4b O 256/07 – Kokillenhalter

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1025

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 30. Dezember 2008, Az. 4b O 256/07

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
IV. Der Streitwert wird auf EUR 1.500.000,00 festgesetzt.

T a t b e s t a n d :

Die Klägerin, welche vormals als A firmierte, ist eingetragene Inhaberin des am 16. April 1996 unter Inanspruchnahme einer Unionspriorität vom 19. April 1995 angemeldeten, in französischer Verfahrenssprache verfassten europäischen Patents EP 0 821 XXX B1 mit dem Titel „Vorrichtung zur Herstellung von Kunststoff-Behältern durch Blasformen oder Streckblasformen“ (nachfolgend: „Klagepatent“, Anlage K 1a), zu dessen benannten Vertragsstaaten unter anderem die Bundesrepublik Deutschland gehört. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents erfolgte am 12. April 2001.
Die Beklagte hat gegen den deutschen Teil des Klagepatents die aus der Anlage CC 9 ersichtliche Nichtigkeitsklage vom 22. Februar 2008 beim Bundespatentgericht eingereicht, über die bislang keine Entscheidung ergangen ist.
Der im vorliegenden Rechtsstreit allein interessierende Patentanspruch 1 des Klagepatents hat in der amtlichen deutschen Übersetzung (DE 696 09 XXX T2, siehe Anlage K 1b) folgenden Wortlaut:

„Vorrichtung zur Herstellung von Behältern, insbesondere Flaschen, aus einem Thermoplast durch Blasformen oder Streckblasformen aus einem zuvor erwärmten Vorformling, wobei die Vorrichtung wenigstens eine Form umfasst, die von zwei Halbformen gebildet wird, die wiederum von zwei zueinander beweglichen Formträgern getragen werden, dadurch gekennzeichnet, dass jede Halbform einen von dem jeweiligen Formträger getragenen Kokillenhalter und eine Kokille umfasst, die mit einem Halbdruck des zu erzeugenden Behälters versehen ist und über Schnellbefestigungsmittel lösbar mit dem zugehörigen Kokillenhalter verbindbar ist, wobei die Kokille und der Kokillenhalter komplementär ausgebildet sind, um miteinander wenigstens teilweise wärmeleitend in Berührung zu stehen, während die Leitungen und Verbindungen für den Umlauf von flüssigen Kühl- und/oder Heizmitteln ausschließlich in dem Kokillenhalter vorgesehen sind.“

Nachfolgend eingeblendet sind die Figuren 1 und 3 des Klagepatents, welche bevorzugte Ausführungsformen desselben betreffen. Die Figur 1 zeigt eine schematische Ansicht eines Bereichs einer Vorrichtung zur Formgebung von oben, die Figur 3 enthält eine Ansicht einer Halbform von unten.

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Herstellung und des Vertriebs von Vorrichtungen zum Herstellen von Behältern aus Thermoplast, in denen unter anderem Kokillen und Kokillenhalter verwendet werden, wobei derartige Kokillen und Kokillenhalter auch selbständig vermarktet werden.
Die Beklagte bewarb auf der Messe „K2007“ in Düsseldorf unter anderem separat Kokillen/Kokillenhalter (nachfolgend: „angegriffene Ausführungsform“, vgl. auch Anlage K 13a), die teilweise noch über zwischen Kokille und Kokillenhalter eingefügte Adapter verfügen. Vor dem Haupteingang Ost der Messe Düsseldorf warb die Beklagte mit Plakaten, deren fotographische Ablichtung unten auszugsweise und verkleinert eingeblendet ist (Anlage K 12a, Abb. 1, Kokillenhalter nebst Kokille).

