4b O 476/04 – Hybridizer

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1032

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 27. November 2008, Az. 4b O 476/04

Rechtsmittelinstanz: 2 U 8/09

I.
Die Beklagten werden verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer bzw. dem Vorstandsvorsitzenden der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,

Sonden, insbesondere die Sonden A, B und/oder C, B und/oder D, B und/oder E, B und/oder F, B und/oder G, B und/oder F, B und/oder G, B und/oder H, B und/oder I, B und/oder J, B und/oder K, B und/oder L, B und/oder M, B und/oder N, B und/oder O

und/oder

Kits mit Reagenzien enthaltend Stringenzpuffer und/oder Fluoreszenzverstärker, insbesondere das Cytology FISH Accessory Kit No. K 5499

und/oder

Hybridizer zur automatisierten Durchführung der Hybridisierung mit FISH-Sonden, insbesondere den U;

die geeignet sind zur Durchführung eines Verfahrens zum Färben von chromosomalem Zielmaterial auf Basis der Nukleinsäuresequenz, um eine oder mehrere genetische Translokationen, die mit chromosomalen Anomalien verbunden sind, nachzuweisen, in einer Interphasezelle, wobei das Verfahren außerhalb des menschlichen Körpers durchgeführt wird,

in der Bundesrepublik Deutschland Dritten zur Benutzung anzubieten und/oder zu liefern,

wobei das Verfahren dadurch gekennzeichnet ist, dass ein in-situ Hybridisieren eines heterogenen Gemisches zweier oder mehrerer Nukleinsäuresonden des menschlichen Genoms mit der chromosomalen Ziel-DNA stattfindet, wobei jede der Sonden eine Komplexität von 50 kB bis 10 MB aufweist, wobei die Sonden Nukleinsäuresequenzen aufweisen, welche im wesentlichen komplementär zu den Nukleinsäuresequenzen sind, die die Bruchstellenregionen der bekannten genetischen Umordnungen flankieren und/oder diese ganz oder teilweise überspannen, wobei jede Sonde mit einem Flourochrom unterschiedlicher Farbe markiert ist, zur Beobachtung des Abstandes oder der Überlappung der Regionen, die von jeder Sonde angefärbt werden, wodurch der Nachweis der Translokation ermöglicht wird,

ohne

im Fall des Anbietens und der Lieferung blickfangmäßig hervorgehoben darauf hinzuweisen, dass die genannten Sonden, Kits und/oder Hybridizer nicht ohne Zustimmung der Klägerin zu 1) als ausschließliche Lizenznehmerin des europäischen Patents 0 430 XXX zur Benutzung des in Ziffer I. 1. beschriebenen Verfahrens benutzt werden dürfen;

2. den Klägerinnen darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagten) die in Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 1.10.2001 begangen haben, und zwar unter Angabe

a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, –zeiten und –preisen (inklusive der Angabe von gewährten Natural- sowie Geldrabatten), den Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
b) des Bezugspreises der jeweiligen Lieferanten,
c) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
d) des aktuellen Bestands an den in Ziffer I. 1 bezeichneten Mitteln,
e) der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
f) der Art und des Umfangs der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, des Verbreitungszeitraums und des Verbreitungsgebiets,

wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nichtgewerblichen Abnehmer sowie Angebotsempfänger statt den Klägerinnen einem von diesen zu bezeichnenden, ihnen gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, den Klägerinnen auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nichtgewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnung enthalten ist;

II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, den Klägerinnen allen Schaden zu ersetzen, der ihnen durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 1.10.2001 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten zu 85 % und die Klägerinnen zu 15 %.

V.
Das Urteil ist für die Klägerinnen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.500.000,00 € vorläufig vollstreckbar; für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Die Sicherheiten können auch durch schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaften eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten sowie als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Kreditinstituts erbracht werden.

VI.
Der Streitwert wird auf 2.500.000,00 € festgesetzt.

T a t b e s t a n d :

Die Klägerin zu 1) ist ausschließliche Lizenznehmerin, die Klägerin zu 2) eingetragene Inhaberin des unter Inanspruchnahme zweier US-amerikanischer Prioritäten vom 1.12.1989 und 20.03.1990 am 8.08.1991 angemeldeten europäischen Patents 0 430 XXX B 1 (im Folgenden: Klagepatent, Anlage K 1), dessen Erteilung am 27.01.1998 veröffentlicht worden ist. Als Vertragsstaat ist unter anderem die Bundesrepublik Deutschland benannt. Die deutsche Übersetzung des Klagepatents wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer DE 690 32 920 (Anlage K 2) geführt.

Das Klagepatent steht in Kraft. Im Rahmen des gegen das europäische Patent von dritter Seite eingelegten Einspruchsverfahrens hat das Europäische Patentamt mit Bescheid vom 20.08.2002 (Anlage K 4) das Klagepatent in überwiegendem Maße aufrecht erhalten. Die gegen diese Entscheidung eingelegte Beschwerde ist zwischenzeitlich zurückgenommen worden. Über die gegen den deutschen Teil des Klagepatents vor dem Bundespatentgericht mit Schriftsatz vom 12.12.2006 (Anlage B 21) von der Beklagten zu 2) erhobene Nichtigkeitsklage (3 Ni 78/06) ist noch nicht entschieden. Termin zur mündlichen Verhandlung ist dort auf den 27.01.2009 bestimmt.

Das in englischer Verfahrenssprache abgefasste Klagepatent trägt die Bezeichnung „Verfahren und Zusammensetzungen für chromosomenspezifische Färbungen“. Patentanspruch 1 lautet in deutscher Übersetzung in der aufrecht erhaltenen und von den Klägerinnen allein geltend gemachten Fassung wie folgt:

„Verfahren zum Färben von chromosomalem Ziel-Material basierend auf der Nukleinsäuresequenz, um eine oder mehrere genetische Translokationen, die mit chromosomalen Anomalien identifiziert werden, nachzuweisen, in einer Interphasenzelle, wobei das Verfahren außerhalb des menschlichen Körpers durchgeführt wird und die Schritte
a) in-situ-Hybridisieren eines heterogenen Gemisches zweier oder mehrerer Nukleinsäuresonden für das menschliche Genom mit der chromosomalen Ziel-DNA, wobei jede der Sonden eine Komplexität von 50 kB (50.000 Basen) bis 10 MB (10.000.000 Basen) aufweist und die Sonden Nukleinsäuresequenzen enthalten, die im Wesentlichen komplementär sind zu Nukleinsäuresequenzen, welche Bruchstellenregionen, von denen bekannt ist, dass sie mit genetischen Umordnungen assoziiert sind, flankieren und/oder sich teilweise oder völlig über Bruchstellenregionen erstrecken, von denen bekannt ist, dass sie mit genetischen Umordnungen assoziiert sind, wobei jede Sonde mit einem Fluorochrom unterschiedlicher Farbe markiert ist, und
b) Beobachten der Nachbarschaft oder des Überlappens der durch jede Sonde gefärbten Regionen, wodurch der Nachweis einer Translokation ermöglicht wird,
umfasst.“

Wegen der weiteren Patentansprüche wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.

Die Beklagte zu 2) ist ein dänisches Unternehmen, das sich mit der Entwicklung und dem Angebot von diagnostischen Systemen befasst. Sie bewirbt ihre Produkte u.a. auf ihrer Internetseite www.d.com, wobei dort Informationen und Handbücher zu den Produkten in deutscher Sprache bereitgestellt werden. Mit der Beklagten zu 1) unterhält sie eine in Hamburg ansässige Vertriebsgesellschaft, welche die Produkte der Beklagten zu 2) in Deutschland ausliefert.

Die Beklagten bieten u. a. die Sonden A, B, C, B, D, B, E, B, F, B, G, B, F, B, G, B , H, B, I, B, J, B, K, B, L, B, M, B, N, B und O an (im folgenden: angegriffene Sonden). Mit Hilfe der angegriffenen Sonden, deren konkrete Ausgestaltung sich aus den von den Klägerinnen als Anlagen K 7 bis K 11, K 24 bis 27 überreichten Werbebroschüren der Beklagten ergibt, kann in einer Interphasenzelle eine genetische Translokation nachgewiesen werden. Der Nachweis wird wie folgt geführt:
o Das Sondengemisch enthält zwei Nukleinsäuresonden.
o Jede der beiden Sonden flankiert dabei eine (scil.: dieselbe) Bruchstellenregion auf einem (scil.: demselben) Chromosom, das möglicherweise von einer Translokation betroffen ist.
o Die eine Sonde ist grün gefärbt und betrifft den Bereich „downstream“ der mutmaßlichen Bruchstelle; die andere Sonde ist rot gefärbt und betrifft den Bereich „upstream“ derselben mutmaßlichen Bruchstelle.
o Hat keine Translokation stattgefunden, liegen die beiden eingefärbten Sonden auf demselben Chromosom nahe beieinander (scil.: beiderseits derselben auf dem Chromosom vermuteten Bruchstelle), was ein gelbes Farbsignal oder zwei eng beieinander liegende Rot/Grün-Signale hervorbringt.
o Hat eine Translokation stattgefunden, lagert sich die eine Sonde an dem einen Chromosom und die andere Sonde an ein anderes Chromosom, nämlich dasjenige an, welches das translokalisierende Bruchstück aufgenommen hat. Mit den beteiligten Chromosomen befinden sich infolge dessen auch die beiden eingefärbten Sonden auf Abstand, was durch zwei sichtbar voneinander entfernte Farbsignale (Rot und Grün) kenntlich ist.

