4b O 78/08 – Vergütungsanspruch

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1047

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 13. November 2008, Az. 4b O 78/08

I. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 1.929,70 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. Dezember 2007 zu zahlen.
II. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtstreits werden gegeneinander aufgehoben.
IV. Das Urteil ist für den Kläger vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
V. Der Streitwert wird auf EUR 3.563,34 festgesetzt.

T a t b e s t a n d

Der Beklagte, welcher unter der Bezeichnung „A“ technische Spezialtextilien anbietet und vertreibt, erhielt mit Schreiben vom 30. April 2007 (Anlage K 1) eine Abmahnung der B (nachfolgend kurz: „B“) wegen angeblicher Verletzung des europäischen Patents EP 0 956 XXX B2. Die B setzte dem Kläger eine Frist für die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung bis zum 25. Mai 2007.

Am 07. Mai 2007 kam es zu einem Telefonat zwischen den Parteien, dessen Inhalt unter anderem jedenfalls folgender war: Der Beklagte berichtete dem Kläger von dem oben erwähnten Schreiben der B und bat den Kläger um Rat, wie er – der Beklagte – sich in dieser Situation verhalten solle, und fragte den Kläger, ob er sich seines Falles annehmen könne. Der Kläger erwiderte, hierzu allein anhand der telefonischen Erläuterungen nicht in der Lage zu sein und noch Unterlagen zu benötigen. Unmittelbar im Anschluss an das vorerwähnte Telefonat versandte der Kläger die aus der Anlage K 2 näher ersichtliche e-mail, in der es unter anderem heißt: „Ich bitte um Überprüfung und die Vorgehensweise mitzuteilen“.
Am 16. Mai 2007 beauftragte der Beklagte andere Patentanwälte mit seiner Vertretung gegenüber der B, nachdem er zuvor mehrfach vergeblich versucht hatte, den Kläger telefonisch zu erreichen. Im Rahmen eines im Mai 2007 geführten Telefonats mit dem Anwalt der B erfuhr der Kläger, dass der Beklagte mit der Bearbeitung dieser Rechtsangelegenheit andere Anwälte beauftragt hatte. Am 30. Mai 2007 nahm der Kläger gegenüber dem Beklagten schriftlich Stellung zur Sach- und Rechtslage hinsichtlich der von der B geltend gemachten Ansprüche (Anlage K 3). Erstmalig mit Schreiben vom 12. September 2007 (Anlage K 4) teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass „sich der Vorgang erledigt habe“ und er – der Beklagte – sich inzwischen an einen anderen Patentanwalt gewandt habe. Daraufhin erteilte der Kläger dem Beklagten die aus der Anlage K 5 ersichtliche Rechnung vom 18. September 2007 über den mit der Klage geltend gemachten Betrag. Mit Schreiben vom 27. November 2007 forderte der Kläger den Beklagten nochmals vergeblich zur Zahlung unter Fristsetzung bis zum 11. Dezember 2007 auf.

Der Kläger meint, einen Vergütungsanspruch in Höhe von EUR 3.563,34 einschließlich der gesetzlichen Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer zu haben, da er in seiner Abrechnung zu Recht eine Geschäftsgebühr in Ansatz gebracht habe. Der Kläger behauptet, bereits anlässlich des Telefonats vom 07. Mai 2007 sei zur Sprache gekommen, dass das Patent der B ein Einspruchsverfahren über mehrere Instanzen durchlaufen habe und am 24. April 2007 mit einer Nichtigkeitsklage beim Bundespatentgericht angegriffen worden sei, und er – der Kläger – eine entsprechende, längere Zeit in Anspruch nehmende Akteneinsicht nehmen müsse, um sach- und fachgerecht beraten zu können. Der vom Beklagten erteilte Auftrag habe eine „Vertretung nach außen“ eingeschlossen. Er habe noch vor dem 25. Mai 2007 Kontakt mit dem Rechtsanwalt der B aufgenommen und diesem mitgeteilt, sich noch zu der Angelegenheit äußern zu wollen. Der Beklagte habe bereits am 13. Mai 2007 eine Unterlassungserklärung gegenüber der B abgegeben.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn EUR 3.563,34 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. seit dem 12. Dezember 2007 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, dem Kläger stehe allenfalls eine Beratungsgebühr zu, da der Kläger keinen Auftrag erhalten habe, „nach außen tätig zu werden“. Ihn habe allein interessiert, ob er den Forderungen der B Folge zu leisten habe oder nicht. Aber auch eine Beratungsgebühr schulde er letztlich nicht, weil der Kläger erst nach der von der B gesetzten Frist tätig geworden sei.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst der zugehörigen Anlagen verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet, weil der Kläger lediglich einen Zahlungsanspruch in aus dem Tenor ersichtlicher Höhe hat.

