4a O 60/11 – Nitrid-Halbleiterlaser

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  1931

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 18. September 2012, Az. 4a O 60/11

I. Die Beklagten werden verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu insgesamt zwei Jahren, die an dem Präsidenten bzw. Geschäftsführer der jeweiligen Beklagten zu vollstrecken ist, zu unterlassen,

Nitrid-Halbleiterlaser-Vorrichtungen, umfassend auf einer Hauptfläche eines Nitrid-Halbleiter-Substrats:

– eine Nitrid-Halbleiterschicht mit einem ersten Leitfähigkeitstyp,

– eine aktive Schicht und

– eine Nitrid-Halbleiterschicht mit einem zweiten Leitfähigkeitstyp, der sich von dem ersten Leitfähigkeitstyp unterscheidet, und auf deren Oberfläche ein Streifengrat hergestellt worden ist,

wobei die Hauptfläche des Nitrid-Halbleiter-Substrats einen Fehlwinkel a (θa) in im Wesentlichen senkrechter Richtung zur M-Ebene (1-100) hat,

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

wobei die Hauptfläche zudem einen Fehlwinkel b (θb) in im Wesentlichen paralleler Richtung zur M-Ebene (1-100) hat und der Beziehung IθaI > IθbI > 0 genügt;

2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 24.01.2009 begangen haben, und zwar unter Vorlage eines chronologisch geordneten Verzeichnisses unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen und bestellten zu Ziffer I. 1. bezeichneten Erzeugnisse, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderen Vorbesitzer;

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und unter Angabe von Typenbezeichnungen sowie aufgeschlüsselt nach den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer;

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger, wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in dem Verzeichnis enthalten ist;

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, der Auflagenhöhe, Ver-breitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internetwerbung der jeweiligen Domain, Zugriffszahlen und Schaltungszeiträume;

e) der nach den einzelnen Komponenten aufge-schlüsselten Gestehungskosten, einschließlich Bezugspreisen, und des erzielten Gewinns,

wobei hinsichtlich der Angaben zu lit. a) und lit. b) Rechnungen oder Lieferscheine in Kopie vorzulegen sind;

3. die zu Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 24.12.2008 in Verkehr gelangten und im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, in-dem diejenigen Dritten, denen durch die jeweilige Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass das Gericht auf eine Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 1 583 XXX erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die jeweilige Beklagte zurückzugeben und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse die Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der durch die Rückgabe entstehenden Kosten zugesagt wird.

II. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen, unter Ziffer I. 1. bezeichneten Erzeugnisse zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von der Klägerin zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben.

III. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner ver-pflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 24.01.2009 begangenen Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

IV. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als Gesamt-schuldnern auferlegt.

V. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000.000,- EUR vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin ist eingetragene und verfügungsberechtigte Inhaberin des europäischen Patents EP 1 583 XXX B1 (nachfolgend: Klagepatent). Das Klagepatent wurde am 31.03.2005 unter Inanspruchnahme der Prioriät zweier japanischer Schriften vom 02.04.2004 bzw. vom 30.07.2004 in englischer Verfahrenssprache angemeldet. Die Veröffentlichung der Erteilung des Klagepatents erfolgte am 24.12.2008. Der deutsche Teil des Klagepatents ist in Kraft. Mit Schriftsatz vom 29.06.2011 erhob die Beklagte zu 1) Nichtigkeitsklage, über die das Bundespatentgericht bisher nicht entschieden hat.

Das Klagepatent trägt die Bezeichnung „Nitride semiconductor laser device“ („Nitrid-Halbleiterlaservorrichtung“). Sein Patentanspruch 1 lautet in der eingetragenen deutschen Übersetzung:

„Nitrid-Halbleiterlaser-Vorrichtung, umfassend auf einer Hauptfläche eines Nitrid-Halbleiter-Substrats (101):

eine Nitrid-Halbleiterschicht (203) mit einem ersten Leitfähigkeits-typ;

eine aktive Schicht (205) und

eine Nitrid-Halbleiter-Schicht (208) mit einem zweiten Leitfähigkeitstyp, der sich von dem ersten Leitfähigkeitstyp unterscheidet, und auf dessen Oberfläche ein Streifengrat (209) hergestellt worden ist,

wobei die Hauptfläche des Nitrid-Halbleiterlaser-Substrats (101) einen Fehlwinkel a (θa) in im Wesentlichen senkrechter Richtung zur M-Ebene (1-100) hat, dadurch gekennzeichnet, dass die Hauptfläche zudem einen Fehlwinkel b (θb) in im Wesentlichen paralleler Richtung zur M-Ebene (1-100) hat und der Beziehung IθaI > IθbI > 0 genügt.“

Nachfolgend werden einige Figuren aus der Klagepatentschrift wieder-gegeben, welche nach der Klagepatentbeschreibung bevorzugte Aus-führungsformen der Erfindung betreffen. Bei Figur 2 (a) handelt es sich um eine schematische Schnittansicht einer Nitrid-Halbleitervorrichtung.
In dieser Figur bezeichnen die Bezugsziffer (208) die p-Typ Nitrid-Halbleiterschicht, die Bezugsziffer (203) die n-Typ Nitrid-Halbleiterschicht und die Bezugsziffer (205) die aktive Schicht. Mit der Bezugsziffer (101) ist das Substrat bezeichnet.

