4b O 225/08 – Gewürzfolie

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1038

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 27. November 2008, Az. 4b O 225/08

I. Die Verfügungsbeklagten werden verurteilt, es zu unterlassen

Nahrungsmittelüberführungsfolie, umfassend ein

a) wasser- und hitzebeständiges Matrixgewebe,

b) eine Schicht aus Nahrungsmittelmaterial in Form von Pulver, Granulat und/oder Stücken zum Aufbringen auf die Oberfläche des Nahrungsmittelsubstrats und

c) zwischen dem Matrixgewebe und der Schicht aus einem Nahrungsmittelmaterial eine Leimschicht, die ein essbares, wasserlösliches Material mit hohem Molekulargewicht umfasst,

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen;

II. Den Verfügungsbeklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalle bis insgesamt zu 2 Jahren, angedroht.

III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Verfügungsbeklagten als Gesamtschuldner.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 300.000,00 EUR.

V. Der Streitwert wird auf 300.000,00 EUR festgesetzt.

T a t b e s t a n d

Die Verfügungsklägerin ist Inhaberin des europäischen Patents EP 0 408 XXX (Verfügungspatent, Anlage L 1), das unter Inanspruchnahme einer japanischen Priorität vom 11.07.1989 am 04.01.1990 angemeldet und dessen Erteilung am 22.06.1994 veröffentlicht wurde. Das Verfügungspatent steht unter dem Aktenzeichen DE 690 10 XXX (Anlage L 2) im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Das Verfügungspatent betrifft eine Nahrungsmittelüberführungsfolie.

Anspruch 1 des Verfügungspatents lautet:

„1. Nahrungsmittelüberführungsfolie, umfassend ein wasser- und hitzebeständiges Matrixgewebe (1);
eine Schicht aus Nahrungsmittelmaterial (3) in Form von Pulver, Granulat und/oder Stücken zum Aufbringen auf die Oberfläche des Nahrungsmittelsubstrats; und
zwischen dem Matrixgewebe (1) und der Schicht aus einem Nahrungsmittelmaterial eine Leimschicht (2), die ein essbares, wasserlösliches Material mit hohem Molekulargewicht umfasst.“

Nachstehend wiedergegebene Figuren erläutern die Erfindung anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels und sind der Verfügungspatentschrift entnommen. Figur 1 zeigt die Querschnittsansicht eines vorzugswürdigen Ausführungsbeispiels, Figur 2 die perspektivische Ansicht eines bevorzugten Ausführungsbeispiels, das für die Herstellung von gekochtem Schinken in eine zylindrische Form gerollt ist:

Die Verfügungsbeklagte zu 1) bietet Gewürzfolien unter der Bezeichnung „A“ (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform) in der Bundesrepublik Deutschland an, wovon die Verfügungsklägerin frühestens seit dem 19.08.2008 Kenntnis hat. Die Verfügungsbeklagte zu 2) bot die angegriffene Ausführungsform in der vom 28. September bis zum 1. Oktober 2008 in Düsseldorf stattfindenden Messe „Inter-Meat“ an.

Die angegriffene Ausführungsform basiert auf der technischen Lehre des DE 10 2005 010 XXX (Anlage L 11), dessen Inhaberin die Verfügungsbeklagte zu 2) ist, und welches am 09.03.2005 angemeldet und am 15.05.2008 veröffentlicht wurde. Bei der Herstellung der angegriffenen Ausführungsform werden die Gewürzpartikel mit einem Bestäubungsmittel, nämlich Maltodextrin, ummantelt. Sodann wird eine Trägerfolie mit reinem Wasser („Primer“) befeuchtet und auf dieselbe Seite der Folie das Gewürz oder die Gewürzmischung aufgebracht. Die Feuchtigkeit auf der Folie bewirkt, dass die Gewürze bindungsfähig werden.

Mit patentanwaltlichem Schreiben vom 03.09.2008 (Anlage L 5) mahnte die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte zu 1) unter Fristsetzung bis zum 18.09.2008 erfolglos ab. Die Verfügungsbeklagten erstellten unter dem 18.09.2008 eine Schutzschrift, welche (vgl. Bl. 13 GA) am selben Tage beim angerufenen Gericht einging.

Die Verfügungsklägerin meint, die Verfügungsbeklagten verletzten das Verfügungspatent wortsinngemäß, jedenfalls aber in äquivalenter Weise. Die angegriffene Ausführungsform verfüge über eine Trägerfolie, eine Schicht aus Gewürz oder Gewürzmischung und eine dazwischenliegende Leimschicht. Unschädlich sei, dass bei der angegriffenen Ausführungsform die Leimschicht nicht flächendeckend, sondern allein dort ausgebildet sei, wo sie benötigt wird, nämlich zwischen der Trägerfolie und dem Nahrungsmittelmaterial (Gewürz oder Gewürzmischung). Das in der angegriffenen Ausführungsform enthaltene Maltodextrin habe klebende Eigenschaften und bilde daher zusammen mit dem auf die Folie aufgebrachten Wasser eine Leimschicht nach der Lehre des Verfügungspatents, nämlich eine Leimschicht aus einem essbaren und wasserlöslichem Material mit hohem Molekulargewicht. Die Verfügungsklägerin macht geltend, sie werde in ihrer aktuellen geschäftlichen Entwicklung durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform erheblich behindert.

