4a O 105/03 – Isolierglaseinheit

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1092

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 5. Februar 2009, Az. 4a O 105/03

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Sicherheit kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents 0 908 xxx (Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch. Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Klagepatents, das am 15.09.1998 unter Inanspruchnahme einer US-Priorität vom 16.09.1997 angemeldet wurde. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 27.11.2002 veröffentlicht. Die Verfahrenssprache des Klagepatents ist englisch. Die deutsche Übersetzung der Klagepatentanschrift wurde unter der Nummer DE 698 09 xxx am 24.07.2003 veröffentlicht (Anlage K1a). Das Patent steht in Kraft.

Gegen die Erteilung des Klagepatents wurde von der Beklagten zu 2) neben den Unternehmen A, B AG und C GmbH Einspruch eingelegt. Die Beklagte zu 1) ist dem Einspruchsverfahren beigetreten. Die Einsprüche wurden am 08.02.2006 von der Einspruchsabteilung beim Europäischen Patentamt (EPA) zurückgewiesen. Gegen die Einspruchsentscheidung wurde Beschwerde eingelegt, über die bislang nicht entschieden wurde.

Die Klägerin macht die Patentansprüche 1 und 18 des Klagepatents geltend. Die Ansprüche beziehen sich auf Glasschichtsysteme mit hoher Lichttransmission und niedriger Emissivität und auf damit zusammengestellte wärmedämmende Mehrfachverglasung.

Der Patentanspruch 1 des Klagepatents lautet in der deutschen Übersetzung wie folgt:

1. Glaserzeugnis, das ein Glassubstrat aufweist, das ein durch Zerstäuben aufgetragenes Schichtsystem darauf aufweist, welches von dem Glas nach außen im Wesentlichen besteht aus:
a) eine Grundierungsschicht, die aus mindestens einem Metalloxid oder -nitrid ausgebildet ist, das einen Brechungsindex aufweist, der in dem Intervall von 2,35 bis 2,75 enthalten ist;
b) optional eine untere Zwischenschicht, die sich zwischen der Grundierungsschicht und einer Schicht aus metallischem Silber befindet, wobei die untere Zwischenschicht aus einem im Wesentlichen stöchiometrischen Oxid oder Nitrid aus Zn, Ti, Sn, Bi, Si oder Gemischen von diesen ausgewählt ist;
c) die Silberschicht;
d) eine obere Zwischenschicht, die sich zwischen der Silberschicht und einer Überzugsschicht befindet, wobei die obere Zwischenschicht aus einem Oxid oder Nitrid aus Al, Ti, Zn, Sn, Zr, Cr, Ta, Mg oder Gemischen von diesen ausgewählt ist; und
e) die Überzugsschicht, die aus mindestens einem Metalloxid oder -nitrid ausgebildet ist, das einen Brechungsindex aufweist, der in dem Intervall von 1,85 bis 2,25 enthalten ist;
wobei die Grundierungsschicht eine Dicke aufweist, die sich zwischen 16 und 32 nm erstreckt, und die Dicke der Kombination der Schicht aus metallischem Silber und der Überzugsschicht derart ausreichend ausgewählt ist, dass das Glaserzeugnis, wenn das Glassubstrat aus einem klaren Glas einer Dicke besteht, die zwischen 2 bis 6 mm enthalten ist, einen Sicht-Durchlassgrad (Tvis) von mindestens 84 %, einen Schichtwiderstand (Rs) von weniger als oder gleich 5,5 Ohm/Quadrat und ein normales Emissionsvermögen (En) von weniger als oder gleich 0,065 aufweist und wobei das Schichtsystem keine Schicht beinhaltet, die im Wesentlichen aus einem unterstöchiometrischen Metalloxid besteht, das sich zwischen dem Substrat und der Schicht aus metallischem Silber befindet.

Der ebenfalls geltend gemachte Klagepatentanspruch 18 hat in der deutschen Übersetzung folgenden Wortlaut:

18. Isolierglaseinheit, die aus mindestens 2 Glasscheiben besteht und an ihren Umfangskanten abgedichtet ist, um eine isolierende Kammer zwischen diesen auszubilden, wobei mindestens eine der Glasscheiben eine Glasschicht nach einem der Ansprüche 2, 4, 13, 15 oder 17 ist, wobei sich das Schichtsystem auf der Glasscheibe innerhalb der isolierenden Kammer befindet, und wobei die Isolierglaseinheit die folgenden Eigenschaften zeigt:
Tvis 75 %
Raußen 15 %
Rinnen 15 %
S.C. 0,60
Uwinter 0,26.

Der im Klagepatentanspruch 18 genannte Unteranspruch 2 ist auf den Klagepatentanspruch 1 rückbezogen und lautet:

2. Glaserzeugnis nach Anspruch 1, wobei das Glassubstrat eine monolithische Schicht aus im Wesentlichen klarem Glas ist.

Nachfolgend abgebildet sind zeichnerische Darstellungen bevorzugter Ausführungsformen der Erfindung, welche aus der Klagepatentschrift stammen. Die Figuren 1 und 2 zeigen Ausschnitte seitlicher Schnittansichten von zwei verschiedenen Ausführungsformen eines anspruchsgemäßen Schichtsystems. In Figur 3 ist ein Ausschnitt einer erfindungsgemäßen Querschnittsendansicht einer doppelscheibigen IG-Einheit abgebildet.

Die Beklagten vertreiben in der Bundesrepublik Deutschland unter der Bezeichnung „D“ beschichtete Einfachgläser beziehungsweise unter der Bezeichnung „E“ Isolierglaseinheiten, die aus Einzelglasscheiben des Typs „D“ zusammengesetzt sind (beide zusammen: angegriffene Ausführungsform). Die Beklagte zu 1) bewirbt in ihrem Internetauftritt in deutscher Sprache die angegriffenen Ausführungsformen. Dort werden auch die Beklagten zu 2) und 3) als Vertriebspartner für Deutschland genannt.

Die Klägerin ließ die Beschichtung der angegriffenen Ausführungsform vom Labor F mit Hilfe der Rutherford Backscattering Spectrometry (RBS) und vom G-Institut für Metallforschung in S. mit einem Transmissionselektronenmikroskop (TEM) analysieren. Auf die entsprechenden Messergebnisse und dazu erstellten Kurzgutachten (Anlagen K8, K10, K11, K11a und K12) wird Bezug genommen. Die Beschichtung der angegriffenen Ausführungsform wird durch ein Zerstäubungsverfahren aufgebracht. Die erste Schicht auf dem Glassubstrat ist etwa 23 nm dick und enthält zumindest Titan und Sauerstoff. Der Brechungsindex von Titanoxid (TiO2) liegt zwischen 2,488 und 2,6584. Darüber befindet sich eine zweite Schicht mit den Bestandteilen Zink und Sauerstoff. Danach folgt eine reine Silberschicht. Die Zusammensetzung der auf der Silberschicht aufgebrachten Schicht ist zwischen den Parteien streitig. Unstreitig besteht die darüber befindliche Schicht aus Zink und Sauerstoff und die letzte Schicht aus Zinnoxid, dessen Brechungsindex in der Literatur mit Werten zwischen 1,9968 und 2,0929 angegeben wird. Die Dicke der Einzelglasscheibe beträgt 4 mm. Der Sicht-Durchlassgrad beträgt 0,85 %, der Schichtwiderstand 4,5 Ω/Quadrat und das Emissionsvermögen 0,04.

