4a O 444/04 – Lungen-Intubationsvorrichtung

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 376

Landgericht Düsseldorf
Teilanerkenntnis- und Schlussurteil vom 10. Februar 2005, Az. 4a O 444/04

I.
Die Beklagte wird verurteilt,

es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unterlassen,

Künstliche Luftweg-Intubationsvorrichtung zur Erleichterung der Lungenventilation bei einem bewusstlosen Patienten, welche folgende Teile umfasst: ein flexibles Intubationsrohr und eine Maske, welche an einem Ende des Intubationsrohrs angebracht ist, wobei die Maske ein flexibles, ringförmiges Umfangsgebilde von ungefähr elliptischer Form aufweist, dass sich an den tatsächlichen und möglichen Raum hinter dem Kehlkopf anpassen kann und bequem in diesen Raum hineinpassen kann, wobei eine Abdichtung um den Umfang des Kehlkopfeinlasses ausgebildet wird, ohne dass die Vorrichtung in das Innere des Kehlkopfes eindringt, wobei das ringförmige Umfangsgebilde ein Lumen der Maske umgibt und das Intubationsrohr in das Lumen der Maske so eintritt, dass die Achse des Intubationsrohres im Wesentlichen in derselben Ebene wie die Hauptachse des Umfangsgebildes liegt,

anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einzuführen oder zu besitzen,

die dadurch gekennzeichnet sind, dass das Intubationsrohr in das Lumen durch eine Öffnung eintritt, über die sich mehrere flexible Querstäbe erstrecken, die so angeordnet sind, dass sie den Kehldeckel (Epiglottis) vorher zurückhalten und so verhindern, dass er die Öffnung blockiert, während sie das Vorbeiführen eines zweiten, kleineren Rohrs erlauben, sofern dies erforderlich ist.

II.
Die Beklagte wird verurteilt,

dem Kläger darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 1. Januar 1994 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen und bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen (und Produktbezeichnung) sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen (und Produktbezeichnung) sowie der Namen und Anschriften der einzelnen Angebotsempfänger, wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer Angebotsempfänger statt dem Kläger einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt, dem Kläger auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Entstehungskosten und des erzielten Gewinns.

III.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, allen Schaden zu ersetzen, der dem Kläger durch die in Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 1. Januar 1994 entstanden ist und noch entstehen wird.

IV.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

V.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand und Entscheidungsgründe:

I.
Der Kläger ist eingetragener Inhaber des europäischen Patentes EP 0 294 200 (Anlage 1, deutsche Übersetzung Anlage 2, nachfolgend Klagepatent) betreffend eine künstliche Luftröhre. Die dem Patent zugrunde liegende Erfindung wurde am 2. Juni 1988 unter Inanspruchnahme der Priorität der GB 8 713 173 vom 7. Dezember 1987 angemeldet. Die Patentanmeldung wurde am 7. Dezember 1988 offengelegt. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatentes wurde am 15. April 1992 veröffentlicht. Das Klagepatent steht u.a. in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft.

Der für den vorliegenden Rechtsstreit maßgebliche Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

Künstliche Luftweg-Intubationsvorrichtung zur Erleichterung der Lungenventilation bei einem bewusstlosen Patienten, welche folgende Teile umfasst: ein flexibles Intubationsrohr (10) und eine Maske (12), welche an einem Ende des Intubationsrohrs (10) angebracht ist, wobei die Maske (12) ein flexibles, ringförmiges Umfangsgebilde (14) von ungefähr elliptischer Form aufweist, dass sich an den tatsächlichen und möglichen Raum hinter dem Kehlkopf (38) anpassen kann und bequem in diesen Raum hineinpassen kann, wobei eine Abdichtung um den Umfang des Kehlkopfeinlasses (36) ausgebildet wird, ohne dass die Vorrichtung in das Innere des Kehlkopfes (38) eindringt, wobei das ringförmige Umfangsgebilde (14) einen hohlen Innenraum oder Lumen der Maske (12) umgibt und das Intubationsrohr (10) in das Lumen der Maske (12) so eintritt, dass die Achse des Intubationsrohres (10) im Wesentlichen in derselben Ebene wie die Hauptachse des Umfangsgebildes (14) liegt, dadurch gekennzeichnet, dass das Intubationsrohr (10) in das Lumen (18) durch eine Öffnung (19) eintritt, über die sich ein oder mehrere flexible Querstäbe (21) erstrecken, die so angeordnet sind, dass sie den Kehldeckel (Epiglottis) (32) vorher zurückhalten und so verhindern, dass er die Öffnung (19) blockiert, während sie das Vorbeiführen eines zweiten, kleineren Rohrs erlauben, sofern dies erforderlich ist.

