2 U 92/04 – Gelenkanordnung

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 949

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 31. Januar 2008, Az. 2 U 92/04

I.
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 19.08.2004 verkündete Urteil der 4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert.

II.
Die Klage wird abgewiesen.

III.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

IV.
Das Urteil ist für die Beklagte wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

G r ü n d e :
I.
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des u.a. mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 312 xxx, das am 17. September 2001 angemeldet und auf dessen Erteilung am 4. Juni 2003 im Patentblatt hingewiesen worden ist. Das Klagepatent trägt die Bezeichnung „Gelenkanordnung“. Der im vorliegenden Rechtsstreit vornehmlich interessierende Patentanspruch 1 hat in deutscher Verfahrenssprache folgenden Wortlaut:

„Gelenkanordnung zum gelenkigen Verbinden von Wagenkästen (100, 101) eines mehrgliedrigen Fahrzeugs, mit einem ersten Gelenkarm (1) und einem zweiten Gelenkarm (3), die mittels eines Lagers (5) gelenkig zusammenwirken, und mit wenigstens einem destruktiven Energieverzehrglied (2, 4), welches die durch einen von einem Wagenkasten (100, 101) auf einen benachbarten, verbundenen Wagenkasten (101, 100) übertragenen Stoß anfallende Energie abbaut,

d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t ,

dass das Energieverzehrglied (2, 4) in einem der Gelenkarme (1, 3) spielfrei integriert ist.“

Die nachfolgend eingeblendeten Abbildungen (Figuren 1 und 2 der Klagepatentschrift) zeigen ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel der Erfindung, wobei Figur 1 einen horizontalen Längsschnitt (Draufsicht)

und Figur 2 einen Vertikalschnitt durch die erfindungsgemäße Gelenkanordnung darstellt.

Nachdem die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts mit Entscheidung vom 05.07.2005 das Klagepatent widerrufen hatte, ist der Einspruch der Beklagten von der Technischen Beschwerdekammer 3.2.01 unter dem 22.02.2007 zurückgewiesen und das Klagepatent im erteilten Umfang aufrechterhalten worden.

Die Klägerin ist ferner eingetragene Inhaberin des parallelen Gebrauchsmuster 201 21 xxx, zu dem die Klägerin unter dem 18.12.2002 neue, mit der Anspruchsfassung des Klagepatents übereinstimmende Schutzansprüche zur Gebrauchsmusterakte gereicht hat. Einen gegen das Klagegebrauchsmuster gerichteten Löschungsantrag hat die Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patent- und Markenamtes mit Beschluss vom 23.01.2007 zurückgewiesen; über die dagegen gerichtete Beschwerde der Beklagten ist derzeit noch nicht entschieden.

Die Beklagte bietet an und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland eine Gelenkanordnung, wie sie sich aus der nachfolgend wiedergegebenen Abbildung gemäß Anlage MBP 7 ergibt, die von der Klägerin mit den Bezugsziffern der Klageschutzrechte versehen worden ist.

Der mit dem Bezugszeichen (2) gekennzeichnete Bereich wird durch die nachstehenden Abbildungen weiter erläutert.

Zu erkennen ist ein Sphärolastik-Lager (5), das den ersten und den zweiten Gelenkarm (1, 3) miteinander verbindet. Das Gelenklager ist dank der ihm eigenen Dämpfungseigenschaften in der Lage, die beim normalen Fahrbetrieb (Beschleunigen, Abbremsen) auftretenden und von dem einen auf den anderen der gelenkig miteinander verbundenen Wagenkasten übertragenen Stöße abzufangen.

