4b O 148/07 – Fliesenabschlussprofil

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 900

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 10. April 2008, Az. 4b O 148/07

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
IV. Der Streitwert wird auf 250.000,00 € festgesetzt.

T a t b e s t a n d

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents DE 197 22 xxx (nachfolgend: „Klagepatent“, Anlage rop 1) betreffend Winkelabschlussprofile. Der Hinweis auf die Veröffentlichung des Klagepatents erfolgte am 19. Dezember 2002.

Am 18. Oktober 2007 reichte die Beklagte die aus der Anlage B1 ersichtliche, gegen das Klagepatent gerichtete Nichtigkeitsklage ein.

Der für den vorliegenden Rechtsstreit allein interessierende Patentanspruch 1 des Klagepatents hat folgenden Wortlaut:

„Untergrundseitig anzuklebendes Winkelprofil zum Abschließen von verlegten Keramikplatten oder dergleichen mit einem ersten mit Durchbrechungen versehenen Schenkel zur Befestigung und einem daran etwa senkrecht angebundenen zweiten Schenkel, an dem zu den benachbarten Keramikplatten gerichtet die sichtbare Fugenbreite zwischen dem zweiten Schenkel und den benachbarten Keramikplatten bestimmende abstandshaltende Mittel angeformt sind, dadurch gekennzeichnet, dass am freien Ende des zweiten Schenkels eine Verbreiterung angeformt ist, die zusammen mit den ebenfalls an dem zweiten Schenkel angeformten abstandshaltenden Mitteln eine zur abschließenden Keramikplattenseite hin einseitig offene Kammer bildet, wobei die Verbreiterung um die Breite (B) der zu bildenden Fuge kürzer ist als das mit Abstand dazu angeformte abstandshaltende Mittel (24).“

Nachfolgend eingeblendet sind die Figuren 1 und 2 des Klagepatents, die bevorzugte Ausführungsbeispiele eines klagepatentgemäßen Winkelprofils zeigen.

Die Beklagten vertreiben Winkelprofile über das Internet, darunter das Fliesenabschlussprofil „A“ (Anlagen rop 6 und 9; siehe die unten in den Entscheidungsgründen eingeblendete Ablichtung). Zugunsten des Beklagten zu 2) wurden am 18.01.2007 das Gebrauchsmuster DE 20 2006 016 xxx (Anlage rop 7) und am 22.02.2007 das Gebrauchsmuster DE 20 2006 xxx 163 (Anlage rop 8) eingetragen.

Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform mache von sämtlichen Merkmalen des Klagepatents wortsinngemäßen Gebrauch. Insbesondere verfüge die angegriffene Ausführungsform in Gestalt einer „Fliesenanschlagsfläche“ über „abstandshaltende Mittel“ im Sinne des Klagepatents. Ferner verfüge die angegriffene Ausführungsform auch über eine Verbreiterung, welche um die Breite (B) der zu bildenden Fuge kürzer sei als das mit Abstand dazu angeformte abstandshaltende Mittel. Sie nimmt die Beklagten daher auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Feststellung der Schadensersatzverpflichtung sowie Vernichtung in Anspruch; ferner begehrt sie – aus nicht näher dargelegten Gründen – Zahlung von EUR 3.288,80.

Die Klägerin beantragt,

I. die Beklagten zu verurteilen,

1.
es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen,

untergrundseitig anzuklebende Winkelprofile zum Abschließen von verlegten Keramikplatten oder dergleichen mit einem ersten mit Durchbrechungen versehenen Schenkel zur Befestigung und einem daran etwa senkrecht angebundenen zweiten Schenkel, an dem zu den benachbarten Keramikplatten gerichtet die sichtbare Fugenbreite zwischen dem zweiten Schenkel und den benachbarten Keramikplatten bestimmende abstandshaltende Mittel angeformt sind,

anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

bei denen am freien Ende des zweiten Schenkels eine Verbreiterung angeformt ist, die zusammen mit den ebenfalls an dem zweiten Schenkel angeformten abstandshaltenden Mitteln eine zur abschließenden Keramikplattenseite hin einseitig offene Kammer bildet, wobei die Verbreiterung um die Breite (B) der zu bildenden Fuge kürzer ist als mit Abstand dazu angeformte abstandshaltende Mittel;

2.