I.
Dem Grunde nach besteht ein Vergütungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten aus §§ 675, 612 Abs. 2 BGB i.V.m. § 34 RVG.

1)
Zwischen den Parteien wurde am 07. Mai 2008 jedenfalls mit Übersendung des Schreibens gemäß Anlage K 2 nebst diesem beigefügter Unterlagen ein Patentanwaltsvertrag geschlossen, der zumindest zum Gegenstand hatte, dass der Kläger den Beklagten über die weitere Vorgehensweise hinsichtlich der Abmahnung durch die B beraten sollte. Dieser Vertrag ist rechtlich als Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstleistungscharakter zu qualifizieren (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 67. Auflage 2008, § 675 Rn 19).

2)
Mangels einer ausdrücklichen Vergütungsvereinbarung der Parteien und mangels einer rechtsgültigen gesetzlichen Regelung über die Höhe der Gebühren für die außergerichtliche Tätigkeit eines Patentanwalts schuldet der Beklagte gemäß § 612 Abs. 2 BGB die übliche, d.h. angemessene Vergütung. Dabei ist das Honorar zunächst vom Kläger nach billigem Ermessen zu bestimmen (§§ 315 Abs. 1, 316 BGB), wobei die von ihm getroffene Bestimmung nur dann verbindlich ist, wenn sie tatsächlich der Billigkeit entspricht (§ 315 Abs. 3 BGB). Der Beklagte hat nicht in Abrede gestellt, dass die Orientierung des Klägers an den Bestimmungen des RVG grundsätzlich sachgerecht und billig ist, sondern hierzu lediglich die Ansicht vertreten, dass er unter Anwendung der einschlägigen Bestimmungen des RVG dem Kläger keine Vergütung schulde.

a)
Die Anwendung des RVG ergibt vorliegend, dass der Kläger lediglich die Zahlung einer Beratungsgebühr nach § 34 RVG, VV Nr. 2100 a.F. und nicht einer Geschäftsgebühr gem. VV 2300 verlangen kann.
Eine Geschäftsgebühr nach VV 2300 entsteht – wie in Vorbemerkung 2.3 Abs. 3 zur VV klargestellt – bereits durch Entgegennahme der Information, soweit sich der vom Mandanten erteilte Auftrag darauf richtet, den Rechtsanwalt mit Außenwirkung tätig werden zu lassen (Schons, in: Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl. 2006, 2300 VV Rn 6 m.w.N.; Madert, in: Gerold/Schmidt, RVG, 18. Auflage 2008, VV 2300, 2301, Rn 13). Fehlt es an einem solchen Auftrag, so ist die Einholung der Information noch nicht Tatbestandsmerkmal einer Gebühr nach Nr. 2300 VV, sondern ein solches der Ratsgebühr nach § 34 RVG (Schons, in: Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl. 2006, 2300 VV Rn 6 m.w.N.). In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass Abschnitt 3 des Teils 2 zur VV (VV 2300 ff.) die Gebühren in sonstigen Angelegenheiten, d.h. in all jenen, die sich in keine der in den anderen Abschnitten geregelten Gebührengruppen einordnen lassen, regelt; damit ist für die VV 2300 kein Raum, wenn die betreffende Angelegenheit in einem anderen Abschnitt – beispielsweise in § 34 RVG – geregelt ist (Madert, in: Gerold/Schmidt, RVG, 18. Auflage 2008, VV 2300, 2301, Rn 3 f.). Bei der demnach vorzunehmenden – im Einzelfall ggf. schwierigen – Abgrenzung der Geschäftsgebühr zur Ratsgebühr kommt es nicht darauf an, ob der Anwalt tatsächlich nach außen hervortritt (Madert, in: Gerold/Schmidt, RVG, 18. Auflage, 2008, VV 2300, 2301, Rn 13). Maßgeblich ist vielmehr, ob eine über die Beratung hinausgehende Tätigkeit gefordert ist. Auch im Falle einer schriftlichen Äußerung kann ein bloßer – dann schriftlicher – Rat vorliegen (Madert, in: Gerold/Schmidt, RVG, 18. Auflage 2008, VV 2300, 2301, Rn 13).