Die angegriffene Isolierglaseinheit besteht aus mindestens zwei an ihren Umfangskanten abgedichteten Einzelglasscheiben. Als Substrat wird gewöhnliches Float-Glas verwendet. Die optischen Eigenschaften der angegriffenen Isolierglaseinheit wurden im Internetauftritt der Beklagten zu 1) (Anlage K4) angegeben. Demnach beträgt die Lichttransmission Tvis 78 % und die Reflektivität Raußen und Rinnen einheitlich 13 %. Der Abschattungskoeffizient lässt sich aus der angegebenen Gesamtenergietransmission von 64 % mit 0,74 berechnen. Der U-Wert lässt sich aus den in metrischen Werten angegeben Wärmeverlustdaten umrechnen. Er beträgt für drei der im Internetauftritt angegebenen Isolierglaseinheiten 0,239, 0,25 und 0,19.

Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre der Klagepatentansprüche 1 und 18 wortsinngemäß Gebrauch. Die RBS-Methode sei geeignet, die Zusammensetzung und die Dicke der Beschichtung zu analysieren. Die Ergebnisse seien durch das G-Institut mit einer anderen Untersuchungsmethode bestätigt worden. Der Klagepatentanspruch setze nicht voraus, die Schichteigenschaften mit dem „n & k“-Analysator zu ermitteln, der für Schichtsysteme ohnehin nicht geeignet sei. Mit der RBS-Analyse könne hingegen durch Verwendung von zwei RBS-Spektren unter zwei verschiedenen Winkeln die Masse des Elements und die Tiefe der Schicht bestimmt werden. Aufgrund der in der Grundierungsschicht detektierten Anteile von Titan und Sauerstoff bestehe die Schicht aus stöchiometrischem Titanoxid (TiO2). Soweit der gerichtliche Sachverständige Dr. H neben dem Titan und Sauerstoff noch Stickstoff mit einem Anteil von 8 % nachgewiesen habe, weise die angegriffene Ausführungsform immer noch eine erfindungsgemäße Grundierungsschicht auf, weil auch die Verwendung von Titanoxinitriden patentgemäß sei. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs 1 („mindestens“) und aus dem Unteranspruch 9, der Mischungen von Oxiden und Nitriden ausdrücklich zulasse. Weil alle Titanatome durch Sauerstoff- und Stickstoffatome vollständig gebunden seien, sei die Schicht stöchiometrisch. In der zweiten Schicht seien Zink und Sauerstoff in gleicher Konzentration vorhanden, so dass es sich um eine stöchiometrische untere Zwischenschicht aus Zinkoxid handele. Die Stöchiometrie zeige sich auch in dem niedrigen Flächenwiderstand. Die über der Silberschicht befindliche Schicht bestehe aus einer Mischung aus Zinkoxid (ZnO) und Titanoxid (TiO2).

Die Klägerin beantragt,

I. die Beklagten zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu insgesamt zwei Jahren, die Ordnungshaft im Fall der Beklagten zu 1) und 2) zu vollziehen an ihren jeweiligen gesetzlichen Vertretern, zu unterlassen,
Glaserzeugnisse, die ein Glassubstrat aufweisen, das ein durch Zerstäuben aufgetragenes Schichtsystem darauf aufweist, welches von dem Glas nach außen im Wesentlichen besteht aus:
a) einer Grundierungsschicht, die aus mindestens einem Metalloxid oder -nitrid ausgebildet ist, das einen Brechungsindex aufweist, der in dem Intervall von 2,35 bis 2,75 enthalten ist,
b) optional einer unteren Zwischenschicht, die sich zwischen der Grundierungsschicht und einer Schicht aus metallischem Silber befindet, wobei die untere Zwischenschicht aus einem im Wesentlichen stöchiometrischen Oxid oder Nitrid aus Zn, Ti, Sn, Bi, Si oder Gemischen von diesen ausgewählt ist,
c) der Silberschicht,
d) einer oberen Zwischenschicht, die sich zwischen der Silberschicht und einer Überzugsschicht befindet, wobei die obere Zwischenschicht aus einem Oxid oder Nitrid aus Al, Ti, Zn, Sn, Zr, Cr, Ta, Mg oder Gemischen von diesen ausgewählt ist und
e) der Überzugsschicht, die aus mindestens einem Metalloxid oder -nitrid ausgebildet ist, das einen Brechungsindex aufweist, der in dem Intervall von 1,85 bis 2,25 enthalten ist,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen, oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
bei denen die Grundierungsschicht eine Dicke aufweist, die sich zwischen 16 und 32 nm erstreckt, und die Dicke der Kombination der Schicht aus metallischem Silber und der Überzugsschicht derart ausreichend ausgewählt ist, dass das Glaserzeugnis, wenn das Glassubstrat aus einem klaren Glas einer Dicke besteht, die zwischen 2 bis 6 mm enthalten ist, einen Sicht-Durchlassgrad (Tvis) von mindestens 84 %, einen Schichtwiderstand (Rs) von weniger als oder gleich 5,5 Ohm/Quadrat und ein normales Emissionsvermögen (En) von weniger als oder gleich 0,065 aufweist und wobei das Schichtsystem keine Schicht beinhaltet, die im Wesentlichen aus einem unterstöchiometrischen Metalloxid besteht, das sich zwischen dem Substrat und der Schicht aus metallischem Silber befindet;
2. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu insgesamt zwei Jahren, die Ordnungshaft im Fall der Beklagten zu 1) zu vollziehen an ihren jeweiligen CEOs, im Fall der Beklagten zu 2) zu vollziehen an ihrem Komplementär, im Fall der Beklagten zu 3) zu vollziehen an ihren Geschäftsführern, zu unterlassen,
Isolierglaseinheiten, die aus mindestens zwei Glasscheiben bestehen und an ihren Umfangskanten abgedichtet sind, um eine isolierende Kammer zwischen diesen auszubilden, wobei mindestens eine der Glasscheiben ein Glaserzeugnis nach vorstehend Ziffer 1) ist und das Glassubstrat dieses Glaserzeugnisses eine monolithische Scheibe aus im Wesentlichen klarem Glas aufweist und wobei sich das Schichtsystem auf der Glasscheibe innerhalb der isolierenden Kammer befindet,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen, oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
bei denen die Isolierglaseinheiten die folgenden Eigenschaften zeigen
Tvis 75 %
Raußen 15 %
Rinnen 15 %
S.C. 0,60
Uwinter 0,26

3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten die zu 1) und 2) bezeichneten Handlungen seit dem 27.12.2002 begangen haben, und zwar unter Angabe:
a) der Herstellungsmengen und -zeiten,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen, sowie Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen, sowie Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet ,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

II. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I. 1. und I. 2. bezeichneten, seit dem 27.12.2002 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen,

Sie behaupten, die zweite Schicht bestehe aus Zink und Sauerstoff in einem unterstöchiometrischen Verhältnis, also aus ZnOx mit x < 1. Diese Schicht befinde sich zwischen dem Glassubstrat und der Silberschicht. Die Beklagten sind daher der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform mache von der patentgemäßen Lehre keinen Gebrauch. Die von der Klägerin angewandte RBS-Methode sei für die Analyse des Schichtaufbaus ungeeignet. Eine genaue Sauerstoffkonzentration in der ersten Schicht könne nicht ermittelt werden, weil Sauerstoff nicht vom Silizium aus der Glasscheibe zuverlässig unterschieden werden könne. Zudem könne die RBS-Analyse nicht zwischen leichten Teilen in der Tiefe und schweren Teilen an der Oberfläche einer Schicht unterscheiden. Dementsprechend sei nicht erkannt worden, dass sich oberhalb der Silberschicht eine Schicht aus reinem Titanoxid befinde. Die Genauigkeit der RBS-Analyse liege bei 15-20 %. Auch die anderen Gutachten, die die Messungen der Klägerin stützen sollten, seien mit solchen Ungenauigkeiten behaftet. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum die Klägerin nicht die „n & k“-Analyse, wie sie in der Klagepatentschrift vorgegeben sei, angewandt habe.
Hinsichtlich der gutachterlichen Feststellungen des Sachverständigen Dr. H vertreten die Beklagten die Ansicht, dass Metall-Oxinitride nicht zu den Metall-Oxiden gehörten. Die andere Ansicht der Klägerin widerspreche ihren Erklärungen im Einspruchsverfahren vor dem EPA. In der Grundierungsschicht sei ein klares Defizit an Sauerstoff nachgewiesen worden, so dass keine stöchiometrische Verbindung gebildet werden könne. Selbst wenn man den in der Grundierungsschicht nachgewiesenen Stickstoff nicht berücksichtige, sei eine Stöchiometrie der Schicht nicht nachgewiesen.

Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens gemäß Beweisbeschluss vom 15.06.2004. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. H (Blatt 516 bis 555 der Gerichtsakte) und das Protokoll der Anhörung des Sachverständigen vom 18.12.2008 (Blatt xxx bis 704) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Unterlassung, Schadensersatz dem Grunde nach, Auskunft und Rechnungslegung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, §§ 139 Abs. 1 und 2, 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB. Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass die angegriffene Ausführungsform von der Lehre der beiden geltend gemachten Klagepatentansprüche wortsinngemäß Gebrauch macht.

I.
Das Klagepatent schützt im Patentanspruch 1 ein durch Zerstäuben hergestelltes Beschichtungssystem für Glassubstrate mit einer hohen Lichttransmission und einer niedrigen Emissivität. Gegenstand des ebenfalls geltend gemachten Klagepatentanspruchs 18 sind Glaserzeugnisse wie Isolierglaseinheiten, die mit dem Beschichtungssystem nach Patentanspruch 1 ausgestattet sind.

In der Beschreibung des Klagepatents wird dazu ausgeführt, dass Glasschichtsysteme, die durch Zerstäubungsvorgänge aufgetragen werden, in verschiedenen Glaserzeugnissen und Isolierglaseinheiten (IG-Einheiten) bekannt seien, um Solarregelungseigenschaften zu erzeugen. Damit Solarregelungsgläser am Markt akzeptiert werden, müssen sie verschiedene Eigenschaften aufweisen, die unmittelbar vom verwendeten Schichtsystem abhängig sind. Es muss zum einen ein bestimmter Durchlassgrad für sichtbares Licht (Tvis) gegeben sein, zum anderen soll Infrarot-Strahlung (IR-Strahlung) in einem gewissen Maß reflektiert werden (Emissivität En bzw. Schichtwiderstand Rs). Spiegeleffekte sollen möglichst vermieden werden und, soweit das Glas von der Seite betrachtet wird und Reflexionen auftreten, soll die sichtbare Farbe möglichst neutral (farblos bis leicht blau) sein. Darüber hinaus muss das verwendete Schichtsystem ökonomisch herzustellen sein. Da diese Eigenschaften häufig im Widerspruch zueinander stehen, besteht – so die Klagepatentschrift – im Stand der Technik ein Bedarf an durch Zerstäuben aufgetragenen Schichtsystemen, die zwischen den geforderten Eigenschaften eine bessere Balance erreichen.

Im Stand der Technik ist zum Beispiel aus den US-Patenten 5.376.455, 5.344.718 und 5.377.045 die Verwendung von Si3N4 in Schichtsystemen bekannt. Häufig werden sie mit einer Silberschicht kombiniert, um einen hohen Reflektionsgrad für IR-Strahlung zu erhalten. Die Gläser heißen daher auch „low-E“-Gläser (von: „low emissivity“). Aus dem US-Patent 5.563.734 sind zudem Kombinationen von Silber, Nickel und Chrom mit TiO2 bekannt, um low-E-Gläser zu erhalten. An diesen Gläser kritisiert die Klagepatentschrift, dass sie keinen hohen Durchlassgrad für sichtbares Licht haben.

In der US-Patentanmeldung 5.302.449 wird laut Klagepatentschrift ein komplexes Schichtsystem beschrieben, das die Schichtdicken und Materialarten in der Schichtanordnung kombiniert, um bestimmte Solarregelungseigenschaften zu erhalten. Es werden unter anderem ein oder zwei Schichten aus Gold, Kupfer oder Silber verwendet und eine Überzugsschicht aus einem Oxid von Zink, Zinn, Indium, Bismuth oder deren Legierungen. Die mit dieser Beschichtung versehene IG-Einheit weist akzeptable Farbeigenschaften und eine gute spiegelunähnliche sichtbare Reflektion auf. Allerdings liegt der Durchlassgrad für sichtbares Licht unter 75 %.

In der Beschreibung des Klagepatents wird weiter ausgeführt, dass im Stand der Technik auch Schichtsysteme mit Kombinationen von metallischen und oxidischen Schichten aus Zinn, Zink, Silber, Indium, Aluminium, Titan, Chrom, Nickel, Magnesium, Siliziumnitrid oder ähnlichem verwendet werden. So offenbart das US-Patent 4.548.691 folgendes Schichtsystem (vom Glas nach außen): SnO2 oder In / Ag / Al, Ti, Zr, Cr oder Mg / SnO2 oder In. Die Silberschicht sollte zwischen 50 Å und 150 Å dick sein. Der Durchlassgrad dieses Schichtsystems ist hoch und liegt bei 85 % bis 86 %. Der Nachteil besteht laut Klagepatentschrift jedoch darin, dass die Gläser eine leicht purpurne Färbung und einen relativ hohen Schichtwiderstand von 6,7 bis 8,2 Ω/Quadrat aufweisen. Auch das Vermögen, IR-Strahlung zu reflektieren, ist gering.

Ein weiteres aus dem Stand der Technik bekanntes Schichtsystem weist eine Abfolge von SnO2 / ZnO / Ag / ZnO / SnO2 auf. Das Zinkoxid – so die Klagepatentschrift – stellt in diesem Schichtsystem die Keimbildungsschicht für das Silber dar, die anderen Keimbildungsmaterialien überlegen ist. Dadurch werden der Schichtwiderstand (RS) und die Emissivität (En) auf 5,3 Ω/Quadrat beziehungsweise 0,06 reduziert. Außerdem ist der Lichtdurchlassgrad (Tvis) mit 84 % relativ hoch. In der Klagepatentschrift wird jedoch als Nachteil beschrieben, dass die Farbe, die sich durch das Schichtsystem einstellt, unerwünschtes Purpur ist.

Die Offenlegungsschrift DE 195 20 843 – so die Klagepatentschrift – offenbart die Verwendung einer unterstöchiometrischen Oxidschicht (zum Beispiel ZnOx, ZnTaOx, TaOx) unter der Silberschicht, um die Leitfähigkeit der Silberschicht im Schichtsystem zu erhöhen. Im Allgemeinen weist das Schichtsystem folgende Abfolge auf: Substrat / Oxid / Suboxid / Ag / Blocker / Oxid. Die oxidischen Schichten sind transparente Reflektionsschichten, während der Blocker oder die Barriereschicht eine Adhäsionsvermittlungsschicht aus Metall oder einem Suboxid ist, die die Silberschicht vor aggressiven Umwelteinflüssen schützen sollen. Laut Offenlegungsschrift DE 195 20 843 – so die Klagepatentschrift weiter – wird die Leitfähigkeit der Silberschicht durch die Verwendung der suboxidischen Schicht unter der Silberschicht um 30 % erhöht, was zu einem Schichtsystem mit einer Kombination von niedriger Emissivität (En) und hohem Sichtdurchlassgrad (Tvis) führt. In der Klagepatentschrift wird als Nachteil dieses Schichtsystems angesehen, dass das Erfordernis einer unter-stöchiometrischen Metalloxid-Schicht den Herstellungsprozess komplexer macht.