Die Beklagte, ein chinesisches Unternehmen, welche nach Informationen aus dem Internet seit 1994 besteht, stellt Medizinprodukte her, wozu auch Luftweg-Intubationsvorrichtungen gehören. Von den entsprechenden Vorrichtungen legte der Kläger Abbildungen als Anlagen 7 bis 9 vor, worauf Bezug genommen wird. Der Kläger wurde auf die Produkte auf Grund des Internetauftritts der Beklagten unter www.xyz.com.cn aufmerksam. Ein entsprechender Auszug der Internetseite der Beklagten wurde als Anlage 10 zur Gerichtsakte gereicht. In der Zeit vom 24. bis 27. November 2004 stellte die Beklagte die angegriffene Ausführungsform auf der Fachmesse MEDICA 2004 in Düsseldorf aus. Von der Beklagten auf dem Messestand überreichte Werbematerialien legte der Kläger als Anlage 11 vor.

Unter dem 24. November 2004, eingegangen bei Gericht am 25. November 2004, erhob der Kläger Klage. Die Klage wurde der Beklagte auf der Fachmesse MEDICA Halle 6, Stand 56 am 27. November 2004 zugestellt. Eine vorherige Abmahnung erfolgte nicht.

Mit Schriftsatz vom 3. Januar 2005 erklärte die Beklagte den geltend gemachten Anspruch unter der Verwahrung gegen die Kostenlast anzuerkennen. Die Parteien erklärten sich daraufhin mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden.

Die Klägerin beantragt,

zu erkennen, wie geschehen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der zur Gerichtsakte gereichten Anlagen verwiesen.

II.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits nach § 93 ZPO zu tragen. Nach § 93 ZPO fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt und durch sein Verhalten keine Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben hat.

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Veranlassung zur Klageerhebung gibt der in Wettbewerbssachen und auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes Inanspruchgenommene in der Regel dann, wenn er auf eine vorgerichtliche Abmahnung des Schutzrechtsinhabers nicht oder negativ reagiert (BGH, GRUR 1990, 381, 382; OLG Frankfurt, Jur. Büro 1985, 1557). Denn die Abmahnung ist nicht nur auf eine Beseitigung der rechtswidrigen Störung gerichtet, zu welcher der Störer nach § 1004 BGB verpflichtet ist. Sie dient auch dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Abgemahnten, einen kostspieligen Rechtsstreit durch die Unterzeichnung einer vertragstrafenbewehrten Unterlassungserklärung zu vermeiden (BGH, BGHZ 52, 393, 399 f. – Fotowettbewerb; GRUR 1973, 384, 385 – Goldene Armbänder; GRUR 1984, 129, 131 – shop-in-the-shop I; GRUR 1991, 550 – Zaunlasur; GRUR 1995, Seite 338, dort: Seite 342 – Kleiderbügel).

Vorliegend ist eine Abmahnung vor Klageerhebung unstreitig nicht erfolgt. Es sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass eine Abmahnung entbehrlich gewesen wäre, so dass die Beklagte keine Veranlassung zur Klage gegeben hat.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 1 ZPO.

Der Streitwert wird auf 125.000,- Eur festgesetzt.

Dr. R1 R2 R3