Die Figuren 3 (a) und 3 (b) sind nach der Klagepatentbeschreibung Dia-gramme, die dazu dienen, den Fehlwinkel eines erfindungsgemäßen Nitrid-Halbleiter-Substrats zu beschreiben.
Das Diagramm in Figur 4 (a) beschreibt schließlich einen anderen Fehlwinkel eines erfindungsgemäßen Nitrid-Halbleiter-Substrats.
Die Beklagte zu 1) stellt Laserdioden her, die sie unter anderem über die Beklagte zu 2) in der Bundesrepublik Deutschland anbietet und vertreibt. Dazu zählt auch eine blau-violette Laserdiode vom Typ A (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform), die von den Beklagten auch im Internet angeboten wird. Die Klägerin öffnete die Laserdioden der Beklagten und entnahm den darin enthaltenen Laserchip. Dieser wurde von der Klägerin unter dem Transmissionselektronenmikroskop in Rastermethode (STEM = Scanning Transmission Electron Microscopy) mithilfe der energiedispersiven Röntgenspektroskopie (EDX = Energy Dispersive X-Ray Spectroscopy) untersucht. Der Aufbau des Laserchips lässt sich anhand der durch die Klägerin vorgelegten Zeichnung wie folgt schematisch darstellen:
Zudem hat die Klägerin die angegriffene Ausführungsform durch Herrn Prof. B vom D-Institut für Angewandte Festkörperphysik in Freiburg/Br. untersuchen lassen. Dabei wurde der Laserchip zunächst auf einem Referenzwafer fixiert. Anschließend wurden die Winkel zwischen den jeweiligen Kristallachsen und die Winkel zwischen der Oberflächennormalen des Laserchips relativ zur Oberflächennormalen des Referenzwafers bestimmt. Die nachfolgende, durch die Klägerin vorgelegte Skizze zeigt den auf dem Referenzwafer (hellgrau) fixierten Laserchip (dunkelgrau, LD). Eingezeichnet sind die beiden Oberflä-chennormalen und ein Referenzkoordinatensystem, wobei die Skizze nicht maßstabsgetreu ist und die dargestellten Winkel zur Verdeutlichung stark vergrößert sind.
Nach den Messungen von Prof. B beträgt der Fehlwinkel a (θa) (-0,38 ± 0,02)° und der Fehlwinkel b (θb) (-0,29 ± 0,02)°.

Nach Auffassung der Klägerin macht die angegriffene Ausführungsform damit von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch.

Die Klägerin beantragt, nachdem sie den Antrag auf endgültige Entfernung aus den Vertriebswegen zurückgenommen hat,

zu erkennen wie geschehen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise: das Verletzungsverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die gegen das Klagepatent eingereichte Nichtigkeitsklage der Beklagten zu 1) vom 29.06.2011 auszusetzen.

Sie meinen, das Klagepatent verstehe unter dem Begriff des „Fehlwinkels“ nur einen künstlichen Fehlwinkel, der willentlich hergestellt worden sei. Demgegenüber genüge ein lediglich natürlicher Fehlwinkel, der unwillentlich aufgrund nicht vermeidbarer Herstellungstoleranzen verursacht werde, nicht.

Vor diesem Hintergrund würde die angegriffene Ausführungsform von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch machen. Die Beklagten würden die Wafer, die für die Herstellung der angegriffenen Ausführungsform verwendet würden, von einem Drittunternehmen, der C Industries, Ltd., geliefert bekommen. Diese Wafer würden mit einer Produktspezifikation bestellt, nach der diese Wafer einen ersten Fehlwinkel θa zwischen I0,6°I und I0°I haben sollen, wohingegen der zweite willentlich verursachte Fehlwinkel θb entweder explizit mit 0° angegeben oder überhaupt nicht benannt werde. Daraus ergebe sich somit, dass ein zweiter Fehlwinkel weder verlangt werde, noch nötig sei. Sollte ein zweiter Fehlwinkel bei der angegriffenen Ausführungsform vorhanden sein, so handele es sich bei diesem Fehlwinkel um keinen Solchen im Sinne des Klagepatents, da er ausschließlich durch den Herstellungsprozess des Wafers bedingt sei.

Im Übrigen werde sich das Klagepatent im Nichtigkeitsverfahren insbesondere unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Neuheit als nicht schutzfähig erweisen.