In dem bei der angegriffenen Ausführungsform für die Ausgestaltung des Bodens zuständigen, aus der obigen Abbildung nicht ersichtlichen Formungsteil sind Leitungen für den Umlauf von flüssigen Kühlmitteln vorhanden. In ihrem englischsprachigen Werbetext am Messestand warb die Beklagte sinngemäß damit, über extensive Sachkenntnis auch für Maschinen der Konkurrenz zu verfügen. In ihrer Internetwerbung (vgl. Anlagen K 15, K 16a/b und K 17) bietet die Beklagte auch solche Kokillenformen an, die in Vorrichtungen der Konkurrenz eingesetzt werden sollen.

Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform mache mittelbar vom Anspruch 1 des Klagepatents in wortsinngemäßer, jedenfalls aber in äquivalenter Weise Gebrauch. Sie nimmt die Beklagten daher auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie Feststellung der Schadensersatzverpflichtung in Anspruch. Da die angegriffenen Ausführungsformen nicht patentfrei einsetzbar seien, sei ein Totalverbot gerechtfertigt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

1. die Beklagte zu verurteilen,

a) es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen,

Kokillen allein und/oder nebst ein- oder zweiteiligen Kokillenhaltern, die jeweils dazu geeignet sind, in Vorrichtungen zur Herstellung von Behältern, insbesondere Flaschen, aus einem Thermoplast durch Blasformen oder Streckblasformen aus einem zuvor erwärmten Vorformling, verwendet zu werden,

zur Benutzung in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten oder zu vertreiben,

wobei die Vorrichtungen wenigstens eine Form umfassen, die von zwei Halbformen gebildet wird, die wiederum von zwei zueinander beweglichen Formträgern getragen werden, und bei denen jede Halbform einen von dem jeweiligen Formträger getragenen Kokillenhalter und eine Kokille umfasst, die mit einem Halbdruck der zu erzeugenden Behälterwände versehen ist und über Schnellbefestigungsmittel lösbar mit dem zugehörigen Kokillenhalter verbindbar ist, wobei die Kokille und der Kokillenhalter komplementär ausgebildet sind, um miteinander wenigstens teilweise wärmeleitend in Berührung zu stehen, während die Leitungen und Verbindungen für den Umlauf von flüssigen Kühl- und/oder Heizmitteln ausschließlich in dem Kokillenhalter, nicht aber in den die Behälterwände betreffenden Kokillenhälften vorgesehen sind, während ein separater Formungsboden vorhanden ist, der über keine Schnellbefestigungsmittel, dafür aber über Leitungen und Verbindungen für den Umlauf von flüssigen Kühl- und/oder Heizmitteln verfügt;
b) hilfsweise wie im Antrag zu 1a) mit der Maßgabe, dass die Passage „zur Benutzung in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder zu liefern“ an das Ende des Antrages zu a) gerückt wird und es sodann weiter heißt:
„…, ohne im Falle des Lieferns davon abhängig zu machen, dass der Lieferempfänger sich zuvor schriftlich zugunsten der Klägerin verpflichtet, es bei Meidung einer pro Kokille geschuldeten Vertragsstrafe in Höhe von EUR 25.000 zu unterlassen, die Kokille ohne ausdrückliche Zustimmung der Klägerin mit Schnellbefestigungsmitteln, das heißt solchen, die kein vollständiges Lösen aller Befestigungsmittel erfordern, zu verwenden,
und ohne im Falle des Anbietens den Angebotsempfänger schriftlich darauf hinzuweisen, dass die Kokillen nicht ohne Zustimmung der Klägerin mit den vorbezeichneten Schnellbefestigungsmitteln verwendet werden dürfen, wobei dieser Hinweis mindestens in derselben Schriftgröße wie der größte Schriftgrad des übrigen Angebotes zu erfolgen hat,

c) äußerst hilfsweise wie im Antrag zu b), jedoch ohne das dort vorgesehene Vertragsstrafeversprechen;

d) der Klägerin Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer a) bezeichneten Handlungen seit dem 12. Mai 2001 begangen hat, und zwar – aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen – unter Angabe

aa) der einzelnen Bestellungen und/oder Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Bestell- und Liefermengen, -zeiten, -preisen und des Gesamtbestellwerts und -umsatzes sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer, jeweils unter Vorlage der Bestell- und Lieferpapiere, Auftragsbestätigungen und Rechnungen,

