4b O 215/07 – Kindersportwagen

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 913

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 13. März 2008, Az. 4b O 215/07

Rechtsmittelinstanz: 2 U 28/08

I. Die einstweilige Verfügung vom 14. September 2007 wird teilweise aufrechterhalten, wobei der Tenor zur Hauptsache wie folgt neugefasst wird:

Der Verfügungsbeklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, untersagt,

Kindersportwagen, umfassend einen Rahmen, der auf Laufrädern ruht, welcher durch Muskelkraft bewegt werden muss, wobei die Drehachsen von zwei Laufrädern, die an jeder Seite des Rahmens angeordnet sind, zumindest im wesentlichen auf einer Linie liegen und wobei jedes der zwei Räder mit einem Bremsmechanismus ausgestattet ist, wobei diese Bremsmechanismen miteinander verbunden sind, wodurch die zwei Bremsmechanismen im wesentlichen gleichzeitig in Eingriff gelangen oder gelöst werden,

anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen,

bei denen ein Betätigungselement nahe jedem Rad für den diesem zugeordneten Bremsmechanismus geschaffen wird, wobei die Betätigungselemente miteinander und mit den Bremsmechanismen auf solch eine Weise verbunden sind, dass beide Bremsmechanismen in Eingriff gelangen, wenn ein Betätigungselement betätigt wird, und beide Bremsmechanismen aus dem Eingriff gelöst werden, wenn das andere Betätigungselement betätigt wird, und die Betätigungselemente in solch einer Weise miteinander verbunden sind, dass die Betätigungselemente sich in entgegen gesetzte Richtungen in Bezug auf den Rahmen bewegen, wenn sie betätigt werden, und die Betätigungselemente mittels eines biegsamen Verbindungselementes miteinander verbunden sind.

II. Im Übrigen wird die einstweilige Verfügung aufgehoben und der Antrag auf Ihren Erlass zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Verfügungsverfahrens haben die Verfügungsklägerin ¼ und die Verfügungsbeklagte ¾ zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Der Streitwert wird auf EUR 250.000 festgesetzt.

T a t b e s t a n d

Die Verfügungsklägerin ist eingetragene Inhaberin des Gebrauchsmusters DE 200 09 xxx U1 (nachfolgend: „Verfügungsgebrauchsmuster“, Anlage L 1). Das Gebrauchsmuster wurde am 31. Mai 2000 unter Inanspruchnahme der Priorität vom 3. Juni 1999 (NL 1 012 228) angemeldet. Die Eintragung des Verfügungsgebrauchsmusters wurde am 26. Oktober 2000 bekannt gemacht.

Die für das vorliegende Verfügungsverfahren allein interessierenden Ansprüche 1, 2 und 4 des Verfügungsgebrauchsmusters haben folgenden Wortlaut:

Anspruch 1

„Kindersportwagen, umfassend einen Rahmen, der auf Laufrädern ruht, welcher durch Muskelkraft bewegt werden muss, wobei die Drehachsen von zwei Laufrädern, die an jeder Seite des Rahmens angeordnet sind, zumindest im wesentlichen auf einer Linie liegen und wobei jedes der zwei Räder mit einem Bremsmechanismus ausgestattet ist, wobei diese Bremsmechanismen miteinander verbunden sind, wodurch die zwei Bremsmechanismen im wesentlichen gleichzeitig in Eingriff gelangen oder gelöst werden, dadurch gekennzeichnet, dass ein Betätigungselement nahe jedem Rad für den diesem zugeordneten Bremsmechanismus geschaffen wird, wobei die Betätigungselemente miteinander und mit den Bremsmechanismen auf solch eine Weise verbunden sind, dass beide Bremsmechanismen in Eingriff gelangen, wenn ein Betätigungselement betätigt wird, und beide Bremsmechanismen aus dem Eingriff gelöst werden, wenn das andere Betätigungselement betätigt wird.“

Anspruch 2

„Kindersportwagen nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Betätigungselemente in solch einer Weise miteinander verbunden sind, dass die Betätigungselemente sich in entgegen gesetzte Richtungen in Bezug auf den Rahmen bewegen, wenn sie betätigt werden.“

Anspruch 4

„Kindersportwagen nach einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Betätigungselemente mittels eines biegsamen Verbindungselements miteinander verbunden sind.“

Nachfolgend eingeblendet sind die Figuren 3 und 5 der Gebrauchsmusterschrift. Die Figur 3 zeigt ein Laufrad, welches auf einer Seite des Rahmens des Kindersportwagens angeordnet ist, in der Position, in welcher der Bremsmechanismus das Laufrad gegen Rotation sperrt. Die Figur 5 enthält eine Ansicht eines der Figur 3 entsprechenden Laufrades, das nahe einer andere Seite des Rahmens angeordnet ist.