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist im vorliegenden Einzelfall eine bloße Ratsgebühr i.S.v. § 34 RVG und keine Geschäftsgebühr i.S.v. VV 2300 in Ansatz zu bringen.

Dass der Kläger – seiner Behauptung nach – bereits anlässlich des Telefonats vom 07. Mai 2007 die Sach- und Rechtslage einschließlich der gegen das betreffende EP gerichteten Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren grob erörtert hatte, lässt nicht den Schluss zu, dass die nachfolgende Tätigkeit nicht mehr bloß rein beratender Natur gewesen sei. So räumt der Kläger selbst ein, noch weitere Unterlagen und eine Einsicht in die Akten des Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahrens benötigt zu haben; dass die Tätigkeit des Klägers noch der Vorlage von Unterlagen des Beklagten bedurfte, wird auch durch die e-mail des Beklagten vom selben Tage bestätigt. Entscheidend gegen eine über die Beratung hinausgehende Mandatierung des Klägers spricht vor allem folgender Satz dieser e-mail (siehe Anlage K 2):

„Ich bitte um Überprüfung und die Vorgehensweise mitzuteilen“.

Dies zeigt, dass es dem Beklagten – was für den Kläger ohne Weiteres erkennbar war – zunächst ausschließlich darum ging, zu erfahren, ob das Abmahnschreiben der B berechtigt war. Erst bejahendenfalls hätte es dem Interesse des Beklagten entsprochen, Kontakt mit der Gegenseite aufzunehmen, wobei er dann auch ohne Mitwirkung des Klägers der Forderung der B hätte entsprechen können. Der Beklagte wünschte insoweit ersichtlich ein abgestuftes Vorgehen, wobei er vor der Kontaktaufnahme erst intern informiert werden wollte, um zu einer Entscheidung zu gelangen. Dies indiziert zumindest auch der Umstand, dass dem Kläger keine – jedenfalls keine urkundliche – Vollmacht erteilt worden war. Soweit sich in der Literatur die Ansicht findet, ein Tätigwerden nach außen indiziere die Berechtigung einer Geschäftsgebühr, lässt sich für den vorliegenden Fall daraus nichts ableiten, weil der Kläger nach den indiziell zu berücksichtigenden Gesamtumständen ohne Auftrag Kontakt zur Gegenseite aufnahm. Zu einem Tätigwerden gegenüber der B durfte er sich auch nicht etwa allein im Hinblick auf die gegenüber dem Beklagten erfolgte Fristsetzung der B legitimiert fühlen; es hätte vorher noch einer entsprechenden Absprache mit dem Beklagten bedurft.