Die Klägerin tritt diesem Vorbringen entgegen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die einge-reichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Da die angegriffene Ausführungsform wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch macht, stehen der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Rückruf, Vernichtung sowie auf Feststellung der Schadenersatzpflicht dem Grunde nach aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1 und 3, 140b Abs. 1 und 3 PatG i. V. m. §§ 242, 259 BGB zu. Für eine Aussetzung der Verhandlung besteht keine Veranlassung.
I.
Die Erfindung bezieht sich auf Nitrid-Halbleitervorrichtungen mit einer Indium enthaltenden aktiven Schicht.

Wie das Klagepatent einleitend ausführt, können Laser-Vorrichtungen, die Nitrid-Halbleiter wie zum Beispiel GaN-Halbleiter umfassen, bei Emissionswellenlängen verwendet werden, die vom ultravioletten Bereich von 370 nm oder weniger bis zu Wellenlängen im Bereich von 500 nm oder mehr reichen. Substrate, auf denen solche Laser-Vorrichtungen ausgebildet würden, würden unter Verwendung einer Lateral-Wachstumstechnik aufgewachsen, die als Epitaxial-Lateral-Über-Wachstum (Epitaxal Lateral Overgrowth; ELO) bekannt sei.

Dies sei eine Technik, bei der GaN lateral aufgewachsen werde, um eine GaN-Schicht auf einem Unterlage-Substrat auszubilden, auf dem ein SiO2-Maskenmuster mit periodischen Streifenöffnungen ausgebildet sei. Als Nächstes werde das Unterlage-Substrat entfernt, um ein Substrat herzustellen, das nur die GaN-Schicht umfasse. Das GaN in der Lateral-Wachstumsregion bilde eine Region mit wenigen Dislokationen (oder Defekten). Da das resultierende GaN mit wenigen Dislokationen gute Kristalleigenschaften habe, könne die Lebensdauer von Nitrid-Halbleiterlaser-Vorrichtungen, die dieses GaN als ein Substrat verwenden, vergrößert werden.

Ferner bestehe ein Bedarf nach verbesserten Vorrichtungseigenschaften bei Nitrid-Halbleiterlaser-Vorrichtungen. Folglich werde ein Substrat benötigt, bei dem nicht nur die Dislokationsdichte des Substrats selbst vermindert sei, sondern auf dem man auch eine Nitrid-Halbleiterschicht mit guten Kristalleigenschaften aufwachsen könne. Um von der Nitrid-Halbleitervorrichtung praktischen Gebrauch zu machen, sei es überdies notwendig, dass der Durchmesser des Substrats selbst vergrößert werden könne.

Daher habe man ein Substrat vorgeschlagen, das einen Hexagonalsystem-Nitrid-Halbleiter umfasse und einen Fehlwinkel in einer vorbestimmten Richtung von nicht weniger als 1° und nicht mehr als 20° von der Ebene ausbilde (JP-2002-016000-A; US 2003/0001238 A1).

Die für die Größe und Richtung dieses Fehlwinkels für das Nitrid-Halbleiter-Substrat vorgeschlagenen breiten Bereiche würden jedoch in einer ungleichmäßigen Zusammensetzung bei Indium, Aluminium und dergleichen sowie einer ungleichmäßigen Verteilung von Verunreinigungen und dergleichen innerhalb der Laser-Vorrichtung resultieren. Insbesondere im Falle von Laser-Vorrichtungen mit einer Indium enthaltenden aktiven Schicht könne dies je nach der Emissionswellenlänge zu Vergrößerungen beim Schwellenstrom führen. Nitrid-Halbleiter-Vorrichtungen seien theoretisch zu einer Laseremission über einen breiten Bereich von Wellenlängen im Stande. Sei jedoch die kompositorische Verteilung, wie zum Beispiel die Verteilung von Indium in der aktiven Schicht, nicht gleichförmig, würden in der Praxis Probleme, wie etwa die fehlende Möglichkeit, diesen breiten Emissionsbereich zu erzielen, auftreten.

Schließlich werde in der JP 2000 1566348 A ein kleinerer Fehlwinkel vorgeschlagen. Wenn aber Substrate mit großen Durchmessern von mehr als 2,54 cm (ein Inch) hergestellt würden, sei es dennoch notwendig, die durch Ausbilden der Nitrid-Halbleiterschicht auf dem Substrat hergestellte Oberfläche zu ebnen, da Vertiefungen und Rillen auf der Hauptoberfläche des Substrats zurückbleiben würden.

Dem Klagepatent liegt daher die Aufgabe (das technische Problem) zugrunde, die im Stand der Technik bestehenden Nachteile zu beseitigen und eine verbesserte Nitrid-Halbleitervorrichtung bereitzustellen.