Die Verfügungsbeklagte vertreibt unter anderem Kindersportwagen. Sie war in der Zeit vom 13. September 2007 bis zum 16. September 2007 Ausstellerin auf der Messe „Kind + Jugend 2007“ in Köln. Zu ihren Ausstellungsgegenständen gehörte auch ein Kindersportwagen entsprechend den nachfolgend eingeblendeten Lichtbildern (Seiten 1 und 4 der Anlage L 8).

Auf Antrag der Verfügungsklägerin hat die Kammer am 14. September 2007 es der Verfügungsbeklagten im Wege einer Beschlussverfügung unter Androhung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel sinngemäß untersagt, Kindersportwagen, welche die technische Lehre der kombinierten Ansprüche 1 und 2 des Verfügungsgebrauchsmusters verwirklichen, zu vertreiben, und sie hat der Verfügungsbeklagten die Verfahrenskosten auferlegt; wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 14. September 2007 (Blatt 18 ff. der Gerichtsakte) verwiesen.

Die Verfügungsbeklagte hat mit Schriftsatz vom 14. Januar 2008 Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung eingelegt.

Die Verfügungsklägerin beantragt nunmehr,

1. die einstweilige Verfügung vom 14. September 2007 aufrecht zu erhalten,
2. hilfsweise, wie erkannt.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die einstweilige Verfügung der Kammer vom 14. September 2007 aufzuheben und den Verfügungsantrag der Klägerin zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, das Verfügungsgebrauchsmuster sei sowohl in der von der Verfügungsklägerin mit dem Hauptantrag als auch in der mit dem Hilfsantrag geltend gemachten Fassung jeweils mangels Neuheit und mangels eines erfinderischen Schrittes nicht schutzfähig.

Bezüglich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 14. September 2007 war lediglich im aus dem Tenor näher ersichtlichen Umfang zu bestätigen und im Übrigen aufzuheben, da das Verfügungsgebrauchsmuster in der dem Hauptantrag zugrunde liegenden Fassung (Kombination seiner Ansprüche 1 und 2) nicht schutzfähig ist, jedoch der Hilfsantrag, mit dem die Verfügungsklägerin einen Unterlassungsanspruch wegen Verletzung der kombinierten Ansprüche 1, 2 und 4 geltend macht, Erfolg hat.

I.

Das Verfügungsgebrauchsmuster betrifft einen Kindersportwagen, der auf drei oder mehr zueinander in Abstand stehenden Rädern ruht, von denen ein Rad oder mehrere Räder selbstausrichtend sind.

In seinen einleitenden Bemerkungen bezeichnet es das Verfügungsgebrauchsmuster als sinnvoll, dass bei derartigen Kindersportwagen zumindest zwei beabstandete Räder gebremst sind. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass der Kindersportwagen sich um den Aufstandspunkt des einzig gebremsten Rads auf dem Boden drehe. Es sei wünschenswert, dass die Betätigung der Bremsmechanismen so einfach wie möglich sei, damit diese tatsächlich in Eingriff gerieten.

Als nächstliegenden Stand der Technik betrachtet das Verfügungsgebrauchsmuster die US – A – 4,567,964, bei welcher ein Bremsmechanismus ein Betätigungselement umfasst, mittels dessen die nahe der zwei Räder angeordneten Bremsmechanismen ein- oder ausgerückt werden. Dabei wird das Betätigungselement mittels eines Kabels mit einem Übertragungsmechanismus verbunden, der mit dem anderen Bremsmechanismus zusammenarbeitet.

Als nachteilig kritisiert das Verfügungsgebrauchsmuster daran, dass das vorgesehene Betätigungselement relativ kompliziert konstruiert sei. Zudem seien für das Eingreifen des Bremsmechanismus und für das Lösen desselben jeweils unterschiedliche Betätigungen erforderlich, was zur Verwirrung des Benutzers führen könne.