Die Verfügungsklägerin beantragt im Wege der einsteiligen Verfügung,

die Beklagten im zuerkannten Umfang zu verurteilen.

Die Verfügungsbeklagten beantragen,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abzuweisen.

Die Verfügungsbeklagten bestreiten eine Patentverletzung. Der technische Fortschritt der angegriffenen Ausführungsform gegenüber der Lehre des Verfügungspatents bestehe darin, dass, wie in der DE ’XXX gelehrt, die Gewürzbestandeile durch eine Ummantelung (Coating) selbsthaftend gemacht würden. Die Ummantelung verkapsele die Gewürze und diene so der Geschmacks- und Farbstabilität; zudem führe sie zu einer Bindung der Gewürzpartikel untereinander. Daher falle die angegriffene Ausführungsform nicht in den Schutzbereich des Verfügungspatents: Zum einen weise die angegriffene Ausführungsform keine Nahrungsmittelschicht nach der Lehre des Verfügungspatents auf. Das Verfügungspatent lehre, dass die Nahrungsmittelschicht aus reinem Nahrungsmittelmaterial bestehe und getrennt von der Leimschicht existiere, und dass die Nahrungsmittel auf das Nahrungsmittelsubstrat übertragen würden. Bei der angegriffenen Ausführungsform hingegen enthalte die Schicht aus Gewürz bzw. Gewürzmischung einen weiteren Bestandteil, nämlich die Ummantelung der Gewürze. Aufgrund der Ummantelung kämen die Gewürzpartikel auch nicht mit dem Nahrungsmittelsubstrat in Kontakt, die Bindung bestehe vielmehr zwischen dem Substrat und der Ummantelung.

Zum anderen weise die angegriffene Ausführungsform keine Leimschicht auf. Es fehle, was das Verfügungspatent gerade lehre, eine gleichmäßig auf das Matrixgewebe verteilte Schicht, die getrennt von der Nahrungsmittelschicht vorliegen müsse. Die Bindung der Gewürzpartikel an die Folie geschehe bei der angegriffenen Ausführungsform über die Ummantelung, nicht über eine Leimschicht. Wollte man die Ummantelung als Leimschicht ansehen, wäre entgegen der Lehre des Verfügungspatents eine weitere Leimschicht vorhanden, nämlich zwischen dem Nahrungsmittel (Gewürz bzw. Gewürzmischung) und dem Nahrungsmittelsubstrat.

Schließlich wenden die Beklagten ein, das Verfügungspatent sei nicht rechtsbeständig. Die technische Lehre des Verfügungspatents ergebe sich in naheliegender Weise aus den prioritätsälteren Schriften DE-OS 29 18 XXX A1 (Anlage AG 10) und DE-OS 2 322 XXX (Anlage AG 11); letztere Druckschrift nehme die Erfindung des Verfügungspatents sogar neuheitsschädlich vorweg.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist begründet. Aufgrund der Nachteile, welche der Verfügungsklägerin durch das Anbieten und Inverkehrbringen der angegriffenen Ausführungsform drohen, sowie im Hinblick auf das zeitnahe Handeln der Verfügungsklägerin, ist ein Verfügungsgrund anzunehmen; die Verfügungsbeklagten haben demgegenüber keine Umstände dargelegt, die durchgreifende Zweifel an der Rechtsbeständigkeit des Verfügungspatents begründen. Der Verfügungsanspruch ergibt sich daraus, dass der Klägerin gegen die Beklagten die Ansprüche auf Unterlassung aus Art. 64 EPÜ, §§ 9, 139 PatG zustehen.

I.

Das Klagepatent betrifft eine Nahrungsmittelüberführungsfolie. Solche Nahrungsmittelübertragungsfolien finden Verwendung bei der Herstellung von mit Gewürzen bedeckten oder überzogenen Nahrungsmitteln.

Aus dem Stand der Technik war zum Prioritätszeitpunkt des Verfügungspatents eine Gefriermethode bekannt, mit der Nahrungsmittel mit einer Gewürzschicht versehen wurden. An dieser Methode erwies es sich als nachteilig, dass sie eine Vielzahl von Verfahrensschritten erforderte. Daneben würdigt das Verfügungspatent ein alternatives Verfahren, bei dem gewürztes Rohfleischmaterial in eine Faserumhüllung gefüllt und sodann gekocht, danach die Umhüllung abgezogen, Gelatineleim oder -klebstoff aufgebracht und schließlich das Fleischmaterial mit einem Gewürzpulver bestäubt wird. Auch dieses Verfahren wird als nachteilig wegen zu großer Kompliziertheit kritisiert. Ferner ist ein Herstellungsvorgang bekannt, bei dem ein vorgeformtes Käsestück oder dergleichen mit einer Folie aus gemahlener Frischfleischpaste überzogen wird. Dieser Vorgang, der im Bereich der Herstellung von Nahrungsmitteln für Feinschmecker Anwendung findet, ist zeit- und arbeitsintensiv und gewährleistet keine gute Haftung zwischen Nahrungsmittelsubstrat und dem bedeckenden Nahrungsmittelmaterial. Schließlich wird als vorbekannt die Druckschrift EP 269 460 gewürdigt, die einen Körper aus essbarem Material offenbart, der mit einem anheftenden und/oder würzenden Material als innere Schicht und einer Collagenfolie als äußere Schicht umhüllt ist.

