies ist nicht als Hinweis auf ein vollständigen Unterdrücken oder Verhindern eines magnetischen Nettomoments des Teilschichtsystems zu interpretieren. Dies zunächst deshalb, weil der Fachmann – wie der Sachverständige anschaulich und nachvollziehbar erläutert hat – weiß, dass bei einem Schichtsystem in der Praxis prinzipiell immer ein Streufluss an den Stirnflächen der ferromagnetischen Schichten besteht. Ein Restmagnetfluss ist nicht auszuschließen; gleiches gilt für den Einfluss eines solchen Restmagnetflusses auf die Messschicht. Damit übereinstimmend spricht das Klagepatent auch von einem „weitgehend unterdrücken“ oder „verringern“. Hinzu tritt die Erkenntnis des Fachmanns, dass die aufgabengemäßen Vorteile der Erfindung auch dann erzielt werden können, wenn der künstliche Antiferromagnet über ein magnetisches Nettomoment verfügt. Dies gilt nicht nur für die durch das erfindungsgemäße Pinnen gewährleistete eindeutige Kennlinie, sondern auch für den erfindungsgemäßen Vorteil der Unverschieblichkeit der Sensor-Kennlinie. Beides wird – im Vergleich zum Stand der Technik – verbessert bzw. gewährleistet, unabhängig davon, ob ein künstlicher Antiferromagnet mit oder ohne magnetisches Nettomoment vorliegt, wie der Sachverständige ebenso eingängig und nachvollziehbar bestätigt hat. Wenn das Teilschichtsystem ein Nettomoment aufweist und es mithin zu Streufeldern an den Stirnseiten insbesondere an der Biasschicht kommt, bedeutet dies nämlich nicht, dass dies gleichbedeutend mit dem Auftreten von Störfeldern wäre, die dem Ziel des Nichtschließens der Magnetisierung über die Messschicht entgegenstünden. In einer solchen Situation ist es vielmehr nach der Lehre des Klagepatents möglich, die Streufelder durch andere Maßnahmen zu kompensieren, so dass die Funktionalität des Sensors letztlich nicht gestört wird und folglich keine – zu reduzierenden – Störfelder gegeben sind. Dies vergegenwärtigt sich der Fachmann beim Lesen der Beschreibung verschiedener bevorzugter Ausführungsbeispiele in Spalte 5, Zeilen 9 bis Spalte 6, Zeile 9. Bei diesen sind die aus Bias-, Kopplungs- und Magnetschicht gebildeten künstlichen Antiferromagnete infolge verschiedener Materialien und verschiedener Geometrie nicht nach außen magnetisch neutral. Es schließt sich dort vielmehr noch ein Rest des magnetischen Flusses der Biasschicht über die Messschicht, und zwar nicht nur in einem Maße, das durch Fertigungstoleranzen bedingt ist, sondern durchaus auch gewollt ist. Das Klagepatent bezeichnet folglich selbst Ausführungsformen als erfindungsgemäß, bei denen der künstliche Antiferromagnet ein magnetisches Nettomoment aufweist. Zur Reduzierung des Einflusses vorhandener Streuflüsse und damit verbunden zur Gewährleistung einer eindeutigen und nicht verschiebbaren Kennlinie schlägt das Klagepatent verschiedene Ausgleichsmaßnahmen vor, wie z. B. die Einstellung eines etwas von 90˚ abweichenden Winkels zwischen der Magnetisierung der Messschicht und der Biasschicht (siehe auch Sp. 8, Z. 43 – 45 des Klagepatents) oder die Verlegung der Messkontakte zur Widerstandsmessung in einen inneren Messbereich (siehe auch Sp. 11, Z. 39 – 45) oder die längliche Ausbildung der Schichten, wobei deren Längsrichtung senkrecht zur Grundzustandsmagnetisierung der Messschicht verläuft. Mit diesen Maßnahmen soll nach dem Klagepatent gezielt ein magnetisches Nettomoment des Teilschichtsystems reduziert werden, was freilich nicht notwendig wäre, wenn das Vorhandensein eines solchen nach der Erfindung ausgeschlossen wäre. Der Fachmann wird überdies in seine Überlegungen insbesondere auch die in Figur 4 des Klagepatents dargestellte sowie in Spalte 11, Zeilen 57 bis Spalte 12, Zeile 35 beschriebene bevorzugte Ausführungsform einbeziehen und auch hierzu feststellen, dass die dort als erfindungsgemäß gezeigte Variante ein magnetisches Nettomoment ungleich Null aufweist. Es sind zwei Randbereiche des künstlichen Antiferromagneten vorgesehen, in denen keine Messschicht vorhanden ist, und ein mittlerer Messbereich mit einer Messschicht. Die Biasschicht ragt deshalb ringsherum über die verkürzten Messschichten hinaus. Die in der Figur gezeigten Magnetvektorpfeile sind unterschiedlich lang, wodurch dem Fachmann klar wird, dass eine ungleiche Magnetisierung der Schichten vorliegt. Wegen der Verkürzung der Messschichten schließt sich der Magnetfluss der Biasschicht wenigstens parallel zur Magnetisierung der Biasschicht in der Messschicht.