Die Beklagten bieten darüber hinaus sogenannte Kits, insbesondere das P, an, die sämtliche Schlüsselreagenzien (außer den Sonden) enthalten, die zum Nachweis einer Translokation in der oben beschriebenen Weise erforderlich sind. Die Kits beinhalten Reagenzien enthaltende Stringenzpuffer und/oder Fluoreszenzverstärker in einer Menge, um 20 Tests durchzuführen (im folgenden: angegriffene Kits). Die konkrete Ausgestaltung der Kits ist der Werbebroschüre der Beklagten Anlage K 12 zu entnehmen.

Des weiteren bieten die Beklagten Hybridizer zur automatisierten Durchführung der Hybridisierung mit FISH-Sonden an, so insbesondere den Hybridizer Q (im folgenden: angegriffene Hybridizer). Deren Ausgestaltung ergibt sich aus der Werbebroschüre der Beklagten Anlage K 13.

Die Beklagte zu 2) nimmt die Klägerinnen vor dem Tribunale di Milano / Italien auf Feststellung in Anspruch, dass sie mit den angegriffenen Ausführungsformen das Klagepatent – und auch gerade den deutschen Teil – nicht verletzt. Die gegen die hiesige Klägerin zu 1) gerichtete Klageschrift in dem italienischen Verfahren datiert vom 22.03.2005 (Anlage B 6), die gegen die hiesige Klägerin zu 2) gerichtete Klageschrift vom 25.03.2005 (Anlage B 8).

Die Klägerinnen sind der Auffassung, bei den angegriffenen Sonden, Kits und Hybridizern handele es sich um wesentliche Elemente des im Klagepatent unter Schutz gestellten Verfahrens. Diese seien zur wortsinngemäßen Durchführung des klagepatentgemäßen Verfahrens geeignet und bestimmt. Die angegriffenen Sonden wiesen insbesondere die beanspruchten Komplexitätswerte auf, wie eine Untersuchung von Dr. R mit dem Computerprogramm „RepeatMasker“ (Anlagen K 16, K 17, K 23 und K 28) belege. Die Beklagten wüssten um die Möglichkeit der Durchführung des patentgemäßen Verfahrens mit den angegriffenen Sonden, Kits und Hybridizer ebenso wie um eine entsprechende Verwendungsbestimmung seitens der Abnehmer. Sie nehmen die Beklagten deshalb mit am 21.12.2004 bei Gericht eingegangener Klage unter dem Gesichtspunkt der mittelbaren Patentverletzung auf Unterlassung, Auskunft- und Rechnungslegung sowie Feststellung der Schadenersatzpflicht in Anspruch.

Nachdem die Klägerinnen sich zunächst gegen die genannten Kits und Hybridizer und den S sowie die Sonden A, B, C, B, D, B, E, B, F, T wandten und Auskunft- sowie Rechnungslegung ab dem 27.02.1999 begehrten, erweiterten sie die Klage sodann auf die Sonden G, B, F, B, G, B , H, B, I, B, J, B, K, B, L, B, M, B, N, B und O.

Nunmehr beantragen die Klägerinnen,
I.
Die Beklagten werden verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer bzw. dem Vorstandsvorsitzenden der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,

Sonden, insbesondere die Sonden A, B und/oder C, B und/oder D, B und/oder E, B und/oder F, B und/oder G, B und/oder F, B und/oder G, B und/oder H, B und/oder I, B und/oder J, B und/oder K, B und/oder L, B und/oder M, B und/oder N, B und/oder O

und/oder

Kits mit Reagenzien enthaltend Stringenzpuffer und / oder Fluoreszenzverstärker, insbesondere das P

und/oder

Hybridizer zur automatisierten Durchführung der Hybridisierung mit FISH-Sonden, insbesondere den U;

die bestimmt und geeignet sind zur Durchführung eines Verfahrens zum Färben von chromosomalem Zielmaterial auf Basis der Nukleinsäuresequenz, um eine oder mehrere genetische Translokationen, die mit chromosomalen Anomalien verbunden sind, nachzuweisen, in einer Interphasezelle, wobei das Verfahren außerhalb des menschlichen Körpers durchgeführt wird,

in der Bundesrepublik Deutschland Dritten zur Benutzung anzubieten und/oder zu liefern,

wobei das Verfahren dadurch gekennzeichnet ist, dass ein in-situ Hybridisieren eines heterogenen Gemisches zweier oder mehrerer Nukleinsäuresonden des menschlichen Genoms mit der chromosomalen Ziel-DNA stattfindet, wobei jede der Sonden eine Komplexität von 50 KB bis 10 MB aufweist, wobei die Sonden Nukleinsäuresequenzen aufweisen, welche im wesentlichen komplementär zu den Nukleinsäuresequenzen sind, die die Bruchstellenregionen der bekannten genetischen Umordnungen flankieren und/oder diese ganz oder teilweise überspannen, wobei jede Sonde mit einem Fluorochrom unterschiedlicher Farbe markiert ist, zur Beobachtung des Abstandes oder der Überlappung der Regionen, die von jeder Sonde angefärbt werden, wodurch der Nachweis der Translokation ermöglicht wird,

hilfsweise

den Beklagten zu untersagen, die in Ziffer 1 bezeichneten Mittel in der Bundesrepublik Deutschland Dritten zur Benutzung der Erfindung anzubieten und/oder zu liefern,

ohne

a) im Falle des Anbietens ausdrücklich und unübersehbar darauf hinzuweisen, dass die Sonden, Kits und/oder Hybridizer nicht ohne Zustimmung der Klägerin zu 1) als ausschließliche Lizenznehmerin des europäischen Patents EP 0 430 XXX zur Benutzung des in Ziffer 1 beschriebenen Verfahrens benutzt werden dürfen;

b) im Falle der Lieferung ihren Abnehmern die schriftliche Verpflichtung mit dem Versprechen einer Vertragsstrafe in Höhe von 10.000,00 € für jeden Fall der Zuwiderhandlung, zu zahlen an die Klägerinnen, abzuverlangen, nicht ohne Zustimmung der Klägerin zu 1) als ausschließliche Lizenznehmerin des europäischen Patents 0 430 XXX die Sonden, Kits und Hybridizer für das in Ziffer 1 beschriebene Verfahren zu benutzen.

hilfsweise
b) im Falle der Lieferung ihren Abnehmern die schriftliche Verpflichtung abzuverlangen, nicht ohne Zustimmung der Klägerin zu 1) als ausschließliche Lizenznehmerin des europäischen Patents EP 0 430 XXX die Sonden, Kits und Hybridizer für das in Ziffer 1 beschriebene Verfahren zu benutzen,

hilfsweise
c) im Falle der Lieferung ihre Abnehmer ausdrücklich und unübersehbar darauf hinzuweisen, dass die Sonden, Kits und/oder Hybridizer nicht ohne Zustimmung der Klägerin zu 1) als ausschließlicher Lizenznehmerin des europäischen Patents EP 0 430 XXX zur Benutzung des in Ziffer 1 beschriebenen Verfahrens benutzt werden dürfen.

2. den Klägerinnen darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagten) die zu I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 1.10.2001 begangen haben, und zwar unter Angabe

a. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, –zeiten und –preisen (inklusive der Angabe von gewährten Natural- sowie Geldrabatten), den Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
b. des Bezugspreises der jeweiligen Lieferanten,
c. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
d. des aktuellen Bestands an den in Ziffer I. 1 bezeichneten Mitteln,
e. der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
f. der Art und des Umfangs der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, des Verbreitungszeitraums und des Verbreitungsgebiets,

II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, den Klägerinnen allen Schaden zu ersetzen, der ihnen durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 1.10.2001 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagte zu 1) beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des Bundespatentgerichts über die Nichtigkeitsklage 3 Ni 78/06 auszusetzen.

Die Beklagte zu 2) beantragt,
das Verfahren bis zur Entscheidung des von der Beklagten zu 2) angerufenen Tribunale di Milano (Az.: RG 22239/05 und RG 23801/05) über seine Zuständigkeit im Verfahren gegen die hiesigen Klägerinnen auszusetzen,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des Bundespatentgerichts über die Nichtigkeitsklage 3 Ni 78/06 auszusetzen.