der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I 1 bezeichneten Handlungen seit dem 01.04.2003 begangen haben, und zwar unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, diese können ausnahmsweise den im Urteilsausspruch zu Ziffer I 1 genannten Gegenständen unmittelbar zugeordnet werden,

wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernehmen und ihn ermächtigen, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nicht-gewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist;

3.

die im unmittelbaren und mittelbaren Besitz der Beklagten befindlichen unter Ziffer I 1 beschriebenen Erzeugnisse zu vernichten oder nach Wahl der Beklagten an einen von der Klägerin zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;

II. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I 1 bezeichneten, seit dem 04.01.2003 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird;

III. die Beklagten außerdem zu verurteilen, an die Klägerin
€ 3.288.80 nebst Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten stellen eine Verletzung des Klagepatents in Abrede und machen insoweit im Wesentlichen geltend: Die bei der angegriffenen Ausführungsform vorhandene Fliesenanschlagsfläche sei kein abstandshaltendes Mittel im Sinne des Klagepatents, welches zu den benachbarten Keramikplatten gerichtet die sichtbare Fugenbreite zwischen dem zweiten Schenkel und den benachbarten Keramikplatten bestimme und mit der – unstreitig am zweiten Schenkel angeformten – Verbreiterung eine Kammer bilde. Insofern sei die Verbreiterung auch nicht um die Breite (B) der zu bildenden Fuge kürzer als das mit Abstand dazu angeformte abstandshaltende Mittel. Der hilfsweise gestellte Aussetzungsantrag ist nach Auffassung der Beklagten deshalb begründet, weil Stand der Technik vorhanden sei, welcher der Neuheit des Klagepatents entgegen stehe; zumindest jedoch fehle es an einer erfinderischen Tätigkeit.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen sämtliche geltend gemachten Ansprüche nicht zu, weil die angegriffene Ausführungsform das Klagepatent nicht verletzt.

I.

Das Klagepatent betrifft Winkelabschlussprofile. Nach den einleitenden Bemerkungen des Klagepatents ist es bekannt, am Boden oder an einer Wand verlegte Keramikplatten an ihren freiliegenden Außenkanten durch derartige Abschlussprofile zu schützen.

Derartige bereits aus der DE-PS 31 21 823 (Anlage rop 2, deutsche Übersetzung in Anlage B2) bekannte Profile haben im Wesentlichen einen L-förmigen Querschnitt. Der längere Schenkel (Befestigungsschenkel) ist mit Durchbrechungen versehen und wird bei sogenannter Dünnbettverlegung in einem Kleber zwischen dem Untergrund und darauf verlegter Keramikplatten untergebracht. Der zu diesem Schenkel senkrecht angebrachte zweite Schenkel ist ein Abschlussschenkel. Am freien Ende des Abschlussschenkels ist nach innen zur Plattenseite hin gerichtet eine Verbreiterung vorgesehen, unter der eine Kammer gebildet ist. In der Regel wird zunächst das Winkelprofil auf dem Untergrund aufgesetzt, mit Klebemörtel befestigt und danach die Keramikplatte aufgesetzt. Dabei wird bereits der untere Bereich der gebildeten Fuge bzw. der Kammer mit dem Klebemörtel verfüllt. Die nach außen sichtbare Fuge jedoch wird mit Fugenmörtel ausgefüllt, der eine andere Konsistenz als der Klebemörtel hat. An dem so gestalteten Winkelprofil kritisiert das Klagepatent: Bei dessen Verwendung seien erstens die Einhaltung einer gewünschten und gleichbleibenden Fuge zwischen der Verbreiterung des Abschlussprofiles und der zu schützenden Keramikplattenkante sowie zweitens die Verfüllung des Fugenraums mit Fugenmörtel schwierig.