Schließlich ist aus dem Stand der Technik ein Produkt bekannt, das als erste Schicht TiO2 aufweist. Die Silberschicht ist von Si3N4 oder Nickel-Chrom-Schichten umgeben. Nachteilig ist laut Klagepatentschrift jedoch der geringe Lichtdurchlassgrad, so dass sich das Glas nicht für alle IG-Anwendungen eignet.

Dem Klagepatent liegt vor diesem Hintergrund das Problem zu Grunde, ein Schichtsystem zu entwickeln mit einer hoher Durchlässigkeit für sichtbares Licht, mit einem hohen, stabilen IR-Reflektionsvermögen, mit einer im Wesentlichen neutralen, insbesondere nicht purpurnen Tönung, ohne Spiegeleffekte und ohne das Erfordernis einer unterstöchiometrischen Metalloxid-Schicht unter der Silberschicht,

Dies soll durch die Klagepatentansprüche 1 und 18 erreicht werden. Die Merkmale des Anspruchs 1 lassen sich wie folgt gliedern:

Glaserzeugnis,
a. das Glaserzeugnis weist ein Glassubstrat auf;
b. das Glassubstrat weist ein durch Zerstäuben aufgetragenes Schichtsystem darauf auf;
c. das Schichtsystem besteht von dem Glas nach außen im Wesentlichen aus:
c1. einer Grundierungsschicht, die aus mindestens einem Metalloxid oder -nitrid ausgebildet ist, das einen Brechungsindex aufweist, der in dem Intervall von 2,35 bis 2,75 enthalten ist;
c1.1 die Grundierungsschicht weist eine Dicke auf, die sich zwischen 16 und 32 nm erstreckt
c2. optional einer unteren Zwischenschicht, die sich zwischen der Grundierungsschicht und einer Schicht aus metallischem Silber befindet, wobei die untere Zwischenschicht aus einem im Wesentlichen stöchiometrischen Oxid oder Nitrid aus Zn, Ti, Sn, Bi, Si oder Gemischen von diesen ausgewählt ist;
c3. der Silberschicht;
c4. einer oberen Zwischenschicht, die sich zwischen der Silberschicht und einer Überzugsschicht befindet, wobei die obere Zwischenschicht aus einem Oxid oder Nitrid aus Al, Ti, Zn, Sn, Zr, Cr, Ta, Mg oder Gemischen von diesen ausgewählt ist;
c5. der Überzugsschicht, die aus mindestens einem Metalloxid oder -nitrid ausgebildet ist, das einen Brechungsindex aufweist, der in dem Intervall von 1,85 bis 2,25 enthalten ist;
e. die Dicke der Kombination der Schicht aus metallischem Silber und der Überzugsschicht ist derart ausreichend ausgewählt, dass das Glaserzeugnis, wenn das Glassubstrat aus einem klaren Glas einer Dicke besteht, die zwischen 2 bis 6 mm enthalten ist, aufweist:
e1. einen Sicht-Durchlassgrad (Tvis) von mindestens 84 %;
e2. einen Schichtwiderstand (Rs) von weniger als oder gleich 5,5 Ohm/Quadrat; und
e3. ein normales Emissionsvermögen (En) von weniger als oder gleich 0,065;
f. wobei das Schichtsystem keine Schicht beinhaltet, die im Wesentlichen aus einem unterstöchiometrischen Metalloxid besteht, das sich zwischen dem Substrat und der Schicht aus metallischem Silber befindet.

Die Merkmale des Klagepatentanspruchs 18 einschließlich des Anspruchs 2, auf den der Anspruch 18 rückbezogen ist, können wie folgt gegliedert werden:

Isolierglaseinheit,
a. die Isolierglaseinheit besteht aus mindestens 2 Glasscheiben und ist an ihren Umfangskanten abgedichtet, um eine isolierende Kammer zwischen diesen auszubilden;
b. mindestens eine der Glasscheiben ist ein Glaserzeugnis nach Anspruch 1, wobei das Glassubstrat eine monolithische Schicht aus im Wesentlichen klarem Glas ist;
c. das Schichtsystem befindet sich auf der Glasscheibe innerhalb der isolierenden Kammer;
d. die Isolierglaseinheit zeigt die folgenden Eigenschaften:
d1. Tvis 75 %
d2. Raußen 15 %
d3. Rinnen 15 %
d4. S.C. 0,60
d5. Uwinter 0,26.

In der Klagepatentschrift wird ausgeführt, der Vorteil dieses Beschichtungssystems liege in der kombinierten Fähigkeit, hohe Tvis-Werte und zugleich niedrige En-Werte zu erhalten. Darüber hinaus würden diese Werte erzielt, ohne eine separate unterstöchiometrische metallische Oxidschicht unterhalb der Silberschicht aufzutragen.

II.
Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 nicht wortsinngemäß Gebrauch, weil die Klägerin nicht bewiesen hat, dass die Grundierungsschicht aus mindestens einem Metalloxid oder -nitrid ausgebildet ist (Merkmal c1.). Ebenso wenig steht fest, dass die zwischen der Grundierungsschicht und der Silberschicht angeordnete Schicht der angegriffenen Ausführungsform aus einem im Wesentlichen stöchiometrischen Oxid oder Nitrid aus Zink, Titan, Zinn, Bismut, Silizium oder Gemischen von diesen besteht (Merkmal c2.).

1. Merkmal c1.
Ausgehend von dem eingeholten Gutachten des Sachverständigen Dr. H ist zwischen den Parteien streitig, ob ein erfindungsgemäßes Schichtsystem in der Grundierungsschicht Oxinitride aufweisen darf. Die Auslegung des Klagepatentanspruchs führt zu dem Ergebnis, dass Oxinitride vom Merkmal c1. nicht erfasst werden. Aufgrund der vom Sachverständigen festgestellten Zusammensetzung der Grundierungsschicht in der angegriffenen Ausführungsform hat die Klägerin letztlich nicht bewiesen, dass das beanstandete Glasprodukt der Beklagten eine erfindungsgemäße Grundierungsschicht aufweist.

a) Ein erfindungsgemäßes Glaserzeugnis muss nach dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs eine Grundierungsschicht aufweisen, die aus mindestens einem Metalloxid oder -nitrid mit einem Brechungsindex im Intervall von 2,35 und 2,75 ausgebildet ist. Während der Klagepatentanspruch 1 hinsichtlich der optionalen unteren Zwischenschicht und der oberen Zwischenschicht ausdrücklich Oxide oder Nitride aus bestimmten (Halb-)Metallen „oder Gemischen von diesen“ benennt, wird der Begriff „Gemische“ für die Grundierungsschicht nicht im Wortlaut des Klagepatentanspruchs verwendet. Allerdings soll die Grundierungsschicht aus – so der Wortlaut – mindestens einem Metalloxid oder -nitrid ausgebildet sein. Eine erfindungsgemäße Grundierungsschicht darf somit zumindest aus entweder mehreren verschiedenen Metalloxiden oder mehreren Metallnitriden bestehen. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Grundierungsschicht eines patentgemäßen Schichtsystems darüber hinaus auch aus Gemischen von Metalloxiden und -nitriden oder gar aus Metalloxinitriden bestehen darf. Bei der Entscheidung dieser Frage kann mit Blick auf die tatsächlichen Feststellungen des Sachverständigen (dazu am Ende dieses Abschnitts) dahinstehen, ob eine Grundierungsschicht nach der Lehre des Klagepatentanspruchs auch aus einem oder mehreren Metalloxiden und Metallnitriden (in der Form eines Gemisches) gebildet werden darf. Jedenfalls aber werden Metalloxinitride nicht von der Lehre des Klagepatentanspruchs erfasst. Die Auslegung des Klagepatentanspruchs führt zu dem Ergebnis, dass ein Schichtsystem mit einer Grundierungsschicht aus einem Metalloxinitrid nicht patentgemäß ist. Der anderen Ansicht der Klägerin ist aufgrund der hier vorzunehmenden Auslegung des Klagepatentanspruchs nicht zu folgen.