Den beiden farbigen Abbildungen ist darüber hinaus zu entnehmen, dass die angegriffene Gelenkanordnung in dem mit dem Bezugszeichen (2) versehenen Abschnitt über insgesamt drei Verformungsrohre (rot) verfügt, die auf der der blauen Druckplatte abgewandten Seite in der Gelenkarmkonstruktion verschraubt sind. Die Druckplatte (blau) ihrerseits ist als Teil des Gelenkarms (gelb) mittels vier Abreißschrauben gehalten, und zwar dergestalt, dass zwischen ihr und den benachbarten Stirnseiten der Verformungsrohre ein Abstand verbleibt, welchen die Beklagte – ohne dass die Klägerin dem unter Nennung eines konkreten abweichenden Zahlenwertes entgegengetreten wäre – mit 10 bis 15 mm angegeben hat. Unter der im normalen Fahrbetrieb herrschenden Last bleibt ein Abstand zwischen der Druckplatte (blau) und den Verformungsrohren (rot) zu jeder Zeit erhalten. Überschreitet der von dem einen auf den anderen Wagenkasten übertragene Stoß (z.B. im Crash-Fall) einen vorbestimmten Wert, dehnen sich die vier Abreißschrauben, mit denen die Druckplatte an der Gelenkarmkonstruktion festgelegt ist, bis sie schließlich abreißen. Die dadurch „befreite“ Druckplatte (blau) trifft infolge dessen auf die Verformungsrohre (rot) und deformiert diese, wodurch Stoßenergie absorbiert wird. Ob die Druckplatte in dem Augenblick, in dem die Abreißschrauben brechen, an der Stirnseite der Verformungsrohre anliegt oder ob auch in dieser Situation ein Abstand von mindestens 3 mm erhalten bleibt, ist zwischen den Parteien streitig.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die streitbefangene Gelenkanordnung der Beklagten wortsinngemäß, zumindest aber mit äquivalenten Mitteln von der technischen Lehre der Klageschutzrechte Gebrauch macht. Sie nimmt die Beklagte deswegen auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Schadenersatz und Vernichtung in Anspruch.

Mit Urteil vom 19.08.2004 hat das Landgericht der Klage – abgesehen von einem der Beklagten eingeräumten Wirtschaftsprüfervorbehalt – stattgegeben. Wegen der Einzelheiten des Urteilsausspruchs und seiner Begründung wird auf GA I 212 bis 221 R verwiesen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Sie wiederholt und vertieft ihre Auffassung, dass die von den Klageschutzrechten gegebene Anweisung, das Energieverzehrglied „spielfrei“ in den Gelenkarm zu integrieren, bedeute, dass das Verzehrelement zur Gewährleistung eines dauernden – im normalen Fahrbetrieb und im Crash-Fall bestehenden – Kraftflusses ohne jeden Abstand an die stoßübertragenden Teile der Gelenkkonstruktion angeschlossen sein müsse. Derartiges sei bei der angegriffenen Ausführungsform weder wortsinngemäß noch äquivalent der Fall, weil zwischen der Druckplatte (blau) und den Verformungsrohren (rot) ein den Kraftfluss unterbrechender Abstand vorhanden sei.

Die Beklagte beantragt,

1. das angefochtene Urteil aufzuändern und die Klage abzuweisen;
2. hilfsweise, den Verletzungsrechtsstreit bis zur rechtskräftigen Erledigung des gegen das Klagegebrauchsmuster anhängigen Löschungsverfahrens auszusetzen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie hält an ihrer Auffassung fest, dass der Begriff „spielfrei“ eine bewegungsfreie Integration des Energieverzehrglieds in den Gelenkarm meine, nämlich dergestalt, dass das Energieverzehrglied in der Gelenkarmkonstruktion nicht „schlackern“ könne. Mit Rücksicht darauf sei eine spielfreie Anbindung allein mit Blick auf die drei Verformungsrohre dadurch gegeben, dass diese an ihrem gegenüber der Druckplatte rückwärtigen Ende in der Gelenkkonstruktion fest verschraubt seien. Werde dem nicht gefolgt, so liege jedenfalls ein zweiteiliges Energieverzehrglied vor, bestehend aus den vier Abreißschrauben, mit denen die Druckplatte am Gelenkarm fixiert sei (als erstem Teil) sowie den drei Verformungsrohren (als zweitem, nachgeschaltetem Teil des Energieverzehrelements). Beide Teile wirkten „kaskadenartig“ zusammen, indem die bei einem Crash anfallende Stoßenergie zunächst (und zu einem ersten Teil) von dem sich unter der Last dehnenden Abreißschrauben aufgenommen und danach (zu einem zweiten und entscheidenden Teil) durch die Verformungsrohre absorbiert werde. Dem Primat der „Spielfreiheit“ sei dabei jedenfalls dadurch genügt, dass die Druckplatte im Zeitpunkt des Brechens der Abreißschrauben an den Stirnflächen der Verformungsrohre anliege.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig; sie hat auch in der Sache Erfolg.