bb) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, und -preisen,

cc) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

dd) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, welcher der Klägerin durch die unter Ziffer 1a) bezeichneten, seit dem 12. Mai 2001 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagte beantragt,
1. die Klage abzuweisen,
2. hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die amtliche deutsche Übersetzung des Anspruchs 1 des Klagepatents sei teilweise fehlerhaft. Dem Vorwurf der mittelbaren Patentverletzung tritt sie entgegen, indem sie geltend macht, die angegriffene Ausführungsform sei nicht geeignet und bestimmt, in patentgemäßen Vorrichtungen verwendet zu werden: Denn die betreffenden Vorrichtungen umfassten keine solche Form, die aus wenigstens zwei Halbformen bestehe, bei ihnen werde der Kokillenhalter nicht von dem jeweiligen Formträger getragen. Auch seien bei diesen die Leitungen und Verbindungen für den Unlauf von flüssigen Kühl- und/oder Heizmitteln nicht ausschließlich in dem Kokillenhalter vorgesehen. Schließlich verfügten diese nicht über patentgemäße Schnellbefestigungsmittel.
Ihren hilfsweise gestellten Aussetzungsantrag stützt die Beklagte darauf, dass es dem Klagepatent an der erforderlichen Neuheit, jedenfalls aber an einer erfinderischen Tätigkeit mangele und dessen deutscher Teil deshalb vernichtet werde.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angegriffene Ausführungsform macht weder in wortsinngemäßer noch in äquivalenter Weise von der technischen Lehre des Klagepatents (mittelbar) Gebrauch, so dass die Klägerin gegen die Beklagte keine Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie Feststellung der Schadensersatzverpflichtung aus Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 10, 139 Abs. 1, Abs. 2, 140b PatG; 242, 259 BGB hat.

I.
Das Klagepatent betrifft eine Vorrichtung zur Herstellung von Behältern aus einem Thermoplast durch Blasformen oder Streckblasformen einer vorher erwärmten Vorform, wobei die Vorrichtung wenigstens eine Form mit zwei Halbformen aufweist, die durch jeweils zueinander bewegliche Formträger getragen werden.
In seinen einleitenden Bemerkungen bezeichnet das Klagepatent es als geläufig, die Halbformen jeweils in abnehmbarer Weise an den Formträgern so zu befestigen, dass die Halbformen im Falle einer Beschädigung und/oder Abnutzung sowie überhaupt im Falle einer Herstellung von Behältern in unterschiedlichen Formen und/oder Abmessungen ersetzt oder ausgetauscht werden können, ohne die Gesamtheit der Formvorrichtung ersetzen zu müssen.
Eine solche Anordnung betrachtet das Klagepatent immer noch insofern als nachteilig, weil jede Halbform schwer ist, so dass die Befestigungsmittel entsprechend bemessen und in zahlreicher Form als Schraubverbindungen und/oder Verschraubungen vorhanden sein müssen, um solche Lasten tragen zu können. Das Gewicht der Halbformen bedingt zudem bei der bekannten Anordnungsweise, dass die Betätigung jeder Halbform durch mehrere Personen und/oder mittels eines Flaschenzuges erfolgen muss, was eine geeignete Anlage unterhalb der Herstellungsvorrichtung erforderlich macht. Ferner kritisiert das Klagepatent am Stand der Technik folgendes: Da jede Halbform mit Einrichtungen für die Zirkulation einer oder mehrerer Fluide für die Kühlung und/oder die Erwärmung der Abdruckwände ausgestattet ist, bringt der Austausch jeder Halbform die Zeit kostende De- und Wiedermontage der entsprechenden Fluidverbindungen mit sich. Unter ökonomischen Gesichtspunkten bemängelt das Klagepatent an der bekannten Anordnung, dass eine Halbform aufgrund ihrer Monoblockstruktur insgesamt einen perfekt polierten Oberflächenzustand aufweisen müsse, obwohl für den hinteren Bereich der Halbkokillen, der an der Druckformung des Endbehälters nicht unmittelbar beteiligt ist, an sich ein weniger edles und daher billigeres Material ausreichend wäre.
Vor diesem technischen Hintergrund liegt dem Klagepatent die Aufgabe zugrunde, so weit wie möglich die Nachteile der bekannten Herstellungsformen zu beseitigen und eine verbesserte Vorrichtung vorzuschlagen, die einen schnellen und einfachen Austausch von Formabdruckwänden erlaubt, um die Anpassung der Vorrichtung an die Herstellung unterschiedlicher Behälter zu erleichtern, so dass die verbesserte Struktur schließlich billiger wird, wobei die gleichen Qualitäten bezüglich Widerstand und Unverformbarkeit gänzlich beibehalten werden sollen.
Dazu schlägt das Klagepatent in seinem Anspruch 1 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:

1. Vorrichtung zur Herstellung von Behältern, insbesondere Flaschen
1.1 aus einem Thermoplast
1.2 durch Blasformen oder Streckblasformen
1.3 aus einem zuvor erwärmten Vorformling.
2. Die Vorrichtung umfasst wenigstens eine Form, die von zwei Halbformen gebildet wird.
3. Die Halbformen wiederum werden von zwei zueinander beweglichen Formträgern getragen.
4. Jede Halbform umfasst einen Kokillenhalter und eine Kokille, wobei
4.1 der Kokillenhalter von dem jeweiligen Formträger getragen wird und
4.2 die Kokille
4.2.1 mit einem Halbdruck des zu erzeugenden Behälters versehen und
4.2.2 über Schnellbefestigungsmittel lösbar mit dem zugehörigen Kokillenhalter verbindbar ist.
5. Die Kokille und der Kokillenhalter sind komplementär ausgebildet, um miteinander wenigstens teilweise wärmeleitend in Berührung zu stehen,
6. während die Leitungen und Verbindungen für den Umlauf von flüssigen Kühl- und/oder Heizmitteln ausschließlich in dem Kokillenhalter vorgesehen sind.
II.

Die angegriffene Ausführungsform verletzt das Klagepatent weder in wortsinngemäßer noch in äquivalenter Weise, da sie jedenfalls von der im Merkmal 6 enthaltenen technischen Lehre unter keinem patentrechtlichen Gesichtspunkt mittelbar Gebrauch macht.

1)
Das Merkmal 6 setzt voraus, dass die Leitungen und Verbindungen für den Umlauf von flüssigen Kühl- und/oder Heizmitteln ausschließlich in dem Kokillenhalter vorgesehen sind.
Der Fachmann wird den Wortlaut, der die exklusive Verlegung jeglicher Fluidverbindungen in dem Kokillenhalter vorgibt, ernst nehmen und daher jegliche Verlegung derartiger Leitungen und Verbindungen in anderen Vorrichtungsteilen als dem Kokillenhalter selbst strikt unterlassen, wenn er die technische Lehre des Klagepatents umsetzen möchte. In diesem durch das im Anspruch selbst enthaltene Wort „ausschließlich“ nahegelegten Verständnis sieht der Fachmann sich bei der Lektüre der Beschreibung des Klagepatents mehrfach bestätigt. Er wird in diesem Zusammenhang insbesondere zunächst zur Kenntnis nehmen, dass das Klagepatent den Stand der Technik unter anderem deshalb kritisiert (Seite 1 unten, Zeile 27 bis einschließlich Seite 2 oben, Zeile 4 der deutschen Übersetzung des Klagepatents), weil dort der Austausch jeder Halbform aufgrund der in ihr enthaltenen Fluidverbindungen zeitintensiv ist. Im Gegensatz dazu bewirkt unter anderem die im Merkmal 6 enthaltene technische Lehre den Vorteil einer Beschleunigung des Kokillenaustauschs, weil dann die – dauerhaft mit den Kokillenträgern verbunden bleibenden – Fluidverbindungen nicht mehr zunächst demontiert und anschließend wieder montiert werden müssen (vgl. den allgemeinen Beschreibungstext auf Seite 4, Zeilen 2 – 5 der deutschen Übersetzung des Klagepatents).