Ausgehend von diesem Stand der Technik stellt sich das Klagepatent die Aufgabe (Anlage L 2, Seite 2, Zeile 9 bis 15), eine Nahrungsmittelüberführungsfolie bereitzustellen, welche die aus dem vorbekannten Stand der Technik folgenden Probleme löst, und mit der der Vorgang des Würzens oder Abschmeckens bei der Herstellung von Schinken, Würsten, Nahrungsmitteln für Feinschmecker usw. deutlich verkürzt werden kann.

Zur Lösung dieser Aufgabe lehrt das Verfügungspatent eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen:

Nahrungsmittelüberführungsfolie, umfassend
A. ein wasser- und hitzebeständiges Matrixgewebe (1)
B. eine Schicht aus Nahrungsmittelmaterial (3) in Form von Pulver, Granulat und/oder Stücken zum Aufbringen auf die Oberfläche des Nahrungsmittelsubstrats und
C. zwischen dem Matrixgewebe (1) und der Schicht aus einem Nahrungsmittelmaterial eine Leimschicht (2), die ein essbares, wasserlösliches Material mit hohem Molekulargewicht aufweist.

II.

Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht sämtliche Merkmale des Verfügungspatents wortsinngemäß. Zwischen den Parteien ist zu Recht unstreitig, dass die angegriffene Ausführungsform über ein wasser- und hitzebeständiges Matrixgewebe verfügt und damit Merkmal A. verwirklicht. Auch die Verwirklichung der Merkmale B. und C. ist festzustellen.

1.

Merkmal C., gemäß dem das Verfügungspatent seinem Wortlaut nach zwischen dem Matrixgewebe und der Schicht aus einem Nahrungsmittelmaterial eine Leimschicht lehrt, die ein essbares, wasserlösliches Material mit hohem Molekulargewicht umfasst, wird durch die angegriffene Ausführungsform verwirklicht. Die Ausbildung einer vollflächig deckenden Leimschicht ist nach der Lehre des Verfügungspatents nicht erforderlich.

a)

Dem Anspruch entnimmt der Fachmann, ein Ingenieur der Lebensmitteltechnik oder ein Metzgereitechniker, die räumliche Anordnung der Leimschicht. Diese befindet sich patentgemäß zwischen der Nahrungsmittelschicht einerseits und der Trägerschicht andererseits. Darüber hinausgehende Anforderungen an die (räumliche) Ausgestaltung der Leimschicht, insbesondere eine Anweisung zu deren vollflächiger Ausbildung, hält der Anspruch nicht bereit.

Dass die Leimschicht vollflächig ausgebildet sein müsste, ist für den Fachmann nicht dem im Anspruch gebrauchten Begriff „Schicht“ zu entnehmen. Unter einer Schicht versteht der Fachmann auch eine Lage von Material, welche die darunter liegende Lage nur teilweise abdeckt. Auch auf Grundlage seines allgemeinen Fachwissens, auf das der Fachmann für das Verständnis von der technischen Lehre des Verfügungspatents ebenso wie auf die im Patent verwendeten Begriffe zurückgreifen wird (BGH GRUR 2003, 550 – Richterausschluss), kann der Fachmann nicht die Erkenntnis gewinnen, dass die Leimschicht zwingend vollflächig ausgeführt sein muss. Die von den Verfügungsbeklagten herangezogenen Artikel aus technischen Lexika (Anlagen AG 5 und AG 6) lassen dies nicht erkennen, da die Stichworte „Schicht“ und „Beschichten“ in zirkulärer Weise aufeinander verweisen: Hiernach ist eine Schicht eine Komponente, die durch Beschichten auf einen Träger aufgebracht wurde. Beschichten wiederum wird definiert als das Aufbringen fest haftender Schichten aus formlosen oder vorgeformten Werkstoffen auf einen Träger. Darunter sind sowohl vollflächige Schichten begrifflich zu fassen als auch solche, die den Träger an manchen Stellen überdecken, an anderen dagegen nicht.

Aus diesem Grunde ist es auch unerheblich, dass das Verfügungspatent zwei Schichten lehrt, nämlich die Leimschicht und die Nahrungsmittelschicht. Auch bei der Ausbildung zweier übereinander liegender Schichten muss keine dieser Schichten vollflächig ausgebildet sein.

Hinzu kommt ein weiterer Aspekt der Auslegung des Begriffs Schicht nach der konkreten Lehre des Verfügungspatents: Zum Verständnis des Begriffs „Schicht“ wird der Fachmann berücksichtigen, in welcher Weise dieser Begriff im übrigen im Verfügungspatent verwendet wird. Das Patent bildet durch seine Beschreibung für die Auslegung der Ansprüche sein eigenes Lexikon und ist als solches heranzuziehen (BGH GRUR 1999, 909, 912 – Spannschraube; BGH Mitt. 2000, 105, 106 – Extrusionskopf; BGHZ 150, 149, 156 – Schneidmesser I). Der Begriff der Schicht wird auch für die Nahrungsmittelschicht gemäß Merkmal B. verwendet. Diese Nahrungsmittelschicht kann – wie schon aus dem Patentwortlaut hervorgeht – aus Pulver, Granulat oder Stücken des Nahrungsmittels bestehen. Als Nahrungsmittel kommen gemäß der allgemeinen Patentbeschreibung (Anlage L 2, Seite 4, Zeilen 11 bis 29) nicht nur Kräuter und Gewürze, sondern auch zerkleinerte Meeresfrüchte, Fische oder Molkereiprodukte wie etwa Parmesankäse in Betracht. Liegen derlei Nahrungsmittel in Pulverform vor, können sie recht dicht gepackt anliegen und eine wenigstens nahezu vollflächige und lückenlose Schicht ausbilden. Nahrungsmittel als Granulat und erst recht als Stücke hingegen bilden, wie der Fachmann weiß, aufgrund ihrer unregelmäßigen Form Zwischenräume aus und können daher nur in lockerer Packung anliegen. Sie bilden dann eine Schicht aus, die sich nicht lückenlos über die gesamte Trägerschicht erstreckt, sondern die zwischen den einzelnen Partikeln Lücken lässt. Dem entnimmt der Fachmann, dass nach der Terminologie des Verfügungspatents eine Schicht auch dann vorliegt, wenn sie nicht vollflächig ausgebildet ist, sondern zwischen einzelnen Bestandteilen Zwischenräume offen lässt.