Als nächstliegenden Stand der Technik betrachtet das Klagepatent die GB 2 203 996 A1 (Anlage rop 3, deutsche Übersetzung in Anlage B3). Diese schlägt ein Abschlussprofil für die Eckausbildung eines Wandbereiches, an dem senkrecht zueinander Keramikplattenbeläge anzubringen sind, vor. Dieses Profil weist beabstandet zueinander senkrechte Befestigungsschenkel auf, die jeweils an beiden Wänden unter den entsprechenden äußeren Keramikplatten unterzubringen sind. Die Verbindung bildet ein etwa viertelzylinderförmiger Abschnitt, der aus zwei senkrecht zueinander stehenden Abschlussschenkeln und einem diese an ihren äußeren Enden verbindenden gewölbten Steg besteht. Im Interesse eines gleichbleibenden Fugenabstandes zwischen den Abschlussschenkeln und den zu schützenden Keramikplattenkanten sind etwa mittig vorstehende Stegleisten angeformt, deren Stärke den Fugenabstand zwischen dem Abschlussschenkel und der benachbarten Plattenkante bestimmt. An dieser Ausführung kritisiert das Klagepatent, dass ein solches Profil mit zwei Befestigungsschenkeln nur äußerst schwierig einzubringen sei und nur dann möglich erscheine, wenn die Untergrundflächen im Eckbereich exakt in einem rechten Winkel zueinander stünden. Ein Winkeltoleranzausgleich sei nicht möglich, da bei Festsetzung eines Befestigungsschenkels der andere Befestigungsschenkel nur unter Druck an seinem Untergrund gehalten werden könne. Die Rückfederung des Profils aber würde die in diesem Bereich über dem Befestigungsschenkel aufzubringenden Platten abheben.
Vor diesem Hintergrund formuliert das Klagepatent die Aufgabe, ein Winkelprofil vorzuschlagen, welches sich spannungsfrei unter Keramikplatten einbauen lässt und welches eine die Fugenausfüllung sichernde und damit die Plattenkanten schützende und abstützende Funktion erfüllt.

Diese Aufgabe wird mit einem Winkelprofil, welches die nachfolgend wiedergegebenen Merkmale des Anspruchs 1 des Klagepatents aufweist, gelöst.

(1) Untergrundseitig anzuklebendes Winkelprofil (2,3) zum Abschließen von verlegten Keramikplatten oder dergleichen mit
(2) einem ersten mit Durchbrechungen (22, 32) versehenen Schenkel (21) zur Befestigung und
(3) einem daran etwa senkrecht angebundenen zweiten Schenkel (23),
(3a) an dem abstandshaltende Mittel (24) angeformt sind,
(3b) die zu den benachbarten Keramikplatten gerichtet die sichtbare Fugenbreite zwischen dem zweiten Schenkel (23) und den benachbarten Keramikplatten bestimmen.
(4) Am freien Ende des zweiten Schenkels (23) ist eine Verbreiterung (26) angeformt.
(5) Die Verbreiterung (26) bildet zusammen mit den ebenfalls an dem zweiten Schenkel (23) angeformten abstandshaltenden Mitteln (24) eine Kammer .
(6) Die Kammer ist zur abschließenden Keramikplattenseite hin einseitig offen,
(7) wobei die Verbreiterung (26) um die Breite (B) der zu bildenden Fuge kürzer ist als das mit Abstand dazu angeformte abstandshaltende Mittel (24).

II.

Die angegriffene Ausführungsform macht von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch. Sie weist jedenfalls keine „abstandshaltenden Mittel“ im Sinne des Klagepatents auf, so dass es an einer Verwirklichung der Merkmale 3a), 3b), 5, 6 und 7 fehlt. Die Merkmale 3a), 3b), 5 und 7 setzen „abstandshaltende Mittel“ ausdrücklich nach ihrem jeweiligen Wortlaut voraus. Hinsichtlich des Merkmals 6 ergibt sich für den Fachmann deren Notwendigkeit inzident dadurch, dass dieses – die „Kammer“ näher definierende Merkmal – auf das Merkmal 5 rückbezogen ist, nach dem nämlich unter anderem die abstandshaltenden Mittel zu der Bildung der Kammer beitragen.

Der Klägervortrag rechtfertigt nicht die tatrichterliche Feststellung, dass die angegriffene Ausführungsform über „abstandshaltende Mittel“ im Sinne des Klagepatents verfügt.

Bei der Ermittlung des Verständnisses des Klagepatents vom „abstandshaltenden Mittel“ nimmt der Fachmann zunächst zur Kenntnis, dass der Wortlaut des Anspruchs 1 zwischen dem zweiten Schenkel – also dem Abschlussschenkel –, den abstandshaltenden Mitteln und der Verbreiterung differenziert. Die „abstandshaltenden Mittel“ einerseits und die Verbreiterung andererseits sollen an dem zweiten Schenkel „angeformt sein“. Bereits die Wortwahl „angeformt“ deutet darauf hin, dass dem Klagepatent die Vorstellung zugrunde liegt, der – senkrecht zum ersten Schenkel (Befestigungsschenkel) angebundene – zweite Schenkel enthalte neben dem zweiten Schenkel als solchem weitere Elemente in der Weise, dass am Schenkel zusätzliches Material angebracht wird.