Die Beklagte zu 2) rügt die mangelnde internationale und örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf. Sie ist darüber hinaus der Ansicht, der Rechtsstreit sei wegen der in Italien rechtshängigen Feststellungsklage auszusetzen, da die Klagen in Italien den hiesigen Klägerinnen zugestellt worden seien, bevor ihr – der Beklagten zu 2) – die hiesige Verletzungsklage zugestellt worden sei.
Beide Beklagten stellen eine Patentverletzung in Abrede. Die angegriffenen Sonden verfügten nicht über die nach dem Klagepatent erforderliche Komplexität, wie die von ihr durchgeführte Untersuchung der Sonde mit der Bezeichnung V gemäß Anlage B 4 zeige. Die Untersuchungen der Klägerinnen seien bereits deshalb unbeachtlich, weil die dortigen Daten – insoweit unstreitig – nicht nach der im Klagepatent genannten Methode von W et. al. gewonnen worden sind. Die Ermittlung der Komplexität anhand dieser Methode werde seitens des Klagepatents jedoch zwingend vorgeschrieben. Darüber hinaus stelle das Klagepatent nur ein Nachweisverfahren unter Schutz, bei dem sogenannte Fused-Signale Verwendung finden. Die angegriffenen Sonden arbeiteten demgegenüber – insoweit ebenfalls unstreitig – mit einem T-Signal. Überdies seien die angegriffenen Sonden nicht im Sinne des Klagepatents im Wesentlichen komplementär zu den Nukleinsäuresequenzen der Ziel-DNA.
Das von den Klägerinnen geforderte Schlechthinverbot scheide aus, da die angegriffenen Sonden – insoweit unstreitig – auch für den Nachweis in Metaphasenzellen dienen. Weder bei den angegriffenen Kits noch bei den angegriffenen Hybridizern handele es sich im übrigen um Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen würden.
Die Beklagten sind schließlich der Ansicht, das Klagepatent werde sich als nicht rechtsbeständig erweisen. Der Patentanspruch sei unzulässig erweitert worden; er sei zudem weder neu noch erfinderisch. Die Erfindung sei ferner nicht in ausreichender Weise offenbart.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens entsprechend dem Beweisbeschluss vom 15.02.2006 (GA II, Bl. 288 ff.). Hinsichtlich des Ergebnisses dieser Beweiserhebung wird auf das schriftliche Gutachten von Prof. Dr. X vom 21.06.2007 (GA II, Bl. 349 ff.) sowie auf die Niederschrift der Sitzung vom 30.10.2008 (GA II, Bl. 442 ff.) verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Mit dem Angebot und dem Vertrieb der genannten Sonden, Kits und Hybridizer machen die Beklagten widerrechtlich mittelbar von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Sie sind den Klägerinnen deshalb zur Unterlassung, Auskunft sowie Rechnungslegung und zum Schadensersatz verpflichtet, allerdings nicht im Sinne eines Schlechthinverbots, sondern nur in der zugesprochenen eingeschränkten Weise. Unbegründet ist die Klage zudem insoweit, als die Klägerinnen von den Beklagten eine Rechnungslegung ohne Wirtschaftsprüfervorbehalt begehren. Veranlassung den Rechtsstreit auszusetzen besteht nicht.

I.
Das Landgericht Düsseldorf ist international und örtlich zuständig. Die Zuständigkeit ergibt sich aus Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ, welches im Verhältnis zwischen Deutschland und Dänemark noch Anwendung findet, sowie aus § 32 ZPO.

Die Beklagte zu 2) unterhält unstreitig mit der Beklagten zu 1) eine in Hamburg ansässige Vertriebsgesellschaft, über welche die angegriffenen Sonden, Kits und Hybridizer in Deutschland ausgeliefert werden. Indem die Beklagte zu 1) mit den von der Beklagten zu 2) zur Verfügung gestellten Produkten solche Lieferungen vornimmt, ist die Beklagte zu 2) Mittäterin gemäß § 830 BGB in Bezug auf die von der Beklagten zu 1) bundesweit vorgenommenen Vertriebshandlungen. Angesichts dessen ist das Vorbringen der Beklagten zu 2), sie beliefere Kunden in Deutschland nicht direkt, sondern verweise sie auf ihrer Internetseite stets an die nationalen Tochtergesellschaften, ohne Belang. Auch für sie als Mittäterin ist, genauso wie für die Beklagte zu 1), in ganz Deutschland der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gegeben.

II.
Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zum Färben von Chromosomen mit Zusammensetzungen von Nucleinsäuresonden, um normale Chromosomen und Chromosomenanomalien in Interphasezellkernen zu identifizieren.

Wie das Klagepatent einleitend ausführt, stehen Chromosomenanomalien mit genetischen Störungen, degenerativen Erkrankungen und der Einwirkung von Mitteln, von denen bekannt ist, dass sie degenerative Erkrankungen bewirken, im Zusammenhang. Chromosomenanomalien können unterschiedlichen Typs sein. Es kann sich sowohl um zusätzliche oder fehlende einzelne Chromosomen oder Chromosomenteile, Brüche und Ringe als auch um Chromosomenumordnungen handeln. Eine Art einer chromosomalen oder genetische Umordnungen ist die Translokation, die als Übertragung eines Stücks von einem Chromosom auf ein anderes Chromosom verstanden wird. Repräsentativ nennt das Klagepatent eine Translokation, die ein Fusionsgen BCR-ABL (sog. Philadelphia-Chromsomen) liefert, das diagnostisch für chronisch-myeloische Leukämie ist.

Im Stand der Technik sind zum Nachweis von Chromosomenanomalien, insbesondere auch einer Translokation, mehrere auf chemische Färbung beruhende zytologische Techniken bekannt, welche ein Längsmuster auf kondensierten Chromosomen erzeugen. Dies wird allgemein als Banden bezeichnet. Das Bandmuster eines jeden Chromosoms in einem Organismus erlaubt üblicherweise die eindeutige Identifizierung jedes Chromosomentyps. Die Chromosomenbandenanalyse funktioniert jedoch – wie das Klagepatent kritisch hervorhebt – nur mit sich teilenden Zellen (Metaphasenchromosomen) und erfordert das Kultivieren von Zellen sowie die Präparation von Metaphasespreitungen hoher Qualität. Dies ist dem Klagepatent zufolge zeit- und arbeitsaufwendig, häufig schwierig oder sogar undurchführbar. Überdies erfordere sie hochgeübte Analytiker und könne lediglich auf kondensierte Chromosomen angewendet werden. Schließlich erlaube die Bandenanalyse nicht den Nachweis struktureller Aberrationen, welche weniger als 3-15 Megabasen (MB), abhängig von der Art der Aberrationen und der Auflösung der Bandendarstellungstechnik, betreffen. Ein wirkungsvoller automatisierter Nachweis von Translokationen bei konventionell mit Banden versehenen Chromosomen sei deshalb trotz langjähriger intensiver Arbeit nicht zustande gebracht worden.

Ebenso bekannt im Stand der Technik sind Hybridisierungsverfahren. Bei der Hybridisierung werden die doppelsträngigen Nukleinsäuren der Ziel-DNA aufgetrennt oder aufgeschmolzen, beispielsweise durch Erhitzen, so dass zwei einzelsträngige Nukleinsäurestränge entstehen. Kühlt die Ziel-DNA ab, versuchen deren Einzelstränge sich wieder mit den komplementären Strängen zu verbinden (rekombinieren oder reassoziieren), so dass erneut ein Doppelstrang entsteht. Letzteres wird dazu genutzt, die Ziel-DNA mit doppelsträngigen Sonden-Nukleinsäuren vor dem Auftrennen oder Aufschmelzen zu mischen, wobei Sonden als Kollektion von Nukleinsäurefragmenten definiert sind, deren Hybridisierung am Ziel nachgewiesen werden kann. Wenn das Gemisch aus Sonde und Ziel-Nukleinsäure abkühlt, rekombinieren oder reassoziieren („Annealing“) die Stränge, welche komplementäre Basen aufweisen. Ist eine Sonde mit einer Ziel-Nukleinsäure reassoziiert, kann die Lage der Sonde auf der Ziel-Nukleinsäure durch eine von der Sonde getragene Markierung nachgewiesen werden. Wenn die Ziel-Nukleinsäure in ihrer natürlichen biologischen Umgebung verbleibt, z. B. DNA in Chromosomen, wird das Hybridisierungsverfahren als in-situ-Hybridisierung (ISH) bezeichnet. Wird die Markierung der Sonde mittels eines Fluorochroms erwirkt, ist die Rede von Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH).

Die bekannten Sonden für die in-situ-Hybridisierung erachtet das Klagepatent wegen ihrer Unbrauchbarkeit für eine tiefgreifende zytologische Analyse als nachteilig. Bekannte Einzelkopie-Sonden niedriger Komplexität erzeugten beim derzeitigen Stand der Hybridisierungstechnologie keine verlässlichen Signale. Sonden für wiederholte Sequenzen (repetitive Sonden) lieferten zwar verlässliche Signale, die Signale könnten wegen der fixierten Verteilung der repetitiven Sequenzen in einem Genom jedoch nicht auf unterschiedliche Anwendungen zugeschnitten werden.

Ausgehend von diesem Stand der Technik hat es sich das Klagepatent zur Aufgabe gemacht, ein Verfahren bereitzustellen, mit welchem die Nachteile der Bandenanalyse behoben werden und die Anwendung der in-situ-Hybridisierung für die zytogene Analyse dramatisch erhöht wird.

Zur Lösung dieser Aufgabe stellt Anspruch 1 des Klagepatents in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung ein Verfahren mit folgenden Merkmalen zur Verfügung:

(1) Verfahren zum Färben von chromosomalem Ziel-Material basierend auf der Nukleinsäuresequenz.
(2) Das Verfahren
(a) dient dem Nachweis einer oder mehrerer genetischer Translokationen, die mit chromosomalen Anomalien identifiziert werden,
(b) in einer Interphasenzelle.
(3) Das Verfahren wird außerhalb des menschlichen Körpers durchgeführt.
(4) Das Verfahren umfasst folgende Schritte:
(a) in-situ-Hybridisieren eines heterogenen Gemisches zweier oder mehrerer Nukleinsäuresonden für das menschliche Genom mit der chromosomalen Ziel-DNA;
(aa) jede der Sonden weist eine Komplexität von 50 KB (50.000 Basen) bis 10 MB (10.000.000 Basen) auf;
(bb) die Sonden enthalten Nukleinsäuresequenzen, die im Wesentlichen komplementär sind zu Nukleinsäuresequenzen, die
o Bruchstellenregionen flankieren, von denen bekannt ist, dass sie mit genetischen Umordnungen assoziiert sind,
und/oder
o sich teilweise oder völlig über Bruchstellenregionen erstrecken, von denen bekannt ist, dass sie mit genetischen Umordnungen assoziiert sind;
(cc) jede Sonde ist mit einem Fluorochrom unterschiedlicher Farbe markiert;
(b) Beobachten der Nachbarschaft oder des Überlappens der durch jede Sonde gefärbten Regionen, wodurch der Nachweis einer Translokation ermöglicht wird.