Die Patentbeschreibung, die der Fachmann bei Auslegung des Anspruchs heranzieht, enthält eine erläuternde Beschreibung der einzelnen Schichten nach der allgemeinen Lehre des Patents (Anlage L 2, ab Seite 3, Zeile 6). Die Leimschicht gemäß Merkmal C. ist in dieser allgemeinen Beschreibung (Anlage L 2, Seite 4, ab Zeile 31) ihrer Zusammensetzung und Beschaffenheit nach erläutert, also im Hinblick darauf, welche Substanzen für eine patentgemäße Leimschicht in Betracht kommen, und welche konkreten Eigenschaften diese Substanzen aufweisen müssen. Es wird allerdings keine Aussage dazu getroffen, ob bzw. dass die Schicht vollflächig auszuführen ist.

Auch die Beschreibung der Herstellung patentgemäßer Nahrungsmittelüberführungsfolien durch Aufbringen einer Pullulan-Lösung auf die Oberfläche einer Trägerfolie (Anlage L 2, Seite 7, ab Zeile 16) steht der hier vertretenen Auslegung des Verfügungspatents nicht entgegen. Durch die Darstellung dieser Beispiele wird ein Herstellungsverfahren beschrieben, während Anspruch 1 des Verfügungspatents ein Vorrichtungsanspruch ist; es handelt sich daher allein um erläuternde Ausführungen zur Herstellung der patentgemäßen Vorrichtung, nicht um die Erläuterung vorzugswürdiger Ausführungsbeispiele. Schon aus diesem Grunde sind diese Beispiele nicht geeignet, den Schutzbereich des Anspruchs zu beschränken. Aber selbst wenn man annehmen wollte, die Patentbeschreibung enthalte insofern die Erläuterung vorzugswürdiger Ausführungsbeispiele, wären diese Erläuterungen nicht geeignet, den Schutzbereich des Verfügungspatents einzuschränken (BGH GRUR 1985, 967, 968 – Zuckerzentrifuge).

Schließlich ist im Wege der gebotenen funktionsorientierten Auslegung zu berücksichtigen, welche Vorteile durch die technische Lehre des fraglichen Merkmals erzielt und welche Nachteile gegenüber dem vorbekannten Stand der Technik überwunden werden (vgl. OLG Düsseldorf GRUR 2000, 599, 601ff. – Staubsaugerfilter; Kühnen/Geschke, Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 3. Aufl., Rn. 23). Die Leimschicht gemäß Merkmal C. dient für den Fachmann erkennbar dazu, das Nahrungsmittelmaterial (also Gewürze u. dgl.) zunächst auf dem Matrixgewebe, mithin auf der Trägerfolie, zu halten und zu binden, damit das Nahrungsmittelsubstrat in die Trägerfolie eingewickelt werden kann, ohne dass die Nahrungsmittelpartikel ihre Position auf der Trägerfolie verändern. Sodann muss die Leimschicht von einer Beschaffenheit sein, nach der es gewährleistet ist, dass im weiteren Herstellungsprozess die Bindung zwischen Matrixgewebe und Nahrungsmittelmaterial so weit geschwächt wird, dass die Nahrungsmittelschicht auf die Oberfläche des Nahrungsmittelsubstrats übertragen wird.

Es ist für den Fachmann ebenfalls ersichtlich, dass das Nahrungsmittel möglichst vollflächig auf das Nahrungsmittelsubstrat übertragen wird. Die das Nahrungsmittelsubstrat umhüllende Schicht, beispielsweise also die Gewürzhülle, soll nach Beendigung der Herstellung keineswegs nur an einigen Stellen vorhanden sein, sondern das Nahrungsmittelsubstrat soll vollständig umhüllt sein. Auch die Leimschicht muss demnach in einer Weise auf der Trägerfolie vorhanden sein, dass sich die Nahrungsmittelpartikel vollflächig über die gesamte Folie verteilen und in der Herstellung eine vollflächige Übertragung gewährleistet wird. Zwar wird mittels einer sich im wesentlichen flächig über die gesamte Oberfläche der Trägerfolie erstreckenden Leimschicht diese Funktion jedenfalls sicher gewährleistet. Dies erfährt der Fachmann auch aus den Erläuterungen die Herstellung der erfindungsgemäßen Folie betreffend (Anlage L 2, Seite 7, ab Zeile 15): Nach diesen Beispielen wird auf eine Trägerfolie vollflächig die Leimschicht als Lösung aus Pullulan aufgetragen. Indes kann die gewünschte Funktion auch ohne die Ausbildung einer vollflächigen Leimschicht gewährleistet sein. Voraussetzung ist dann, dass die Leimschicht wenigstens an allen Stellen der Trägerfolie ausgebildet ist, an denen ein Nahrungsmittelpartikel der Nahrungsmittelschicht anliegt. Fehlt die Leimschicht in den Zwischenräumen, also dort, wo die Trägerfolie nicht mit einem Nahrungsmittelpartikel in Berührung kommt, hindert dies die Erfüllung der beschriebenen Funktion nicht, da jedes einzelne Nahrungsmittelpartikel für sich gleichwohl über die Leimschicht mit der Trägerfolie verbunden ist.