Sich all dies vor Augen haltend und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Fachmann im Prioritätszeitpunkt (21.12.1992) – wie der Sachverständige ohne Zweifel zu erwecken dargelegt hat – noch nicht in der Lage war, eine quantitative Berechnung der Beiträge der einzelnen Schichten zu den auftretenden Streufelder zu berechnen, sondern für die Entwicklung eines Sensors mit eindeutiger Sensorkurve auf praktische Versuche im Sinne von Trial and Error angewiesen war, verwundert es den Fachmann schließlich auch nicht, dass das Klagepatent keinerlei weitergehende/konkrete Angaben zu etwaigen Nettomomenten des Teilschichtaufbaus bereithält, sondern insoweit schweigt. Dies entspricht vielmehr seinem Verständnis. Solange die Streufelder nicht zu Störfeldern führen, die die Funktionalität des Widerstands-Sensors gefährden, sprich der Eindeutigkeit der Kennlinie entgegen stehen und/oder die Verschiebung der Kennlinie herbeiführen, was durch Versuche herauszufinden ist, ist das Vorhandensein eines magnetischen Nettomoments folglich für die Erfindung ohne Belang.

b)
Eine annähernde Austauschentkopplung im Sinne von Merkmal 5. b) liegt vor, wenn sich aufgrund der in dem Teilschichtsystem Messschicht, Zwischenschicht und Biasschicht vorhandenen Zwischenschicht die Magnetisierung der Messschicht bei Einwirkung eines äußeren Magnetfeldes dreht, ohne dass sich die Magnetisierung der Biasschicht mit dreht.

