2 U 113/07 – Kunststoff-Schalenteil-Gepäckstück

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 982

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 2. Oktober 2008, Az. 2 U 113/07

Vorinstanz: 4a O 285/06

I.
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 18. Oktober 2007 verkündete Urteil der 4a Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert; die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen ihrer Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zwangsweise durchzusetzenden Betrages abzuwenden, falls nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt 250.000,– Euro.

G r ü n d e :

I.
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des aus der deutschen Patentanmeldung 01 91 5XXXvom Februar 2001 abgezweigten, im. Juli 2004 eingetragenen und im. September 2004 im Patentblatt bekannt gemachten deutschen Gebrauchsmusters 201 22 CCC (Klagegebrauchsmuster, Anlage K 1) betreffend ein Gepäckstück. Aus diesem Schutzrecht nimmt sie die Beklagten auf Unterlassung, Rechnungslegung und Feststellung ihrer Verpflichtung zum Schadenersatz in Anspruch. Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters lautet wie folgt:
Gepäckstück aus Kunststoff-Schalenteilen (2, 4), die längs einer Kante der einander zugewandten freien Ränder (9) über ein Scharnier (5) verbunden sind und die eine Schließeinrichtung zum Halten der Schalenteile (2, 4) in der Schließstellung aufweisen, wobei die Schalenteile (2, 4) aus einem dünnen, flexiblen Kunststoffmaterial gebildet und mittels eines Reißverschlusses (16) verbunden sind, dadurch gekennzeichnet, dass, das die vorstehenden Ränder (9, 28, 32) der Schalenteile (2, 4) von einem Keder (18, 20) eingefasst sind und dass der Reißverschluss (16) Seitenteile (15, 17) aufweist, die mit den Kedern (18, 20) verbunden und mit den Rändern (28, 32) vernäht sind.
Schutzanspruch 4 lautet:
Gepäckstück nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass mindestens ein Schalenteil (2, 4) mit mindestens einem nach außen vorstehenden, umlaufenden, die Fläche einer Vortasche (6) umgrenzenden Rand (28) ausgebildet ist, der mittels eines Reißverschlusses (16) mit einem Deckel (8) zur Bildung der Vortasche (6) verbunden ist, und dass zur Bildung mindestens einer Vortasche auf der äußeren Hauptfläche eines Schalenteils (2, 4) mindestens ein umlaufender Rand (28) von der äußeren Hauptfläche eines Schalenteils (2, 4) absteht und mit einem umlaufenden Rand (30) eines Bodenteils (22) für die Vortasche (6) verbunden ist.

Die kursiv gedruckten Merkmale macht die Klägerin im vorliegenden Verfahren in Kombination mit den Merkmalen des Schutzanspruches 1, die Unteransprüche 2, 3, 9 und 10, wegen deren Wortlautes auf die Klagegebrauchsmusterschrift Bezug genommen wird, dagegen lediglich „insbesondere“ geltend.
Die nachfolgend wiedergegebenen Figurendarstellungen erläutern die Erfindung anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels. Figur 1 zeigt die Hauptseite eines Gepäckstückes, auf der die Außenseite des betreffenden Schalenteils eine Vortasche trägt, Figur 2 das Gepäckstück in Seitenansicht, Figur 3 ein Formteil zur Bildung eines Seitenteils und eines Deckels bzw. einer Vortasche und Figur 4 die Verbindung der Vortasche mit dem Deckel.

Die Beklagte zu 1., deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2. ist, vertreibt in D unter den Bezeichnungen „A“ und „B“ Gepäckstücke aus Kunststoffschalen, von denen eine auf der Außenseite eine Vortasche aufweist; ein Musterstück hat die Klägerin als Anlage K 5 zur Akte gereicht. Der Boden der Vortasche ist einstückig mit einem Schalenteil verbunden und darin eingelassen. Die Schale ist in diesem Bereich tief gezogen, und vom Boden der Vortasche führt eine etwa senkrecht stehende Wand zu einem treppenstufenartigen Absatz; die sich an diese Stufe anschließende etwa senkrechte Wand geht in die äußere Oberfläche der Schale über und schließt mit ihr bündig ab. Auf der Stufe und an der in die Schalenoberfläche übergehenden senkrechten Wand ist ein Keder vernäht (vgl. die nachstehend wiedergegebene Skizze [Anlage WKS 3]):

Die Klägerin meint, dieses Gepäckstück entspreche dem Klagegebrauchsmuster in der geltend gemachten Merkmalskombination wortsinngemäß, jedenfalls aber mit äquivalenten Mitteln. Sie hat vor dem Landgericht geltend gemacht, der erfindungsgemäß verlangte nach außen vorstehende Rand des Schalenteils werde durch den Bereich (a; Bezugszeichen entsprechen der vorstehend wiedergegebenen Zeichnung) verkörpert, an dem auch ein Keder anliege. Der Bereich (b) sei ebenfalls ein nach außen vorstehender Rand und rage senkrecht von der Bodenfläche ab. Dass dieser Bereich (b) keinen Keder aufweise, sei unerheblich, denn das Klagegebrauchsmuster verlange eine Kedereinfassung nur dort, wo beide Hauptschalen aufeinander träfen und mit einem Reißverschluss verbunden seien, aber nicht an der Umgrenzung der Vortasche.