Auch zur Überwindung des am Stand der Technik kritisierten Nachteils ist die Ausbildung einer vollflächigen Leimschicht nicht erforderlich. Die gewürdigten Verfahren, werden nicht etwa dafür kritisiert, dass es an einer Anhaftung über eine (vollflächige) Leimschicht fehlt. Kritisiert wird vielmehr, dass die bekannten Methoden eine Vielzahl von Schritten bei der Herstellung eines gewürzten bzw. abgeschmeckten Nahrungsmittelsubstrats erfordern und das Herstellungsverfahren damit zu kompliziert ist, um es mechanisch auszuführen. Als Lösung schlägt das Verfügungspatent die Verwendung einer ihrerseits mechanisiert herstellbaren und leicht aufzubringenden Nahrungsmittelüberführungsfolie vor. Dies setzt allerdings voraus, dass die Gewürzpartikel zunächst auf der Folie eine feste Position haben, ehe sie im weiteren Verlauf der Herstellung auf das Nahrungsmittelsubstrat übertragen werden. Demnach ist es zur Überwindung der aus dem Stand der Technik bekannten Nachteile wiederum nur notwendig, dass die Nahrungsmittelpartikel über eine Leimschicht an den Stellen der Trägerfolie anhaften, an denen sie auch tatsächlich anliegen, in den Zwischenräumen muss die Leimschicht nicht ausgebildet sein.

Den Verfügungsbeklagten ist nicht darin zu folgen, dass es – wie in mündlicher Verhandlung geltend gemacht – die maßgebliche Funktion der patentgemäßen Erfindung sei, eine Nahrungsmittelüberführungsfolie möglichst schnell und einfach herzustellen, und dass deshalb nur eine einfache Methode der Ausbildung der Leimschicht patentgemäß sei, nämlich das Verteilen einer vollflächigen Leimschicht auf der Trägerfolie. Die in der Patentbeschreibung formulierte Aufgabenstellung (Anlage L 2, Seite 2, Zeilen 10 bis 16) benennt es als Aufgabe der patentgemäßen Erfindung, eine möglichst einfache Herstellung von gewürzten bzw. abgeschmeckten Nahrungsmitteln zu ermöglichen. Es soll demnach aufgabengemäß nicht die Herstellung von Nahrungsmittelüberführungsfolien erleichtert werden, sondern die Herstellung der Nahrungsmittel selber, wofür der Einsatz von Nahrungsmittelüberführungsfolien vorgeschlagen wird.

Das dargelegte fachmännische Verständnis von einer Schicht nach der technischen Lehre des Verfügungspatents wird im Übrigen nicht dadurch widerlegt, dass die Verfügungsklägerin im Erteilungsverfahren selber ein womöglich abweichendes Verständnis vertreten hat. Das Europäische Patentamt hatte mit Bescheid vom 08.12.1992 (Anlage AG 7) zunächst die Auffassung geäußert, die Anmeldung des Verfügungspatents weise nicht die erforderliche erfinderische Tätigkeit auf. Dem trat die Verfügungsklägerin mit Schriftsatz vom 14.04.1993 (Anlage AG 8) entgegen, in dem sie darlegte, inwiefern die technische Lehre des Verfügungspatents auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Hiernach bestand die erfinderische Tätigkeit im Prioritätszeitpunkt gerade darin, dass dem Fachmann aus den vorbekannten Methoden bekannt war, das aufzutragende Nahrungsmittel mit einer klebrigen Paste zu vermischen und sodann auf die Trägerschicht aufzutragen, dass es aber nicht nahegelegt war, eine diskrete Schicht des Klebers auf die Trägerschicht aufzutragen. Die Verfügungsklägerin schildert die Erfindung ihrerseits insoweit zu deutsch wie folgt wörtlich:

„[…] selbst wenn sich der Fachmann mit dem Problem beschäftigen sollte, eine Nahrungsmittelschicht auf die Matrix zu heften, gibt es keinen Grund für die Schlussfolgerung, dass er dieses Problem auf die Art lösen würde, wie dies die gegenständliche Erfindung lehrt. Vielmehr ist es mehr als wahrscheinlich, dass er das Problem durch Vermischen des Nahrungsmittels mit einer klebrigen Paste und anschließendes Verteilen auf der Matrix lösen würde. Es ist keineswegs nahe gelegt, dass der Fachmann daran denken würde, auf der Matrix eine diskrete Leimschicht aufzubringen.“