Dies folgert der Fachmann zunächst aus dem Anspruchswortlaut selbst, in dem eine Austauschentkopplung verlangt wird. Bereits hierdurch wird deutlich, dass eine an sich bestehende magnetische Kopplung bzw. Beeinflussung der beiden ferromagnetischen Schichten aufgehoben werden soll. In dieser Sichtweise wird der Fachmann bei zu Rate ziehen der Beschreibung des Klagepatents bestärkt, auch wenn diese keine ausdrückliche Definition des Begriffes „austauschentkoppelt“ bereit hält.
Aufgrund seines im Prioritätszeitpunkt (21.12.1992) allgemeinen Fachwissens zu grundsätzlich zwischen ferromagnetischen Schichten wirkenden Kopplungskräften zieht der Fachmann zunächst aus der Würdigung des Standes der Technik, nach welchem zwei Grundtypen von Giant-MR-Mehrschichtsystemen bekannt waren, den Schluss, dass das Klagepatent zwischen dem Typ (Typ 1), in dem die ferromagnetischen Schichten über die Zwischenschichten antiferromagnetisch aneinander gekoppelt sind (Sp. 1, Z. 40 – 44), und dem Typ (Typ 2), in dem die ferromagnetischen Schichten durch nichtmagnetische Zwischenschichten aus Metall voneinander getrennt sind und die magnetische Austauschkopplung zwischen ihnen möglichst gering ist (Sp. 2, Z. 24 – 28), unterscheidet. Fordert das Klagepatent vor diesem Hintergrund eine Biasschicht, die von der Messschicht durch eine Zwischenschicht wenigstens annähernd magnetisch austauschentkoppelt ist, entscheidet es sich offensichtlich für die Kategorie des Sensors Typ 2. Eine diesem Grundaufbau folgende Fortentwicklung ist mithin Gegenstand der klagepatentgemäßen Lehre.
Die gewählte Austauschentkopplung dient, wie der Fachmann ebenso zwanglos erkennt, im Zusammenwirken mit Merkmal 3. c) dem aufgabengemäßen Ziel, in Abgrenzung zum Stand der Technik bei dem Sensor ein Widerstandssignal zu erhalten, das eindeutig vom Magnetfeld abhängt und so zu einer eindeutigen Kennlinie des Sensors führt (Sp. 3, Z. 5 – 7, Z. 45 – 52). Indem die magnetische Austauschkopplung zwischen Messschicht und Biasschicht annähernd aufgehoben wird, sind beide Schichten magnetisch weitestgehend voneinander unabhängig. Der Einfluss benachbarter Magnetisierungsspins wird annähernd beseitigt. Die Magnetisierung der Messschicht ist frei drehbar und allein von dem tatsächlich anliegenden äußeren Magnetfeld abhängig, und nicht von der entsprechend Merkmal 3. c) antiferromagnetisch angekoppelten („gepinnten“) Biasschicht. Dadurch, dass der Anspruch zudem keine vollständige, sondern eine annähernd magnetische Austauschkopplung fordert, wird sichtbar, dass es für die Beurteilung der Frage, ob eine Austauschentkopplung vorliegt, entscheidend darauf ankommt, ob die Kennlinie eindeutig und die Messzuverlässigkeit des Sensors im Messbereich ist.