Dieses durch den Anspruchswortlaut nahegelegte Verständnis wird dadurch erhärtet, dass das Klagepatent dem zweiten Schenkel einerseits und den abstandshaltenden Mitteln andererseits auch verschiedene Funktionen zuweist. Der sich senkrecht erstreckende zweite Schenkel dient dem Abschluss zur Keramikplatte. Demgegenüber kommt den abstandshaltenden Mitteln zum einen eine Abstandshaltefunktion im Verhältnis zur benachbarten Keramikplatte und zum anderen – gemeinsam mit der Verbreiterung – die Funktion zu, eine Kammer auszubilden. Auch diese funktionale Aufgabenverteilung signalisiert dem Fachmann, dass sich die verschiedenen Funktionen in unterschiedlichen Elementen des Winkelabschlussprofils widerspiegeln.

Dass die abstandshaltenden Mittel nach der Lehre des Klagepatents nicht identisch sein können mit dem zweiten Schenkel als solchem, ergibt sich für den Fachmann auch anhand folgender Kontrollüberlegung: Da die abstandshaltenden Mittel für eine räumlich sichtbare Trennung zwischen dem zweiten Schenkel und der benachbarten Keramikplatte sorgen sollen, ist es denknotwendig ausgeschlossen, dass die abstandshaltenden Mittel selbst integraler Bestandteil des zweiten Schenkels – als demjenigen Element, zu dem Abstand in Bezug zur Keramikplatte geschaffen werden soll – sind. Vielmehr soll gerade durch die körperlich ausgestalteten abstandshaltenden Mittel eine Distanz zwischen zweitem Schenkel und benachbarter Keramikplatte geschaffen werden. Insoweit kann der zweite Schenkel nicht selbst zugleich das für die Abstandsschaffung zuständige Mittel sein.

Allein dieses Verständnis wird auch der in Abschnitt [0005] des Klagepatents genannten Teilaufgabe, wonach ein Winkelprofil geschaffen werden soll, das eine die Fugenausfüllung sichernde und damit die Plattenkante schützende und abstützende Funktion erfüllt, gerecht. Gemäß Abschnitt [0007, 2. Satz ff.] geschieht dies entsprechend der Lehre des Klagepatents dadurch, dass eine am Ende des zweiten Schenkels des Profils vorgesehene Verbreiterung jeweils zusammen mit den Abstand haltenden Mitteln zur Ausbildung der Fugen eine Kammer bildet, so dass die einfache Einhaltung des Abstandes für die auszubildende sichtbare Fuge erreicht wird und kein Klebemörtel in den Fugenmörtel einzudringen vermag. Auch dies bestätigt, dass neben dem zweiten Schenkel und der Verbreiterung ein weiteres Element vorhanden sein muss, welches durch Material gebildet wird, welches nicht zugleich auch den zweiten Schenkel ausfüllt.

Diese am Anspruchswortlaut orientierte Auslegung findet weitere Anhaltspunkte in den Ausführungsbeispielen des Klagepatents und ihren zugehörigen Zeichnungen, auf die der Gegenstand des Klagepatents zwar nicht beschränkt ist, die aber nach § 14 PatG für die Auslegung heranzuziehen sind. In den Abschnitten [0012] und [0013] des Klagepatents ist nämlich insoweit von einem „Abstandssteg“ (24) die Rede, der an die Innenseite der Keramikplatte angeformt wird und eine „Länge“ aufweist.

Vor diesem Hintergrund wird der Fachmann die – in der nachfolgend eingeblendeten Anlage rop 6 mit einem Pfeil markierte – „Fliesenanschlagsfläche“ der angegriffenen Ausführungsform nicht als abstandshaltendes Mittel im Sinne des Klagepatents einordnen.