Diese Äußerung der Verfügungsklägerin bildet als Bestandteil der Erteilungsakten des Verfügungspatents weder nach § 14 PatG noch nach Art. 69 EPÜ ein zu berücksichtigendes Auslegungsmaterial (BGH GRUR 2002, 511 – Kunststoffrohrteil; Kühnen/Geschke, a.a.O., Rdn. 30). Ihr kann lediglich indizielle Bedeutung dafür zukommen, wie das Merkmal aus fachmännischer Sicht zu verstehen ist (BGH NJW 1997, 3377, 3380 – Weichvorrichtung II; Kühnen/Geschke, a.a.O.). Im konkreten Fall fehlt selbst diese indizielle Bedeutung: Die Klägerin hat nicht geäußert, der Lehre des Verfügungspatents sei eine vollflächige Schicht zu entnehmen, sondern nur, dass eine diskrete, also hinreichend abgrenzbare Schicht gelehrt werde. Eine in diesem Sinne diskrete Schicht muss nicht vollflächig ausgestaltet sein, sofern nämlich bei horizontaler Betrachtung des Schichtaufbaus die an manchen Stellen fehlende Abdeckung durch die Schicht an anderen Stellen klar abgegrenzt ist.

b)

Demnach lässt sich feststellen, dass die angegriffene Ausführungsform Merkmal C. verwirklicht. Sie wird unstreitig nach der Lehre der DE ’XXX (Anlage L 11) hergestellt, indem nämlich auf das rieselfähig zerkleinerte Gewürz bzw. die Gewürzmischung ein Bestäubungsmittel aufgebracht wird, welches unter anderem Maltodextrin enthält, ein Polysaccharid mit klebender Eigenschaft. Mit diesem leim- bzw. kleberartigen Bestäubungsmittel werden die einzelnen Gewürzpartikel jeweils umgeben. Das auf die Trägerfolie aufgebrachte Wasser bewirkt (als Primer), dass die klebende bzw. leimende Eigenschaft des Maltodextrin enthaltenden Bestäubungsmittels aktiviert wird und die Gewürzpartikel an der Trägerfolie haften.

Daraus folgt aber auch, dass die Gewürzpartikel, die jeweils vollständig mit einer Ummantelung aus dem Maltodextrin enthaltenden Bestäubungsmittel umhüllt sind, genau an der Stelle an der Trägerfolie anhaften, an der sie an dieser anliegen. Die jeweils haftenden Stellen bilden damit eine Leimschicht aus, die sich zwischen den Partikeln der Nahrungsmittelschicht und der als Trägerfolie dienenden Matrix befindet. Dies ergibt sich, schematisch betrachtet, auch aus folgendem Aufbau der angegriffenen Ausführungsform, den die Verfügungsbeklagte selber dargelegt hat:

Die einzelnen Gewürzpartikel (schematisch als schwarze Kreise dargestellt), sind jeweils mit einer Ummantelung aus dem Maltodextrin enthaltenen Bestäubungsmittel umhüllt (schematisch dargestellt als weißer Ring um die schwarzen Kreise herum). Die Gewürzpartikel haften somit über die Ummantelung an der Trägerfolie. An den in der schematischen Darstellung unteren Seiten der Partikel bildet sich an jedem Gewürzpartikel aus Maltodextrin zusammen mit Wasser eine klebrige Substanz, die eine Leimschicht ausbildet. Die anderen Abschnitte der Ummantelung, die nicht mit dem als Primer fungierenden Wasser in Berührung kommen, bilden keine Klebrigkeit aus. Gewürzpartikel, die nicht unmittelbar an der Trägerfolie anliegen, werden über die anderen anhaftenden Gewürzpartikel gehalten. Die Leimschicht der angegriffenen Ausführungsform wird also nur zwischen der Trägerfolie und der Nahrungsmittelschicht ausgebildet, nicht innerhalb der Nahrungsmittelschicht zwischen den Nahrungsmittelpartikeln. Gleichwohl gewährleistet diese Leimschicht eine vollständige Bedeckung der Trägerfolie mit Gewürzpartikeln. Die vollflächige Umhüllung der Gewürzpartikel in der angegriffenen Ausführungsform sorgt zunächst für ein Anhaften der Gewürzpartikel an der Trägerfolie und nach Abschluss der Herstellung des Lebensmittels für einen Übergang der Gewürzpartikel auf das Nahrungsmittelsubstrat. Es ist in Gestalt des Maltodextrins ausreichend klebende Substanz vorhanden, um diese Funktion zu erfüllen. Dass die angegriffene Ausführungsform nicht hierfür verwendbar sei, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

2.

Auch Merkmal B., das seinem Wortlaut nach eine Schicht aus Nahrungsmittelmaterial in Form von Pulver, Granulat und/oder Stücken zum Aufbringen auf die Oberfläche des Nahrungsmittelsubstrats lehrt, wird durch die angegriffene Ausführungsform verwirklicht.

a)

Der Durchschnittsfachmann entnimmt dem Anspruchswortlaut insoweit, dass die in Merkmal B. beschriebene Schicht diejenigen Nahrungsmittelmaterialien enthält, die nach der Lehre des Verfügungspatents in unterschiedlicher Form auf die Oberfläche des Nahrungsmittelsubstrats aufgebracht werden. Dies versteht der Fachmann in der Weise, dass in der fraglichen Schicht diejenigen Nahrungsmitteln enthalten sind, die es gemäß der Aufgabenstellung des Verfügungspatents (Anlage L 2, Seite 2, Zeilen 10 bis 16) auf die zu würzenden und abzuschmeckenden Nahrungsmittel (das Nahrungsmittelsubstrat) aufzubringen gilt.