Als Mittel zur Austauschentkopplung bestimmt das Klagepatent eine Zwischenschicht zwischen Messschicht und Biasschicht. Zwingende Vorgaben zur konkreten Ausgestaltung dieser Zwischenschicht enthält das Klagepatent nur insoweit, als dass die Schicht die besagte annähernde Austauschentkopplung herbeiführen muss. Erfolgt eine Austauschentkopplung, sind die konkrete Ausgestaltung der Zwischenschicht und insbesondere die Frage, wie die Entkopplung bewirkt wird, ohne entscheidende Relevanz. Auf ein bestimmtes (nichtmagnetisches) Material legt sich das Klagepatent ebenso wenig fest wie auf eine bestimmte Dicke der Schicht oder das Vorhandensein eines bestimmten Austauschkopplungskraftwertes J. Soweit Angaben hierzu vorhanden sind, betreffen diese nicht schutzbereichsbeschränkende bevorzugte Ausführungsbeispiele.
Das Klagepatent enthält für den Fachmann allerdings den Hinweis, dass die Dicke der ausgewählten Schicht einen oder den entscheidenden Beitrag zur Austauschentkopplung bieten kann. In der Beschreibung des Standes der Technik zum Typ 2 heißt es ausdrücklich: „Die Zwischenschichten sind so dick gewählt, dass die magnetische Austauschentkopplung zwischen den Magnetisierungen der ferromagnetischen Schichten möglichst gering ist“ (Sp. 2, Z. 24 – 28). Ähnliches ist dem gewürdigten Stand der Technik, dem EP 0 346 817, zu entnehmen, in dem für näher definierte Zwischenschichten aus Vanadium (V), Ruthenium (Ru), Chrom (Cr) oder Gold (Au) im Rahmen von Ausführungsbeispielen Schichtdickenobergrenzen genannt werden (Anlage K 3, S. 3, Z. 26 ff.). Wenn das Klagepatent dem Fachmann nun als bevorzugte Materialien für die Zwischenschicht Kupfer (Cu), Gold (Au), Silber (Ag) und Chrom (Cr) (Sp. 13, Z. 21 – 22) benennt, gibt es dem Fachmann das Wissen an die Hand, dass es auch bei der Wahl eines dieser Materialien auf die Dicke der Zwischenschicht ankommt. Er wird deshalb für das jeweilige Material jedenfalls eine solche (Mindest-)Dicke wählen, mit der die Austauschentkopplung gewährleistet werden kann. Dies auch deshalb, weil das Klagepatent einen weiteren Hinweis auf eine mögliche oszillierende Austauschkopplungskraft bereit hält, die im Zusammenhang mit der Dicke der gewählten Zwischenschicht steht, wobei hier lediglich als bevorzugtes Ausführungsbeispiel eine Austauschkopplungskraft J gleich Null beschrieben wird (Sp. 4, Z. 57 – Sp.5, Z. 4).
Diese Erläuterungen des Klagepatents stehen im Einklang mit dem allgemeinen Fachwissen des Fachmanns im Prioritätszeitpunkt. Wie der Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, umfasste dies zum einen die Erkenntnis, dass sich die Stärke einer magnetischen Austauschentkopplung zweier ferromagnetischer Schicht aus der Summe mehrerer Beiträge bestimmt und demnach ein material- sowie temperaturabhängiger Effekt ist, der neben der Art der beteiligten Atomen auch von den Geometrien der Schichten, und vor allem der Herstellungsbedingungen abhängt. Insbesondere war bekannt, dass je nach Herstellungsbedingungen bei sehr dünnen Zwischenschichten Löcher in der Zwischenschicht auftreten und hierdurch Brücken entstehende können („pin-hole coupling“-Effekt) und/oder an den Flächen zwischen den ferromagnetischen Schichten Oberflächenrauhigkeiten und lokale magnetische Streufelder auftreten können („orange peeling coupling“-Effekt). Beides kann bekanntermaßen zu einer ferromagnetischen Austauschkopplung führen. Der Fachmann verfügte zum anderen über die Erkenntnis, dass die Stärke der Austauschkopplung, je nach gemessenen Schichtstrukturen, oszillierend um den Wert J gleich 0 mit zunehmender Schichtdicke abnimmt (RKKY-Kurve). Für den Fachmann ist bei der Bestimmung der konkreten Schichtdicke hiernach folglich maßgeblich, ob ein kleiner negativer oder positiver Wert der Kopplungsstärke, abhängig von dem Material und der Dicke der Zwischenschicht auf die Messung der physikalischen Eigenschaften der Schichten einen noch messbaren Effekt ausübt, oder ob der Wert der Kopplung innerhalb einer vernachlässigbaren Toleranz liegt.
Mit Blick auf bestimmte zu verwendende Materialien war dem Fachmann schließlich, wie der Sachverständige weiterhin bestätigt hat, bekannt, dass Kupfer (Cu) zur Austauschentkopplung verwendet werden kann. Insoweit herrschte das Wissen, dass eine Cu-Schicht bei hinreichender Schichtdicke geeignet ist, zwei ferromagnetische Schichten voneinander zu entkoppeln. In der Publikation Dieny et al (K 9) wurde insoweit eine Mindestdicke von 1,6 nm angegeben. Bekannt war überdies, dass im Falle von Kupfer als Zwischenschicht je nach Zusammensetzung und Herstellungsmethode der ferromagnetischen Schichten bei einer Cu-Zwischenschicht von ca. 2,5 nm – 3 nm bis zu drei antiferromagnetische Kopplungsmaxima auftreten können.