Dies geschieht gemäß Patentanspruch 1 mit einer Kombination der folgenden Merkmale:

1. Nitrid-Halbleiterlaser-Vorrichtung, umfassend auf einer Hauptfläche eines Nitrid-Halbleiter-Substrats (101):

1.1. eine Halbleiterschicht (203) mit einem ersten Leitfä-higkeitstyp;

1.2. eine aktive Schicht (205) und

1.3. eine Nitrid-Halbleiter-Schicht (208) mit einem zweiten Leitfähigkeitstyp, der sich von dem ersten Leitfähigkeitstyp unterscheidet,

1.4. und auf dessen Oberfläche ein Streifengrat (209) her-gestellt worden ist,

2. wobei die Hauptfläche des Nitrid-Halbleiterlaser-Substrats (101) einen Fehlwinkel a (θa) in im Wesentlichen senkrechter Richtung zur M-Ebene (1-100) hat,

dadurch gekennzeichnet, dass

3. die Hauptfläche zudem einen Fehlwinkel b (θb) in im We-sentlichen paralleler Richtung zur M-Ebene (1-100) hat und der Beziehung IθaI > IθbI > 0 genügt.

II.
Zwischen den Parteien ist zurecht die Verwirklichung der Merkmalsgruppen 1 und 2 nicht umstritten, so dass es insoweit keiner weiteren Ausführungen bedarf. Darüber hinaus ist bei der angegriffenen Ausführungsform auch die Merkmalsgruppe 3 verwirklicht, da die angegriffene Ausführungsform einen Fehlwinkel b in einer im Wesentlichen parallelen Richtung zur M-Ebene aufweist, welcher der Beziehung IθaI > IθbI > 0 genügt.

1.
Das Klagepatent beschreibt den Begriff „Fehlwinkel“ in Abschnitt [0022] dahingehend, dass er sich auf einen Neigungswinkel bezieht, der durch die Oberfläche des Substrats in Bezug auf eine vorbestimmte Referenz-Kristallebene gebildet wird. Ein Fehlwinkel soll in mindestens einer Richtung ausgebildet sein, die im Wesentlichen parallel zu dem Streifengrat ist (Fehlwinkel a) sowie in einer Richtung senkrecht zu der Richtung, in welcher der Fehlwinkel a ausgebildet ist (Fehlwinkel b).

Das Klagepatent definiert die Fehlwinkel a und b damit ausschließlich über ihre räumliche Anordnung und über ihre Größe zueinander. Soweit die Beklagten demgegenüber die technische Lehre des Klagepatents auf künstlich geschaffene Fehlwinkel beschränken wollen, bietet das Klagepatent dafür keinen Anhaltspunkt.

Zwar wird insbesondere in den Abschnitten [0047], [0048] und [0107] ein Verfahren zur Herstellung von Fehlwinkeln beschrieben. Allein dies lässt jedoch den Schluss nicht zu, die technische Lehre des Klagepatents wäre auf Fehlwinkel beschränkt, die entsprechend hergestellt wurden.

In diesem Zusammenhang gilt es insbesondere zu berücksichtigen, dass es sich bei Patentanspruch 1 um einen Erzeugnis- und keinen Verfahrensanspruch handelt. Beansprucht ist eine Nitrid-Halbleiterlaser-Vorrichtung, welche die in Patentanspruch 1 näher beschriebenen Eigenschaften aufweist. Eine Ausführungsform macht somit auch dann von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch, wenn etwa einer der beanspruchten Winkel nicht in einem speziellen Herstellungsverfahren erzeugt wurde, sondern aufgrund anderer Umstände, etwa herstellungsbedingt oder materialbedingt, vorhanden ist. Entsprechend kommt es auch nicht darauf an, ob es im Stand der Technik, etwa aus der durch die Beklagten zitierten, aber in der Klagepatentschrift nicht genannten EP 966 047, allgemein bekannt war, dass jedes Substrat unausweichlich und von Natur aus Fehlwinkel aufweist, die durch Toleranzen oder Fluktuationseffekte verursacht werden.

Soweit die Beklagten zur Begründung ihrer abweichenden Auffassung weiterhin auf den in Abschnitt [0005] zitierten Stand der Technik abstellen, so findet sich auch dort kein Hinweis darauf, unter einem „Fehlwinkel“ im Sinne des Klagepatents sei nur ein willkürlich hergestellter Fehlwinkel zu verstehen. Auch wenn der Fehlwinkel dort eine vorbestimmte Richtung haben soll, bedeutet dies nicht, dass der entsprechende Fehlwinkel nicht auch deshalb vorhanden sein darf, weil etwa die natürlichen Materialeigenschaften ausgenutzt werden.

Im Ergebnis ist dem Fachmann somit klar, dass es für die Verwirklichung der technischen Lehre des Klagepatents ausreicht, wenn die angegriffene Ausführungsform Fehlwinkel im beanspruchten Bereich aufweist. Auf die Art und Weise des Zustandekommens der Fehlwinkel kommt es demgegenüber nicht an.
2.
Vor diesem Hintergrund macht die angegriffene Ausführungsform von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch.