Dafür, dass darüber hinaus nicht auch weitere Bestandteile in der Nahrungsmittelschicht enthalten sein können, enthält die Patentbeschreibung keine Hinweise. Gemäß der allgemeinen Patentbeschreibung enthält die Nahrungsmittelschicht (Anlage L 2, Seite 4, Zeilen 13 bis 29) die gewünschte Art von Nahrungsmittelprodukten in der gewünschten Form. Beispielhaft aufgezählt werden insoweit Schichten aus pulverisierten Kräutern oder Gewürzen (Salbei, Thymian, Muskatblüte, Muskatnuss, Ingwer, Pfeffer, Chinesischer Pfeffer, Siso, Meerrettich), Stücke oder Pulver aus Meeresfürchten (Seetang, gemahlenes Fischfleisch, Fischeier, Tarako) und Pulver aus Molkereiprodukten (Parmesankäse, Joghurt). Die Aufnahme anderer Substanzen wird nicht ausgeschlossen. Auch ein Hinweis darauf, dass die Aufzählung der möglicherweise in der Nahrungsmittelschicht vorhandenen Bestandteile abschließend wäre, fehlt.

Im Gegenteil wird der Fachmann durch die auch insoweit wiederum gebotene funktionsorientierte Auslegung des Patentanspruchs angeleitet, dass die Nahrungsmittelschicht auch dann patentgemäß ausgeführt ist, wenn sie über die auf das Nahrungsmittelsubstrat zu überführenden Nahrungsmittel hinaus Inhaltsstoffe aufweist, die dem Genuss des nach der Herstellung gewürzten bzw. abgeschmeckten Nahrungsmittelsubstrats nicht entgegenstehen, und die überdies nicht verhindern, dass die zunächst an der Trägerfolie anhaftenden Nahrungsmittelpartikel nach dem Herstellungsvorgang des Lebensmittels auf das Nahrungsmittelsubstrat überführt sind. Auch insoweit erfährt der Fachmann aus der Patentbeschreibung, dass die Schwierigkeit, eine Umhüllung des Nahrungsmittelsubstrats mit einem würzenden Nahrungsmittel auf einfache Weise zu erreichen, durch eine Nahrungsmittelüberführungsfolie überwunden wird, an der zu Beginn des Herstellungsprozesses die Nahrungsmittelpartikel anhaften, diese sodann aber auf das Nahrungsmittelsubstrat überführt werden und dieses nach Beendigung des Herstellungsvorgangs genießbar ist.

b)

Hiernach lässt sich die Verwirklichung von Merkmal B. durch die angegriffene Ausführungsform feststellen. Wie aus der oben wiedergegebenen schematischen Darstellung ersichtlich, enthält die angegriffene Ausführungsform in ihrer Nahrungsmittelschicht zwar auch die Bestandteile des ummantelnden Bestäubungsmittels, nämlich Maltodextrin. Dieser Bestandteil ist aber unstreitig genießbar, nämlich ein essbares und wasserlösliches Material gemäß Merkmal C. Dieser Bestandteil steht damit dem Genuss des Nahrungsmittelsubstrats, auf das diese Nahrungsmittelschicht überführt wird, nicht entgegen.

III.

Ein Verfügungsgrund besteht. Durchgreifende Zweifel an der Rechtsbeständigkeit des Verfügungspatents, welche der Annahme eines Verfügungsgrundes entgegenstehen könnten, hat die Verfügungsbeklagte nicht glaubhaft gemacht.

Mit Rücksicht auf das geltende Trennungsprinzip, das auf dem Gebot der Gewaltenteilung, nämlich der Bindung der Judikative im Verletzungsverfahren an die Entscheidung der Exekutive im Erteilungsverfahren beruht, muss das Verletzungsgericht die Tatsache der Patenterteilung ohne eigene Prüfungskompetenz im Klageverfahren ebenso wie im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich hinnehmen (OLG Düsseldorf GRUR 1983, 79, 80 – Einstweilige Verfügung in Patentsachen; OLG Frankfurt a.M. GRUR-RR 2003, 263, 264 – mini flexiprobe). Der aus dem Patent in Anspruch Genommene kann im Klageverfahren eine Verurteilung vorübergehend dadurch vermeiden, dass er die mangelnde Schutzfähigkeit des Patents geltend macht und darlegt, dass im Rahmen einer Prognoseentscheidung ein gegen das Patent eingelegtes Rechtsmittel hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und das Schutzrecht durch die zuständige Behörde oder das zuständige Gericht widerrufen wird. Dies führt im Klageverfahren zu einer Aussetzung des Rechtsstreits bis zur Entscheidung über den Bestand des Patents gemäß § 148 ZPO, was im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wegen des Eilcharakters nicht in Betracht kommt. Durchgreifende Zweifel am Bestand des Patents führen dann im Rahmen der summarischen Entscheidung dazu, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen ist (OLG Düsseldorf Mitt. 1996, 87, 88 – Captopril).