Soweit die Beklagte demgegenüber argumentiert, dem Merkmal 6 lasse sich in einem Umkehrschluss entnehmen, dass es sich nur mit dem Verhältnis von Kokille und Kokillenhalter beschäftige und allein eine Verlegung der Leitungen und Verbindungen in der Kokille vermeiden wolle, eine solche in sonstigen vom Kokillenhalter verschiedenen Vorrichtungselementen – insbesondere also im Formungsboden – jedoch zulasse, da die Lehre des Klagepatents sich ohnehin nur mit den Kokillen(hälften) bzw. Formabdruckwänden befasse, vermag die Kammer sich dieser Rechtsauffassung im Ergebnis nicht anzuschließen. Denn ein weitgefasster Patentanspruch kann nicht unter Berufung auf den Beschreibungstext unter seinen Wortlaut einschränkend interpretiert werden (vgl. BGHZ 160, 204, 210 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung; vgl. BGH, GRUR 2007, 309 – Schussfädentransport; vgl. BGH, GRUR 2007, 778 – Ziehmaschinenzugeinheit).

Im Ansatz ist der Klägerin zwar darin zu folgen, dass die Merkmale 2 bis 5 sich lediglich mit der näheren Ausgestaltung der die wenigstes eine Form bildenden Halbformen beschäftigen. Richtig ist auch, dass das Merkmal 4, welches sich näher mit der Ausgestaltung der bereits im Merkmal 2 erwähnten Halbformen befasst, so auszulegen ist, dass der Formungsboden, mit dem ein Behälterboden von komplexer Form gebildet werden kann, nicht zwingend zu den Halbformen im Sinne des Klagepatents gehört. Letzteres entnimmt der Fachmann der Passage des Klagepatents auf Seite 9 unten, Zeile 23 bis Seite 10 oben der deutschen Übersetzung des Klagepatents, wobei diese unter Beachtung des Primats der französischen Originalfassung „… qui comporte…“ (vgl. Art. 70 EPÜ) allerdings richtigerweise wie folgt zu übersetzen ist (Hervorhebungen durch die Kammer):

„In dem in Figur 2 dargestellten Beispiel besitzt der herzustellende Behälter einen Boden von komplexer Form (blütenartiger Boden), und die Mussausformungen des Behälters nach seiner Bildung führen dazu, einen getrennten Formungsboden, unabhängig von den Halbformen 2, vorzusehen, der den Bodenabdruck des Behälters umfasst.“

Der genannten Passage entnimmt der Fachmann zwar, dass das Klagepatent an dieser Stelle zwischen den Halbformen und einem – fakultativ vorsehbaren -Formungsboden differenziert, jedoch lässt sie keinen Rückschluss darauf zu, dass das Klagepatent die Verlegung von Leitungen und Verbindungen im Formungsboden zulasse.