Zur Auslegung des Klagepatentanspruchs sind gemäß Art. 69 Abs. 1 EPÜ die Beschreibung und die Zeichnungen heranzuziehen. Nach dem Protokoll über die Auslegung des Art. 69 Abs. 1 EPÜ dient die Auslegung nicht nur zur Behebung etwaiger Unklarheiten in den Patentansprüchen, sondern auch zur Klarstellung der in den Patentansprüchen verwendeten technischen Begriffe sowie zur Klärung der Bedeutung und der Tragweite der dort beschriebenen Erfindung. Maßgeblich ist dabei die Sicht des Durchschnittsfachmanns (BGHZ 105, 1 (11) – Ionenanlyse). Der Sachverständige Dr. H hat den Durchschnittsfachmann in dem von ihm erstellten Gutachten als diplomierten oder promovierten Physiker oder Chemiker mit besonderen Kenntnissen in den Bereichen Optik, Oberflächen- und Grenzflächenphysik, Halbleiterphysik, Vakuumtechnik und Materialwissenschaften beschrieben (dort S. 4 f; Blatt 517R f der Akte). Diese Einordnung hat er auf konkrete Nachfrage in der mündlichen Verhandlung vom 18.12.2008 bestätigt und in nachvollziehbarer Weise begründet.

aa) Für den Durchschnittsfachmann stellen Oxide, Nitride und Oxinitride unterschiedliche Stoffklassen mit unterschiedlichen chemischen Eigenschaften dar. Ausgehend vom Wortlaut des Klagepatentanspruchs wird der Fachmann daher unter dem Begriff der Metalloxide beziehungsweise -nitride keine Oxinitride verstehen. Davon ist der Sachverständige Dr. H bereits in seinem Gutachten ausgegangen (dort S. 38; Blatt 534R der Akte) und hat dies in seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 18.12.2008 bekräftigt. Er hat auf Nachfrage erklärt, dass zum Beispiel Titanoxinitrid eine eigene Stoffklasse bilde, die in ungefähr 1.000 Publikationen (Stand 2006) erwähnt werde. Es handele sich um ein chemisch gebundenes Material, bei dem Titan eine chemische Verbindung mit dem Sauerstoff und dem Stickstoff eingehe und das sich in entsprechenden Untersuchungen auch darstellen lasse (Blatt 684 der Akte). Der Sachverständige hat insbesondere im Hinblick auf die Grundierungsschicht darauf hingewiesen, dass sich die Unterscheidung zwischen Oxiden, Nitriden und deren Gemischen einerseits und Oxinitriden andererseits auch in den verschiedenen Publikationen wiederspiegelt. Dort seien neben den Oxiden und Nitriden die Oxinitride separat aufgeführt, wenn sie im entsprechenden Fachzusammenhang betrachtet werden sollen (Blatt 688 der Akte). Diese Feststellung des Sachverständigen wird beispielhaft durch die im Klagepatent genannte und Stand der Technik bildende Druckschrift DE 195 20 843 A1 bestätigt. Dort werden als Bestandteile, aus denen die Grundierungsschicht gebildet werden soll, neben bestimmten (Halb-) Metalloxiden oder -nitriden und deren jeweiligen Mischungen ausdrücklich ausgewählte Oxinitride und deren Mischungen genannt (vgl. Patentanspruch 1 der Anlage K2). Da also Metalloxinitride hinsichtlich Metalloxiden und -nitriden eine eigene Stoffklasse darstellen, die in der Fachliteratur auch als solche benannt und behandelt wird, wird der Fachmann unter „mindestens einem Metalloxid oder -nitrid“ kein Metalloxinitrid verstehen.

bb) Zu einer anderen Auslegung besteht auch im Hinblick auf die Beschreibung des Klagepatents und den Unteranspruch 9 keine Veranlassung. Der Unteranspruch 9 sieht ein Glaserzeugnis nach Anspruch 1 vor, bei dem die Grundierungsschicht ein Teil ist, das aus der Gruppe gewählt ist, die aus TiO2, ZrO2, PbO, W2O3, SiZrN, SiTiN und Gemischen von diesen besteht. In der Beschreibung des Klagepatents heißt es, „Beispiele für Grundierungsmaterialien umfassen TiO2, ZrO2, PbO, W2O3, SiZrN, SiTiN oder Mischungen daraus, oder mehrere Schichten davon“ (S. 15 Z. 8-9; Textstellen ohne Bezug stammen aus der deutschen Übersetzung der Klagepatentschrift, Anlage K1a). In der für die Auslegung des Klagepatentanspruchs maßgeblichen englischen Originalfassung der Patentschrift ist die Rede von „mixtures thereof“ (vgl. Unteranspruch 9 und Abs. [0043] der Anlage K1). Die Klägerin vertritt die Auffassung, aufgrund von Unteranspruch 9 und der Beschreibung des Klagepatents könne die Grundierungsschicht auch aus Gemischen von Oxiden und Nitriden bestehen und der Begriff der Gemische umfasse auch Oxinitride. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden.

(1) Für den Durchschnittsfachmann ist der Begriff „Gemisch“ beziehungsweise „Mischung“ (oder „mixture“) ein feststehender Begriff aus dem Bereich der Chemie, der von dem Begriff der (chemischen) Verbindung (im Englischen „compound“) abzugrenzen ist. Gemische oder Mischungen werden aus zwei oder mehr Ausgangsstoffen gebildet, die keine chemische Verbindung miteinander eingehen und daher für die Bildung des Gemisches auch in keinem bestimmten Atom- oder Masseverhältnis zueinander stehen müssen. Gemische können durch entsprechende physikalische Verfahren wieder in ihre Ausgangsstoffe zerlegt werden, während dies bei chemischen Verbindungen allenfalls durch chemische Verfahren möglich ist. Dies hat der Sachverständige Dr. H in seiner Anhörung auf Nachfrage des Gerichts im Hinblick auf den Begriff „Gemische“ im Merkmal c2. erläutert (Blatt 682 f der Akte). Entsprechend wird der Durchschnittsfachmann unter dem im Unteranspruch 9 und dem in der Beschreibung des Klagepatents hinsichtlich der Grundierungsschicht genannten Begriff „Gemische“ beziehungsweise „Mischungen“ (S. 15 Z. 8 f) keine Oxinitride verstehen, weil es sich dabei um chemische Verbindungen handelt. Auch der Sachverständige hat auf Nachfrage des Gerichts zur Grundierungsschicht mit nachvollziehbarer Begründung erläutert, dass Oxinitride als eigenständige chemische Klasse „definitiv“ nicht unter den Begriff Gemische fallen (Blatt 688 der Akte).

