2 U 7/08 – Strahlregler (Teilurteil)

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 957

Oberlandesgericht Düsseldorf
Teilurteil vom 3. Juli 2008, Az. 2 U 7/08

Endurteil: 2 U 7/08

Der Antrag der Beklagten, für die im Ausspruch des am 6. Dezember 2007 verkündeten Urteils der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf zuerkannten Ansprüche Teilsicherheiten festzusetzen, wird zurückgewiesen.

G r ü n d e :

I.

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des am 14. September 1994 angemeldeten auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten und am 10. Februar 1999 in deutscher Verfahrenssprache veröffentlichten europäischen Patentes 0 464 xxx (Klagepatent) betreffend einen Strahlregler zum Anschluss an Sanitärarmaturen. Der von der Klägerin geltend gemachte Patentanspruch 1 lautet wie folgt:

Strahlregler zum Anschluss an Sanitärarmaturen oder dergleichen, mit einer Strahlzerlege-Einrichtung, die eine Lochplatte hat, welche zur Erzeugung von
Einzelstrahlen eine Anzahl Durchflusslöcher aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass wenigstens einigen der Durchflusslöcher (3) mit Abstand zu ihrer Ausströmseite zumindest eine Abweisschräge (6, 7) zugeordnet ist, welche mindestens in ihrem von wenigstens einem der Einzelstrahlen angeströmten Teilbereich schräg zur Strömungsrichtung (Pf1) angeordnet ist, und dass dieser Abweisschräge
oder diesen Abweisschrägen (6, 7) in Abweisrichtung durch voneinander beabstandete Stifte (11) und/oder Rippen (12) gebildete Strömungshindernisse nachgeordnet sind.

Die Beklagte bietet in der Bundesrepublik Deutschland Strahlungsregler mit verschiedenen Durchflussklassen unter der Bezeichnung „XY“ an, die in der im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils wiedergegebenen Explosionsdarstellung gemäß Anlage K 8 gezeigt werden.

Die Klägerin sieht hierdurch das Klagegebrauchsmuster verletzt und nimmt die Beklagte auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung und Schadenersatz in Anspruch.

Mit Urteil vom 6. Dezember 2007 hat das Landgericht die Beklagten verurteilt, es zu unterlassen, den in Anspruch 1 beschriebenen Gegenstand anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen, der Klägerin über die vorbezeichneten Handlungen aus der Zeit seit dem 10. März 1999 Rechnung zu legen und die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen vorbezeichneten Erzeugnisse zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von der Klägerin zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben. Außerdem hat es festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin einen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die vorbezeichneten seit dem 10. März 1999 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird. Die Kosten des Rechtsstreits hat das Landgericht der Beklagten auferlegt und angeordnet, dass das Urteil gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000 ,– Euro vorläufig vollstreckbar ist.

Das Urteil ist der Beklagten am 18. Dezember 2007 zugestellt worden. Mit bei Gericht am 16. Januar 2008 eingegangenem Schriftsatz hat die Beklagte Berufung eingelegt, welche sie unter dem 18. März 2008 begründet hat. Termin zur Verhandlung über die Berufung der Beklagten ist auf den 12. März 2009 bestimmt.