Auf der Suche nach der konkret geeigneten Zwischenschicht wird der Fachmann angesichts der Angaben des Klagepatents, die nicht von seinem allgemeinen Fachwissen abweichen, die genannten Faktoren berücksichtigen und gleichberechtigt sowohl das konkrete Material, die Temperatur, die Dicke der Schicht als auch die vorhandene Austauschkopplungskraft berücksichtigen. Im Vordergrund und von entscheidender Bedeutung ist dabei die Wirkung, ob nämlich eine annähernde Austauschentkopplung erfolgt oder nicht. Ist die Magnetisierung der Messschicht frei drehbar und weitestgehend unabhängig von der Magnetisierungsrichtung der Biasschicht, genügt dies. Die Eindeutigkeit der Kennlinie und die verbesserte Funktionsfähigkeit des Sensors sind dann gegeben. Eine Notwendigkeit nach der Lehre des Klagepatents, in diesem Fall auch noch den Anteil einer Kopplungskraft zu berechnen oder eine bestimmte Kopplungskraft, insbesondere eine Austauschkopplungskraft von J gleich ungefähr 0 haben zu müssen, besteht nicht.

II.
Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen die technische Lehre des Klagepatents, wobei dies hinsichtlich der Merkmale 1., 3. a), 3. b) und 5. a) ebenso zu Recht außer Streit steht wie die Verwirklichung der Merkmalsgruppen 2., 4. und 6.. Weitere Ausführungen sind seitens der Kammer hierzu nicht veranlasst. Im Einklang mit dem Sachverständigengutachten lässt sich darüber hinaus jedoch auch feststellen, dass beide angegriffene Ausführungsformen auf der Grundlage des unter I. 2) dargelegten Verständnisses auch die Merkmale 3. c) und 5. b) erfüllen.

1)
Bei der angegriffenen Ausführungsform 2 kann das Vorliegen des Merkmals 3. c) festgestellt werden. Sie enthält in ihrem Schichtsystem eine Biasschicht, die über eine Kopplungsschicht an eine Magnetschicht im Sinne des Klagepatents antiferromagnetisch angekoppelt ist.
Die angegriffene Ausführungsform 2 verfügt über einen künstlichen Antiferromagneten, der aus einer 2,2 nm starken Biasschicht (CoFe), einer Kopplungsschicht (Ru) und einer 1,6 nm starken Magnetschicht (CoFe) gebildet wird. Die Magnetisierungsrichtungen der beiden ferromagnetischen Schichten sind unstreitig antiparallel zueinander ausgerichtet, wie insbesondere auch dem Privatgutachten von Prof. Dr. D (Anlage B 21, S. 17) zu entnehmen ist. Diese durch das Teilschichtsystem hervorgerufene antiparallele Ausrichtung der Magnetisierungsrichtungen bei parallel zueinander gerichteten Schichtoberflächen bewirkt – wie im Grundsatz bereits der Stand der Technik zeigt – das „Festhalten“ bzw. „Pinnen“ der Biasschicht. Deren Magnetisierung wird durch die von der Erfindung vorgeschlagene Art des „Pinnens“ annähernd konstant und ist nicht von einem äußeren Magnetfeld bzw. von der Magnetisierung der Messschicht abhängig. Dass trotz der gegebenen antiparallelen Magnetisierungsausrichtungen bei der angegriffenen Ausführungsform 2 keine annähernd konstante Magnetisierung der Biasschicht – was im übrigen Gegenstand von Merkmal 5. a) ist, welches die Beklagten nicht bestritten haben – eintreten soll, eine solche vielmehr nur mittels des an der angegriffenen Ausführungsform 2 zudem befindlichen natürlichen Antiferromagneten gegeben sein soll, ist nicht zu erkennen. Es erschließt sich aus technischer Sicht nicht, weshalb die vorhandene antiparallele Ankopplung völlig bedeutungslos sein und nicht zu einer annähernd konstanten Magnetisierung führen soll. Zumal die angegriffene Ausführungsform 2 unstreitig eine im Messbereich des Sensors eindeutige Kennlinie aufweist. Der natürliche Antiferromagnet mag zur Fixierung der Magnetisierung der Biasschicht in eine Richtung dienen und zur Stabilisierung einen Beitrag leisten, dies bedeutet jedoch nicht – was aber erforderlich wäre, um ein erfindungsgemäßes Ankoppeln verneinen zu können –, dass er allein ohne Zutun des Schichtsystems die antiferromagnetische Kopplung herbeiführt.
Der Umstand eines bewussten magnetischen Nettomoments des künstlichen Antiferromagneten der angegriffenen Ausführungsform 2, das je nach Sensortyp im Verhältnis von 1,3 bis 1,7 gegeben ist, ändert an der Verletzung ebenfalls nichts. Den Angaben der Beklagten zufolge treten aus dem Schichtsystem Streufelder aus, die dazu genutzt werden, andere Felder zu kompensieren. Diese Streufelder werden mithin nicht zu Störfeldern im Sinne des Klagepatents, sondern sind als „Kompensationsfelder“ zu bezeichnen. Die Streufelder, die nicht der Kompensation dienen, werden durch die antiferromagnetische Ankopplung einer zusätzlichen Magnetschicht unterdrückt. Eine Verschiebung der Kennlinie oder eine nicht eindeutige Kennlinie ist bei der angegriffenen Ausführungsform 2 auch vor diesem Hintergrund nicht zu erkennen. Angesichts dessen bedarf es keiner weiteren Auseinandersetzung mit der Frage, wie groß das jeweilige magnetische Nettomoment ist.