Die Beklagten haben eingewandt, die Klägerin mache einen unzulässig erweiterten Schutzanspruch geltend; die hier beanspruchte Kombination aus den Merkmalen des Schutzanspruches 1 und einzelnen des Schutzanspruches 4 werde vom Klagegebrauchsmuster nicht erfasst; es fehlten die vorstehend nicht hervorgehobenen Merkmale, die die Klägerin ebenfalls geltend machen müsse. Der bei der angegriffenen Ausführungsform zum Boden der Vortasche hin tief gezogene Rand stehe entgegen der beanspruchten Erfindung nicht vom Schalenteil nach außen vor. Der vom Boden der Vortasche aufsteigende Bereich (b) sei kein erfindungsgemäß ausgebildeter nach außen stehender Rand, weil er nicht von einem Keder eingefasst sei.
Durch Urteil vom 18. Oktober 2007 hat das Landgericht dem Klagebegehren nach dem zuletzt gestellten Hilfsantrag entsprochen und wie folgt erkannt:

I.
Die Beklagten werden verurteilt,
1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,–Euro, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unterlassen,
Gepäckstücke aus Kunststoff-Schalenteilen die längs einer Kante der einander zugewandten freien Ränder über ein Scharnier verbunden sind und die eine Schließeinrichtung zum Halten der Schalenteile in der Schließstellung aufweisen, wobei die Schalenteile aus einem dünnen, flexiblen Kunststoffmaterial gebildet sind, mittels eines Reißverschlusses verbunden sind,
in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen
oder zu besitzen,
bei denen die vorstehenden Ränder der Schalenteile von einem Keder eingefasst sind bzw. im Bereich des vom Bodenteil vorstehenden Randes der Vortasche ein Keder angelegt ist und bei denen der Reißverschluss Seitenteile aufweist, die mit den Kedern verbunden und mit den Rändern vernäht sind, und wobei mindestens ein Schalenteil mit mindestens einem gegenüber der Bodenfläche des mindestens einen Schalenteils nach außen vorstehenden, umlaufenden, die Fläche einer Vortasche umgrenzenden Rand ausgebildet ist, der mittels eines Reißverschlusses mit einem Deckel zur Bildung einer Vortasche verbunden ist.
2.
der Klägerin unter Vorlage der zugehörigen Belege Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten die zu I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 2. Oktober 2004 begangen haben, und zwar unter Angabe
a)
der Herstellungsmengen und –zeiten, oder bei Fremdbezug: der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b)
der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und
–preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
c)
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen, Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d)
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e)
der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei sich die Verpflichtung zur Belegvorlage nur bezieht
auf die Angaben zu a),
auf die Angaben zu b) mit Ausnahme der Lieferzeiten und –preise und nur soweit gewerbliche Abnehmer betroffen sind, und
auf die Angaben zu c) mit Ausnahme der Angebotszeiten und –preise, und
wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und Empfänger von Angeboten einem Wirtschaftsprüfer zu überlassen, wenn sie ihn ermächtigen, der Klägerin Auskunft darüber zu geben, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der ihm vorliegenden Liste enthalten ist.

II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagen als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten, seit dem 2. Oktober 2004 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
Es hat ausgeführt, der Klageantrag sei nicht zu beanstanden; die Klägerin mache Schutzanspruch 1 in einer durch das Hinzufügen aus der Gebrauchsmusterbeschreibung entnommener Merkmale eingeschränkten Fassung geltend, wozu sie unabhängig davon berechtigt sei, ob sie einen gleich lautenden Schutzanspruch zu den Unterlagen des Klageschutzrechtes gereicht habe. In der Sache ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, weil der angegriffene Koffer keinen nach außen vorstehenden umlaufenden Rand aufweise, entspreche er der beanspruchten technischen Lehre zwar nicht wortsinngemäß, wohl aber mit äquivalenten Mitteln. Der Fachmann verstehe die Vorgabe eines nach außen vorstehenden Randes in dem Sinne, dass dieser Rand von der äußeren Fläche des Schalenteils nach außen abstehen müsse. Das ergebe sich aus der Vorgabe eines nach außen vorstehenden Randes in der schutzbeanspruchten Merkmalskombination, aber auch aus der in der Beschreibung angegebenen Aufgabenstellung; aus Unteranspruch 4 und sämtlichen Ausführungsbeispielen ergebe sich, dass dieser nach außen vorstehende Rand zur Bildung einer Aufsatztasche dienen solle. Diese Ausbildung sei bei der angegriffenen Ausführungsform dadurch ersetzt, dass die Vortasche nach innen in das äußere Schalenteil eingelassen sei und dort eine innenliegende Vertiefung bilde. Ein gleichwirkendes Ersatzmittel sei allerdings weder der Bereich (a) oder der Bereich (b) jeweils für sich allein. Der Bereich (a) erfülle eine andere Funktion als der von der äußeren Schalenhauptfläche nach außen vorstehende Rand, weil er nicht unmittelbar die seitliche Begrenzung der Vortasche nach außen bilden könne. Der Bereich (b) könne das Austauschmittel nicht bilden, weil dann die entsprechenden Ränder entgegen der Vorgabe des Schutzanspruches 1 nicht von einem Keder eingefasst seien. Diese Anweisung betreffe auch die Ränder zur Bildung der Vortasche, auch wenn diese Ränder im Schutzanspruch 1 noch nicht näher benannt seien. Unteranspruch 7 setze diese Ausbildung als durch die bisherigen Ansprüche vorgegeben voraus, entsprechende Ausführungen zu einem Keder und zu den Seitenteilen eines Reißverschlusses enthalte jedoch ausschließlich Schutzanspruch 1. Des Weiteren differenziere Schutzanspruch 1 zwischen „freien“ und „vorstehenden“ Rändern, wobei er mit den ersteren offensichtlich die über ein Scharnier zu verbindenden Innenränder der Schale meine und in Bezug auf letztere, die mit einem Keder eingefasst werden sollten, weiter gefasst sei. Auch die Aufnahme der Bezugsziffern 9, 28 und 32 in den Schutzanspruch 1 spreche dafür, dass sämtliche Ränder von einem Keder eingefasst sein sollten.