Vorab begehrt die Klägerin, Teilsicherheiten für die im landgerichtlichen Urteil titulierten Ansprüche festzusetzen, so dass die vor der Vollstreckung einzelner der titulierten Ansprüche zu erbringende Vollstreckungssicherheit sich auf den jeweils festgesetzten Teilbetrag reduziert. Sie trägt hierzu vor, da die Höhe der Sicherheitsleistung und erst Recht ihre Aufteilung auf die titulierten Ansprüche von Amts wegen und nicht auf Parteiantrag erfolge, habe sie nichts versäumt, was sie mit ihrem Antrag vor dem Berufungsgericht präkludieren könne; die Festsetzung von Teilsicherheiten erscheine auch aus Gründen der Prozessökonomie sinnvoll und schütze die Beklagte davor, im Fall ihres Unterliegens mit Kosten für die Stellung einer Bürgschaft für die Gesamtheit der titulierten Ansprüche belastet zu werden, die außer Verhältnis zum geringen Umfang der Teilvollstreckung stünden. Die Vollstreckung des Rechnungslegungsanspruches habe sich erst nach Abschluss der ersten Instanz als notwendig erwiesen, nachdem die Beklagte zunächst zugesagt habe, freiwillig Rechnung zu legen, dann aber nur unvollständig Auskunft erteilt habe.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Der Antrag der Beklagten für die im Urteil des Landgerichts zuerkannten Ansprüche Teilsicherheiten festzusetzen, ist nach § 718 Abs. 1 zulässig. Entgegen der Ansicht der Beklagten fehlt dem Antrag nicht das Rechtsschutzinteresse, denn zwischen den Parteien ist streitig, ob die Beklagte die nach dem Urteil des Landgerichts geschuldeten Auskünfte vollständig erteilt hat. Ob letzteres der Fall ist, ist im Verfahren nach § 718 ZPO nicht nachzuprüfen.

Der Antrag bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.

1.
§ 718 ZPO verfolgt den Zweck, eine vorinstanzlich fehlerhafte Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit vor einer zweitinstanzlichen Sachentscheidung zu korrigieren (Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 718 ZPO Rn. 1; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl., § 718 ZPO Rn. 1; Münchener Kommentar zur ZPO, 3. Aufl., § 718 Rn. 1; Saenger, ZPO, 2006, § 718 Rn. 1; Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, Band I, 3. Aufl., § 718 Rn. 2). Einer von Anfang an bestehenden Unrichtigkeit steht dabei der Fall gleich, dass die landgerichtliche Vollstreckbarkeitsentscheidung aufgrund nachträglicher, erst im Anschluss an den Schluss der erstinstanzlichen Verhandlung eingetretener Umstände unzutreffend geworden ist (OLG Hamm, OLGR 1995, 264; OLG Koblenz, RPfleger 2004, 509; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO; Groeger, NJW 1994, 431, 432). Ein darüber hinausgehender Anwendungsbereich kommt der Vorschrift des § 718 ZPO demgegenüber nicht zu. Sie gestattet es einer Partei insbesondere nicht, erstmals im Berufungsrechtszug einen streitigen Sachverhalt vorzutragen, der bereits dem Landgericht hätte unterbreitet werden können, und gestützt hierauf eine Erhöhung oder Ermäßigung der festgesetzten Sicherheitsleistung zu verlangen. Soweit in der Rechtsprechung (OLG Köln, GRUR 2000, 253 – Anhebung der Sicherheitsleistung) und Literatur (Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 718 Rn. 2) eine gegenteilige Auffassung vertreten wird, schließt sich der Senat dem aus den nachfolgenden Gründen nicht an.

