4a O 302/05 – Permanentmagnet für Handys III

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 362

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 24. November 2005, Az. 4a O 302/05

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits sowie die Kosten der Streithelferinnen.

III. Das Urteil ist für die Beklagte sowie die Streithelferinnen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte Bürgschaft einer im Gebiet der Europäischen Union ansässigen, als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

T a t b e s t a n d

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des am 5. Juli 2003 nach Ablauf der gesetzlichen Schutzdauer erloschenen europäischen Patentes 0 101 xxx, zu dessen Benennungsstaaten u.a. die Bundesrepublik Deutschland gehörte. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatentes, welches neuartige magnetische Werkstoffe und daraus hergestellte Permanentmagnete betrifft, wurde am 22. Juni 1989 veröffentlicht. In einem Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt wurde das Klagepatent beschränkt aufrecht erhalten. Nachfolgend ist der im vorliegenden Rechtsstreit allein maßgebliche Patentanspruch 11 wiedergegeben:

Gesinterter, anisotroper Permanentmagnet, welcher im Wesentlichen aus 8 – 30 Atom-% R, 2 – 28 Atom-% B besteht und wobei der Rest Fe ist, und welcher wenigstens 50 Vol-% einer Phase umfasst, welche aus wenigstens einer Verbindung des Typs Fe-B-R besteht, welche bei Raumtemperatur und darüber stabil ist und eine tetragonale Struktur aufweist, wobei deren c0-Achse etwa 1,2 nm (12 Ǻ) ist und deren a0-Achse etwa 0,8 nm (8 Ǻ) ist, wobei R für wenigstens ein Seltenerdelement einschließlich Yttrium steht, und welcher weiterhin nicht-magnetische Phasen und eine mittlere Kristall-Korngröße von 1 – 80 μm aufweist.

Die Beklagte ist ein im Telekommunikationsbereich weltweit tätiges Unternehmen. Im Rahmen dieses Geschäftsbetriebes vertreibt die Beklagte Mobiltelefone unterschiedlicher Herkunft und Ausstattung, wobei sie die Mobiltelefone von den jeweiligen Herstellern originalverpackt bezieht.

Auf der Grundlage durchgeführter Untersuchungen (Anlage K 9 bis K 11, K 32) behauptet die Klägerin, dass in einer Vielzahl von Mobiltelefonen, welche die Beklagte vertrieben habe, patentverletzende Permanentmagnete eingebaut gewesen seien, und zwar vornehmlich als Lautsprechermagnet und/oder Vibrationsmagnet. Im Einzelnen handele es sich um folgende Mobiltelefone:

• Xa – Xz

Mit Beschluss vom 21. Juni 2005 trennte die Kammer die auf das Klagepatent gestützten Klageansprüche hinsichtlich konkret benannter Ausführungsformen ab. Auf den Inhalt des Beschlusses wird verwiesen. Gegenstand des hiesigen Verfahrens ist der Lautsprecher des Mobiltelefons Xa.

Nachdem die Beklagte den Streithelferinnen des hiesigen Rechtsstreits, der A Communications und B GmbH, Düsseldorf, den Streit verkündete, traten diese dem Rechtsstreit bei und verkündeten wiederum der C den Streit, da diese neben einem weiteren Unternehmen die streitgegenständliche Lautsprecher geliefert hat. Diese trat dem Rechtsstreit als Streithelferin bei.

Zu dem von der Klägerin verfolgten Anspruch auf Rechnungslegung und Schadenersatz trägt die Klägerin vor: Die Erfindung nach dem Klagepatent habe wesentlich dazu beigetragen, dass die Mobiltelefone hätten wesentlich verkleinert werden können. Die patentgemäßen Permanentmagnete zeichneten sich durch eine außerordentliche Leistungsfähigkeit aus, welche es erlaube, ihre Größe gegenüber bekannten Magneten anderer Zusammensetzung deutlich zu reduzieren. Dies habe entsprechend auch eine Verkleinerung des Lautsprechers und damit auch des Mobiltelefons zur Folge gehabt. Diese „Revolutionierung“ rechtfertige es, einen etwaigen mit dem Verkauf der Handys erzielten Gewinn der Beklagten jedenfalls zu einem Teil dem Klagepatent zuzuordnen. Die Rechnungslegungsangaben der Beklagten müssten sich demzufolge auch zum Umsatz, zu den Gestehungskosten und zum Gewinn aus dem Vertrieb patentverletzender Mobiltelefone verhalten. Aus Gründen der Rechnungslegungsprüfung sei es außerdem geboten, der Beklagten Angaben zu den Magnettypen (Lautsprecher- oder Vibrationsmotormagnet, Ring- oder Zylindermagnet), zu Magnetisierungsrichtung und zu den Chargen-, d.h. Seriennummern der vertriebenen Handys abzuverlangen.