Demzufolge formuliert das Verfügungsgebrauchsmuster die Aufgabe, einen Kindersportwagen zu schaffen, bei dem beide Bremsmechanismen im wesentlichen gleichzeitig auf einfache Weise eingerückt und ausgerückt werden können.

Das Verfügungsgebrauchsmuster löst die gestellte Aufgabe mit einem Kindersportwagen, welcher die Merkmale seiner Ansprüche 1, 2 und 4 aufweist, wobei die Verfügungsklägerin ihren Unterlassungsanspruch auf eine Kombination aller nachfolgend wiedergegebenen Merkmale stützt:

1. Kindersportwagen, umfassend einen Rahmen, der auf Laufrädern ruht, welcher durch Muskelkraft bewegt werden muss,

2. wobei die Drehachsen von zwei Laufrädern, die an jeder Seite des Rahmens angeordnet sind, zumindest im wesentlichen auf einer Linie liegen und

3. wobei jedes der zwei Räder mit einem Bremsmechanismus ausgestattet ist,

4. wobei diese Bremsmechanismen miteinander verbunden sind, wodurch die zwei Bremsmechanismen im wesentlichen gleichzeitig in Eingriff gelangen oder gelöst werden,

dadurch gekennzeichnet, dass

5. ein Betätigungselement nahe jedem Rad für den diesem zugeordneten Bremsmechanismus geschaffen wird,

6. wobei die Betätigungselemente miteinander und mit den Bremsmechanismen auf solch eine Weise verbunden sind, dass

6.1 beide Bremsmechanismen in Eingriff gelangen, wenn ein Betätigungselement betätigt wird, und
6.2 beide Bremsmechanismen aus dem Eingriff gelöst werden, wenn das andere Betätigungselement betätigt wird, und

7. die Betätigungselemente in solch einer Weise miteinander verbunden sind, dass die Betätigungselemente sich in entgegen gesetzte Richtungen in bezug auf den Rahmen bewegen, wenn sie betätigt werden, und

8. die Betätigungselemente mittels eines biegsamen Verbindungselements miteinander verbunden sind.

II.

1)
Der Hauptantrag der Verfügungsklägerin war unter teilweiser Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom 14. September 2007 zurückzuweisen, da das Verfügungsgebrauchsmuster in seiner mit diesem geltend gemachten Fassung nicht schutzfähig ist. Denn die gesamte in den Ansprüchen 1 und 2 des Verfügungsgebrauchsmusters enthaltende technische Lehre ist durch das – unstreitig zum Stand der Technik gehörende – EP 0 621 xxx B1 (nachfolgend kurz: A1) in neuheitsschädlicher Weise vorweggenommen.

a)
Die Darlegungs- und Beweislast für die mangelnde Schutzfähigkeit eines eingetragenen Gebrauchsmusters trägt im Verletzungsprozess entsprechend den allgemeinen Regeln zutreffender Ansicht nach der Verletzer, da die Schutzfähigkeit eines eingetragenen Gebrauchsmusters – wie das Regel-Ausnahme-Verhältnis der §§ 11 – 13 GebrMG zeigt – widerleglich zu vermuten ist (Bühring, GebrMG, 7. Auflage, § 24 Rn 51; Loth, GebrMG, § 11 Rn 39 und § 24 Rn 19; Meier-Beck, in: GRUR 1988, 861 [864]; Rogge/Grabinski, in: Benkard, PatG/GebrMG, 10. Auflage, § 24 GebrMG Rn 18; anderer Ansicht Busse/Keukenschrijver6, PatG/GebrmG, 6. Auflage, § 24 GebrMG Rn 4). Dieser für den Verletzungsrechtsstreit geltende Grundsatz beansprucht entsprechende Geltung für die Glaubhaftmachungslast im einstweiligen Verfügungsverfahren (vgl. Loth, GebrMG, § 24 Rn 19; Meier-Beck, in: GRUR 1988, 861 [864]).

b)
Die Verfügungsbeklagte hat glaubhaft gemacht, dass die A1 dem Fachmann sämtliche sich aus den Ansprüchen 1 und 2 des Verfügungsgebrauchsmusters ergebenden Merkmale (1. – 7. der oben wiedergegebenen Gliederung) offenbart. Den diesbezüglichen Vortrag der Verfügungsbeklagten hat die Verfügungsklägerin allein in der Weise in Abrede gestellt, als dass die A1 die Merkmale 3, 4, 5, 6, 6.1 und 6.2 jeweils deshalb nicht vorwegnehme, weil sie – die A1 – lediglich einen einzigen Bremsmechanismus vorsehe, welcher wahlweise an einem oder zwei Rädern eines Kindersportwagens angreife. Dem vermag die Kammer nicht zu folgen.