Es trifft zu, dass die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung (§ 709 ZPO) keinen Antrag der Parteien voraussetzt und über die Sicherheitsleistung, namentlich deren Höhe, von Amts wegen zu befinden ist. Ungeachtet dessen ist für die rechtliche Beurteilung jedoch entscheidend, dass der für die richtige Bemessung der Sicherheitsleistung maßgebliche Sachverhalt nur von den Parteien beigesteuert werden kann und dass es in erster Linie der Beklagte ist, der kraft seines
überlegenen Wissens diejenigen Umstände aufzudecken in der Lage ist, die im Zusammenhang mit seinem Geschäftsbetrieb die Entstehung bestimmter Vollstreckungsnachteile befürchten lassen. Nur er ist gewöhnlich während des landgerichtlichen Verfahrens im Bilde über den genauen Umfang der Verletzungshandlungen und nur er kann aufgrund seiner Kenntnis der Umsatz- und Gewinnsituation sowie der von einem etwaigen Unterlassungsgebot betroffenen Kundenbeziehungen verlässlich abschätzen, welche finanziellen Nachteile eine Vollstreckungsmaßnahme des Klägers mit sich bringen wird. Insofern ist es auch vordringlich die Verantwortlichkeit des Beklagten, dem Landgericht einen Sachverhalt vorzutragen, der diesem eine der tatsächlichen Sachlage entsprechende, d.h. sämtliche aus einer Vollstreckung drohende Schäden abdeckende Festsetzung der Sicherheitsleistung ermöglicht. In ganz besonderem Maße gilt dies für solche dem Einblick des Klägers entzogenen betrieblichen Umstände, die die Entstehung eines außergewöhnlich hohen, bisher im Rechtsstreit erkennbar nicht in Erwägung gezogenen Schadens erwarten lassen. Eine solche Situation liegt typischerweise vor, wenn der zu erwartende Vollstreckungsschaden den – in der Regel bereits in der Klageschrift angegebenen – Streitwertbetrag überschreitet. Denn es entspricht einer – soweit ersichtlich – allgemein gebräuchlichen Praxis der Verletzungsgerichte, die Vollstreckungssicherheit, solange keine konkreten Anhaltspunkte für einen darüber hinausgehenden Schaden bestehen, in Höhe des Streitwertes festzusetzen (vgl. Senat, NJOZ 2007, 451, 455). Jedem Beklagten muss deswegen klar sein, dass der Kläger im Falle einer seinen Anträgen stattgebenden Entscheidung gegen eine dem Streitwert entsprechende Sicherheitsleistung imstande sein wird, den landgerichtlichen Urteilsausspruch zu vollstrecken. Bestehen deshalb Anhaltspunkte dafür, dass eine so be¬messene Sicherheit den voraussichtlichen Vollstreckungsschaden nicht abdecken wird, ist es für den Beklagten ein Gebot interessengerechter Rechtsverteidigung, diejenigen Umstände einzuwenden, die im Streitfall eine höhere Sicherheitsleistung erfordern. Irgendein Grund, den Beklagten aus seiner Pflicht zu entsprechendem Sachvortrag bereits im Verfahren vor dem Landgericht zu entlassen, besteht nicht. Gegen eine Suspendierung von der Vortragslast spricht vielmehr, dass die Vorab-Entscheidung nach § 718 ZPO ein Erkenntnis in einem laufenden Berufungsverfahren darstellt. Sie teilt deshalb den gesetzlichen Zweck eben dieses Rechtsmittelverfahrens, Entscheidungen des Landgerichts auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und fehlerhafte Entscheidungen zu korrigieren. Mit der geschilderten Zielsetzung ist es nicht zu vereinbaren, dass die festgesetzte Höhe der Sicherheitsleistung mit einem streitigen Sachvortrag zur Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt werden kann, der dem Landgericht vorenthalten worden ist und den dieses infolge dessen auch bei seiner Entscheidungsfindung nicht hat berücksichtigen können. Angesichts des dargelegten Charakters eines Berufungsverfahrens erübrigt sich eine ausdrückliche Präklusionsvorschrift, weswegen aus ihrem Fehlen auch nichts für die Zulässigkeit neuen Sachvortrages im Hinblick auf den Vollstreckungsschaden hergeleitet werden kann. Dies hat der Senat zur Frage der Erhöhung der erstinstanzlich festgesetzten Sicherheitsleistung im Berufungsverfahren bereits entschieden (InstGE 9.47 – Zahnimplantat).