Die Gelenkanordnung der Beklagten macht von der technischen Lehre der Klageschutzrechte weder wortsinngemäß noch äquivalent Gebrauch. Der Klägerin stehen deshalb die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungs¬legung, Schadensersatz und Vernichtung nicht zu.

A.

Das Klagepatent – welches zur Erläuterung des Erfindungsgedankens nachfolgend stellvertretend auch für das Klagegebrauchsmuster erörtert wird – betrifft eine Gelenkanordnung, die dazu dient, Wagenkästen eines mehrgliedrigen Fahrzeuges (z.B. eines Schienenfahrzeuges) gelenkig miteinander zu verbinden.

Nach den einleitenden Bemerkungen der Klagepatentschrift ist es bekannt, die jeweils benachbarten Wagenkästen mit einem Gelenkarm auszustatten, wobei der Gelenkarm des in Fahrtrichtung ersten Wagenkastens eine vertikal angeordnete Buchse besitzt, die einen am Gelenkarm des nachfolgenden zweiten Wagenkastens angeordneten Wellenzapfen aufnimmt. Die Gelenkverbindung ist dabei so ausgestaltet, dass sowohl horizontale als auch vertikale Schwenkbewegungen in der Buchse ausgeführt werden können, was sich als notwendig erweist, wenn das (Schienen-)Fahrzeug einen Gleisbogen durchfährt oder einen Niveauunterschied passiert.

Während des normalen Fahrbetriebs (z.B. beim Beschleunigen oder Bremsen) treten Stöße und Vibrationen auf, die von dem einen Wagenkasten und dessen Gelenkarm auf den zweiten Wagenkasten und dessen Gelenkarm übertragen werden. Ist die Gelenkverbindung starr ausgeführt, können diese Stöße sowohl das Gelenklager als auch die Radlager der Wagenkästen beschädigen. Um diesen unerwünschten Effekt zu vermeiden, ist es nach den Erläuterungen der Klagepatentschrift aus dem Stand der Technik bereits bekannt, die Gelenkverbindung mit elastischen (regenerativen) Dämpfungsmitteln zu versehen. Beispielhaft wird auf die europäische Patentanmeldung 0 612 646 und deren Elastomergelenk (4) verwiesen, das aus der nachfolgend eingeblendeten Figur 2 ersichtlich ist.

Wird die mit dem gewöhnlichen Fahrbetrieb verbundene Betriebslast überschritten, z.B. dadurch, dass das Fahrzeug unfallbedingt auf ein Hindernis prallt oder das Fahrzeug abrupt abgebremst wird, erweisen sich die bekannten Dämpfungsmittel als ungeeignet, weil sie nicht für einen Verzehr der im Crash-Fall anfallenden Stoßenergie ausreichen. Die Dämpfungselemente können beschädigt oder zerstört werden, was zur Folge hat, dass die Stoßenergie unmittelbar auf das Fahrzeuguntergestell übertragen wird, was ggfs. zum Entgleisen des Schienenfahrzeuges führen kann. Im Anschluss an den ICE-Unfall vom 03.06.1998 in Eschede – so führt die Klagepatentschrift aus – hat die EG-Kommission deshalb mechanische Grenzwerte zum Schutz von Reisenden und Personal bei einem Zusammenstoß festgelegt. Gefordert werden Bauweisen, die gewährleisten, dass die bei einem Crash entstehende Energie absorbiert wird, wobei die EG-Kommission eine Absorptionsrate von mindestens 6 MJ der Stoßenergie empfiehlt.