Der Tatsachenvortrag der Klägerin mache jedoch deutlich, dass der gesamte aus drei Teilabschnitten – den Bereichen (a) und (b) und einem dritten (c, vgl. Anlage WKS 3) vom Bereich (a) senkrecht in Richtung der äußeren Schalenhauptfläche verlaufende stufenförmige Absatz – ein äquivalentes Austauschmittel sei. Dieser „Treppenabsatz“ sei ein objektiv gleichwirkendes Mittel, weil er die Vortasche des Gepäckstücks seitlich begrenze. Eine gestufte Ausgestaltung dieser Umgrenzung schließe das Klagegebrauchsmuster nicht aus, sondern sehe selbst etwa zur Stabilisierung des Randes vor, diesen auf einen umlaufenden Sockel zu setzen. Seine Fachkenntnisse befähigten den Fachmann auch dazu, das abgewandelte Mittel durch am Sinngehalt der im Schutzanspruch beschriebenen technischen Lehre orientierte Überlegungen aufzufinden. Die in der Klagegebrauchsmusterschrift erörterten alternativen Herstellungsweisen legten eine Ausgestaltung nahe, bei der die Vortasche anstatt auf der äußeren Hauptfläche der Schalenteile hervorzustehen nach innen eingelassen sei. Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.
Mit ihrer gegen dieses Urteil eingelegten Berufung verfolgen die Beklagten ihr erstinstanzlich erfolglos gebliebenes Klageabweisungsbegehren weiter. Sie machen geltend, überraschend habe das Landgericht ohne vorherigen entsprechenden Hinweis im Rahmen der Äquivalenzbetrachtung mit dem „Treppenabsatz“ ein Ersatzmittel herangezogen, das bisher nicht erörtert worden sei. Dieser „Treppenabsatz“ sei nicht gleichwirkend mit dem vom Sinngehalt des Schutzanspruches umfassten nach außen vorstehenden Rand, weil der Keder ihn nicht mit einer Kante um 180° umschließe. Da die Klagegebrauchsmusterschrift nur Ausführungsformen mit nach außen vorstehendem Rand beschreibe, fehle es auch an der Auffindbarkeit. Das Landgericht habe ferner verkannt, dass die eingetragenen Schutzansprüche, auch Schutzanspruch 4, nur Ausführungsformen mit von der äußeren Hauptfläche des Schalenteils abstehendem umlaufendem Rand beschrieben. Da die Klägerin von dieser Vorgabe abweiche und nur einzelne Merkmale des Schutzanspruches 4 in ihr Begehren einbeziehe, erweitere sie dessen Gegenstand unzulässig und beanspruche Schutz für etwas anderes als im Klagegebrauchsmuster beschrieben. Das gehe aus Gründen der Rechtssicherheit ebenso wenig an wie im Rahmen der Äquivalenzbetrachtungen der Ersatz des räumlich körperlich definierten Merkmals „nach außen vorstehend“ durch sein Gegenteil „nach innen rückspringend“. Jedenfalls fehle es an einem Verschulden; dass die Klägerin das Gebrauchsmuster mit einem von der veröffentlichten Fassung abweichenden Schutzbegehren geltend mache, hätten sie – die Beklagten – nicht vorhersehen können.
Die Beklagten beantragen,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil jedenfalls im Ergebnis, meint aber weiterhin, das angegriffene Gepäckstück benutze die beanspruchte technische Lehre wortsinngemäß. Bei richtigem Verständnis bedeute die Vorgabe eines nach außen vorstehenden Randes nur, dass dieser Rand nach außen gegenüber der Bodenfläche der Vortasche abragen und senkrecht zur Schalenhauptfläche angeordnet sein müsse. Auch der einstückig eingelassene Boden, von dem der treppenförmige Rand nach außen abstehe, sei Bestandteil der Schale. Im Gegensatz zu einer zweiteilig mit ihren Rändern aneinander gelegten Ausführungsform benötige eine einstückig in den Boden versenkte Ausgestaltung wie die angegriffene Ausführungsform keinen auch über den erhabenen Hauptteil der Schale vorstehenden Rand, sondern nur einen senkrechten Abschnitt zur reißfesten Befestigung des Keders und des Reißverschlusses für die Vortasche; eine Versteifung brauche der ohnehin biegesteife treppenförmige Abschnitt nicht. Die im Schutzanspruch 1 geforderte Kedereinfassung der Schalenteilränder bedeute nicht, dass der Keder diesen Rand um 180° übergreifen müsse. Hilfsweise macht sie geltend, die angegriffene Vorrichtung verwirkliche die schutzbeanspruchte technische Lehre mit äquivalenten Mitteln und macht sich insoweit die Ausführungen des landgerichtlichen Urteils zu Eigen. Ergänzend nimmt sie auf ihren erstinstanzlichen Sachvortrag Bezug.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Entgegen der Beurteilung durch das Landgericht stehen der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche nicht zu, weil der angegriffene Koffer der Beklagten das Klageschutzrecht nicht verletzt.