Entsprechendes gilt auch für die Festsetzung von Teilsicherheiten, mit der die vom Landgericht für die Gesamtheit aller zu vollstreckenden Ansprüche einschließlich der Kosten festgesetzte Vollstreckungssicherheit für die einzelnen Teilansprüche in Teilbeträge aufgeteilt wird. Auch dies ist nur möglich, wenn sich nach Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung herausstellt, dass nur eine teilweise Vollstreckung erforderlich ist oder sinnvoll erscheint. Hier ist es allerdings die klagende Partei, die sich zumindest im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung darüber klar werden muss, ob sie im Falle eines obsiegenden auf Unterlassung, Rechnungslegung und/oder Vernichtung der Verletzungsgegenstände gerichteten Urteils sofort alle titulierten Ansprüche oder nur zunächst nur einzelne von ihnen vollstrecken will und, sofern letzteres nicht von vornherein nicht in Betracht kommt, auch vom Landgericht entsprechende Teilsicherheiten festsetzen lassen muss. Nur wenn die Umstände, die eine nur teilweise Vollstreckung erfordern oder zumindest sinnvoll erscheinen lassen, erst nach Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung eintreten oder dem Vollstreckungsgläubiger bekannt werden, ist die Festsetzung von Teilsicherheiten vor dem Berufungsgericht noch möglich. Dies ist zum einen der Fall, wenn sich unmittelbar vor der Vollstreckung herausstellt, dass auch die Vollstreckung den zuerkannten Zahlungsbetrag nur zu einem geringen Teil abdecken wird und die für die ursprünglich festgesetzte nach dem zuerkannten Gesamtanspruch bemessene Sicherheitsleistung zu erbringenden Kosten den im Wege der Zwangsvollstreckung erlangbaren Betrag im wesentlichen wieder aufzehren (OLG Frankfurt am Main, NJW-RR 1997, 620). In Patentverletzungsstreitigkeiten kommt auch der Fall in Betracht, dass der Unterlassungsanspruch zunächst nicht zwangsweise durchgesetzt zu werden braucht, weil Beklagte vor Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung die gewerbliche Nutzung des angegriffenen Gegenstandes eingestellt und nichts dafür spricht, dass er die untersagten Handlungen wieder aufnehmen will. Ebenso kann zunächst eine Zwangsvollstreckung des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruches entbehrlich sein, wenn der Schuldner sich für den Fall seiner Verurteilung zur Erfüllung des Auskunftsanspruches verpflichtet hat. Hier kommt eine Festsetzung von Teilsicherheiten durch das Berufungsgericht etwa dann in Betracht, wenn sich erst nach Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung herausstellt, dass der Schuldner die Nutzung des angegriffenen Gegen-standes wieder aufgenommen oder seine Zusage zur freiwilligen Erteilung der zuerkannten Auskünfte nicht einhält, die Vollstreckung des jeweils anderen titulierten Anspruches aber noch nicht betrieben werden soll. Solange jedoch zum Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen ist, nur gegen einen von mehreren Beklagten und/oder nur wegen eines von mehreren zuerkannten Ansprüchen die Zwangsvollstreckung betreiben zu müssen, ist die klagende Partei gehalten, bereits vor dem Landgericht die Aufteilung der gesamten Sicherheitsleistung in einzelne betragsmäßig zu beziffernde Teilleistungen anzuregen.

2.
Auch im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerin nicht, dass sie sich erst in zweiter Instanz vor die Notwendigkeit gestellt sah, nur den Anspruch auf Rechnungslegung vollstrecken zu müssen und diese Möglichkeit im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht noch nicht in Betracht zu ziehen brauchte. Die Klägerin hat hierzu vor dem Senat im Verhandlungstermin vom 12. Juni 2008 vorgetragen, die Zwangsvollstreckung wegen des Rechnungslegungsanspruches habe sich erst im Berufungsverfahren als notwendig erwiesen, nachdem die Beklagte zunächst zugesagt habe, den titulierten Anspruch insoweit freiwillig zu erfüllen, dann aber nur unvollständige Auskünfte erteilt habe. Dass die Beklagte ihre Zusage schon während des erstinstanzlichen Verfahrens abgegeben hat, behauptet die Klägerin nicht. Sie hat insoweit lediglich geltend gemacht, in erster Instanz habe noch nicht festgestanden, ob ihr Klagebegehren vor dem Landgericht Erfolg haben werde, und sie habe sich unter diesen Umständen über eine spätere Vollstreckung noch keine Gedanken gemacht. Unter diesen Umständen war es der Klägerin jedenfalls zuzumuten, auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass im Falle eines obsiegenden Urteils lediglich der Ausspruch zur Rechnungslegung zur Vollstreckung anstehen könnte, für diesen Fall einen für die von ihr zu erbringende Sicherheitsleistung einen Teilbetrag zu beziffern und auf dessen Festsetzung beim Landgericht hinzuwirken. Auch wenn die Sicherheitsleistung von Amts wegen festzusetzen ist, hat das Landgericht keine Veranlassung, nur die Aufteilung in Teilsicherheiten nachzudenken, solange die klagende Partei keinen entsprechenden Antrag stellt.