Die Erfindung verwendet Nukleinsäuresonden, welche chromosomales Zielmaterial in der Nähe einer oder mehrerer vermuteter genetischer Umordnungen zuverlässig färben. Die verbesserten Fähigkeiten der erfindungsgemäßen Sonden beruhen – so das Klagepatent – auf deren höherer Komplexität. Das Erhöhen der Komplexität einer Sonde steigert die Wahrscheinlichkeit der spezifischen Hybridisierung und daher die Intensität der Hybridisierung an die Zielregion. Das erfindungsgemäße Verfahren eröffnet, wie das Klagepatent weiter angibt, die Möglichkeit des raschen und empfindlichen Nachweises genetischer Umordnung in Interphasezellen unter Verwendung von Klinik- und Labor-Standardausrüstung und einer verbesserten Analyse mit Einsatz automatisierter Technik.

III.
Die Beklagten verletzen mit den angegriffenen Sonden, Kits und Hybridizern die technische Lehre des Klagepatents mittelbar, Art. 64 Abs. 1, 3 EPÜ i. V. m. § 10 PatG.

Nach § 10 PatG ist es jedem Dritten verboten, ohne Zustimmung des Patentinhabers im Geltungsbereich des Gesetzes anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es aufgrund der Umstände offensichtlich ist, dass diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.

1)
Die angegriffenen Sonden sind Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen. Sie sind – wie zur Überzeugung der Kammer nach Durchführung der Beweisaufnahme feststeht – zudem objektiv dazu geeignet, sämtliche Merkmale des klagepatentgemäßen Verfahrens zu verwirklichen.

a)
Ein Mittel bezieht sich auf ein Element der Erfindung, wenn es geeignet ist, mit einem solchen bei der Verwirklichung des geschützten Erfindungsgedankens funktional zusammenzuwirken. Wesentlich ist ein Element der Erfindung regelmäßig bereits dann, wenn es – wie vorliegend – Bestandteil des Patentanspruchs ist (BGH, GRUR 2004, 758 – Flügelradzähler).

b)
Mit den angegriffenen Sonden kann, wie zwischen den Parteien zu Recht außer Streit steht, ein Verfahren entsprechend den Merkmalen 1 bis 4 a) des Anspruchs 1 in der aufrechterhaltenen Fassung durchgeführt werden. Die angegriffenen Sonden kommen bei einem Verfahren zum Färben chromosomalem Zielmaterials basierend auf Nukleinsäuresequenzen zum Einsatz und dienen dem Nachweis einer oder mehrerer genetischer Translokationen, die mit chromosomalen Anomalien identifiziert werden. Der Nachweis kann in einer Interphasenzelle geführt werden. Das Verfahren, bei dem eine in-situ-Hybridisierung eines heterogenen Gemisches zweier oder mehrerer Nukleinsäuresonden für das menschliche Genom mit der chromosomalen Ziel-DNA erfolgt, wird außerhalb des menschlichen Körpers durchgeführt.

c)
Darüber hinausgehend handelt es sich bei den angegriffenen Sonden um solche, mit denen wortsinngemäß auch die Verfahrensmerkmale 4 a) aa) bis 4 b) des Anspruchs 1 verwirklichen werden können.

aa)
Die angegriffenen Sonden weisen zunächst die von Merkmal 4 a) aa) geforderte Komplexität von 50.000 bis 10.000.000 Basen auf.

aaa)
Der Fachmann – ein Absolvent eines naturwissenschaftlichen (Chemie, Biochemie, Biologie, Bioinformatik, Genetik, Biotechnologie etc.) oder medizinischen Studiums, der zudem mehrjährige berufliche Erfahrung auf dem Gebiet der Cytogenetik oder der Molekulargenetik oder der Bioinformatik oder der allgemeinen Genetik hat und sich speziell mit Neuerungen sowie Entwicklungen auf dem Gebiet der in-situ-Hybridisierung beschäftigt – versteht Komplexität im Sinne des Klagepatents als Maß für die Spezifität einer Sonde. Wie er insbesondere der Seite 24 der deutschen Übersetzung des Klagepatents (Anlage K 2) entnehmen kann, bezeichnet Komplexität die Anzahl der Basen einer Sonde, deren Sequenzabfolge im menschlichen Genom nicht wiederholt vorkommt, also nicht repetitiv ist, und somit spezifisch für die Zielsequenz ist.

Die im Anspruch 1 ausdrücklich benannte Komplexitätshöhe erfindungsgemäßer Sonden, 50.000 bis 10.000.000 Basen, dient in Abgrenzung zum Stand der Technik sowie unter Berücksichtigung der Aufgabenstellung der Erfindung erkennbar dem Zweck, die Wahrscheinlichkeit und die Intensität der Hybridisierung der Sonde an die Zielregion zu steigern. Die geforderte hohe Komplexität ist das Mittel, um die Hybridisierungsverlässlichkeit und den Einsatzbereich der Sonden zu optimieren, wie insbesondere die Erläuterungen auf Seite 7, 3. und 4. Absatz, Seite 13, 6. Absatz und Seite 15, 2. Absatz der deutschen Übersetzung des Klagepatents (Anlage K 2) erhellen. Dies hat auch die Sachverständige Prof. Dr. X, deren Ausführungen keine Zweifel hervorgerufen haben, bestätigt.

Die beanspruchte Komplexität ist – wovon auch die Parteien im Ansatz übereinstimmend ausgehen – prinzipiell dadurch zu ermitteln, dass von der Gesamtzahl der vorhandenen Basen, aus denen eine Sonde besteht, diejenigen Basen abgezogen werden, die eine Wiederholung einer bereits vorhandenen Basensequenz darstellen. Jede Sonde des Gemischs hat anspruchsgemäß mindestens 50.000 KB Basen zu umfassen, die einzigartig sind, weil sie in der betrachteten Sonde nicht nochmals vorkommen. Hierbei ist – wie das zum besseren Verständnis nachfolgend eingeblendete (vereinfachte) Beispiel zeigt – von Bedeutung, wie die Wiederholungsrate zu bestimmen ist.

Zur Ermittlung der Wiederholungsrate innerhalb einer Nukleinsäuresequenz kann der Fachmann grundsätzlich auf die im Klagepatent genannte Methode, die von W et al. in „Methods of Enzymologie“, 29, 363 (1974) (Anlage B 2) aufgestellt wurde, zurückgreifen. Der Verweis auf diese Methode zur Komplexitätsbestimmung im Klagepatent (Anlage K 2, S. 25, 1. Absatz) ist jedoch, wie auch die Sachverständige Prof. Dr. X eingehend, nachvollziehbar und ohne jeden Widerspruch erläutert hat, nicht im Sinne einer strikten Festlegung auf genau die dort offenbarte indirekte Messmethode der Reassoziationskinetik zu begreifen. Es handelt sich bei der Benennung dieser Methode im Klagepatent vielmehr nur um die Angabe einer möglichen Bestimmungsmethode.
Dies folgt zum einen aus dem Umstand, dass die Klagepatentschrift selbst am angegebenen Ort „zur weiteren Erklärung und beispielhaften Darstellung der Nukleinsäuresequenz-Komplexität“ auf ein weiteres Werk, nämlich „Cantor und Schimmel, Biosphysical Chemistry, Part III: The Behavior of biological Macromolecules, S. 1228 – 1230“, verweist. Es wird mithin ausdrücklich eine Alternative zu der Bestimmungsmethode von W et al. genannt. Zum anderen – und dies ist von besonderem Interesse – ist zu berücksichtigen, dass im Prioritätszeitpunkt, dem 1.12.1989, ausschließlich indirekte Methoden zur Komplexitätsbestimmung verfügbar waren, die wie W et al. darauf abstellen, wie lange die zuvor getrennten DNA-Stränge benötigen, um sich zu reassoziieren. Im Zuge der in späteren Jahren erfolgten Aufdeckung insbesondere des menschlichen Genoms („Human Genome Project“) wurden sodann direkte Bestimmungsmethoden entwickelt, welche heute absolut gebräuchlich sind. Die direkten Methoden zur Bestimmung der Komplexität beruhen auf einer computergestützten Analyse von Sequenzen, wobei erforderlich ist, dass die Sequenz der zu untersuchenden Nukleinsäure bekannt ist. Im Rahmen der Analyse werden die Abschnitte mit sich wiederholenden Nukleinsäuresequenzen von der Gesamtlänge der Nukleinsäuresequenz subtrahiert, wodurch sich die Länge der Abschnitte mit sich nicht wiederholenden Sequenzen in Basenpaaren, mithin die Komplexität der Sequenz, ergibt. Derartige direkte computergestützte Analysen bieten ein hohes Maß an Zuverlässigkeit und Genauigkeit. Das heute weltweit am meisten eingesetzte Computerprogramm zur Berechnung der Komplexität ist „RepeatMasker“. Dieses bietet, wie die Sachverständige Prof. Dr. X ebenso überzeugend bekundet hat, im Vergleich zu einer indirekten Bestimmungsmethode der Reassoziationskinetik verlässlichere und exaktere Ergebnisse. Angesichts dessen und des Umstandes, dass gerade die von W et al. vorgeschlagene Messmethode – wie die Sachverständige Prof. Dr. X weiterhin nachvollziehbar dargestellt hat – infolge der bei der Messung genau gleich einzuhaltenden Komponenten (Salzkonzentration, Temperatur, Fragmentgröße und DNA-Konzentration) eine höhere Fehleranfälligkeit aufweist, gibt es für den Fachmann keine Veranlassung, zur Komplexitätsbestimmung nicht die neueren computergestützten Verfahren heranzuziehen. Dass bei diesen Verfahren, insbesondere dem RepeatMasker-Programm, nicht die Komplexität der Sonde, sondern die Komplexität der Zielsequenz untersucht wird, ist letztlich ohne Belang. Die Zielsequenzen sind komplementär zu den Sequenzen, die angelagert werden, mithin den Sondensequenzen.