Soweit sich die Beklagten zunächst darauf berufen, bei der angegriffenen Ausführungsform sei lediglich ein willentlich verursachter Fehlwinkel vorhanden, wobei die Beklagten die für die angegriffene Ausführungsform verwendeten Wafer bei einem Drittunternehmen entsprechend bestellen würden, kommt es darauf, wie bereits im Rahmen der Auslegung des Klagepatents dargestellt wurde, für die Beurteilung der Verletzungsfrage nicht an. Entscheidend ist vielmehr allein, ob bei der angegriffenen Ausführungsform zwei Fehlwinkel vorhanden sind, die den im Patentanspruch enthaltenen Vorgaben, insbesondere hinsichtlich ihrer Größe, entsprechen.

Dass dies der Fall ist, hat die Klägerin in ihrer Klageschrift unter Bezugnahme auf Messungen von Prof. B vom D-Institut für Angewandte Festkörperphysik in Freiburg/Br. vorgetragen, wonach der Fehlwinkel a (-0,38 ± 0,02)° und der Fehlwinkel b (-0,29 ± 0,02)° beträgt. Damit entsprechen die Fehlwinkel der Vorgabe IθaI > IθbI > 0. Zwar haben die Beklagten diese Messungen in ihrer Klageerwiderung in Zweifel gezogen. Die geäußerten Bedenken hat die Klägerin aber mit einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme von Prof. B, hinsichtlich deren Inhalts auf die Anlage TW 10 verwiesen wird, ausge-räumt. Die Beklagten haben die Messungen daraufhin nicht mehr in Frage gestellt. Im Übrigen ist auch weder hinreichend vorgetragen, noch ersichtlich, dass der im Auftrag der Klägerin gemessene zweite Fehlwinkel innerhalb der zwingenden Herstellungstoleranzen für einen vorgegebenen Fehlwinkel b = 0 liegt.

III.
Da die angegriffene Ausführungsform somit von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch macht, ohne dass die Beklagten zur Nutzung des Klagepatents berechtigt wären, ergeben sich die folgenden Rechtsfolgen:

1.
Die Beklagten machen durch das Angebot und den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform in Deutschland widerrechtlich von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch, so dass sie gegenüber der Klägerin zur Unterlas-sung verpflichtet sind (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 1 PatG).

2.
Des Weiteren haben die Beklagten der Klägerin Schadenersatz zu leisten (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 2 PatG), denn als Fachunternehmen hätten sie die Patentverletzung durch die angegriffene Ausführungsform bei An-wendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, § 276 BGB.

Einem Verschulden der Beklagten steht insbesondere auch nicht entgegen, dass sie die Wafer, die für die angegriffene Ausführungsform verwendet werden, von einem Drittunternehmen geliefert bekommen und diese Wafer mit Produktspezifikationen bestellen, nach denen die Wafer einen ersten Fehlwinkel haben sollen. Selbst wenn die Beklagten entsprechend ihrem Vortrag einen zweiten, willentlich verursachten Fehlwinkel explizit mit 0° angeben würden, hätte es ihnen oblegen, bei der Herstellung der angegriffenen Ausführungsform zu überprüfen, ob die eingesetzten Wafer einen entsprechenden Fehlwinkel aufweisen. Dass derartige Kontrollen stattgefunden haben, lässt der Vortrag der Beklagten nicht erkennen. Lässt sich demgegenüber – wie die Beklagten behaupten – unter Berücksichtigung von Fertigungstoleranzen eine Nitrid-Halbleiterlaser-Vorrichtung mit lediglich einem Fehlwinkel nicht herstellen, stünde auch dies einer Schadenersatzpflicht der Beklagten nicht entgegen, da sie insoweit keinen Anspruch auf die Möglichkeit einer Umgehungslösung haben.

Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausrei-chend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist und dieser von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlun-gen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO.

3.
Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadener-satzanspruch zu beziffern, sind die Beklagten zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung verpflichtet (§§ 242, 259 BGB). Die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Darüber hinaus werden die Beklagten durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Die Beklagten haben schließlich über Herkunft und Vertriebsweg der rechtsverletzenden Erzeugnisse Auskunft zu erteilen (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 140b PatG). Soweit ihre nicht gewerblichen Abnehmer und bloßen Angebotsempfänger hiervon betroffen sind, ist den Beklagten im Hinblick auf ihre Rechnungslegungspflicht in Bezug auf ihre nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (vgl. Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 20.09.2001, Az.: 2 U 91/00).

4.
Ferner steht der Klägerin ein Anspruch auf Rückruf aus den Vertriebswegen aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 140 a Abs. 3 PatG zu.