1.
Das Klagegebrauchsmuster betrifft ein Gepäckstück aus zwei Kunststoff-Schalenteilen, die die den Oberbegriff seines Schutzanspruches 1 bildenden Merkmale 1 bis 1.4 der nachstehenden Merkmalsgliederung aufweisen.
Die Klagegebrauchsmusterschrift schildert einleitend (Abs. 0003), im Gegensatz zu aus bekannten derartigen Gepäckstücken aus ABS-Kunststoffschalenteilen (Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymerisat) könnten solche aus Textilmaterial auch außen mit Taschen versehen werden und wögen verhältnismäßig wenig, seien aber nicht so robust und anfälliger gegen Verschleiß.
Wie die Klagegebrauchsmusterschrift weiter ausführt (Abs. 0004), beschreibt die deutsche Offenlegungsschrift 195 30 YYY (Anlage K 2) einen Koffer, dessen schwenkbar verbundene Schalenhälften (32, 34; Bezugsziffern gemäß nachstehender Abbildung) einen Schaleninnenraum (30) begrenzen, parallel zu dem an den Außenseiten jeweils von außen zugängliche separate Taschenräume (70, 72) aus flexiblem Material angeordnet sind.

Hieran wird beanstandet, die von außen erreichbaren separaten Taschenräume seien sehr groß ausgebildet, so dass Kleinutensilien nur schwer untergebracht werden könnten.
Als Aufgabe (technisches Problem) der Erfindung wird in der Klagegebrauchsmusterschrift angegeben (Abs. 0005), ein Gepäckstück aus Kunststoffschalenteilen zu bilden, das ein geringes Gewicht aufweist, mit Aufsatztaschen versehen werden kann, robust und wenig verschleißanfällig ist.
Zur Lösung dieser Problemstellung schlägt Schutzanspruch 1 einen Gegenstand vor, der folgende Merkmale miteinander kombiniert:
1.
Es handelt sich um ein Gepäckstück aus Kunststoff-Schalenteilen (2, 4), die
1.1
längs einer Kante der einander zugewandten freien Ränder (9) über ein Scharnier (5) verbunden sind,
1.2
eine Schließeinrichtung zum Halten der Schalenteile in der Schließstellung aufweisen,
1.3
aus einem dünnen, flexiblem Kunststoffmaterial gebildet und
1.4
mittels eines Reißverschlusses (16) verbunden sind;
2.
die vorstehenden Ränder (9, 28, 32) der Schalenteile sind von einem Keder (18, 20) eingefasst;
3.
der Reißverschluss weist Seitenteile (15, 16) auf, die
3.1
mit den Kedern verbunden und
3.2
mit den Rändern (28, 32) vernäht sind.
Die hier von der Klägerin beanspruchte Fassung kombiniert Schutzanspruch 1 mit folgenden Merkmalen des Schutzanspruches 4:
4.
Mindestens ein Schalenteil (2, 4) ist mit einem Rand (28) ausgebildet, der
4.1
nach außen vorsteht,
4.2
umlaufend ist,
4.3
die Fläche einer Vortasche (6) umgrenzt und
4.4
mit einem Deckel (8) verbunden ist, und zwar
4.4.1
mittels eines Reißverschlusses (16),
4.4.2
zur Bildung einer Vortasche (6).
Wie die Klagegebrauchsmusterschrift weiter ausführt (Abs. 0008), verringert das in Merkmal 1.3 beschriebene dünne Kunststoffmaterial – bevorzugt Polycarbonatfolie von 1,5 bis 2, besonders bevorzugt 1,6 mm (vgl. Ansprüche 2 und 3 und Beschreibung Abs. 0009, 0010) – das Gewicht des erfindungsgemäßen Koffers, das sogar dasjenige eines vergleichbaren textilen Gepäckstückes unterschreitet, und erlaubt aufgrund seiner Flexibilität einen ähnlich hohen Füllungsgrad. Das Gepäckstück ist dennoch robust und sehr verschleißfest, und seine dünne Ausbildung gestattet es, den umlaufenden Rand mit einem Reißverschluss zu vernähen, der mit einem Deckel vernäht ist, um auf diese Weise eine Vortasche zu bilden.