Die Verwendung des Begriffs „Gemische“ oder „Mischungen“ in anderen Zusammenhängen in der Klagepatentschrift gibt ebenfalls keinen Hinweis darauf, unter einem Gemisch oder einer Mischung im Sinne des Klagepatents Verbindungen von Oxiden und Nitriden zu fassen. Hinsichtlich der Überzugsschicht unterscheidet sich der Wortlaut der diesbezüglichen Beschreibung des Klagepatents kaum von der Beschreibung der Grundierungsschicht. Für die optionale untere Zwischenschicht und die obere Zwischenschicht wird im Klagepatentanspruch angeordnet, dass sie aus einem Oxid oder Nitrid aus bestimmten (Halb-)Metallen „oder Gemischen von diesen ausgewählt“ sind (vgl. Merkmale c2. und c4.). Dieser Wortlaut findet sich auch in der Beschreibung des Klagepatents (dort S. 15 Z. 24-26 und S. 16 Z. 6-8). Keine dieser Textstellen bietet einen Anhaltspunkt dafür, dass mit Gemischen auch chemische Verbindungen in der Form von Oxinitriden gemeint sein könnten.

(2) Eine andere Auslegung des Klagepatentanspruchs 1 kann auch nicht aufgrund des für die Herstellung von Schichtsystemen angewandten Sputterverfahrens begründet werden. Beim Sputterprozess (Zerstäubungsprozess) werden aus einem Target Metallatome herausgeschlagen, die sich auf der zu beschichtenden Oberfläche niederschlagen und dort eine Schicht bilden. Dieser Prozess findet unter einer Reaktivgasatmosphäre – beispielsweise aus Sauerstoff oder Stickstoff – statt, so dass sich entsprechende Oxid- oder Nitridschichten bilden. Der Sachverständige hat auf Nachfrage des Klägervertreters erläutert, dass mit der Sputtertechnologie eine Schicht aus einem Gemisch von reinem Titanoxid und reinem Titannitrid nicht vernünftig hergestellt werden könne. Werde eine Stickstoff-Sauerstoff-Atmosphäre verwendet, bilde sich bei entsprechender Wahl der Energie eine Oxinitridschicht (Blatt 691 der Akte). Die Klägerin ist der Ansicht, der Durchschnittsfachmann werde unter „Mischungen“ beziehungsweise „Gemische“ in der Beschreibung des Klagepatents (vgl. zur Grundierungsschicht S. 15 Z. 9) auch Oxinitride verstehen, weil sich Gemische im lexikalischen Sinn (also als Gemenge verstanden) aus Metalloxiden und -nitriden in der Praxis nicht herstellen ließen.

Die Ansicht der Klägerin verkennt, dass in der gesamten Klagepatentschrift keine Oxinitride als Bestandteil des Schichtsystems, insbesondere einer Grundierungsschicht, benannt werden. Der Begriff der „Mischungen“ beziehungsweise „Gemische“ lässt in dieser Hinsicht kein anderes Verständnis zu. Zum Sputterverfahren äußert sich die Klagepatentschrift nur am Rande mit der Bemerkung, „die konventionellen Techniken, die verwendet werden, um die Schichten durch Zerstäuben aufzutragen und ihre Betriebsparameter sind Fachleuten wohlbekannt“ (S. 16 Z. 27-29). Sie bietet aber im Übrigen keinen Anhaltspunkt dafür, unter Gemischen im Sinne des Klagepatents auch chemische Verbindungen wie Oxinitride zu verstehen. Insofern besteht kein Anlass, allein aufgrund der beiläufigen Erwähnung des Sputterverfahrens den Begriff der „Gemische“ im Hinblick auf die Besonderheiten dieses Verfahrens auszulegen. Der Sachverständige hat dazu in seiner Anhörung wiederholt erklärt, dass der Fachmann chemische Verbindungen wie Oxinitride nicht als Gemische im Sinne des Klagepatents ansehen werde (Blatt 682, 684, 688 der Akte).

(3) Der im Unteranspruch 9 und in der Beschreibung der Grundierungsschicht (S. 15 Z. 9) verwendete Begriff „Gemisch“ beziehungsweise „Mischung“ wird durch die hier vertretene Auslegung nicht bedeutungslos. Die Besonderheiten des Sputterverfahrens zwingen nicht zu einer Auslegung, die unter Gemischen im Sinne des Klagepatents auch ternäre Verbindungen wie Oxinitride versteht. Denn in seiner Anhörung hat der Sachverständige festgestellt, dass es technisch nicht ausgeschlossen sei, Schichten aus einem Gemisch eines Oxids und eines Nitrids herzustellen, indem entweder das Reaktivgas oder die Kathoden im Sputterprozess sehr schnell hin- und hergeschaltet werden (Blatt 689 der Akte). Es gebe Ansätze, Schichten aus einem Gemisch von reinem Titanoxid und reinem Titannitrid herzustellen (Blatt 691 der Akte). Aber selbst wenn sich „echte“ Gemische aus Oxiden und Nitriden in einem Schichtsystem aufgrund der Besonderheiten des Sputterverfahrens praktisch kaum umsetzen lassen, hat der Begriff „Gemisch“ im Sinne des Klagepatents eine eigene Bedeutung, da er sich zumindest auf Gemische bezieht, die ausschließlich aus verschiedenen Metalloxiden beziehungsweise ausschließlich aus mehreren Metallnitriden bestehen.

Dadurch lässt sich auch Unteranspruch 9 widerspruchsfrei in die Auslegung des Klagepatentanspruchs 1 einordnen. Denn unter dem Begriff der Gemische im Unteranspruch 9 sind nicht alle denkbaren Kombinationen zwischen den dort angegebenen Oxiden und Nitriden zu verstehen, sondern nur solche entweder zwischen den Oxiden oder den Nitriden. Der Sachverständige hat dazu erläutert, der Fachmann wisse, dass nicht jede Materialkombination als Schichtsystem sinnvoll sei. Zum Beispiel hätten gewisse Materialien per se eine höhere Absorption, so dass die Kombination von vielen dieser Materialien in einem Schichtsystem ausgeschlossen sei. Weiterhin wisse der Fachmann auch, dass bestimmte Stoffe keine vernünftige Adhäsion aufwiesen. Bei einem Spektrum von Materialien werde der Fachmann separieren, was gehe und was nicht gehe (Blatt 692 der Akte). Darüber hinaus hat der Sachverständige Dr. H erklärt, der Fachmann scheue davor zurück, mehr als ternäre Komponenten einzusetzen, zum einen aus ökonomischen Gründen, zum anderen weil die Stöchiometrie irgendwann nicht mehr beherrschbar sei. Der Fachmann toleriere höhere als ternäre Verbindungen nur dann, wenn sich damit ein klarer Nutzen ergebe, der einfach definiert sei (Blatt 693). Bereits vor diesem Hintergrund wird der Fachmann nicht die im Unteranspruch 9 angegebenen Oxide und Nitride miteinander mischen oder gar unter dem Begriff der Gemische Oxinitride verstehen. Bei den beiden im Unteranspruch 9 genannten Nitriden handelt es sich jeweils um ternäre Verbindungen, so dass bei einer Verbindung mit den im Unteranspruch 9 genannten Oxiden zumindest vier Elemente beteiligt sind. Da die gesamte Klagepatentschrift keinen Hinweis darauf enthält, welche vorteilhaften optischen Eigenschaften mit der Bildung einer Grundierungsschicht aus Oxinitriden verbunden sind, hat der Durchschnittsfachmann keine Veranlassung, Oxinitride in einer Grundierungsschicht zu verwenden. Dies hat auch die Klägerin nicht vorgetragen.

b) Vor dem Hintergrund dieser Auslegung steht nicht fest, dass die angegriffene Ausführungsform von der Lehre des Klagepatentanspruchs wortsinngemäß Gebrauch macht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die vom Sachverständigen Dr. H zu den Proben L3O und UV6 getätigten Feststellungen nicht tragfähig sind, weil die Klägerin Herkunft und Behandlung der Proben nicht dargelegt hat (aa). Aber selbst wenn die Ergebnisse aus den Untersuchungen aller Proben berücksichtigt werden, kann eine Verwirklichung des Merkmals c1. nicht festgestellt werden (bb).