5.
Schließlich kann die Klägerin von der in der Bundesrepublik Deutschland an-sässigen Beklagten zu 2) gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 140a Abs. 1 EPÜ die Vernichtung der in ihrem Besitz oder Eigentum befindlichen Erzeugnisse verlangen.

III.
Für eine Aussetzung der Verhandlung besteht keine Veranlassung,
§ 148 ZPO.

1.
Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung; BIPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die auch vom Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe; Mitt. 1997, 257, 258 – Steinknacker) und vom Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 2784 – Transportfahrzeug) gebilligt wird, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als Solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtstreit auszusetzen, weil dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist. Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen, wobei grundsätzlich dem Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines erteilten Patents Vorrang gebührt. Die Aussetzung kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents zu erwarten ist. Dies kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der dem Klagepatent am nächsten kommende Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden ist oder wenn neuer Stand der Technik lediglich belegen soll, dass das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sich jedoch auch für eine Bejahung der Erfindungshöhe, die von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen.
.
2.
Das Vorbringen der Beklagten lässt die Feststellung nicht zu, das Klagepatent werde sich, ausgehend von dem durch die Beklagten vorgelegten Stand der Technik, unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Neuheit im Nichtigkeitsverfahren als nicht schutzfähig erweisen.

Die JP 11-233391 (= D1 im Nichtigkeitsverfahren, nachfolgend zitiert anhand der als Anlage D 1b vorgelegten Übersetzung) offenbart ein Kristallsubstrat aus Siliziumkarbid (SiC), bei dem eine Fläche in einer [1-100]-Richtung oder [11-20]-Richtung oder einer dazu äquivalenten Richtung zur tetragonalen (0001)-Si-Flächenorientierung des SiC-Kristalls in der Substratfläche in einem Bereich von 7° und einer Fläche senkrecht zur Substratfläche in einem Bereich von 0,02° bis 0,6° geneigt ist. Damit fehlt es bereits an der Offenbarung des Merkmals 1, wonach die Hauptfläche ein Nitrid-Halbleiter-Substrat sein soll. In der Folge sind damit auch die Merkmale 2 und 3 nicht offenbart, welche Fehlwinkel des Nitrid-Halbleiterlaser-Substrats beschreiben.

Soweit die Beklagten im Hinblick auf die Offenbarung des Merkmals 1 auf Abschnitt [0008] a. E. verweisen, findet sich dort lediglich, dass mit einer wirkungsvollen Verwendung des erfindungsgemäßen Substrats (Hervorhebung hinzugefügt) auch dann zu rechnen ist, wenn künftig die Anwendung auf GaN-Volumensubstrate möglich oder die Versetzungsdichte auf Saphir leichter zu unterdrücken ist. Erfindungsgemäßes Substrat ist jedoch nach der Entgegenhaltung ein Kristallsubstrat aus Silizumkarbid. Der in Abschnitt [0008] a. E. zu findende Hinweis lässt sich somit zumindest auch derart verstehen, dass für das beschriebene Kristallsubstrat aus Siliziumkarbid auch dann noch ein Anwendungsbereich besteht, wenn künftig die Anwendung auf GaN-Volumensubstrate möglich oder die Versetzung auf Saphir leichter zu unterdrücken ist. Zumindest lässt sich die zitierte Textstelle nicht mit der für eine Aussetzung der Verhandlung erforderlichen Wahrscheinlichkeit derart verstehen, dass die in der Entgegenhaltung beschriebenen Winkel nicht auf ein Kristallsubstrat aus Siliziumkarbid, sondern aus GaN und damit auf Nitrid-Halbleiter-Substrate Anwendung finden sollen.

Des Weiteren räumen die Beklagten selbst ein, dass es in der Entgegenhaltung an einer ausdrücklichen Offenbarung eines Streifengrats gemäß Merkmal 1.4. fehlt. Dass der Fachmann einen Solchen, wie die Beklagten meinen, „automatisch mitliest“, ist nicht ersichtlich. Zwar kann auch dasjenige offenbart sein, was im Patentanspruch und in der Beschreibung nicht ausdrücklich erwähnt, aus der Sicht des Fachmanns jedoch für die Ausführung der unter Schutz gestellten Lehre selbstverständlich ist und deshalb keiner besonderen Offenbarung bedarf, sondern „mitgelesen“ wird. Die Einbeziehung von Selbstverständlichem erlaubt jedoch keine Ergänzung der Offenbarung durch das Fachwissen, sondern dient, nicht anders als die Ermittlung des Wortsinns eines Patentanspruchs, lediglich der vollständigen Ermittlung des Sinngehalts, das heißt derjenigen technischen Information, die der fachkundige Leser der Quelle vor dem Hintergrund seines Fachwissens entnimmt (vgl. BGH GRUR 2009, 382 – Olanzapin). Davon ausgehend ist es auch unter Berücksichtigung der als Anlagen D 8 und D 9 vorgelegten Dokumente weder hinreichend vorgetragen, noch ersichtlich, dass der Fachmann tatsächlich das Vorhandensein eines Streifengrats mitliest. Insbesondere werden in Figur 44 der D 9 auch Gestaltungen ohne einen derartigen Streifengrad gezeigt.