Bei der Wiedergabe der vorstehenden Merkmalsgliederung hat der Senat die in den Schutzansprüchen angegebenen Bezugszeichen beibehalten. Entgegen der in der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat überreichten Anlage WKS 1’ mit zum Teil geänderten Bezugszeichen zum Ausdruck kommenden Auffassung hat der angesprochene Durchschnittsfachmann zur Ermittlung des Sinngehalts der schutzbeanspruchten technischen Lehre nur die Klagegebrauchsmusterschrift mit den unveränderten Schutzansprüchen zur Verfügung. Er mag den Ausführungen in der Klagegebrauchsmusterbeschreibung (Abs. 0032) zu einem nur Schutzanspruch 1 in der eingetragenen Fassung verwirklichenden Ausführungsbeispiel zwar entnehmen, dass das Merkmal 1.4 dort und (nur) für diesen Fall allein den Reißverschluss mit der Bezugsziffer (12) zwischen den beiden Hauptschalenteilen meint und nach Merkmal 2 nur deren mit (9) bezeichnete vorstehende Ränder von einem Keder (14) eingefasst werden sollen, und auch die Merkmale der Merkmalsgruppe 3 wird er ebenfalls (nur) für diesen Fall beschränkt auf dem Hintergrund der Beschreibung mit den letztgenannten Bezugszeichen lesen. Er entnimmt der Einfügung der Bezugszeichen (28) und (32) für die Ränder der Vortasche und die zugehörigen Keder (18) und (20) in den Merkmalen 2 bis 3.2 jedoch, dass, sofern Schutz für eine Ausführungsform mit Vortasche entsprechend den Unteransprüchen 4 ff. begehrt wird, die vorgenannten Merkmale 2.bis 3.2 auch für die Ausgestaltung des Vortaschenrandes Gültigkeit beanspruchen sollen.
Der Senat hat, wie auch zuvor schon das Landgericht, keine Bedenken dagegen, dass die Klägerin Schutzanspruch 1 mit der Merkmalsgruppe 4 kombiniert, die nur einen Teil der technischen Lehre des Unteranspruches 4 beinhaltet. Aus der Sicht des Schutzanspruches 1, der überhaupt keine Vortasche voraussetzt, ist das in jedem Falle eine Einschränkung. Dass Schutzanspruch 1 für sich allein und ohne Kombination mit den einschlägigen Unteransprüchen keine Merkmale enthält, die sich mit der Ausbildung der Vortasche befassen, ist mit der Aufgabenstellung ohne weiteres in Einklang zu bringen, denn dort im Gegensatz zu den anderen zwingend beabsichtigten Eigenschaften eines geringen Gewichts und einer robusten und verschleißarmen Ausbildung nur die Möglichkeit angestrebt, Aufsatztaschen vorzusehen, von der aber kein Gebrauch gemacht werden muss, während die anderen bezweckten Eigenschaften eines geringen Gewichts und einer robusten und verschleißarmen Ausbildung zwingend sind. Auch die Beschreibung ergibt klar, dass die Vortasche fakultativ ist (vgl. Klagegebrauchsmusterschrift Abs. 0007 und 0008, S. 4 und 6). Nichts anderes gilt für die Ausbildung der Vortasche; die durchgängige Verwendung des Begriffs „Vortasche“ (in der Aufgabenstellung Abs. [0005] allerdings auch als Aufsatztasche bezeichnet) besagt nur, dass diese Tasche von außen auf eines der Schalenteile aufgesetzt und von außen zugänglich sein muss, ohne dass die Schalenteile geöffnet werden müssen. Die Unteransprüche 4 bis 9 beschreiben das näher. Da Schutzanspruch 1 über die Bildung und Ausgestaltung einer Vortasche nichts aussagt, erfasst er auch Ausführungsformen, bei denen zwar eine Vortasche vorhanden ist, aber nicht allen in Anspruch 4 enthaltenen Vorgaben entspricht. Hätte man mit Schutzanspruch 4 zu tun, stellte der Rückbezug aller sich mit der Vortasche befassenden Schutzansprüche, auch derjenige des Anspruchs 4, auf Schutzanspruch 1 klar, dass bei einem Gepäckstück mit Vortasche auch deren Ränder wie die in Anspruch 1 genannten Ränder der Schalenteile von einem Keder eingefasst sein müssen. Die Erfindung trägt damit dem Umstand Rechnung, dass auch die Randbereiche der Vortasche im Gebrauch bzw. beim Transport des Gepäckstückes ähnlichen Beanspruchungen unterliegen wie die „Hauptränder“. Zutreffend hat das Landgericht insoweit auch Anspruch 7 herangezogen, der nach seinem Wortlaut auch für die Vortaschenränder die Kederführung als aus den vorhergehenden Schutzansprüchen bekannt voraussetzt und nur eine besondere Art der Verbindung des Keders mit dem Vortaschenrand und dem Seitenteil des Reißverschlusses lehrt. Nur greift dieser Rückbezug nicht ein, weil die Klägerin nicht Anspruch 4, sondern eine durch einzelne Merkmale des Anspruches 4 eingeschränkte Fassung des Schutzanspruches 1 geltend macht. Merkmal 2 bekommt in dieser Kombination den Sinngehalt, dass sich seine Vorgabe auf alle Ränder der Schalenteile, auch den zur Bildung der Vortasche, bezieht; bei dieser Kombination erscheint auch die Aufnahme der den Vortaschenrand betreffenden Bezugszeichen sinnvoll.