Auch der systematische Zusammenhang mit den Merkmalen 3 und 5, welche lehren, dass die Halbformen von zueinander beweglichen Formträgern gehalten werden, und dass Kokillenhalter und Kokille komplementär auszubilden sind, lässt keinen zwingenden Schluss auf die Richtigkeit der klägerischen Auslegung des Merkmals 6 zu. Dass die dem Merkmal 6 vorausgehenden Merkmale 2 – 5 sich mit den Halbformen auseinandersetzen, bedeutet für den Fachmann nicht notwendig, dass das Wort „ausschließlich“ nur der Abgrenzung zu Vorrichtungselementen diene, die selbst Bestandteil dieser Halbformen sind. Dies ließe nämlich unberücksichtigt, dass Gegenstand des Anspruchs 1 eine Gesamtvorrichtung zur Herstellung von Behältern ist. Wie die Klägerin auch selbst richtig anführt (Seite 11 der Replik vom 16.05.2008, Blatt 72, vgl. auch Seite 12 der Replik, Blatt 73) kann der im Merkmal 4.2.1 erwähnte „Halbabdruck“ zwar auch nur die Behälterwände betreffen, d.h. er muss nicht gleichzeitig auch einen Formungsboden umfassen. Umgekehrt gilt aber, dass das Klagepatent eine solche Ausgestaltung zulässt, wie etwa die Figuren 2 und 3 nahelegen. Soweit die Klägerin diesbezüglich allerdings meint, die erfindungsgemäßen Vorteile müssten dann konsequenterweise nicht notwendig auch in Bezug auf den Formungsboden erreicht werden, ist dem zu widersprechen. Insbesondere ergibt sich dies nicht aus dem Umstand, dass der Anspruchswortlaut selbst den Formungsboden nicht ausdrücklich erwähnt; aufgrund der Wendung „ausschließlich“ im Merkmal 6 muss der Fachmann auch den Formungsboden als von dieser Ausgrenzung erfasst ansehen.

Ein restriktives Verständnis des Anwendungsbereichs des Merkmals 6 rechtfertigt sich auch nicht mit Rücksicht darauf, dass in der Aufgabenstellung von einem schnellen und einfachen Austausch von Formabdruckwänden (Hervorhebung durch die Kammer) die Rede ist. Dies veranlasst den Fachmann nicht zu der Annahme, in einem neben den Halbformen existierenden Formungsboden Leitungen und Verbindungen vorsehen zu können, da auch der Boden als Wand im Sinne einer Behälterumgrenzung verstanden werden kann.

Ohne Erfolg verweist die Klägerin zur Begründung ihrer Ansicht auf Seite 8, Zeilen 5 bis 7 der deutschen Übersetzung der Klagepatentschrift. Dass in der Figur 3 ausweislich dieser Beschreibungspassage ausschließlich die Leitungen und Verbindungen neben der „Abdruckwand“, d.h. dem „Halbabdruck 8“ des zu erzeugenden Behälters abgebildet und beschrieben sind, bedeutet nichts Abschließendes für den nach der Lehre des Klagepatents zulässigen Inhalt des Formungsbodens; dies gilt erst recht im Hinblick darauf, dass die Beschreibung auf Seite 9 unten, letzter Satz bis Seite 10, erster Absatz ausdrücklich klarstellt, dass der Formungsboden dort nicht dargestellt ist.

Im Klagepatent selbst ist auch kein einziger Hinweis darauf enthalten, dass sich bei der Ausformung „blütenförmiger Böden“ eine nur mittelbare Temperaturregulierung – d.h. eine solche durch den Umlauf flüssiger Kühl- oder Heizungsmittel ausschließlich in dem Kokillenhalter, nicht aber in der Kokille selbst – verbiete. Soweit die Klägerin unter Beweisantritt durch Einholung eines Sachverständigengutachtens vorbringt, derartiges sei dem Fachmann bekannt, ist nicht dargetan, inwieweit dies zum allgemeinen Fachwissen des Durchschnittsfachmanns im Prioritätszeitpunkt gehörte. Dass die Klägerin und sämtliche ihrer Mitbewerber sich einer unmittelbaren Kühlung des Formungsbodens bedienen, bedeutet nicht, dass eine solche Ausgestaltung auch der Lehre des Klagepatents entspricht.