Im Ansatz zutreffend geht die Verfügungsklägerin insoweit davon aus, dass alle genannten Merkmale einen Kindersportwagen voraussetzen, der über zwei Bremsmechanismen verfügt. Hinsichtlich dieses Ausgangspunktes herrscht auch kein Streit zwischen den Parteien. Anders als die Verfügungsklägerin geltend macht, offenbart die A1 jedoch ein Bremssystem für einen Kindersportwagen, welches sich zweier Bremsmechanismen im Sinne des Verfügungsgebrauchsmusters bedient.

aa)
Der Fachmann versteht unter dem Begriff des „Bremsmechanismus“ im Sinne des Verfügungsgebrauchsmusters eine Konstruktion einer sich aus mehreren Komponenten zusammensetzenden Funktionseinheit, deren Einzelbestandteile in ihrem Zusammenspiel dazu geeignet sind, die Rotation eines dem jeweiligen Bremsmechanismus zugeordneten Laufrades auf mechanische Weise zu verhindern. Dieses – zwischen den Parteien im Ansatz nicht streitige – Grundverständnis vom Begriff „Bremsmechanismus“ ergibt sich für den Fachmann beispielsweise anhand des unter anderem auf die Ansprüche 1 und 2 rückbezogenen Unteranspruchs 6, wonach die Bremsmechanismen „Zahnkränze“ einerseits und „Sperrmittel“ andererseits umfassen.

Was das Verfügungsgebrauchsmuster bereits für die Annahme eines „Bremsmechanismus“ genügen lässt, ergibt sich besonders deutlich anhand des ab Seite 4, dritter Absatz des Verfügungsgebrauchsmusters beschriebenen Ausführungsbeispiels. Danach fasst das Verfügungsgebrauchsmuster unter den Begriff „Bremsmechanismus“ nur diejenigen Teile, die unmittelbar dazu beitragen, dass ein Rad gebremst wird, während solche Konstruktionselemente, die lediglich die unmittelbar an der Bremsauslösung beteiligten Bauteile bewegen, dem Bremsmechanismus als solchem nicht zuzuordnen sind:

S. 7, vorletzter Absatz, Satz 1

„In der obersten Position des Schiebeelements 15 wird ein freies Ende des Stifts 28 in einem Zahnspalt des Zahnkranzes

27 angeordnet, so dass der Bremsmechanismus, der durch den Zahnkranz 27 und den Stift 28 gebildet wird, das Rad 4 gegen Drehung sperrt.“

Seite 8, 1. Absatz, Satz 2

„Dieses Laufrad 6 ist ebenfalls mit einem Bremsmechanismus ausgestattet, der einen inneren Zahnkranz 29 und einen Stift 30 umfasst, welcher am Schiebeelement 16 befestigt ist und welcher mit dem Zahnkranz 29 zusammenwirkt, wobei der Stift auch mit einem Zahnkranz von Rad 5 zusammenarbeitet.“

Die beiden Passagen belegen, dass im Ausführungsbeispiel die Bremsmechanismen der beabstandeten Räder allein aus den beiden Komponenten „Zahnkranz“ und „Stift“ bestehen, während alle anderen Konstruktionselemente – wie insbesondere die Schiebeelemente 15, 16 nebst Ohrteilen 19, 20 und die biegsamen Zugkabel 23 – keine integralen Bestandteile der jeweiligen Bremsmechanismen sind. Die in Figuren 3 und 5 gezeigten Bremsmechanismen bestehen demnach jeweils allein darin, dass ein Stift durch Eingreifen in einen Zahnkranz ein Rad am Rollen hindert. Alle weiteren Bauteile, deren Zusammenwirken dafür sorgt, dass der Stift in eben diese Position ein – oder ausgerückt werden kann, gehören nicht mehr zum „Bremsmechanismus“ im Sinne des Verfügungsgebrauchsmusters.

bb)
Vor diesem Hintergrund verfängt das Argument der Verfügungsklägerin, die A1 offenbare nicht zwei Bremsmechanismen für zwei Räder, sondern nur einen Bremsmechanismus, der wahlweise an einem oder auch an zwei Rädern angreife, nicht. Der Verfügungsklägerin ist zwar insofern zuzustimmen, dass letzteres für die im allgemeinen Teil in Spalte 1, Zeilen

21 – 56 beschriebene Ausführungsform der A 1 gilt, da diese lediglich eine Bremsstange vorsieht, die an beide Räder angreift.