Nach ihrem Wortlaut setzt die Merkmalsgruppe 4 voraus, dass zumindest eines der Schalenteile zur Bildung einer Vortasche einen nach außen vorstehenden umlaufenden Rand aufweist und dieser die Fläche der Vortasche umgrenzt. Vom zweiten Teil des Unteranspruches 4 unterscheidet sich diese Kombination dadurch, dass letzterer die Anordnung der Vortasche speziell auf der äußeren Hauptfläche des Seitenteils verlangt, von der der umlaufende Rand abstehen muss, während die Merkmalsgruppe 4 offen lässt, an welcher Stelle des Schalenteils sich die Vortasche befindet. Er unterscheidet sich ferner durch die doppelte Ausführung des Randes bestehend aus demjenigen des Schalenteils und dem mit ihm verbundenen Rand des Bodenteils für die Vortasche. Auch wenn es in Merkmal 4.3 heißt, der Rand müsse die Fläche der Vortasche umgrenzen, ist durch die Vorgabe „nach außen vorstehend“ (nicht etwa nur „nach außen gerichtet“ o.ä.) in Merkmal 4.1 für den angesprochenen Durchschnittsfachmann klar, dass der Rand nicht nur nicht in der Ebene der Schalenteilfläche oder parallel dazu verlaufen soll, sondern diese nach außen überragen muss – anders erscheint etwa die im zum allgemeinen Teil der Beschreibung gehörenden Abs. 0008 der Klagegebrauchsmusterschrift erörterte Ausführung kaum vorstellbar. Einen anderen Bezugspunkt gibt es in den hier beanspruchten Merkmalen nicht, insbesondere steht dort nichts von einem Bodenteil der Vortasche. Soweit die Beschreibung sich mit einem solchen Bodenteil befasst, gilt dies dem zweiten Teil des Schutzanspruches 4 und Schutzanspruch 7.
Da die Merkmalsgruppe 4 aber offen lässt, wie die Fläche der Vortasche zu bilden ist, lässt er es allerdings auch zu, einen Bodenteil zu verwenden, er wird nur nicht zwingend vorgeschrieben. Auch bei einer solchen Ausführungsform bleibt es jedoch dabei, dass der Rand vom Schalen– und nicht vom Bodenteil nach außen vorstehen muss. Auch wenn der Bodenteil wannenförmig in die betreffende Schale eingelassen ist und sie nach innen überragt, genügt die Begrenzungskante zwischen Bodenfläche und Schalenfläche nicht, um das Merkmal 4.1 zu verwirklichen, denn bei einer solchen Ausbildung steht der Rand nicht vom Schalenteil nach außen vor.
Dem kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg den in der mündlichen Verhandlung vom 11. September 2008 vor dem Senat vorgetragenen Einwand entgegen halten, bei einer einstückigen Ausbildung der Schale mit einem nach innen tiefgezogenen Bodenteil und einer im wesentlichen senkrecht zu Boden und Schalenoberfläche gerichteten Verbindungsrand benötige man einen auch die Oberfläche der Hauptschale nach außen überragenden Rand nicht, weil es weder wie bei zweiteiliger Ausführung von Boden und Rand ein Bedürfnis für eine Fixierung beider Teile an ihren Rändern aneinander gebe, noch der überstehende Rand für die Befestigung von Keder und Reißverschluss erforderlich sei, die an dem übrigen Abschnitt zwischen Boden und Hauptschalenoberfläche angebracht werden könnten. Zwar unterschiede sich eine solche Ausführungsform, wie die Klägerin sie angesprochen hat, von dem in Absatz 0031 und Figur 3 der Klagegebrauchsmusterschrift beschriebenen Ausführungsbeispiel darin, dass der Boden bis unter die Oberfläche der Hauptschale eingelassen ist, während bei dem dargestellten Ausführungsbeispiel der abstehende Rand zur Befestigung von Reißverschluss und Keder notwendig ist. Die Beklagten haben aber zutreffend darauf hingewiesen, dass der umlaufende Rand in dem dargestellten Ausführungsbeispiel zusätzlich zu dem Randbereich (28) die eigens zu Versteifungszwecken vorgesehene Sicke (29) umfasst (vgl. Anlage K1, Abs. 0029). Das trägt dem Umstand Rechnung, dass auch für diese einstückige Ausführungsform ein nach außen vorstehender umlaufender Rand erforderlich ist, wie ihn sämtliche in Betracht kommenden Schutzansprüche fordern. Dieses Erfordernis lässt sich nicht mit dem Hinweis auf die an sich fehlende technische Notwendigkeit beseitigen; auf diese Weise würde der Patentanspruch über seinen Wortlaut hinaus in seinem sachlichen Inhalt unzulässig erweitert. Aus diesem Grund kann die Klägerin sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, bei einer einstückigen Ausführungsform mit tiefgezogenem eingelassenen Bodenteil sei auch letzterer Bestandteil der Schale, so dass der Verbindungsteil, indem er über den Bodenteil vorstehe, gleichzeitig auch das Schalenteil überrage. Auch diese Argumentation vernachlässigt, dass die beanspruchte Lehre ausdrücklich ein Vorstehen nach außen verlangt.
Schließlich kann der Klägerin auch nicht darin zugestimmt werden, für die Ermittlung des Sinngehalts des Merkmals 4.1 dürfe der nicht geltend gemachte Teil des Unteranspruches 4 nicht herangezogen werden. Es ist zwar richtig, dass die im zweiten Teil des Unteranspruches 4 enthaltenen Vorgaben, für die die Klägerin im Streitfall keinen Schutz beansprucht, bei der angegriffenen Ausführungsform nicht erfüllt sein müssen. Das bedeutet aber nicht, dass der Fachmann diese Angaben wie auch diejenigen anderer nicht geltend gemachter Unteransprüche und die Ausführungen in der Beschreibung zur Ermittlung des Sinngehalts nicht in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen und aus unterschiedlichen Vorgaben Rückschlüsse auf den Inhalt der tatsächlich geltend gemachten Merkmale zu ziehen sucht.