Der Fachmann wird sich an einer Komplexitätsbestimmung mittels einer direkten Messmethode und insbesondere mittels des RepeatMasker-Programms auch nicht deshalb gehindert sehen, weil bei der direkten Messmethode andere methodische Parameter als bei der Reassoziationskinetik (nach W et al.) eine Rolle spielen. Trotz der unterschiedlichen Beurteilungsparameter tritt nämlich nicht die Situation ein, dass eine Sonde, die am Prioritätstag nach dem zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Verständnishorizont des Fachmanns (indirekte Methoden) nicht komplex ist und damit gemeinfrei wäre, allein infolge Zeitablaufs aufgrund inzwischen gewandelter Ansichten zu den der Komplexitätsbetrachtung zugrunde zu legenden Beurteilungsparametern (direkte Methoden) als patentverletzend anzusehen wäre.
Die Sachverständige Prof. Dr. X hat erläutert, dass eine Sondensequenz objektiv betrachtet nur eine Komplexität aufweist. Diese eine tatsächliche Komplexität ist unabhängig davon gegeben, ob sie anhand der Methode nach W et al. oder anhand des RepeatMasker-Programms ermittelt worden ist. Auch wenn die beiden Verfahren unterschiedliche Parameter verwenden, so ergeben sie bei ordnungsgemäßer Anwendung den selben (objektiv vorhandenen) Komplexitätswert. Soweit die Sachverständige in ihrer mündlichen Anhörung in diesem Zusammenhang zunächst angegeben hat, dass die von den Parteien vorgelegten Unterlagen zeigen würden, dass mit den verschiedenen Verfahren unterschiedliche Komplexitätswerte ermittelt würden, bezog sich diese Bekundung, wie die Sachverständige im Verlaufe ihrer Befragung klarstellte, allein auf die konkret vorgebrachten Versuchsergebnisse. Die von den Parteien konkret durchgeführten Untersuchungen kommen zu differierenden Komplexitätswerten. Das Aufzeigen der voneinander abweichenden Messergebnisse durch die Sachverständige Prof. Dr. X war jedoch nicht dahingehend zu verstehen, dass je nach angewendeter Messmethode zwingend, automatisch oder analyseimmanent andere Komplexitätswerte für ein und die selbe Sonde zu ermitteln sind. Wird eine Sonde einer Komplexitätsbestimmung unterzogen und werden die jeweiligen Verfahren ohne Fehler angewandt, ergibt sich nach den in ihrer Gesamtheit nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. X, die sich die Kammer zu eigen macht, objektiv nur ein Komplexitätswert.

bbb)
Die angegriffenen Sonden verfügen über die beanspruchte Komplexität.
Den Untersuchungsberichten von Dr. Y (Anlagen K 16, K 17, K 23 und K 28) ist für jede der angegriffenen Sonden im einzelnen eine Komplexität von mehr als 50.000 KB zu entnehmen. Die jeweiligen Komplexitätswerte wurden mit Hilfe des RepeatMasker-Programms ermittelt, was – wie soeben ausgeführt – erfindungsgemäß zur Bestimmung der Sondenkomplexität herangezogen werden kann. Eine Bestimmung der Komplexität der angegriffenen Sonden mittels der im Klagepatent ausdrücklich benannten Messmethode nach W et al. war nicht vonnöten.
Die konkreten Untersuchungen und Messergebnisse begegnen, wie sowohl das Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. X als auch das von den Klägerinnen vorgelegte Privatgutachten von Dr. Z (Anlage K 17) belegen, keinerlei Bedenken. Dr. Y hat insbesondere die empfindlichste und zuverlässigste Einstellmöglichkeit („slow“) gewählt und damit Ergebnisse von der mit dem RepeatMasker-Programm höchst möglich erzielbaren Genauigkeit hervorgebracht. Auf die Gesamtlänge bezogen ist die prozentuale Komplexität bei allen Sonden etwa 50 %. Ein Wert, der den Angaben der Sachverständigen Prof. Dr. X zufolge für menschliche Genombereiche typisch ist. Irgendeine Fehlerquelle der Untersuchungen ist nicht ersichtlich.
Die von den Beklagten vorgelegte Untersuchung der Sonde C, B A1 (Anlage B 4) entkräftet den Überzeugungsgehalt der vorgenannten Untersuchungen nicht. Sie ist nicht geeignet, einen Komplexitätswert der genannten angegriffenen Sonde von unter 50 KB zu belegen. Die Beklagten haben zwar vorgebracht, die dort dokumentierte Untersuchung entspreche der Reassoziationskinetik nach W et al., die Anlage B 4 ist jedoch nicht nachvollziehbar. Dies sieht auch die Sachverständige Prof. Dr. X so. Unklar ist bereits die Bedeutung und der Inhalt der ersten Berechnungsformel (Complex (%)), die zu dem technisch nicht verständlichen Komplexitätswert Null führt. Der für die angegriffene Sonde C, B A1 ermittelte Komplexitätswert von 6 % ist überdies ein für den menschlichen Genombereich untypischer Wert; er liegt weit unter dem typischen Bereich von 50 %. In welchem Zusammenhang der abgebildete Graph und die aufgeführten Gleichungen stehen, ist nicht nachvollziehbar. Die in die Gleichung eingesetzten Werte stimmen mit den Graphen nicht überein. Angaben zu den Parametern, die für die Berechnungsmethode nach W et al. zwingend gleichbleibend gegeben sein müssen (Salzkonzentration, Temperatur, Fragmentgröße und DNA-Konzentration), werden in der Anlage B 4 nicht näher benannt. Ob die Untersuchung tatsächlich ordnungsgemäß nach den Grundsätzen der Reassotionskinetik durchgeführt worden sind, ist folglich nicht belegt.

bb)
Mittels der angegriffenen Sonden wird eine Translokation entsprechend den Merkmalen 4 a) bb), 4 a) cc) und 4 b) nachgewiesen.
Jedes Sondengemisch enthält zwei Nukleinsäuresonden, von denen jede unstreitig mit einem Fluororchrom unterschiedlicher Farbe markiert ist. Soweit die Beklagten einen erfindungsgemäßen Translokationsnachweis mit dem Hinweis auf das unstreitig bei den angegriffenen Sonden vorhandene, oben näher beschriebene Tsignal verneinen, kann dem nicht gefolgt werden. Das Klagepatent setzt für den Nachweis einer Translokation nicht zwingend bzw. ausschließlich den Einsatz eines Fusionssignals voraus. Letzteres steht zur Überzeugung der Kammer aufgrund des Gutachtens der Sachverständigen Prof. Dr. X fest, welches in sich geschlossen, nachvollziehbar, widerspruchsfrei sowie überzeugend war und welches auch kritischen Rückfragen ohne weiteres standhielt.

Das erfindungsgemäße Verfahren zum Färben von Chromosomen mit Zusammensetzungen von Nukleinsäuresonden dient der sicheren Identifizierung einer oder mehrere genetischer Translokationen. Es macht sich zunutze, dass die von den Translokationen betroffenen Bruchstellen eines Chromosoms bereits bekannte Gene enthalten, deren Nukleinsäuresequenz aufgeklärt ist. Aufgrund dieser Kenntnis ist es möglich, Nukleinsäuresonden zu konstruieren, die im wesentlichen komplementär zu diesen Zielsequenzen sind, d.h. deren (komplementäre) Basen nach einer Hybridisierung mit den (komplementären) Basen der Zielnukleinsäuresequenz reassoziieren. Geschieht dies, kann die Lage der Sonde auf der Zielnukleinsäuresequenz durch eine von der Sonde getragene Markierung nachgewiesen werden. Es entstehen spezifische Signalmuster, die den jeweiligen Translokationen zugeordnet werden können.