Die angegriffene Ausführungsform 2 entspricht ferner Merkmal 5. b). Sie gehört zu der Kategorie austauschentkoppelter Sensoren; ihre Biasschicht ist durch eine Zwischenschicht von der Messschicht wenigstens annähernd austauschentkoppelt.
Das insoweit maßgebliche Teilschichtsystem wird unstreitig aus einer ferromagnetischen Messschicht (CoFe), einer 1,9 nm starken Kupferschicht (Cu) und einer ferromagnetischen Biasschicht (CoFe) gebildet. Die Messschicht entspricht ebenso unstreitig der Merkmalsgruppe 4, sie ist insbesondere wenigstens in einer Richtung reversibel von einem anliegenden Magnetfeld abhängig, und auch die Verwirklichung des Merkmals 5. a) betreffend die Biasschicht haben die Beklagten nicht in Abrede gestellt. Die Biasschicht hat mithin in der Schichtebene eine im Messbereich des Magnetfeldes wenigstens annähernd konstante Magnetisierung, was sich im Übrigen auch aus den obigen Ausführungen ergibt. Überdies ist Kupfer eines der bevorzugten nichtmagnetischen Materialien des Klagepatents für die Zwischenschicht und die konkret gewählte Schichtdicke ist größer als diejenige, welche im Stand der Technik als Mindestdicke für das Bewirken einer Austauschentkopplung genannt wird. Insbesondere zum „pin-hole coupling“-Effekt führende Löcher in der Zwischenschicht werden mit einer Cu-Schichtdicke größer/gleich 1,6 nm vermieden. Dass bei der angegriffenen Ausführungsform 2 bewusst eine RKKY-Austauschkopplungskraft von J = 0,0044 erg/cm2 (Anlage B 21) vorhanden ist, ist letztlich nicht erheblich. Eine Restkopplungskraft würde nur dann gegen die Annahme einer Austauschentkopplung sprechen, wenn sie das freie Drehen der Magnetisierung der Messschicht verhindern würde. Dies ist vorliegend jedoch nicht zu erkennen. Die angegriffene Ausführungsform 2 verfügt gerade über eine eindeutige Kennlinie, die noch vorhandene Restkopplung zeitigt insoweit keine beeinträchtigenden Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit des Sensors im Messbereich des Magnetfeldes.