Anders verhält es sich jedoch hinsichtlich des weiteren Ausführungsbeispiels, welches die A1 in Spalte 4, Zeilen 3 ff. als bevorzugte Ausführungsform beschreibt und in ihrer nachfolgend eingeblendeten Figur 1 illustriert.

Die in diesem Ausführungsbeispiel gezeigte Mechanik funktioniert im wesentlichen folgendermaßen: Die rechte, lange Bremsstange 14 und die linke, kürzere Bremsstange 14 weisen an dem innen liegenden Ende jeweils ein Schiebeorgan 20 auf. Zwecks Arretierung der Bremsen werden die Schiebeorgane 20 und – damit einhergehend – die Bremsstangen 14 durch einen von oben einsetzenden Keil 36 auseinander geschoben. Soll die eingetretene Arretierung später wieder gelöst werden, muss der Keil 36 nach oben herausgehoben werden, damit die Schiebeorgane 20 und die Bremsstangen 14 durch die Federkraft der Federelemente 28 wieder zusammengeschoben werden.

Dass demnach nur ein einziger Keil 36 zur Verfügung steht, rechtfertigt nicht den von der Verfügungsklägerin gezogenen Schluss, dass das in jenem Ausführungsbeispiel der A1 gezeigte Bremssystem lediglich über einen einzigen Bremsmechanismus verfüge. Der Keil 36 ist als solcher kein notwendiger Bestandteil für die Annahme eines Bremsmechanismus i.S.d. Verfügungsgebrauchsmusters, da er nur mittelbar zur Herbeiführung der Bremswirkung beiträgt. Unmittelbare Bestandteile des Bremsmechanismus im Sinne des Verfügungsgebrauchsmusters sind in dem Ausführungsbeispiel die Bremsstangen 14, die auseinander und gegen – in der Figur 1 nicht eingezeichnete – Räder bewegt werden (vgl. Spalte 5, Zeilen 46 – 48). Selbst wenn man der Auffassung wäre, dass die Räder selbst nicht Teil des Bremsmechanismus i.S.d. Verfügungsgebrauchsmusters sein können, offenbart jedenfalls die nachfolgend abgebildete Figur 2 der A1 dem Fachmann auch einen zweigliedrigen Bremsmechanismus, der neben einer Bremsstange aus einem weiteren vom Rad verschiedenen Element besteht.

In der Figur 2 ist gezeigt, wie die Bremsstange in ein am (nicht gezeichneten) Rad befindliches Bremselement in Form einer Saugkappe einmündet, so dass bei Entstehung einer Verbindung zwischen Saugkappe und Bremsstange eine Drehbewegung des Rades ausgeschlossen wird. Bereits das Zusammenwirken dieser beiden Komponenten ist für sich allein geeignet, das Rollen eines Rades zu unterbinden. Alle weiteren Konstruktionsteile, die für das Einmünden sorgen, tragen nur mittelbar zur Bremswirkung bei und gehören daher nicht zum „Bremsmechanismus“ i.S.d. Verfügungsgebrauchsmusters.

2)
Die Beschlussverfügung war jedoch im aus dem Urteilstenor näher ersichtlichen Umfang aufrechtzuerhalten, da der unter Einbeziehung des Unteranspruchs 4 erfolgte Hilfsantrag der Verfügungsklägerin begründet ist.

a)
Das Verfügungsgebrauchsmuster ist in der mit dem Hilfsantrag geltend gemachten Fassung schutzfähig.

aa)
Die gegenüber den Ansprüchen 1 und 2 weitergehende Voraussetzung des Unteranspruchs 4, wonach die Betätigungselemente mittels eines biegsamen Verbindungselements miteinander verbunden sind, wird in der A1 an keiner Stelle offenbart. Da die Verfügungsbeklagte dies mit Recht selbst nicht geltend macht, sind diesbezüglich weitere Ausführungen entbehrlich.