Das Klagepatent erläutert in diesem Zusammenhang, dass aus der französischen Patentanmeldung 2 716 149, deren Figur 1 nachfolgend wiedergegeben ist,

bereits eine Gelenkkupplung zwischen Eisenbahnfahrzeugen bekannt ist, die mit Energieabsorptionsmitteln ausgestattet ist. Mit Rücksicht auf das dargestellte Ausführungsbeispiel ist die Wirkungsweise wie folgt: Die im normalen Fahrbetrieb auftretenden Stöße und Vibrationen werden in der Gelenkverbindung selbst über elastische Dämpfungselemente (13) abgefangen. Wird die Betriebslast (z.B. anlässlich einer Notbremsung oder eines Aufpralls) überschritten, brechen die beiden Schrauben (22), mit denen das den Gelenkzapfen (17) tragende Bauteil (9) am Wagenkasten (B) befestigt ist. Die Gelenkverbindung wird infolgedessen aus dem Energieverzehrkonzept des Fahrzeuges (d.h. dem Kraftfluss, der sich bei einem Anstoß von dem einen auf den anderen Wagenkasten einstellt) ausgeklammert und die Absorption der Stoßenergie erfolgt ausschließlich über das torusförmige Bauteil (1) des anderen Wagenkastens (A), der gegen das Energieverzehrglied (3) anschlägt, mit dem der Wagenkasten (B) versehen ist.

Die Klagepatentschrift sieht die vorbeschriebene Konstruktion als nachteilig an, weil es insbesondere bei nicht geraden Belastungen der Verbindungsvorrichtung (wie sie z.B. bei einer Kurven- oder Weichenfahrt oder beim Passieren von Anhöhen im Streckennetz auftreten) in einer Crash-Situation zu nicht reproduzierbaren und im voraus nur ungenau abschätzbaren Ergebnissen bei der Energieaufnahme kommen kann.

Ausgehend hiervon bezeichnet es die Klagepatentschrift als Aufgabe der Erfindung, eine verbesserte Gelenkanordnung bereitzustellen,

– die in der Lage ist, auch die durch einen extremen Stoß von einem Wagenkasten auf einen benachbarten Wagenkasten übertragene Energie zu absorbieren,

– die die bei einem normalen Fahrbetrieb auftretenden Stöße in bekannter Weise abbauen kann, um die Gelenklager bzw. die Lager und Räder des Fahrzeuguntergestells nicht zu beschädigen,

– wobei sich die Gelenkanordnung durch eine kompakte und modulare Bauweise auszeichnen

– und imstande sein soll, eine die Betriebslast übersteigende Stoßenergie zuverlässig abzubauen.

Zur Lösung dieser Problemstellung sieht Patentanspruch 1 des Klagepatents die Kombination folgender Merkmale vor:

(1) Gelenkanordnung zum gelenkigen Verbindung von Wagenkästen (100, 101) eines mehrgliedrigen Fahrzeuges.

(2) Die Gelenkanordnung besitzt

(a) einen ersten Gelenkarm (1),

(b) einen zweiten Gelenkarm (3) und

(c) wenigstens ein destruktives (d.h. sich nicht regenerierendes) Energieverzehrglied (2, 4).

(3) Der erste und der zweite Gelenkarm (1, 3) wirken mittels eines Lagers (5) gelenkig zusammen.

(4) Das Energieverzehrglied (2, 4)

(a) ist in einem der Gelenkarme (1, 3) spielfrei integriert,

(b) baut die Energie ab, die durch einen Stoß anfällt, der von einem Wagenkasten (100, 101) auf einen benachbarten, verbundenen Wagenkasten (101, 100) übertragen wird.