aa) Die tatsächlichen Feststellungen des Sachverständigen zu den Proben L3O und UV6, die dem von der Klägerin als Anlage K15 überreichten Muster entnommen wurden, sind unbeachtlich. Denn es ist seitens der Klägerin nicht im Einzelnen dargelegt worden, woher das Muster stammt. Die Klägerin hat lediglich vorgetragen, es handele sich um Glas des Verletzungsgegenstands, was die Beklagten bestritten haben. Dieser Vortrag der Klägerin genügt im Hinblick auf das Bestreiten der Beklagten nicht den Anforderungen an die der Klägerin obliegenden Darlegungslast. Es ist nicht nachvollziehbar und für die Beklagten überprüfbar, woher die Probe stammt und welche Eigenschaften sie aufweist. Die Klägerin hat lediglich zu dem von ihr selbst untersuchten Muster dargelegt, dass sie die Scheibe von einem Stammkunden erhalten habe. Es ist nicht klar, ob das als Anlage K15 vorgelegte Muster derselben Glasscheibe entnommen wurde. Aber selbst wenn das der Fall wäre, hat die Klägerin nicht einmal dargelegt, woher sie weiß, dass es sich um ein von den Beklagten hergestelltes und vertriebenes Produkt handelt. Die bloße Behauptung, ein Stammkunde habe es geliefert, genügt dafür nicht.

Die Probe kann aber auch deswegen nicht für die Beantwortung der Beweisfrage herangezogen werden, weil unklar ist, ob das Schichtsystem der beiden Proben im Zeitpunkt ihrer Begutachtung durch den Sachverständigen die Eigenschaften aufwies, die es auch in dem Zeitpunkt hatte, als es – wie von der Klägerin behauptet – von den Beklagten auf den Markt gebracht wurde. Die Beklagten haben unbestritten darauf hingewiesen, dass bereits vor der Probenentnahme ein kreisrundes Loch in die IG-Einheit, der die Proben entstammen, geschnitten war (vgl. die Abbildung auf S. 80 des Sachverständigengutachtens, Blatt 555R der Akte), so dass das innen liegende Schichtsystem der Umgebungsatmosphäre ausgesetzt war. Unstreitig können beschichtete Gläser nicht beliebig lange aufbewahrt werden, ohne dass das Schichtsystem vor der Umgebungsatmosphäre geschützt ist. Darauf hat auch der Sachverständige in seinem Gutachten hingewiesen. Er hat hinsichtlich der unteren Zwischenschicht ausgeführt, dass eine unterstöchiometrische Metalloxid-Schicht im Laufe der Zeit allein durch eindiffundierenden Sauerstoff bis zur vollständigen Stöchiometrie aufoxidieren kann (S. 40 des Sachverständigengutachtens, Blatt 535R der Akte). Da im vorliegenden Fall unbekannt ist, wie lange bereits das Loch in der Scheibe vorhanden und die Beschichtung der Umgebungsluft ausgesetzt war, besteht durchaus die Möglichkeit, dass sich das Beschichtungssystem im Laufe der Zeit verändert hat und nicht mehr die Eigenschaften aufweist, mit denen es hergestellt und auf den Markt gebracht wurde. Infolgedessen sind darauf basierende Feststellungen des Sachverständigen nicht tragfähig und zur Beantwortung der Beweisfrage nicht geeignet.

bb) Abgesehen von der Frage, ob die Proben L3O und UV6 berücksichtigungsfähig sind, hat der Sachverständige Dr. H zu allen Proben in seinem Gutachten festgestellt, dass die Grundierungsschicht Titan, Sauerstoff und Stickstoff (8 at%) aufweist. Er hat erläutert, dass die drei Stoffe mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in der Form des Titanoxinitrid (TiO(N)x) gebunden sind. Eine Mischung aus Titanoxid (TiO2) und Titannitrid (Ti3N4) hat er hingegen mit plausiblen Gründen ausgeschlossen. Dazu hat er in seinem Gutachten ausgeführt, dass die Messergebnisse ein Herstellungsverfahren nahe legen, bei dem die Grundierungsschicht in einem Zerstäubungsprozess von einem metallischen Target unter einer Reaktivgasatmosphäre mit Anteilen von Sauerstoff und Stickstoff gebildet werde. Stickstoff könne bei der vorliegenden Konzentration nur innerhalb der Schichtstruktur stabil bestehen, wenn er chemisch gebunden sei. Sauerstoff sei ebenso aufgrund seiner hohen Reaktivität innerhalb der Schicht chemisch gebunden. Gleiches gelte für Titan, das dazu neige, mit allen kompatiblen Reaktionspartnern chemische Bindungen einzugehen. Infolgedessen bilden sich ternäre Verbindungen in der Form von Titanoxinitrid (TiO(N)x) (S. 37 f des Gutachtens, Bl. 534R f der Akte). Aufgrund der vom Sachverständigen in der Grundierungsschicht der angegriffenen Ausführungsform festgestellten Bestandteile Titan, Sauerstoff und Stickstoff besteht die Grundierungsschicht weder aus Titanoxid, noch aus Titannitrid. Ebenso wenig konnte mit der für die Überzeugung der Kammer erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass das Titan in der Form von reinem Titanoxid und reinem Titannitrid – also einem Gemisch – gebunden ist. Da ein Titanoxinitrid nicht als Bestandteil einer erfindungsgemäßen Grundierungsschicht in Betracht kommt, kann eine Verwirklichung des Merkmals c1. nicht festgestellt werden.

2. Merkmal c2.
Die Klägerin hat weiterhin nicht bewiesen, dass die zwischen der Grundierungsschicht und der Silberschicht in der angegriffenen Ausführungsform angeordnete Schicht die Merkmale einer erfindungsgemäßen optionalen unteren Zwischenschicht aufweist.

a) Nach der Lehre des Klagepatentanspruchs ist es dem Fachmann überlassen, ob er zwischen der Grundierungsschicht und der Silberschicht eine (untere) Zwischenschicht einfügt. Falls eine solche untere Zwischenschicht im Schichtsystem einer Ausführungsform vorhanden ist, muss sie jedoch den im Klagepatentanspruch genannten Merkmalen entsprechen. Sie muss aus einem im Wesentlichen stöchiometrischen Oxid oder Nitrid aus Zink, Titan, Zinn, Bismut, Silizium oder Gemischen von diesen ausgewählt sein (Merkmal c2.). Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten, das Merkmal c2. beschreibe lediglich eine bevorzugte Ausführungsform, wie sie typischerweise Gegenstand eines Unteranspruchs sei. Es sei in das Belieben des Fachmanns gestellt, ob er eine untere Zwischenschicht vorsehe und welche Bestandteile diese habe. Dieser Ansicht kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil dadurch das Merkmal c2. bedeutungslos würde. Zudem verkennt sie, dass sich der Begriff „optional“ nicht auf die verwendeten Stoffe, sondern auf die Zwischenschicht selbst bezieht. Es ist also dem Fachmann überlassen, ob er eine untere Zwischenschicht in das Schichtsystem einbringt. Wenn dies aber der Fall ist, muss die untere Zwischenschicht auch den im Merkmal c2. aufgestellten Anforderungen genügen. Die Beschreibung der das Schichtsystem bildenden Schichten in der Merkmalsgruppe c. ist insofern abschließend und lässt keine weiteren Einzelschichten zu. Auf dem Glas ist die Grundierungsschicht aufgebracht (vgl. Merkmal c.). Auf die Grundierungsschicht folgt grundsätzlich die Silberschicht, wenn nicht zwischen diesen beiden Schichten die untere Zwischenschicht angeordnet ist (vgl. Merkmal c2.). Der Silberschicht schließen sich dann zwingend die obere Zwischenschicht und die Überzugsschicht an (vgl. Merkmal c4.). Ein Schichtsystem mit einer zwischen der Grundierungsschicht und der Silberschicht vorgesehenen Zwischenschicht ist demnach nur dann erfindungsgemäß, wenn die Zwischenschicht aus einem im Wesentlichen stöchiometrischen Oxid oder Nitrid aus Zink, Titan, Zinn, Bismut, Silizium oder Gemischen von diesen hergestellt ist.