Da es somit bereits an einer hinreichenden Offenbarung der Merkmale 1 und 1.4. fehlt, kann es dahinstehen, ob in der Entgegenhaltung die in den Merkmalen 2. und 3. beanspruchten Fehlwinkel offenbart sind. Zwar werden in der Entgegenhaltung zwei Winkel (7° und 0,2° – 0,6°) offenbart, wobei die Beklagten jedoch einräumen, dass der Referenzpunkt in der Entgegenhaltung D 1 ein anderer als im Klagepatent ist. Auch haben die Beklagten eine Umrechnung vorgenommen, um zu einer Vergleichbarkeit der Winkel zu gelangen, was zu einem Ergebnis von 0,596 > 0,073 > 0 führt. Die entsprechende Rechnung ist jedoch ohne Heranziehung eines Sachverständigen nicht nachvollziehbar. Auch deshalb kommt eine Aussetzung im Hinblick auf die Entgegenhaltung D 1 nicht in Betracht.

2.
Die US 2003/0001238 A1 (= D 2 im Nichtigkeitsverfahren) rechtfertigt eine Aussetzung der Verhandlung ebenfalls nicht.

Auch wenn die Entgegenhaltung einen GaN-basierten Halbleiter und damit ein Nitrid-Halbleiter-Substrat betrifft, fehlt es an der ausdrücklichen Offenbarung eines zweiten Fehlwinkels.

Dies räumen auch die Beklagten ein, meinen jedoch, Merkmal 3 sei gleichwohl implizit offenbart, da der Fachmann wisse, dass Fehlwinkel wegen der Toleranzen des Fertigungsprozesses nicht vermieden werden könnten. Deshalb lese der Fachmann in der D 2 mit, dass auch ein zweiter Fehlwinkel auftreten könne. Da solche toleranzbasierte Fehlwinkel klein seien und insbesondere kleiner als der in der Entgegenhaltung offenbarte erste Fehlwinkel von 5°, sei Merkmal 3 offenbart.

Unter diesem Gesichtspunkt der „impliziten Offenbarung“ eines zweiten Fehlwinkels kommt eine Aussetzung jedoch bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Klagepatentschrift in Abschnitt [0005] von einem Stand der Technik ausgeht, bei dem ebenfalls lediglich ein Fehlwinkel in einer vorbestimmten Richtung offenbart wird. Gleichwohl hat das fachkundig besetzte EPA das Klagepatent offenbar als schutzfähig angesehen.

3.
Auch die JP 2001-160539 (= D 7 im Nichtigkeitsverfahren) rechtfertigt eine Aussetzung der Verhandlung unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Neuheit nicht.

Grundsätzlich kommt eine Aussetzung der Verhandlung dann nicht in Betracht, wenn der im Rechtsbestandsverfahren zur Diskussion stehende technische Sachverhalt derart kompliziert ist, dass sich das Verletzungsgericht keinen wirklichen Eindruck von den Gegebenheiten verschaffen kann, denn in einem solchen Fall verbietet sich die Bejahung einer sicheren Vernichtungswahrscheinlichkeit (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 5. Auflage, Rz. 1395).

Dies ist bei der D 7 der Fall, da sich für die technisch nicht fachkundig besetzte Kammer nicht nachvollziehen lässt, ob in der Entgegenhaltung Fehl-winkel, wie sie in den Merkmalsgruppen 2 und 3 beansprucht sind, offenbart werden.

Die Beklagten stellen insoweit maßgeblich auf die Absätze [0080] bis [0091] der Entgegenhaltung ab. Dort werden zunächst die Arbeitsschritte zur Herstellung eines Nitridhalbleiters anhand eines ersten Ausführungsbeispiels erläutert. Dabei wird eine erste GaN-Schicht nach dem Wachsen abgeschliffen, wodurch auf der ersten GaN-Schicht eine Fläche („Off-Fläche“) freigelegt wird. Diese ist relativ zur C-Fläche des Saphirsubstrats in einer vorher festgelegten Richtung („Off-Richtung“) in einem festgelegten Winkel („Off-Winkel“) geneigt (vgl. Anlage D 7b, Abschnitt [0081]). Sodann findet sich in Abschnitt [0088], dass der Off-Winkel B der Off-Fläche der ersten GaN-Schicht nicht in besonderer Weise beschränkt ist. Im Anschluss wird dem Fachmann offenbart, dass dann, wenn man für die Off-Winkel der Off-Fläche der ersten GaN-Schicht Winkelwerte von 0,02°, 0,05°, 0,1°, 0,2°, 0,5°, 1°, 2° und 5° einsetze und für diese Werte jeweils die Kristallinität der zweiten GaN-Schicht bewerte, diese Kristallinität mit größerem Off-Winkel B zunehme. Ferner findet sich in Absatz [0091] der Hinweis, dass dann, wenn man nun für die Off-Richtung der ersten GaN-Schicht die Richtung (1-100), die die von (1-100) um 10° in Richtung (1-210) abweichende Richtung, die von (1-210) um 10° in Richtung (1-100) abweichende Richtung und die Richtung (1-210) ein-setze und für diese Werte mit demselben Verfahren wie oben jeweils die Kristallinität der zweiten GaN-Schicht bewerte, das Ergebnis erhalte, dass die Kristallinität der auf der Off-Fläche gebildeten zweiten GaN-Schicht zunehme, je näher die Off-Richtung der ersten GaN-Schicht an die Richtung (1-100) sei.