Selbst wenn der Klägerin – was die Beklagte bestreitet – darin zu folgen sein sollte, dass der Austausch des Formungsbodens im Vergleich zu demjenigen der Kokillenhälften für die Ausformung der seitlichen Wände „nicht weiter ins Gewicht“ falle, werden die vom Klagepatent intendierten Vorteile von der angegriffenen Ausführungsform nicht in hinreichender Weise verwirklicht, da der Umbauaufwand aufgrund der im Formungsboden enthaltenen Leitungen und Verbindungen wesentlich höher ist als im Falle einer Verlegung derselben ausschließlich im Kokillenhalter. Dem Fachmann ist zudem klar, dass es zum Zwecke der Herstellung unterschiedlicher Behältergrößen auch notwendig werden kann, den Formungsboden auszutauschen, so dass ein erhöhter Arbeitsaufwand entsteht, wenn dieser mit Leitungen und Verbindungen versehen ist. Auf die – zwischen den Parteien streitige – tatsächliche Frage nach dem Gewicht des Formungsbodens im Vergleich zu den seitlichen Kokillenhälften kommt es in diesem Zusammenhang nicht streitentscheidend an.

Die vom Sprachgebrauch des Anspruchswortlautes abweichende Auslegung der Klägerin ergibt sich nach alledem jedenfalls nicht eindeutig aus dem Gesamtinhalt des Patentanspruchs, so dass eine Auslegung „unter dessen Wortlaut“ hier gerade nicht (ausnahmsweise) zulässig ist (vgl. Benkard/Scharen, PatG, 10. Auflage, § 14 Rn 24 m.w.N.). Es hätte vielmehr der Klägerin offen gestanden, im Erteilungsverfahren im Interesse der Rechtssicherheit etwa durch eine Anspruchsformulierung des Inhalts „nicht aber in den die Behälterwände betreffenden Kokillenhälften“, wie sie sie erst jetzt im – an die konkrete angegriffene Ausführungsform angepassten – Klageantrag gewählt hat, eine entsprechende Klarstellung in den Anspruch aufzunehmen. Insofern überzeugt der Hinweis der Klägerin, die konkret gewählte „Positivformulierung“ sei rein zufällig erfolgt und „patentanwaltlicher Formulierungspraxis geschuldet“, nicht. Vor diesem Hintergrund verfängt auch der Hinweis der Klägerin auf Seite 11, Zeilen 25 – 28 der deutschen Übersetzung des Klagepatents, wo von einer Ersetzung der Monoblock-Halbformen durch Halbformen aus zwei Elementen die Rede ist, nicht im hier interessierenden Zusammenhang.

Soweit die Klägerin nunmehr selbst argumentiert (vgl. Seite 10, letzter Absatz des Schriftsatzes vom 01.10.2008), der Fachmann erhalte in der Beschreibung, soweit sie sich mit dem Formungsboden überhaupt befasse, überhaupt keinen Hinweis dafür, dass er im Formungsboden Leitungen und Verbindungen vorsehen könne, bestätigt dies die hier vorgenommene Auslegung.

2)
Ausgehend von diesem technischen Sinngehalt des Merkmals 6, lässt der Vortrag der Klägerin nicht die rechtliche Würdigung zu, dass die Kokillen/Kokillenhalter der Beklagten, und zwar weder jene mit noch jene ohne einen zusätzlichen Adapter, dessen Wortsinn entsprechen. Die Beklagte hat unwidersprochen vorgebracht, dass bei der angegriffenen Ausführungsform jedenfalls in dem für die Ausformung des Behälterbodens zuständigen Vorrichtungsteil immer Leitungen und Verbindungen für den Umlauf flüssiger Kühlmittel vorhanden seien. Zur Veranschaulichung dieses unstreitigen Sachvortrages (vgl. Replik vom 16. Mai 2008, Seite 5, 2. Absatz, Blatt 66 der Akte) hat die Beklagte unter anderem auf die nachfolgend verkleinert eingeblendete Anlage CC 2 Bezug genommen:

Im Hinblick auf die im Formungsboden enthaltenen Leitungen für flüssiges Kühlmittel ist die angegriffene Ausführungsform nicht geeignet, in einer patentgemäßen Vorrichtung verwendet zu werden, so dass es jedenfalls deshalb an einer (mittelbaren) Verletzung des Klagepatents fehlt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

Weder der nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 01.10.2008 noch der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 17.10.2008 gaben der Kammer einen Anlass für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.