Anders als für die Grundierungsschicht sieht der Klagepatentanspruch für die untere Zwischenschicht ausdrücklich auch Gemische verschiedener Stoffe vor. Zwischen den Parteien ist – ebenso wie bei der Grundierungsschicht – streitig, ob sich der Begriff „Gemisch“ nur auf Mischungen von Oxiden beziehungsweise Nitriden jeweils untereinander oder auch auf Mischungen von Oxiden mit Nitriden oder sogar auf Oxinitride bezieht. Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des Sachverständigen Dr. H (dazu am Ende des Abschnitts) kann wiederum dahinstehen, ob eine untere Zwischenschicht, die aus Oxiden und Nitriden besteht, als erfindungsgemäß anzusehen ist. Jedenfalls erfasst der Begriff „Gemisch“ keine Oxinitride. Zur Begründung dieser Auslegung kann in weiten Teilen auf die Ausführungen zum Merkmal c1. verwiesen werden. Oxinitride stellen eine von den Oxiden und Nitriden zu unterscheidende Stoffklasse dar, die im Klagepatentanspruch bezüglich der unteren Zwischenschicht nicht genannt wird. Bei dem Begriff „Gemisch“ (im Englischen „mixture“) handelt es sich um einen feststehenden Begriff, der von der chemischen Verbindung (im Englischen „compound“) zu unterscheiden ist. Bei einem Oxinitrid handelt es sich jedoch um eine Verbindung im chemischen Sinne. Auch die Klagepatentschrift gibt keinen Hinweis darauf, unter dem Begriff „Gemisch“ chemische Verbindungen wie zum Beispiel Oxinitride zu verstehen. Die entsprechenden Erläuterungen in der Beschreibung des Klagepatents zur optionalen unteren Zwischenschicht (S. 15 Z. 24-26) sind nahezu wortgleich mit dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs und geben für eine andere als die hier vorgenommene Auslegung des Klagepatentanspruchs keinen Anhaltspunkt. Ebenso wenig zwingt die Anwendung des Sputterverfahrens zu einer anderen Auslegung, da es nicht ausgeschlossen ist, mit dem Sputterverfahren Einzelschichten aus einem Gemisch eines Oxids mit einem Nitrid herzustellen. Abgesehen davon bezieht sich der Begriff „Gemisch“ im Merkmal c2. jedenfalls auch auf Einzelschichten, die aus verschiedenen Metalloxiden beziehungsweise mehreren Metallnitriden bestehen. Wegen der Einzelheiten der vorstehenden Auslegung des Klagepatentanspruchs wird auf den vorherigen Abschnitt zur Grundierungsschicht Bezug genommen.

Ebenso wenig folgt aus der Funktion der optionalen unteren Zwischenschicht, dass als Bestandteil der Zwischenschicht nach der erfindungsgemäßen Lehre auch Oxinitride ausgewählt werden können oder gar zu bevorzugen sind. Nach der Beschreibung des Klagepatents dient die untere Zwischenschicht als Keimbildungsschicht für die darüber befindliche Silberschicht (S. 14 Z. 22-25). Der Sachverständige Dr. H hat dazu erklärt, die Keimbildung könne auf verschiedensten Schichtformationen erfolgen. Unabhängig davon, ob ein stöchiometrisches Oxid, Nitrid oder Oxinitrid verwendet werde, könne eine Keimbildung der Silberschicht auf der unteren Zwischenschicht stattfinden (Bl. 685 der Akte). Ist es für den Fachmann aber unerheblich, ob er ein Oxid, ein Nitrid, ein Gemisch von Oxiden und Nitriden oder ein Oxinitrid als Keimbildungsschicht verwendet, können von dieser Funktion der unteren Zwischenschicht keine Rückschlüsse auf das Verständnis der Begriffs „Gemisch“ gezogen werden.

b) Vor dem Hintergrund dieser Auslegung hat die Klägerin nicht bewiesen, dass die angegriffene Ausführungsform eine untere Zwischenschicht aus einem im Wesentlichen stöchiometrischen Oxid oder Nitrid aus Zink, Titan, Zinn, Bismut, Silizium oder Gemischen von diesen aufweist.

Der Sachverständige hat festgestellt, dass die zwischen der Grundierungsschicht und der Silberschicht angeordnete Zwischenschicht der angegriffenen Ausführungsform aus Zink und Sauerstoff besteht und einen Gehalt von 1 % Stickstoff aufweist, dessen Bindungsform nicht analysiert werden kann. Außerdem hat Sachverständige in den Proben L3O und UV6 – abgesehen davon, dass die diesbezüglichen Feststellungen nicht berücksichtigungsfähig sind – überhaupt einen Anteil von Aluminium nachgewiesen (S. 31 und 34 des Sachverständigengutachtens, Blatt 531 und 532R der Akte). In der Anhörung hat der Sachverständige Dr. H es für sehr wahrscheinlich angesehen, dass der Stickstoff aufgrund seines Anteils von 1 % eine chemische Verbindung mit dem Zink eingegangen ist und somit ein Zinkoxinitrid entstanden ist (Blatt 686 der Akte). Er hat es als sehr unwahrscheinlich erachtet, dass der Stickstoff allein an Zinkatome angedockt haben könnte. Infolgedessen geht der Sachverständige Dr. H davon aus, dass in der unteren Zwischenschicht Zinkoxinitrid vorhanden ist (S. 668 der Akte). Aufgrund dieser Feststellungen des Sachverständigen steht nicht fest, dass die untere Grundierungsschicht aus einem Oxid oder Nitrid aus Zink, Titan, Zinn, Bismut, Silizium oder Gemischen von diesen besteht. Da die angegriffene Ausführungsform in der unteren Zwischenschicht mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Zinkoxinitrid enthält, das nach vorstehender Auslegung nicht von der Lehre des Klagepatentanspruchs erfasst ist, steht eine Verwirklichung des Merkmals c2. nicht mit der für die Überzeugung der Kammer hinreichenden Sicherheit fest.

III.
Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass die angegriffene IG-Einheit von der Lehre des Klagepatentanspruchs 18 wortsinngemäß Gebrauch macht. Der Klagepatentanspruch 18 hat eine IG-Einheit aus mindestens zwei Glasscheiben zum Gegenstand. Unter anderem soll mindestens eine der Glasscheiben eine monolithische Schicht aus im Wesentlichen klarem Glas sein, auf das ein Schichtsystem nach Klagepatentanspruch 1 aufgetragen ist (Unteranspruch 2). Auch nach der Beweisaufnahme konnte nicht festgestellt werden, ob das beanstandete Schichtsystem eine Grundierungsschicht und eine untere Zwischenschicht im Sinne der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 aufweist. Für die Einzelheiten der Begründung wird auf die Ausführungen im vorherigen Abschnitt (II.) Bezug genommen. Entsprechend hat die Klägerin eine Verwirklichung der mit dem Klagepatentanspruch 18 geschützten technischen Lehre durch die angegriffene Ausführungsform nicht bewiesen.

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.

Streitwert: 7.500.000,00 EUR.