Die Frage nach dem Rechtsbestand stellt sich dem Verletzungsgericht aber grundsätzlich nur dann, wenn das Patent in seinem Bestand tatsächlich angegriffen ist (OLG Düsseldorf GRUR-RR 2007, 219, 220 – Kleinleistungsschalter). Nur wenn und soweit ein Einspruchsverfahren oder eine Nichtigkeitsklage gegen das Verfügungspatent anhängig ist, eröffnet sich für das Verletzungsgericht ungeachtet des geltenden Trennungsprinzips der genannte Prüfungsmaßstab (OLG Düsseldorf a.a.O.; OLG Frankfurt a.M., a.a.O.; OLG Hamburg GRUR-RR 2002, 244, 245 – Spannbacke). Auf die Anhängigkeit eines Rechtsmittels gegen das Verfügungspatent kommt es mit Rücksicht auf die Besonderheiten, insbesondere den Eilcharakter des einstweiligen Verfügungsverfahrens dann nicht an, wenn es dem Verfügungsbeklagten im konkreten Fall unzumutbar ist, den Rechtsbestand des Verfügungspatent rechtzeitig anzugreifen, etwa, weil die Zeitspanne von der Kenntnis des in Anspruch Genommenen vom Verfügungspatent bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im einstweiligen Verfügungsverfahren zu kurz bemessen ist. In dieser Situation kann mithin das schlichte Vorbringen der Schutzunfähigkeit zusammen mit der ernsthaften Ankündigung, demnächst den Bestand des Schutzrechts anzugreifen, im Verletzungsprozess genügen (OLG Düsseldorf GRUR-RR 2007, 219, 220 – Kleinleistungsschalter).

Nach diesen Grundsätzen ist der Kammer die Prüfung des Rechtsbestands des Verfügungspatent nicht eröffnet: Die Verfügungsbeklagten haben in mündlicher Verhandlung klargestellt, dass sie keine Nichtigkeitsklage gegen das Verfügungspatent erhoben haben, sie befänden sich hinsichtlich der Erhebung der Nichtigkeitsklage vielmehr noch im „Denkprozess“. Hiernach ist die Erhebung der Nichtigkeitsklage nicht absehbar, da die Verfügungsbeklagten deren Erhebung nur erwägen, aber nicht fest beabsichtigen. Dabei ist den Verfügungsbeklagten das Verfügungspatent, das im übrigen bereits seit Jahren unbestritten im Markt akzeptiert ist, schon lange bekannt. Im DE 10 2005 010 XXX (Anlage L 11), dessen Inhaberin die Verfügungsbeklagte zu 2) ist, wird das Verfügungspatent als Stand der Technik gewürdigt. Außerdem hat die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte zu 1) mit Schreiben vom 03.09.2008 (Anlage L 5) abgemahnt, woraufhin die Verfügungsbeklagten am 18.09.2008 eine Schutzschrift (Bl. 13ff. GA) hinterlegten. Es war den Verfügungsbeklagten somit nicht unzumutbar, gegen das Verfügungspatent bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung am 13.11.2008 Nichtigkeitsklage zu erheben oder zumindest ernsthaft anzukündigen, den Rechtsbestand des Verfügungspatents demnächst tatsächlich anzugreifen.

Einer Auseinandersetzung mit dem Offenbarungsgehalt der von den Verfügungsbeklagten als Entgegenhaltungen betrachteten Druckschrift DE OS 29 18 XXX (Anlage AG 10) sowie der DE OS 2 322 XXX (Anlage AG 11) bedarf es aus diesem Grunde nicht.

Für die Verfügungsklägerin bestand die Notwendigkeit, ihrem Unterlassungsanspruch im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens Geltung zu verschaffen. Die Verfügungsklägerin ist – wie sie unwidersprochen vorgebracht hat – in ihrer aktuellen geschäftlichen Entwicklung durch die von den Verfügungsbeklagten begangene Patentverletzung erheblich behindert. Zur Abwehr erheblicher Nachteile, welche die Verfügungsklägerin durch das Anbieten und Inverkehrbringen eines patentverletzenden Konkurrenzprodukts erfährt, ist sie auf das einstweilige Verfügungsverfahren angewiesen. Die Verfügungsklägerin hat auch zeitnah gehandelt. Sie hat, wie sich aus der eidesstattlichen eines Mitarbeiters ihrer deutschen Vertriebsgesellschaft (Anlage L 9) ergibt, jedenfalls nicht vor dem 19.08.2008 davon erfahren, dass die Verfügungsbeklagten die angegriffene Ausführungsform als neues Produkt auf dem Markt einführen. Nachdem sie am 01.09.2008 die angegriffene Ausführungsform auf eine etwaige Patentverletzung hin überprüft hatte, suchte sie am 02.09.2008 um patentanwaltlichen Rat nach, mahnte die Verfügungsbeklagte zu 1) mit Schreiben vom 03.09.2008 (Anlage L 5) unter Fristsetzung bis zum 18.09.2008 vergeblich ab und beantragte vor dem Messeauftritt der Verfügungsbeklagten am 29.09.2008 den Erlass einer einstweiligen Verfügung.

IV.

Da die Verfügungsbeklagten das Verfügungspatent widerrechtlich benutzen, sind sie der Verfügungsklägerin zur Unterlassung der unstreitig begangenen Benutzungshandlungen gemäß Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG verpflichtet. Ein Verfügungsanspruch ist damit gegeben.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709, 108 ZPO.