Die Klägerin beantragt,

I.1. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie vom 28.10.1989 bis 05.07.2003

Mobiltelefone, die Permanentmagnete als Bestandteil ihrer Lautsprecher und/oder Vibrationsmotoren enthalten haben.

in Deutschland angeboten, in Verkehr gebracht und/oder zu diesen Zwecken entweder eingeführt oder besessen hat, sofern der Permanentmagnet gesintert und anisotrop war, im Wesentlichen aus 8 bis 30 Atom-% R, 2 bis 28 Atom-% B bestanden hat, und wobei der Rest Fe war, und wenigstens 50 Volumen-% einer Phase umfasst hat, welche aus wenigstens einer Verbindung des Typs Fe-B-R bestanden hat, welche bei Raumtemperatur und darüber stabil war und eine tetragonale Struktur aufgewiesen hat, wobei deren c0-Achse etwa 1,2 nm (12 Angström) war und deren a0-Achse etwa 0,8 nm (8 Angström) war, wobei R für wenigstens ein Seltenerdelement einschließlich Yttrium steht, und wenn der Magnet weiterhin nichtmagnetische Phasen und eine mittlere Kristallkorngröße von 1 bis 80 μm aufgewiesen hat,

und zwar unter Angabe

a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen nebst Anschriften der Abnehmer,

b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen sowie Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

die Angaben zu a) und b) jeweils unter Aufschlüsselung der einzelnen Magnettypen (Lautsprecher- oder Vibrationsmagnet), Größen, Stärken,

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

d) des erzielten Gewinns unter Angabe der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten

für die Zeit bis 30.04.1992 jeweils beschränkt auf das vor dem 03.10.1990 bestehende Gebiet der Bundesrepublik,

wobei der Beklagten nach ihrer Wahl vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nichtgewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger nur einem von der Klägerin zu bezeichnenden, zur Verschwiegenheit gegenüber der Klägerin vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern sie diesen ermächtigt, der Klägerin darüber Auskunft zu geben, ob eine bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist;

hilfsweise

I.2. die Beklagte zu verurteilen, darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie vom 28. Oktober 1989 bis zum 5. Juli 2003 Permanentmagnete als Bestandteile von Lautsprechern und/oder Vibrationsmotoren in Mobiltelefonen in Deutschland angeboten, in den Verkehr gebracht und/oder zu diesen Zwecken entweder eingeführt oder besessen hat, wenn die Permanentmagnete die unter I.1. aufgeführten Merkmale besessen haben, und mit den in Antrag I.1. im Einzelnen aufgeführten Angaben;

II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. bezeichneten, seit dem 28.10.1989 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird;

wobei sie in der mündlichen Verhandlung beantragte, dass sich die Anträge nicht auf Magnete beziehen, die in Lautsprechern enthalten sind, die von der D in Japan geliefert wurden;

hilfsweise der Klägerin nachzulassen, die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung abzuwenden.

Die Beklagte stimmte der Teilklagerücknahme zu und erklärte, dass der Wirtschaftsprüfervorbehalt nicht mehr hinsichtlich der gewerblichen Abnehmer geltend gemacht wird, und beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die von A Communications International AB und B GmbH einerseits sowie der E GmbH andererseits erhobenen Nichtigkeitsklagen auszusetzen.

Die Beklagte bestreitet den Vertrieb des angegriffenen Mobiltelefons Xa und den gegen sie erhobenen Verletzungsvorwurf. Im Übrigen berufe sie sich auf den Einwand der Erschöpfung. Der Vorwurf eines auch nur fahrlässigen Verschuldens könne ihr nicht gemacht werden. Die Erfindung nach dem Klagepatent habe keinen irgendwie gearteten Beitrag zur Miniaturisierung der Mobiltelefone geleistet. Für sie habe daher nicht der geringste Anlass für die Annahme bestanden, die in den Lautsprechereinheiten ihrer Mobiltelefone enthaltenen Magnete könnten patentverletzend sein. Sie habe sich darauf verlassen können, dass die – namhaften – Hersteller der Mobiltelefone die Schutzrechtslage überprüfen würden. Mangels eines Verschuldens scheide ein Schadenersatzanspruch und auch ein Anspruch hinsichtlich der Gestehungskosten und des erzielten Gewinns aus. Letzteres komme auch nicht in Betracht, weil kein irgendwie denkbarer Teil des mit dem Vertrieb der Mobiltelefone erzielten Gewinns dem Klagepatent zugerechnet werden könne. Der Klägerin sei auch seit längerem bekannt, dass Mobiltelefon-Hersteller patentgemäße Magnete einsetzen würden. Etwaige Ansprüche der Klägerin seien deswegen verjährt.

Die Klägerin tritt diesem Vorbringen entgegen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Rechnungslegung und Feststellung der Schadenersatzverpflichtung nicht zu.