Abgesehen davon, dass Absatz [0091] in der durch die Beklagten vorgelegten Übersetzung aus sich heraus nicht verständlich ist, ist für die nicht fachkundig besetzte Kammer nicht erkennbar, dass damit eine Winkelbeziehung, wie sie in den Merkmalen 2 und 3 von Patentanspruch 1 des Klagepatents beansprucht ist, offenbart sein soll. Die Beklagten räumen selbst ein, die im Klagepatent beanspruchte Winkelbeziehung sei nicht unmittelbar offenbart, da eine Drehung mit einer Neigung verbunden werde. Entsprechend müsse eine Umrechnung erfolgen.

Ob der Fachmann jedoch eine entsprechende Umrechnung vornimmt, um so die beanspruchte Beziehung der Fehlwinkel a und b zu erkennen, erscheint zumindest fraglich. Des Weiteren ist auch nicht erkennbar, ob für jeden der in Abschnitt [0089] genannten Werte nach der Umrechnung durch die Beklagten tatsächlich die beanspruchte Winkelbeziehung, nach welcher der IθaI > IθbI > 0 sein soll, besteht. Dies wäre aber Voraussetzung, wenn in den Abschnitten [0089] und [0091] tatsächlich die technische Lehre des Klagepatents offenbart sein soll. Im Übrigen ist die Rechnung der Beklagten aus sich heraus auch nicht nachvollziehbar.

4.
Schließlich kommt eine Aussetzung unter dem Gesichtspunkt der of-fenkundigen Vorbenutzung nicht in Betracht.

Die Beklagten berufen sich zur Begründung einer offenkundigen Vor-benutzung auf einen „F-Laser“. Im Juni 2003 sollen zwei E Laserdioden, von denen eine zu Demonstrationszwecken in einen Laserpointer eingebaut gewesen sei, an F zum Zwecke der Ausstellung und der Werbung während einer Messe in G übergeben worden sein.

Den diesbezüglichen Vortrag hat die Klägerin bereits in ihrer Replik vom 23.02.2012 mit Nichtwissen bestritten. Zwar fehlt es im Nichtigkeitsverfahren noch an einem Bestreiten. Da dort die offenkundige Vorbenutzung jedoch erst mit Schriftsatz vom 13.07.2012 eingeführt wurde, hatte die Klägerin insoweit noch keine Gelegenheit zum Bestreiten. Angesichts des Verhaltens der Klägerin im Verletzungsverfahren ist aber auch insoweit mit einem Bestreiten zu rechnen.

Vor diesem Hintergrund kann es dahinstehen, ob der F-Laser alle Merkmale des Klagepatents aufweist. Jedenfalls haben die Beklagten die Offenkundigkeit der Vorbenutzung nicht mit liquiden Beweismitteln belegt. Hierfür genügt insbesondere auch nicht die durch die Beklagten vorgelegte eidesstattliche Versicherung. Da eine Beweisaufnahme zur Offenkundigkeit der Vorbenutzung nur im Nichtigkeitsverfahren und nicht im Verletzungsprozess erfolgt, ist bereits unvorhersehbar, zu welchem Ergebnis das Bundespatentgericht gelangen wird. Schon wegen dieser gänzlich unsicheren Prognose verbietet sich die Annahme, es sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit mit einer Vernichtung des Patents zu rechnen (vgl. Kühnen, Die Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 5. Auflage, Rz. 1402).

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709 Satz 1 und 2; 108 ZPO.

Der Streitwert wird auf 2.000.000,- EUR festgesetzt. Davon entfallen 500.000,- EUR auf die beantragte Feststellung der gesamtschulderischen Haftung auf Schadenersatz. Die Aufteilung des Streitwerts ist notwendig, weil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (GRUR-RR 2008, 460, 461) bei den hier streitgegenständlichen Ansprüchen nur der gesamtschuldnerisch gegen die Beklagten geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz gebührenrechtlich eine Angelegenheit darstellt, für die eine Erhöhungsgebühr in Betracht kommt.