Weitere Einwendungen gegen die Neuheit gerade der durch die Kombination der Ansprüche 1, 2 und 4 zum Ausdruck kommenden technischen Lehre hat die Verfügungsbeklagte weder vorgebracht noch sind solche sonst wie ersichtlich.

bb)
Die Verfügungsbeklagte vermochte es auch nicht glaubhaft zu machen, dass die in der Kombination der Ansprüche 1, 2 und 4 enthaltene technische Lehre nicht auf einem erfinderischen Schritt beruhe. An die Annahme eines erfinderischen Schrittes i.S.d. § 1 Abs. 1 GbmG sind keine geringeren Anforderungen als bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit i.S.v. § 1 Abs. 1 PatG zu stellen; es kann – unter Berücksichtigung der sich aus § 3 GbmG ergebenden Besonderheiten – bei der wertenden Beurteilung des erfinderischen Schrittes auf die im Patentrecht entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden (BGH, GRUR 2006, 824 – Demonstrationsschrank). Das Vorbringen der Verfügungsbeklagten begründet unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die in der Kombination der Ansprüche 1, 2 und 4 enthaltene technische Lehre für den Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt gewesen sei.

aaa)
Soweit die Verfügungsbeklagte ihre gegenteilige Auffassung darauf stützt, dass der Fachmann zur entsprechenden Lehre im Wege der Kombination der A1 mit der GB – A – 2 293 420 (nachfolgend kurz: L5) gelangt wäre, hat die Verfügungsbeklagte dies bereits deshalb nicht glaubhaft zu machen vermocht, weil sie entgegen § 184 GVG keine deutsche Übersetzung der L5 eingereicht hat. Letzteres hätte der Verfügungsbeklagten oblegen, obwohl ursprünglich die Verfügungsklägerin die L5 in der Verfahrenssprache englisch eingereicht hatte. Ohne eine deutsche Übersetzung der L5 kann die Kammer sich keine hinreichende Klarheit darüber verschaffen, ob der Fachmann diese für eine Kombination mit der A1 in Betracht gezogen hätte.

bbb)
Entsprechendes gilt für eine etwaige Kombination der A1 mit der vom Verfügungsgebrauchsmuster als nächstliegender Stand der Technik angesehene US-A- 4,567,964 (Anlage L 4), die der Kammer ebenfalls nicht in deutscher Übersetzung vorliegt.

ccc)
Alle weiteren Ausführungen der Verfügungsbeklagten zur Frage des erfinderischen Schrittes beziehen sich nicht auf die Kombination der Ansprüche 1, 2 und 4 des Verfügungsgebrauchsmusters, so dass sie die Begründetheit des entsprechenden Hilfsantrages a priori nicht in Frage zu stellen vermögen.

b)
Wie zwischen den Parteien unstreitig ist, macht die angegriffene Ausführungsform von sämtlichen Merkmalen 1 – 8 der Ansprüche 1, 2 und 4 in wortsinngemäßer Weise Gebrauch, so dass es hierzu keiner näheren Ausführungen der Kammer bedarf.

III.

Die Verfügungsklägerin hat gegen die Verfügungsbeklagte im zuerkannten Umfang einen Verfügungsanspruch auf Unterlassung aus § 24 GbmG.

Die Verfügungsklägerin hat zudem die notwendige Dringlichkeit (Verfügungsgrund) glaubhaft gemacht. Angesichts dessen, dass die Verfügungsbeklagte die angegriffene Ausführungsform unstreitig auf einer nur wenige Tage andauernden bedeutenden Fachmesse ausstellte, war der Verfügungsklägerin ein Zuwarten auf ein Hauptsacheverfahren nicht zumutbar; Gesichtspunkte, die zu einem anderen Ergebnis bei der gebotenen Interessenabwägung führen könnten, hat die Verfügungsbeklagte nicht dargetan.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO, wobei es eines Ausspruches über die sofortige Vollziehbarkeit im Umfang der aufrecht erhaltenen einstweiligen Verfügung nicht bedurfte, da sich diese bereits aus der Rechtsnatur der einstweiligen Verfügung ergibt.