Anhand der Vorbringens der Klägerin ergibt sich nicht, dass die Beklagte – wie von ihr bestritten – eine Benutzungshandlung im Sinne des § 9 PatG in Bezug auf die angegriffene Ausführungsform, das Mobiltelefon XA, vorgenommen hat, so dass es auf die zwischen den Parteien des weiteren streitigen Fragen der Patentverletzung sowie Schadensersatzverpflichtung vorliegend nicht ankommt.
Die Klägerin legte zur Substantiierung ihrer Behauptung, dass die Beklagte das angegriffene Mobiltelefon vertrieben habe, als Anlage K 17 einen Auszug aus der Zeitschrift Connect, Heft 7/2002 vor, in welcher ein Telefon mit der Bezeichnung „F XAi“ u.a. bei der Beklagten zu einem Preis von 299,- € angeboten wurde. Zwischen den Parteien unstreitig handelt es sich bei dem in der Zeitschrift Connect mit „F XAi“ bezeichneten Mobiltelefon und der angegriffenen Ausführungsform, dem Mobiltelefon XA um unterschiedliche Ausführungen. Die Beklagte hat den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform bestritten.

Die Klägerin hat auf den Hinweis der Kammer, dass eine Benutzungshandlung des angegriffenen Mobiltelefons XA bisher nicht hinreichend nachgewiesen sei, in der mündlichen Verhandlung weitere Unterlagen vorgelegt. Danach soll sich aus dem Auszug aus der „Bedienungsanleitung für die G X Connect Software der G X Connect Card“, Stand August 2005 eine entsprechende Vertriebshandlung ergeben. Unabhängig von der Tatsache, dass die Bedienungsanleitung aus dem Jahre 2005 stammt, das Klagepatent jedoch bereits im Jahre 2003 abgelaufen ist, lässt sich der Unterlage ein Vertrieb durch die Beklagte nicht entnehmen. Auf Seite 22 wird ausgeführt:

„Beispiel: Das Exportieren von 160 Kontakten von einem F XA über eine Infrarotverbindung dauert ungefähr 5 Minuten.“

Ein Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform lässt sich anhand dieser Textstelle nicht herleiten. In der zitierten Passage wird die angegriffene Ausführungsform lediglich in einem Beispiel genannt.

Das gleiche gilt für den Ausdruck zweier Seiten aus der Homepage der Beklagten vom 5. Oktober 2005. Auf der ersten Seite oben findet sich die Überschrift „Zubehörsuche F XA“. Auch dieser Nachweis bezieht sich auf einen Zeitpunkt nach dem Ablauf des Klagepatentes. Auch ergibt sich hieraus ein Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform selbst nicht. Das Anbieten von Zubehör bedingt nicht notwendigerweise auch den Vertrieb eines Mobiltelefons.

Auch aus dem Auszug einer Seite aus der Website vom 5. Oktober 2005 lässt sich eine Vertriebshandlung zum Zeitpunkt des Bestehens des Klagepatentes nicht herleiten. Der Auszug stammt nicht von der Beklagten und dessen konkretes Veröffentlichungsdatum ist nicht zu ersehen. Im Übrigen ergibt sich anhand des Auszuges lediglich, dass die Streithelferin F ein Software-Update für das Mobiltelefon anbietet, was die Nutzung des MMS-Datendienstes im Netz der Beklagten möglich macht. Weiter wird ausgeführt, dass noch nicht bekannt sei, welche Kosten dem Kunden für das Update entstehen sowie:

„Das Xa selbst kostet ohne Vertrag derzeit 589 Euro.“

Eine Angabe, welche Kosten für einen Erwerb des Mobiltelefons bei Abschluss eines Kartenvertrages bei der Beklagten entstehen, wird nicht gemacht. Die Beklagte wird nicht weiter genannt, so dass ein Vertrieb des Mobiltelefons auf Grund dieses Auszuges nicht hergeleitet werden kann.

Auch aus dem weiteren klägerischen Vorbringen in der mündlichen Verhandlung, dass zwischen dem Gerät XA und XA i kein Unterschied bestehe, insbesondere die Lautsprecher identisch seien, wie sich nach der eigenen Anschauung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ergebe, lässt sich nichts herleiten. Das entsprechende Vorbringen ist unschlüssig. Denn es ist nicht nachvollziehbar, dass eine bloße Inaugenscheinnahme zu der Feststellung führen kann, dass die Magnete der Lautsprecher identisch seien. Die genaue Zusammensetzung der Magnete entsprechend des Patentanspruches des Klagepatentes bedarf einer genauen Untersuchungen mittels Messgeräten. Dass eine entsprechende Untersuchung vorgenommen wurde, hat die Klägerin selbst nicht behauptet.

Eine Vertriebshandlung der Beklagten wurde von der Klägerin mithin nicht schlüssig vorgetragen.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 108 ZPO. Für die Bewilligung von besonderem Vollstreckungsschutz besteht kein Anlass, weil die Klägerin die nach § 712 ZPO bestehenden besonderen Voraussetzungen nicht dargetan hat.

Der Streitwert beträgt 100.000,- EUR.