Die Merkmalsgruppe 3 sieht vor, die Seitenteile des Reißverschlusses mit den Rändern der Schalen zu vernähen und mit dem die Ränder einfassenden Keder zu verbinden, wobei hier die Art der Verbindung in Schutzanspruch 1 nicht näher definiert wird, auch in den einschlägigen Unteransprüchen 4 und 7 und im Anspruch 11 nicht (ebensowenig in der Beschreibung Abs. 0012), Schutzanspruch 8 schlägt jedoch für die Verbindung des Keders mit dem Schalenteilrand und dem Reißverschluss ebenfalls ein Vernähen vor (vgl. auch Klagegebrauchsmusterschrift Abs. 0016, 0032 bis 0034); in den Figuren 2 und 4 ist der Nähfaden gleichzeitig durch Reißverschluss, Keder und Kunststoffrand geführt.
Die in Merkmal 2 beschriebene Kedereinfassung betrifft zunächst die in Merkmal 1.1 genannten zueinander gerichteten Ränder der Schalenteile. Sie soll diese Ränder, die wie die anderen Bereiche der Schalenteile aus dünnem flexiblem Kunststoff gebildet sind, verstärken und aussteifen und eine Verbindung mit den Seitenteilen des Reißverschlusses ermöglichen, was zumindest die Kedereinfassung – und über diese mittelbar auch den Randbereich – verstärkt. Die Kedereinfassung muss keinen
U-förmigen Querschnitt haben und den Rand mit parallelen U-Schenkeln beidseitig übergreifen; sie muss die vorstehenden Ränder nur einfassen. Dazu genügt es, sie nur an eine Seite des Schalenteilrandes, etwa an die Innenseite, anzulegen. Das Wort „Keder“ bezeichnet nach allgemeinem Sprachgebrauch nur eine Randverstärkung; von diesem allgemeinen Sprachgebrauch weicht auch die Klagegebrauchsmusterschrift insoweit nicht ab.
2.
Geht man hiervon aus, macht der angegriffene Kunststoffkoffer von der schutzbeanspruchten technischen Lehre des Klageschutzrechtes keinen Gebrauch; es fehlt das Merkmal 4.1, weil das Schalenteil zur Bildung einer Vortasche nicht die Vorgaben des Merkmals 4.1 erfüllt.
a)
Eine wortsinngemäße Verwirklichung kommt nicht in Betracht, weil der Treppen- bzw. stufenförmig ausgebildete Vortaschenrand des angegriffenen Gepäckstückes nicht nach außen über das Schalenteil vorsteht, sondern nur den Rand des Bodens mit der Schalenoberfläche verbindet, ohne diese zu überragen.
3.
Diese Ausgestaltung verwirklicht das Merkmal 4.1 auch nicht mit äquivalenten Mitteln.
Eine Verwirklichung in äquivalenter Form setzt voraus, dass der Fachmann aufgrund der in den Ansprüchen unter Schutz gestellten Erfindung dazu gelangt, das durch die Erfindung gelöste technische Problem mit gleichwirkenden Mitteln zu lösen, wenn er die bei der angegriffenen Ausführungsform eingesetzten abgewandelten Mittel aufgrund am Sinngehalt der Ansprüche anknüpfender nichterfinderischen Überlegungen mit Hilfe seiner Fachkenntnisse zur Lösung des der Erfindung zugrunde liegenden Problems als gleichwirkend auffinden konnte und wenn die Überlegungen, die der Fachmann anstellen muss, derart an Sinngehalt der im Anspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sind, dass er die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen gleichwertige Lösung in Betracht zieht (vgl. etwa BGH GRUR 2002, 515 – Schneidmesser I; 2002, 519 – Schneidmesser II; 511 – Kunststoffrohrteil; 523 Custodiol I; 527 – Custodiol II betr. Patente). Diese im Patentrecht entwickelten Grundsätze gelten sinngemäß auch für Gebrauchsmuster (vgl. Benkard/Scharen, PatG GbMG, 10. Auflage, § 12a GbMG, Rdn. 10 m.w.N.).