Ob die erforderlichen Signalmuster durch ein Tsignal oder ein Fusionssignal angezeigt werden, ist für diese technischen Funktion ohne Belang. Bei einem Tsignal befinden sich beide farblich markierten Sonden zunächst an der Bruchstellenregion eines Chromosoms, so dass ohne Translokation ein rot/grünes bzw. gelbes Signal zu sehen ist. Dieses Ttet sich im Falle einer Translokation auf. Während die eine gefärbte Sonde an dem einen Chromosomen verbleibt, wandert die anders gefärbte Sonde an die Bruchstellenregion des anderen Chromosoms, mit dem die genetische Umordnung stattgefunden hat. Das Fusionssignal beruht auf dem entgegengesetzten Prinzip. Die anders gefärbten Sonden lagern zunächst an den Bruchstellenregionen der beiden Chromosomen an, die im Falle einer Translokation Nukleinsäuresequenzen austauschen. Ohne Translokation sind mithin getrennt voneinander ein rotes und ein grünes Signal zu erkennen. Kommt es zu einer genetischen Umordnung verbleibt das eine gefärbte Signal auf dem einen betroffenen Chromosom, während das anders gefärbte Signal zu dem einen betroffenen Chromosom wandert. Die Sonden befinden sich sodann auf ein und demselben Chromosom. Sichtbar ist ein „verschmolzenes“ Signal, d.h. ein gelbes oder ein eng beieinanderliegendes rot/grünes Signal. Zur Veranschaulichung wird nachfolgend eine bildliche Darstellung der Signalarten eingeblendet:

Auch wenn die grundsätzlichen Signalmuster im Falle einer Translokation – entweder zwei Signale oder ein verschmolzenes Signal – unterschiedlich sind, wird bei beiden Signalarten ein spezifisches Signalmuster und damit die Translokation durch die Farbmarkierung sichtbar gemacht. Der technische Zwecke der Markierung ist damit in beiden Fällen erfüllt und gewährleistet. Beide Signalarten sind – trotz etwaiger Vor- und Nachteile, die sich den Angaben der Sachverständigen Prof. Dr. X zufolge für beide Signale finden lassen – funktionsgerecht.

Dementsprechend differenziert das Merkmal 4 a) bb) auch zwischen Sonden mit Nukleinsäuresequenzen, die Bruchstellenregionen flankieren, von denen bekannt ist, dass sie mit genetischen Umordnungen assoziiert sind, und/oder solchen, die sich teilweise oder völlig über Bruchstellenregionen erstrecken, von denen gleiches bekannt ist. Das erste („flankieren“) versteht der Fachmann, wie die Sachverständige erläutert hat, als Hinweis auf den möglichen Einsatz eines Tsignals, das zweite („erstrecken über“) als Hinweis auf ein Fusionssignal.

In Übereinstimmung damit heißt es in der Beschreibung des Klagepatents, die der Fachmann bei der Auslegung des Anspruchs heranzieht, dass „die Leichtigkeit der Erkennung spezifischer Translokationsbruchstellen (..) durch Verwendung eines Reagenz, das auf die Nähe der Bruchregion zielt, verbessert werden (kann). Beispielsweise kann eine erfindungsgemäße Sonde hoher Komplexität verwendet werden, die Sequenzen umfasst, welche an beiden Seiten des Bruchs auf einem Chromosom hybridisieren. Der Anteil der Sonde, welcher an eine Seite des Bruches bindet, kann auf unterschiedliche Weise nachgewiesen werden als der Anteil, welcher an die andere Seite bindet, beispielsweise mit unterschiedlichen Farben. Bei einem solchen Muster würde ein normales Chromosom die verschieden gefärbten Hybridisierungsregionen nebeneinander liegend aufweisen, und solche Banden würden nahe beieinander erscheinen. Ein Bruch würde zu diesen Sonden auf unterschiedliche Chromosomen separieren oder zu chromosomalen Fragmenten führen, und diese könnten im Durchschnitt viel weiter entfernt individualisiert werden“ (Anlage K 2, Seite 63, 2. Absatz). Als beispielhaft erwähnt ist demnach ein Tsignal. In die selbe Richtung deutet es, wenn in der Beschreibung zudem ausgeführt wird, dass „die Erfindung (..) Nukleinsäuresonden (verwendet), welche chromosomales Ziel-Material in der Nähe einer oder mehrerer vermuteter genetischer Umordnungen zuverlässig färben kann“ (Anlage K 2, S. 11, 4. Absatz).

Eine weitere Stütze für das Verständnis, dass auch die Verwendung von Tsignalen erfindungsgemäß ist, erhält der Fachmann, wenn er die Figur 11 D betrachtet. Die Figur 11 veranschaulicht gemäß den Erläuterungen der Klagepatentschrift einige typische Sondenstrategien für den Nachweis struktureller Aberrationen und zeigt brauchbare Muster für den Nachweis einiger Anomalien auf (Anlage K 2, S. 20, 5. Absatz); sie ist mithin zur Auslegung des in Rede stehenden Anspruchs heranzuziehen. Die Variation D zeigt, worauf auch die Sachverständige Prof. Dr. X zutreffend hingewiesen hat, zwei aus verschieden gefärbten Komponenten bestehende Tsignale für die beiden von einer Translokation betroffenen Chromosomen. In der Ausgangslage sind vier „verschmolzene“ (gelbe) Signale zu sehen. Im Falle einer Translokation bleibt es zwar bei der Anzahl der zu erkennenden Signale (vier). Diese sind dann jedoch als einzelne gelbe, rote und grüne Signale auszumachen.

Angesichts dessen misst der Fachmann, wie die Sachverständige Prof. Dr. X gleichfalls erläutert hat, der Verwendung des Plurals im Anspruchswortlaut („Bruchstellenregionen“) keine reduzierende Wirkung bei. Dies auch deshalb nicht, weil das erfindungsgemäße Verfahren anspruchsgemäß dazu vorgesehen ist, eine oder mehrere Translokationen nachzuweisen (Merkmal 2a), und zu diesem Zweck ein Gemisch von zwei oder mehreren Nukleinsäuresonden zum Einsatz kommt (Merkmal 4a). Das Sondengemisch kann folglich nicht nur eine Bruchstelle, sondern gleichzeitig mehrere Translokationen aufdecken. Der verwendete Plural trägt insofern der Tatsache Rechnung, dass es sich dann nicht nur um eine Bruchstellenregion handelt, sondern mehrere Bruchstellenregionen zum Nachweis anstehen.

Schließlich wird der Fachmann auch aus dem Erfordernis „Beobachten der Nachbarschaft ….“ nicht zu dem von den Beklagten vertretenen Verständnis gelangen. Die genannte Anforderung dient dem Zweck, wie der Anspruch selbst zu erkennen gibt (“… wodurch der Nachweis der Translokation ermöglicht wird“), die Translokation nachzuweisen. Aus dem Beobachtungsergebnis, welches positiv oder negativ sein kann, werden die Schlüsse auf das Vorliegen einer Translokation gezogen. Merkmal 4 b) bestimmt somit nur das Nachweismittel (Beobachten der Nähe eingefärbter Regionen auf dem Chromosom) und das Nachweisziel (Vorhandensein einer Translokation – Ja oder Nein?). Es setzt hingegen nicht voraus, dass nur aus einer beobachteten Nähe der Farbsignale auf das Vorhandensein einer Translokation geschlossen werden kann. Der Nachweis einer Translokation durch Beobachten der Nähe der eingefärbten Region wird in gleichem Maß vorgenommen, wenn aus der beobachteten Nachbarschaft der Farbsignale auf das Vorliegen – oder auf das Nichtvorliegen – einer Translokation geschlossen wird.

cc)
Die angegriffenen Sonden enthalten schließlich Nukleinsäuresequenzen, die im Wesentlichen komplementär sind zu den Nukleinsäuresequenzen, welche die Bruchstellenregionen flankieren und/oder sich teilweise oder völlig darüber erstrecken (Merkmal 4 a) bb)).

Das Klagepatent verlangt, wie ein Blick auf den in Merkmal 4 a) angesprochenen Hybridisierungsschritt ergibt, eine Komplementarität, die eine zuverlässige Bindung der farblich markierten Sonde an die zu markierende Bruchstellenregion erlaubt. Exakt in diesem Sinne erläutert auch der Beschreibungstext auf Seite 31 der deutschen Übersetzung (Anlage K 2) die „im Wesentlichen“ gegebene Komplexität:
„Wesentliche Anteile“ bedeutet bezogen auf die Basensequenzen der Nukleinsäurefragmente, die zur chromosomalen DNA komplementär sind, dass die Komplementarität extensiv genug ist, damit die Fragmente unter den angewandten Hybridisierungsbedingungen stabile Hybride mit der chromosomalen DNA bilden. Insbesondere umfasst der Begriff die Situation, dass die Nukleinsäurefragmente des heterogenen Gemisches einige Sequenzregionen besitzen, die zum chromosomalen Ziel-Material nicht vollkommen komplementär sind“.

Folglich ist weder eine Komplementarität von 100 % noch – wie auch die Sachverständige Prof. Dr. X überzeugend ausgeführt hat – eine (bestimmte) Aussage über die Quantität der Nukleinsäuresequenzen getroffen, die komplementär sein müssen, um eine spezifische Bindung an bestimmte Nukleinsäuresequenzen zu gewährleisten. Entscheidend ist allein, dass die Sonde – deren repetitive Sequenzen, welche sowohl in Ziel- wie auch Nicht-Ziel-Nukleinsäuresequenzen vorhanden sind, durch bekannte Verfahren blockiert werden können – so spezifisch auf die Zielchromosomen – DNA konstruiert wird, dass ein optimales Ergebnis erzielt wird, nämlich eindeutige und stabile Hybridisierungssignale.

Die angegriffenen Sonden weisen eine dementsprechende Komplementarität auf. Sie sind zur humanmedizinischen Diagnostik vorgesehen und liefern, wie die Sachverständige Prof. Dr. X angegeben hat, eine gesicherte Anbindung an die vorgesehenen Nukleinsäureabschnitte.

2)
Die angegriffenen Kits und die angegriffenen Hybridizer sind ebenfalls Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen und objektiv dazu geeignet sind, sämtliche Merkmale des klagepatentgemäßen Verfahrens zu verwirklichen.