Dass der Beklagte sich in der e-mail vom 07. Mai 2007 im Voraus für Bemühungen des Klägers bedankte, gibt für den konkreten Inhalt der erbetenen Leistungen ersichtlich nichts her. Daraus lässt sich nur der Abschluss eines Patentanwaltsvertrages als solchem, aber ohne Rückschluss auf dessen konkreten Gegenstand ableiten.

b)
Da der Beklagte sich nicht als Verbraucher an den Kläger wandte, ist § 34 Abs. 1 S. 3 RVG nicht einschlägig, so dass der Vergütungsanspruch des Klägers nicht auf die Summe von EUR 250 beschränkt ist.

c)
Bei der Ermittlung der Höhe der angemessenen Beratungsgebühr ist auf VV Nr. 2100 a.F. zurückzugreifen (vgl. Madert, a.a.O., § 34 RVG Rn 1 – 5). Demnach liegt der Rahmen des Gebührensatzes zwischen 0,1 und 1,0. Im Hinblick auf den Schwierigkeitsgrad und den Umfang der vom Kläger zu erbringenden Tätigkeit, wie er sich anhand des Abmahnungsschreibens der B (Anlage K 1) darstellt, ist die Veranschlagung eines Gebührensatzes von 0,7 angemessen. Insoweit ergibt sich bei einem Gegenstandswert von EUR 300.000 – diesen Ansatz des Klägers hat der Beklagte nicht bemängelt – ein Zahlungsanspruch des Klägers von EUR 1.929,70 einschließlich der gesetzlichen Auslagenpauschale (EUR 20 gem. VV 7001) und der Mehrwertsteuer.

d)
Der Anspruch ist nach Rechnungserteilung in der eben angegebenen Höhe auch fällig. Dass der Kläger erst mit Schreiben vom 30. Mai. 2007, also nach Ablauf der im Außenverhältnis zur B bestehenden Frist, zur Sach- und Rechtslage Stellung nahm, lässt die Entstehung des Vergütungsanspruchs unberührt. Eine Kündigungserklärung des Beklagten ist erst in dem Schreiben vom 12. September 2007 (Anlage K 4) zu sehen. Der Beklagte hat es sich selbst zuzuschreiben, dass er eine andere Kanzlei mandatierte, ohne vorher dem Kläger gekündigt zu haben. Abgesehen davon war die zu entrichtende Beratungsgebühr bereits spätestens mit Übersendung der e-mail vom 07. Mai 2007 (Anlage K 2) angefallen.

3)
Gegenüber dem Anspruch auf Vergütung dieser Beratungsleistung steht dem Beklagten kein Schadensersatzanspruch wegen der durch die Doppelmandatierung entstandenen Zuvielbelastung mit Vergütungsansprüchen zu. Insofern kann dahinstehen, ob der Vortrag des Beklagten dahingehend auszulegen ist, dass er hilfsweise mit einem derartigen Anspruch aufrechne.

Ein Schadensersatzanspruch ergibt sich nicht aus §§ 280 Abs. 2, 286 BGB, da kein Schuldnerverzug des Klägers eintrat. Weder hat der Beklagte eine Mahnungserklärung vorgetragen noch ist ein Mahnungssurrogat ersichtlich. Insbesondere war die Leistung des Klägers nicht kalendermäßig bestimmt (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB) – die im Außenverhältnis bestehende Frist der B beanspruchte nämlich keine Geltung auch für das Mandatsverhältnis zwischen den Parteien. Selbst wenn man im Hinblick auf die Fristsetzung der B eine Entbehrlichkeit der Mahnung nach § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB annähme, bestand nicht schon am 16. Mai 2007 Anlass zur Beauftragung eines anderen Patentanwalts, so dass es jedenfalls an der Ursächlichkeit zwischen der vom Kläger zu vertretenden Verzögerung und dem Verspätungsschaden fehlt.

Da die Pflichtverletzung des Klägers allein in zeitlicher Hinsicht besteht, dürfen die speziellen Voraussetzungen des § 286 BGB auch nicht unter Rückgriff auf §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB umgangen werden.

Im Übrigen ist seitens des Beklagten nicht dargetan, dass er ein Honorar an seinen neuen Patentanwalt gezahlt habe. Mit einem bloßen Freistellungsanspruch kann er mangels Gleichartigkeit i.S.v. § 387 BGB nicht gegenüber dem Vergütungsanspruch des Klägers aufrechnen.

3)
Der Anspruch auf Entrichtung von Verzugszinsen besteht nach §§ 288 Abs. 2, 286 BGB.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Alt. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.