Die Fliesenanschlagsfläche erweist sich als nichts anderes als die „normale“ Kante des Abschlussschenkels, welche mit der benachbarten Keramikplatte direkt in Anschlag gerät, so dass sie gerade nicht für einen Abstand zwischen der Keramikplatte und dem Abschlussschenkel sorgt. Gegenteiliges lässt sich auch nicht der oben wiedergegebenen Anlage rop 6 entnehmen. Der von der Klägerin angesprochene rote Pfeil zeigt auf die Kante des zweiten Schenkels. Die Fliesenanschlagsfläche ist integraler Bestandteil des zweiten Schenkels als solchem, ohne dass für diese zusätzliches – also nicht bereits den zweiten Schenkel bildendes – Material verwendet wird. Die Klägerin führt selbst aus, dass der zweite Schenkel direkt an den ersten Schenkel angebunden ist, senkrecht zu diesem verläuft und dabei in etwa halber Höhe einen kleinen Versatz aufweist, um alsdann wieder senkrecht zum ersten Schenkel zu verlaufen. Insoweit liegt kein vom zweiten Schenkel differenzierbares Element vor. Auch die vorgelegten Gebrauchsmusterschriften des Beklagten zu 2) (Anlagen rop 7 und rop 8) bestätigen diese Feststellung. Sowohl die jeweiligen Figuren als auch der jeweilige Beschreibungstext dieser beiden Gebrauchsmuster (Abschnitte [0025] und [0034] der Anlage rop 7; Abschnitte [0016] und [0019]) der rop 8) belegen, dass bei der angegriffenen Ausführungsform die Anschlagfläche identisch ist mit der ebenen Außenkante des zweiten Schenkels.

Soweit die Klägerin im Termin vom 27.03.2008 die Auffassung vertreten hat, der Anspruchswortlaut lasse es zu, den Abschlussschenkel in zwei parallel zueinander versetzte Schenkelhälften aufzuteilen, mag dies zutreffen. Jedoch müsste auch dann hinzukommen, dass an die senkrecht an den Befestigungsschenkel angebundene untere Abschlussschenkelhälfte abstandshaltende Mittel angeformt sind. Das untere Teilstück des zweiten Schenkels kann nicht selbst zugleich abstandshaltendes Mittel im Sinne des Klagepatents sein. Denn das Verständnis eines räumlich-körperlich definierten Merkmals darf nicht allein auf seine Funktion reduziert werden, da andernfalls die Gefahr bestünde, bei der Verletzungsprüfung die Grenze zwischen wortsinngemäßer Verletzung und gleichwirkender Verletzungsform zu überschreiten (Meyer-Beck, in: GRUR 2003, 905, 907). Aus den einleitend genannten Gründen verlangt der Anspruchswortlaut im Hinblick auf die den einzelnen Elementen beigemessenen Funktionen, dass die abstandshaltenden Mittel vom zweiten Schenkel als solchem verschiedenes Material aufweisen. Soweit die Klägerin insoweit geltend macht, „der Anspruchswortlaut sei angesichts der den abstandshaltenden Mitteln zugewiesenen technischen Funktion verfehlt“, ist dies nicht mit § 14 PatG in Einklang zu bringen. Dass – wie die Klägerin meint – die angegriffene Ausführungsform sich von der Figur 1 lediglich dadurch unterscheide, dass der zweite Schenkel nach rechts zur benachbarten Keramikplatte hin verschoben sei, vermag nicht darüber hinweg zu helfen, dass der Wortsinn des Anspruchs 1 – wie ausgeführt – die angegriffene Ausführungsform nicht erfasst. Letztere löst die vom Klagepatent aufgezeigten, unter I. erwähnten technischen Probleme auf andere Weise: Die gleichmäßige Fugenbildung und die Trennung von Kleber- und Fugenmörtel werden – teils zusammen mit der ebenfalls vorgesehenen Verbreiterung – dadurch erreicht, dass die untere Hälfte des Abschlussschenkels unmittelbar an die benachbarte Keramikplatte angelegt wird, während die obere, seitlich versetzte Hälfte des Abschlussschenkels von der Keramikplatte weggerichtet ist.

Wie die Klägerin selbst nicht geltend gemacht hat, verwendet die angegriffene Ausführungsform auch keine zu jenen des Klagepatents äquivalenten Mittel. Es fehlt zumindest an der erforderlichen objektiven Gleichwertigkeit. Denn die angegriffene Ausführungsform wählt geradezu eine im Vergleich zum Klagepatent entgegen gesetzte Lösung, indem der Abschlussschenkel (teilweise) an die benachbarte Keramikplatte angelegt wird anstatt zusätzliche Elemente an diesen anzuformen, welche für einen Abstand zwischen diesem und der Platte sorgen sollen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, Satz 1, 1. Hs. ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 709, 108 ZPO.