Auch wenn weder Kits noch Hybridizer im Anspruch selbst Erwähnung finden, sind sie im Sinne der oben genannten Rechtsprechung als wesentliches Element der Erfindung zu qualifizieren (BGH, Mitt. 2004, 358 – Flügelradzähler). Sie sind nämlich geeignet, mit einem Element der Erfindung, das Gegenstand des Patentanspruchs (und damit allein dadurch als wesentlich ausgewiesen) ist, bei der Verwirklichung des patentierten Erfindungsgedankens funktional zusammenzuwirken. Dadurch ist ein hinreichender Bezug zu einem wesentlichen Element der Erfindung gegeben.
Wie auch die Sachverständige Prof. Dr. X angegeben hat, enthalten die angegriffenen Kits (Anlage K 12), alle Reagenzien, wie sie für die Fluroeszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) notwendig sind. Die angegriffenen Hybridizer (Anlage K 13) erlauben eine Automatisierung der Denaturierung sowie eine Standardisierung der (FISH) – Verfahren. Da Anspruch 1 des Klagepatents die in-situ-Hybridisierung (ISH) der Nukleinsäuresonden mit der chromosomalen Ziel-DNA ausdrücklich als notwendigen und wichtigen Verfahrensschritt der Erfindung (Merkmal 4 a)) erwähnt und die angegriffenen Kits und Hybridizer eben die Ausführung dieses (bedeutsamen) Verfahrensschrittes ermöglichen, beziehen sie sich damit zwangsläufig auf ein wesentliches Element der Erfindung. Dem steht nicht entgegen, dass ihr Einsatz nicht auf den Bereich der FISH-Verfahren beschränkt ist, sondern z. B. bzgl. des Hybridizers gleichermaßen das Gebiet der CISH-Technik umfasst. Der angegriffene Hybridizer hat ungeachtet dessen ein ganz spezifisches Einsatzfeld. Mit ihm kann nicht jede beliebige Hybridisierung, die auf den unterschiedlichen Feldern der Genetik erforderlich werden kann, durchgeführt werden.

Hinsichtlich der objektiven Eignung, im Zusammenwirken mit den angegriffenen Sonden das erfindungsgemäße Verfahren zu verwirklichen, kann sinngemäß auf die Ausführungen unter 1) verwiesen werden.

3)
Die subjektiven Voraussetzungen einer mittelbaren Patentverletzung sind gegeben.
§ 10 Abs. 1 PatG setzt in subjektiver Hinsicht voraus, dass der Dritte weiß oder es aufgrund der Umstände offensichtlich ist, dass die angebotenen und/oder gelieferten Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der geschützten Erfindung verwendet zu werden. Offensichtlichkeit ist dabei anzunehmen, wenn im Zeitpunkt des Angebots oder der Lieferung nach den gesamten Umständen des Falles die drohende Verletzung des Ausschließlichkeitsrechts aus der objektivierten Sicht des Dritten so deutlich erkennbar ist, dass ein Angebot oder eine Lieferung unter diesen objektiven Umständen der wissentlichen Patentgefährdung gleichzustellen ist (BGH, GRUR 2007, 679 – Haubenstretchautomat; OLG Düsseldorf, InstGE 9, 66 – Trägerbahnöse). Verlangt ist ein hohes Maß an Voraussehbarkeit der Bestimmung der Mittel zur unmittelbar patentverletzenden Verwendung seitens der Angebotsempfänger oder Abnehmer der Mittel (BGH, GRUR 2001, 228 – Luftheizgerät; BGH, GRUR 2005, 848 – Antriebsscheibenaufzug).

Dies zugrundegelegt ist vorliegend eine Offensichtlichkeit anzunehmen. Mit Blick auf die angegriffenen Sonden ist festzuhalten, dass das Einsatzgebiet (Nachweis der Translokation) und die Verfahrensführung (FISH = fluorescence in situ hybridization) in den Angebotsunterlagen der Beklagten ausdrücklich hervorgehoben werden, ebenso, dass der Nachweis außerhalb der Zellteilung in der Interphase durchgeführt werden kann (so insbesondere Anlage K 15, S. 3, 5). Das Wissen der Beklagten um die Verwendung der angegriffenen Kits für das patentgemäße Verfahren ergibt sich aus dem in den Werbeunterlagen (Anlage K 12) aufgenommenen Hinweis auf Seite 2: „Optimized for performing FISH on cytology samples with DakoCytomation probes“. Zu diesen „probes“ gehören speziell die angegriffenen Sonden zum besonders vorteilhaften Nachweis von Translokationen in Interphasenzellen, wie er dem Interessenten im Zusammenhang mit den angegriffenen Sonden in den diese betreffenden Verlautbarungen der Beklagten erläutert ist. Für die Offensichtlichkeit bezüglich der angegriffenen Hybridizer spricht schließlich der Hinweis auf Seite 2 der diese betreffenden Werbebroschüre Anlage K 13. Dort heißt es: „The system is easy to program for a wide range of probes and protocols and optimized for DakoCytomation DANN and PNA probes for FISH or CISH“. Zu den in Bezug genommenen „probes“ gehören auch und insbesondere die angegriffenen Sonden.

IV.
Aus der festgestellten Schutzrechtsverletzung ergeben sich die zuerkannten Klageansprüche wie folgt:

1)
Die Beklagten sind den Klägerinnen gem. Art. 64 EPÜ, §§ 139 Abs. 1, 10 PatG im tenorierten Umfang zur Unterlassung ihrer Angebots- und Vertriebshandlungen verpflichtet.
Das von den Klägerinnen mit Hauptantrag I. 1 begehrte generelle und umfassende Vertriebsverbot („Schlechthinverbot“) ist allerdings nicht auszusprechen. Vielmehr ist lediglich eine eingeschränkte Verurteilung mit einem schriftlichen Warnhinweis (BGH, GRUR 2004, 758 – Flügelradzähler) angezeigt. Die angegriffenen Sonden können unstreitig nicht nur für den Nachweis in Interphasenzellen, sondern gleichermaßen für die Metaphasenzellen eingesetzt werden. Es besteht mithin die wirtschaftlich und technisch sinnvolle Möglichkeit einer patentfreien Nutzung. Gemeinfrei verwendbar ist ebenso das angegriffene Kit. Dieses weist unstreitig keinen speziellen Bezug zum patentgeschützten Verfahren auf, sondern ist prinzipiell in gleicher Weise auch bei der Durchführung eines FISH-Verfahrens außerhalb der Merkmale des Klagepatents (z. B. in der Metaphase oder unter nicht anspruchsgemäßen Hybridisierungsbedingungen mit Sonden geringerer Komplexität) einsetzbar. Gleiches gilt für den angegriffenen Hybridizer.
Im Rahmen der eingeschränkten Verurteilung war den Beklagten sowohl für den Fall des Anbietens (erster Hilfsantrag I.1. a)) als auch des Lieferns (zweiter Hilfsantrag I. 1. b)) eine Hinweispflicht aufzuerlegen. Soweit die Klägerinnen einen Warnhinweis dahingehend begehrten, dass die Beklagten „ausdrücklich und unübersehbar“ auf die patentverletzende Benutzung hinweisen müssen, genügt dies nach der Rechtsprechung des BGH nicht dem Bestimmtheitserfordernis (BGH, GRUR 2007, 679 – Haubenstretchautomat). Dementsprechend hat die Kammer den Hilfsantrag der Klägerinnen entsprechend konkretisiert und umschrieben (OLG Düsseldorf, I-2 U 86/06, Urteil vom 29.05.2008; OLG Düsseldorf, I-2 U 118/06, Urteil vom 29.05.2008).
Der tenorierte Warnhinweis war entsprechend dem zweiten Hilfsantrag I. 1. b) auch hinsichtlich der Lieferung der angegriffenen Sonden, Kits und Hybridizer auszusprechen. Der Warnhinweis erscheint ausreichend, um eine patentgemäße Benutzung durch die Abnehmer zu verhindern. Es bedurfte nicht der von den Klägerinnen darüber hinausgehend beantragten Auferlegung einer Verpflichtung zur Vereinbarung einer Vertragsstrafe (erster Hilfsantrag I. 1. b)). Insoweit war die Klage abzuweisen. Eine Vertragsstrafenvereinbarung kommt nur dann in Betracht, wenn anzunehmen ist, dass Abnehmer nur auf diese Weise von einer patentgemäßen Benutzung hätten abgehalten werden können, ein bloßer Hinweis auf die erforderliche Erlaubnis zur Benutzung der technischen Lehre des Klagepatents mithin nicht ausreicht, um die Abnehmer der Beklagten von einer Schutzrechtsverletzung abzuhalten. Diese Annahme begründende tatsächliche Umstände sind jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich. Dazu hätte es (des Vortrags) konkreter Anhaltspunkte dahingehend bedurft, dass die Abnehmer sich über einen Warnhinweis hinweggesetzt und die ihnen gelieferten Sonden, Kits und/oder Hybridizer patentgemäß benutzt hätten (vgl. BGH GRUR 2006, 839 – Deckenheizung; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2002, 369 – Haubenstretchautomat; LG Düsseldorf, 4b O 407/05, Urteil vom 17.04.2007 – Wasseraufbereitungsanlage).