2)
Die angegriffene Ausführungsform 1, deren Ausgestaltung sich aus der Anlage K 8 erschließt, erfüllt(e) ebenfalls Merkmal 3. c). Die an der Figur 6 auf Seite 4 der Anlage K 8 befindliche Abkürzung „SFP“ wird im Klammerzusatz ungekürzt als anti-ferromagnetische Struktur benannt. Überdies ist in dem begleitenden Text ausgeführt, dass die synthetische antiferromagnetische Struktur aus dem Schichtsystem CoFe (1)-Ru-(0,8 nm)-CoFe(2) besteht und eine antiparallele Ausrichtung der Magnetisierung der beiden Schichten CoFe (1) und CoFe (2) aufweist sowie als „pinned layer“ wirkt.

Die Anlage K 8 gibt darüber hinaus das Merkmal 5. b) zu erkennen. In der Figur 6 auf Seite 4 ist als Zwischenschicht eine Kupferschicht gezeigt. Darunter befindet sich das Teilschichtsystem „SFP“, darüber die Messschicht, welche in der dazugehörigen Beschreibung ausdrücklich als „free layer“ bezeichnet wird. Die Messschicht ist demnach frei drehbar. Angesichts dessen ist es egal, dass der Anlage K 8 keine Dicke der Zwischenschicht zu entnehmen ist.

III.
Aus dem Vorstehenden ergeben sich – soweit der Rechtsstreit nicht in der Hauptsache teilweise übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist – folgende Rechtsfolgen:

1)
Die Beklagten sind der Klägerin gegenüber gemäß Art. 64 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 1 PatG mit Blick auf die angegriffene Ausführungsform 2 zur Unterlassung verpflichtet, da sie den Gegenstand des Klagepatents rechtswidrig benutzt haben.

2)
Die Beklagten haben der Klägerin darüber hinaus Entschädigung gemäß Art. II § 1 IntPatÜG und Schadensersatz gemäß Art. 64 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 2 PatG zu leisten. Denn als Fachunternehmen hätten sie bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, dass sowohl die angegriffene Ausführungsform 1 wie auch die angegriffene Ausführungsform 2 Gegenstand der offen gelegten Anmeldung waren bzw. eine Patentverletzung darstell(t)en. Da es überdies hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, der von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO. Gleiches gilt für den Entschädigungsanspruch.

3)
Damit die Klägerin die ihr zustehenden Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche beziffern kann, sind die Beklagten ihr gegenüber in zuerkanntem Umfange zur Rechnungslegung verpflichtet, Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 242, 259 BGB sowie Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140b PatG, wobei die Beklagten im Rahmen des Auskunftsanspruchs gemäß § 140b PatG die betreffenden Belege zu überlassen haben (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 5, 249 – Faltenbalg). Die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Die Beklagten werden durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
Dass die Auskunfts- und Rechnungslegungspflicht hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform 1) bereits gem. § 362 BGB erfüllt ist, ist weder dargetan noch ersichtlich.

4)
Schließlich steht der Klägerin der geltend gemachte Vernichtungsanspruch zu, Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140a PatG. Unverhältnismäßigkeit ist von den Beklagten nicht geltend gemacht worden.

IV.
Eine Veranlassung, den Rechtsstreit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Nichtigkeitsverfahrens gemäß § 148 ZPO auszusetzen, besteht nicht. Das Bundespatentgericht hat die gegen das Klagepatent gerichtete Nichtigkeitsklage (4 Ni 70/XXX) mit Urteil vom 10.06.2008 (Anlage B 20) abgewiesen. Eine überwiegende Erfolgswahrscheinlichkeit der gegen dieses Urteil eingelegten Berufung ist von den Beklagten nicht dargetan und auch nicht ersichtlich.

V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO und soweit die Hauptsache für erledigt erklärt worden ist auf § 91a ZPO. Die angegriffene Ausführungsform macht, wie unter II.2) dargestellt, von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Nach billigem Ermessen sind deshalb den Beklagten auch insoweit die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Beklagten vom 24.08.2009 und 28.9.2009 (§ 296a ZPO) boten keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen (§ 156 ZPO).