Von ihnen ausgehend verwirklicht im Streitfall der angegriffene Gegenstand die schutzbeanspruchte Lehre auch nicht in äquivalenter Form. Das Landgericht hat hierzu ausgeführt, die in der Klagegebrauchsmusterschrift erörterten alternativen Herstellungsweisen legten dem Fachmann eine Ausgestaltung nahe, bei der die Vortasche nicht aus der äußeren Schalenhauptfläche hervorstehe, sondern wie bei der angegriffenen Ausführungsform nach innen eingelassen sei. Die in Absatz 0013 beschriebene einstückige Ausbildung des Formteils (24) mit dem Boden (22) habe zur Folge, dass nur noch der Deckel separat ausgebildet und angefügt werden müsse. Das Klagegebrauchsmuster gebe dann weiter vor, dass ein nach außen vorstehender umlaufender Rand in dem Formteil ausgeformt sein könne. Wisse der Fachmann aber bereits, dass das Formteil und das Bodenteil aus demselben Kunststoffmaterial hergestellt werden könnten, bedürfe es nur noch eines handwerklichen Schritts, um bei der einstückigen Ausbildung von Formteil und Bodenteil den Rand von dem Bodenteil und nicht vom Formteil aus hervorstehend auszubilden. Eine Anregung, die Vortasche nach innen einzulassen, erhalte der Fachmann darüber hinaus in den Figuren 3 und 4, die ein wannenförmiges Bodenteil zeigten. Den Gedanken, die Vortasche nach innen einzusenken, erhalte er bereits dann, wenn er das wannenförmige Bodenteil in Figur 1 nach unten verschiebe, so dass der Boden nicht mehr auf einer Höhe mit der äußeren Hauptfläche des Schalenteils liege. Bei dieser Ausbildung des vorstehenden Randes in Form eines Treppenabsatzes leuchte es dem Fachmann auch ein, dass der erfindungsgemäß geforderte Keder nicht eine Kante um 180° umschließen könne; er brauche keine scharfe Kante abzudecken, sondern diene nur dazu, an ihm den Reißverschluss zu befestigen. Dass der Keder des angegriffenen Koffers zusätzlich noch mit dem Futterstoff vernäht sei, sei aus der Sicht des Klagegebrauchsmusters unerheblich.
Dem vermag der Senat nicht beizutreten. Der treppenförmige Absatz, der nach Auffassung des Landgerichts, die die Klägerin sich im Berufungsrechtszug zu eigen gemacht hat, das Austauschmittel für den nach außen vorstehenden Rand sein soll, mag zwar für den Fachmann aus den vom Landgericht dargelegten Gründen aufgrund seines Fachwissens am Prioritätstag als Möglichkeit in Betracht gezogen worden sein, eine Alternative zum Ersatz des nach außen abstehenden umlaufenden Randes zu finden, an dem der Keder und die Seitenteile des Reißverschlusses befestigt werden können. Er müsste sich dazu aber über die ausdrückliche Vorgabe des Klagegebrauchsmusters hinwegsetzen, dass der Rand des betreffenden Schalenteils zur Bildung der Vortasche nach außen vorstehen soll. Da von der Hauptfläche aus gesehen der Verbindungsbereich zum Bodenteil bei der angegriffenen Ausführungsform nach innen zum Boden hin gerichtet ist und die Außenfläche des Schalenteils nicht überragt, müsste er genau das Gegenteil dessen tun, was in die Schutzansprüche und auch die Beschreibung lehren, wenn dort durchgängig nur von einer nach außen abstehenden Ausbildung des Randes gesprochen.
Auch der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit verbietet es, die angegriffene Ausführungsform in den Schutzbereich des Klagegebrauchsmusters einzubeziehen. Das Gebot der Rechtssicherheit steht gleichwertig neben dem der angemessenen Belohnung des Erfinders. Mit ihm soll erreicht werden, dass der Schutzbereich eines Patentes – entsprechendes gilt für Gebrauchsmuster – für Außenstehende hinreichend sicher vorhersehbar ist; sie sollen sich darauf verlassen und darauf einrichten können, dass die unter Schutz gestellte Erfindung mit den Merkmalen des Anspruches vollständig umschrieben ist (BGH GRUR 1992, 594, 596 – mechanische Betätigungsvorrichtung; GRUR 1992, 305, 307 – Heliumeinspeisung; Benkhard/Scharen, PatG und GebrMG 10. Aufl., § 14 Rdnr. 100 m.w.N.). Der Anmelder hat dafür zu sorgen, dass dasjenige, wofür er Schutz begehrt, sorgfältig in den Merkmalen des Anspruches niedergelegt ist (BGH, a.a.O. – mechanische Betätigungsvorrichtung; GRUR 1987, 626 – Rundfunkübertragungssystem). Gerade bei der Geltendmachung des Schutzes aus nicht geprüften Gebrauchsmustern muss für Dritte ein Mindestmaß von Restsicherheit vorhanden sein, und vom Anmelder ist zu fordern, dass er unter Berücksichtigung des Verbots unzulässiger Erweiterungen sich bis zur Eintragungsverfügung schlüssig wird, was als schutzfähig unter Schutz gestellt werden soll (Benkhard/Scharen, a.a.O., § 12 a. GebrMG, Rdnr. 2, 6). Unterlässt er das, muss er sich mit einem entsprechend engeren Schutzbereich zufrieden geben. Die Angaben „nach außen vorstehend“ in allen einschlägigen Schutzansprüchen des Klagegebrauchsmusters stellen im Streitfall eindeutige und auch im Hinblick auf die Ausführungsbeispiele und die übrige Beschreibung nicht relativierbare Festlegungen dar, auf deren unbedingte Geltung im Rahmen der schutzbeanspruchten Lehre sich Außenstehende müssen verlassen können.

III.
Als unterlegene Partei waren die Kosten des Rechtsstreits nach § 91 Abs. 1 ZPO der Klägerin aufzulegen; die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 ZPO.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die hier in § 543 Abs. 2 ZPO niedergelegten Voraussetzungen nicht gegeben sind. Als Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, noch fordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine revisionsgerichtliche Entscheidung nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.