2)
Mit Rücksicht auf die bereits vorgefallenen Angebots- und Vertriebshandlungen haften die Beklagten den Klägerinnen gemäß Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG gesamtschuldnerisch (§ 840 BGB) auf Schadenersatz. Sie haben schuldhaft gehandelt. Als Fachunternehmen hätten die Beklagten dies bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, § 276 BGB. Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Die Klägerinnen haben deshalb ein rechtliches Interesse daran, dass die Schadenersatzhaftung der Beklagten zunächst dem Grunde nach festgestellt wird (§ 256 ZPO).
Der mittelbare Verletzer hat denjenigen Schaden zu ersetzen, der dem Patentinhaber durch die unmittelbare Patentverletzung entsteht. Ausreichend für eine schlüssige Darlegung eines Schadenersatzanspruches ist es, wenn nach der Lebenserfahrung eine hinreichend Wahrscheinlichkeit einer unter Verwendung des Mittels begangenen Verletzungshandlung besteht (BGH, GRUR 2006, 839 – Deckenheizung; LG Düsseldorf, 4b O 220/06, Urteil vom 22.02.2007 – Handyspiele). Im vorliegenden Fall sprechen die von den Beklagten verfassten Werbebroschüren, Anlagen K 7 bis K 13 und K 24 bis K 27, bereits dafür, dass es unter Verwendung der von den Beklagten zur Verfügung gestellten Sonden, Kits und Hybridizer zur tatsächlichen Durchführung des patentgemäßen Verfahrens gekommen ist.

3)
Damit die Klägerinnen in die Lage versetzt werden, den ihnen zustehenden Schadenersatzanspruch beziffern zu können, schulden die Beklagten im zuerkannten Umfang Auskunft und Rechnungslegung (§ 140b PatG, §§ 242, 259 BGB). Hinsichtlich der Angebotsempfänger und der nicht gewerblichen Abnehmer ist den Beklagten ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (OLG Düsseldorf, InstGE 3, 176 – Glasscheiben-Befestiger).

V.
Eine Veranlassung den Rechtsstreit auszusetzen besteht nicht.

1)
Eine Aussetzung bis zu einer Entscheidung des Tribunale di Milano über dessen Zuständigkeit hat nicht zu erfolgen.

Die Aussetzungsregelungen in Art. 21 EuGVÜ und Art. 27 EuGVVO sollen verhindern, dass zwischen denselben Parteien über denselben Gegenstand in mehreren Mitgliedstaaten des Übereinkommens bzw. der EG-Verordnung gleichzeitig und nebeneinander Prozesse geführt werden, die gegebenenfalls zu einander widersprechenden Ergebnissen führen. Vor dem Hintergrund dieser Zielsetzung sind die besagten Vorschriften unabhängig davon anwendbar, welche Nationalität die jeweilige Klagepartei hat und welches Zuständigkeitsrecht für die Parteien anwendbar ist. Entscheidend ist allein, dass diejenigen Staaten, in denen parallele Prozesse geführt werden, zum Kreis der Mitgliedstaaten des Übereinkommens bzw. der EG-Verordnung zählen (EuGH, Slg 1991, I – 00317; Zöller, ZPO, 26. Aufl., Art. 27 EuGVVO, Rn. 10). Dass die Klägerinnen des hiesigen Verletzungsprozesses US-amerikanische Gesellschaften sind, ist mithin genauso ohne Belang wie die Tatsache, dass im hiesigen Verfahren im Hinblick auf die in Dänemark ansässige Beklagte zu 2) das Zuständigkeitsrecht des EuGVÜ und nicht das der EG-Verordnung heranzuziehen ist. Da es – wie dargelegt – einzig auf den Ort der Rechtsstreitigkeiten über denselben Anspruch zwischen denselben Parteien ankommt, entscheidet sich auch die Frage, ob für die Verfahrensaussetzung das EuGVÜ oder die EuGVVO anzuwenden ist, nicht nach der Nationalität der beteiligten Parteien oder nach dem Zuständigkeitsregime, sondern ausschließlich danach, ob in denjenigen Staaten, vor deren Gerichten die parallelen Streitigkeiten ausgetragen werden, die EuGVVO in Kraft ist oder noch das EuGVÜ gilt. Da vorliegend deutsche und italienische Gerichte befasst sind und im Verhältnis zwischen Deutschland und Italien die EuGVVO in Kraft getreten ist, sind die Bestimmungen des EuGVVO anzuwenden.
Art. 30 EuGVVO besagt, dass es für den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit – ungeachtet abweichender nationaler Regelungen – für die Zwecke der Verordnung auf den Eingang des verfahrenseinleitenden Schriftstücks bei Gericht ankommt. Insoweit gebührt der hiesigen Verletzungsklage der zeitliche Vorrang vor der negativen Feststellungsklage vor dem italienischen Gericht. Die Klageschrift der hiesigen Verletzungsklage wurde am 21.12.2004 eingereicht, während die Klageschriften der in Italien anhängigen negativen Feststellungsklage erst vom 23. bzw. 25.03.2005 datieren.

2)
Im Hinblick auf die gegen das Klagepatent eingelegte Nichtigkeitsklage, 3 Ni 78/06, (Anlage B 21) besteht ebenfalls keine Veranlassung zur Aussetzung gemäß § 148 ZPO.

Nach der Auffassung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung, BlPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die das Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe) und der Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug) teilen, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung der Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, da dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine dem Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist (§ 58 Abs. 1 PatG). Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen.

Die Aussetzung kommt danach in Betracht, wenn entweder das prozessuale Verhalten der Klägerin eindeutig ihre Interessen hinter die der Beklagten zurücktreten lässt und/oder mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents zu erwarten ist. Letzteres wiederum kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der dem Klagepatent am nächsten kommende Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren oder in einem erfolglos durchgeführten Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren bereits berücksichtigt worden ist oder wenn neuer Stand der Technik lediglich belegen soll, dass das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sich jedoch auch für eine Bejahung der Erfindungshöhe, die von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen.

Unter Berücksichtigung der vorstehend dargelegten Grundsätze kommt eine Aussetzung nicht in Betracht.

Soweit zur Begründung der Nichtigkeit die Druckschriften Lichter et al. (Anlage D 1 zur Nichtigkeitsklage), Cremer et al. (Anlage D 5 zur Nichtigkeitsklage), Nederlof et al. (Anlage D 6 zur Nichtigkeitsklage), Cremer et al. (Anlage D 7 zur Nichtigkeitsklage) und Pinkel et al. (Anlage D 9 zur Nichtigkeitsklage) herangezogen werden, ist zu berücksichtigen, dass diese fünf Druckschriften, die zum Teil (Anlagen D 1, D 6, D 7 zur Nichtigkeitsklage) als neuheitsschädlich und zum Teil als der Erfindungshöhe entgegenstehend angesehen werden, bereits Gegenstand des Einspruchsverfahrens waren. Sie – und damit insbesondere auch der nächstliegende Stand der Technik, die Anlage D 1 zur Nichtigkeitsklage – wurden in diesem Verfahren bereits gewürdigt. Unter Berücksichtigung dieser Druckschriften kam die Einspruchsabteilung (gleichwohl) allein zu der dem hiesigen Urteil zu entnehmenden Einschränkung des Anspruchs 1. Dass die Sichtweise der Einspruchsabteilung schlechthin unvertretbar ist, ist nicht zu erkennen.

Die noch nicht geprüften, jeweils fremdsprachigen Druckschriften Hopmann et al. (Anlage D 2 zur Nichtigkeitsklage), Landegent et al. (Anlage D 3 zur Nichtigkeitsklage), Pinkel et al. (Anlage D 4 zur Nichtigkeitsklage) und Rappold et al. (Anlage D 8 zur Nichtigkeitsklage) wurden nur abschnittsweise übersetzt. Vollständige Übersetzungen in die deutsche Sprache, die die Kammer in die Lage versetzt hätten, eine eigenständige Prüfung vorzunehmen, wurden nicht vorgelegt.
In der Nichtigkeitsklage beschäftigt sich die Beklagte zu 2) mit den Anlagen D 2 und D 3 näher, welche jeweils in Kombination mit der Anlage D 1 zur Nichtigkeitsklage die erfinderische Tätigkeit des Klagepatents verneinen sollen. Dem kann nicht beigepflichtet werden. Die Anlage D 2 zur Nichtigkeitsklage offenbart – soweit anhand der übersetzten Abschnitte zu erkennen – zwar die Verwendung von zwei Sonden, die unterschiedliche Markierungen tragen. Es handelt sich jedoch um repetitive Sonden, die nicht die erfindungsgemäße Komplexität aufweisen, und welche zudem entweder an menschlichen oder an Mäusechromosomen binden können. Der Nachweis der Translokation ist demnach deshalb möglich, weil die Ziel-DNA von zwei verschiedenen Spezies stammen. Weshalb der Fachmann diese Druckschrift mit der D1 zur Nichtigkeitsklage kombinieren sollte, ist nicht ersichtlich. Der Anlage D 3 zur Nichtigkeitsklage ist nur der Nachweis von Trisomie in Metaphasenzellspreizungen zu entnehmen. Es ist deshalb nicht erkennbar, wieso diese Schrift in Kombination mit der D 1 zur Nichtigkeitsklage zum erfindungsgemäßen Verfahren führen soll.
Die Anlage D 5 zur Nichtigkeitsklage beschäftigt sich ebenfalls nur mit repetitiven Sonden. Für sie gilt deshalb das zur Anlage D 2 zur Nichtigkeitsklage Gesagte.
Die Erfindung ist schließlich auch deutlich und vollständig offenbart. Soweit die Beklagte zu 2) dies mit Blick auf die Begriffe der „Komplexität“ und „im wesentlichen komplementär“ in Abrede stellt, verfängt dieser Einwand nicht. Es kann sinngemäß auf die Ausführungen unter III. 1 verwiesen werden. Der Fachmann erkennt sowohl den Inhalt und die Bedeutung der einen wie auch der anderen Vorgabe.

VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709, 108 ZPO.