Für das richtige Verständnis der erfindungsgemäßen Lehre ist die Erkenntnis wichtig, dass die Kombination der im Anspruch 1 unter Schutz gestellten Konstruktionsmerkmale (1) bis (4) – eben weil in ihnen der Funktion eines Hauptanspruchs entsprechend die Lösung der Problemstellung liegen soll und muss – sämtliche vier Teilaufgaben zu lösen hat, die sich das Klagepatent zum Ziel gesetzt hat, d.h. insbesondere eine verlässliche Energieabsorption im Crash-Fall bewerkstelligen und eine Dämpfung der Gelenkverbindung für den Normalbetrieb bereitstellen muss.

Für das im Merkmal (3) angesprochene Gelenklager sind im Patentanspruch 1 keine irgendwie gearteten Dämpfungsmaßnahmen vorgesehen; solche sind vielmehr Gegenstand erst einer besonders bevorzugten (fakultativen) Ausführungsform (vgl. Absatz 0020 am Ende). Zu Unrecht verweist die Klägerin in diesem Zusammenhang auf die Aufgabenformulierung des Klagepatents (Absatz 0011), wonach die Gelenkanordnung die bei einem normalen Fahrbetrieb auftretenden Stöße „in bekannter Weise abbauen“ soll. Die darauf gestützte Schlussfolgerung, das Lager (5) solle patentgemäß wie im Stand der Technik gedämpft sein, weswegen der im Merkmal (3) verwendete allgemeine Begriff „Lager“ im Sinne von einem gedämpften Gelenklager zu verstehen sei, geht schon deshalb fehl, weil aaO ausschließlich die Dämpfungswirkung angesprochen ist, die aus dem Stand der Technik geläufig ist und die vorteilhafterweise beibehalten werden soll, damit die erfindungsgemäße Gelenkanordnung – was selbstverständlich zu vermeiden ist – keine Verschlechterung im Hinblick auf den normalen Fahrbetrieb bedeutet. Mit der von der Klägerin herangezogenen Textstelle ist demgegenüber ersichtlich keine bestimmte konstruktive Maßnahme in Bezug genommen, die zur Erreichung dieses Zwecks aus dem Stand der Technik übernommen werden soll. Von den im Patentanspruch 1 genannten Bauteilen kommt von daher überhaupt nur das Energieverzehrglied für die Verwirklichung beider Absorptionseffekte in Betracht, die einerseits im Normalbetrieb und andererseits im Crash-Fall wirksam werden sollen. Allein die Aufgabenstellung und die Anspruchsformulierung zwingen mithin bereits zu dem Schluss, dass es erfindungsgemäß das Energieverzehrglied ist, welches die Stoßenergie im Crash-Fall zu absorbieren und zum Schutz der Rad- und des Gelenklagers die Betriebslast im Normalbetrieb des Fahrzeuges aufzunehmen hat.

Exakt in diesem Sinne hält auch der allgemeine Beschreibungstext zu den Vorteilen der patentgemäßen Gelenkanordnung – und ausweislich des Absatzes 0013 sogar genauer der spielfreien Integration des Energieverzehrglieds in den Gelenkarm – fest (Abs. 0014):

„Die erfindungsgemäße Lösung weist eine ganze Reihe wesentlicher Vorteile gegenüber der aus der Fahrzeugtechnik bekannten und vorstehend erläuterten Vorrichtung auf. Das Energieverzehrglied nimmt die Stoßenergie, welche durch Stöße über die Gelenkanordnung zwischen benachbarten Wagenkästen übertragen wird, auf. Stöße, die beim normalen Fahrbetrieb, etwa beim moderaten Beschleunigen auftreten, aber auch solche, die bei Extremsituationen, etwa bei einem Aufprall auftreten, werden von dem Energieverzehrglied weitestgehend absorbiert. Dadurch wird weniger bzw. keine Stoßenergie über den Lagerbock auf das Fahrzeuguntergestell ungedämpft übertragen, wodurch einerseits die Gelenkanordnung und andererseits das gesamte Fahrzeug mit den zugehörigen Fahrgästen geschützt wird.“

Da die besagten Vorteile – als die wesentlichen Teile der dem Klagepatent zugrunde liegenden Aufgabenstellung – durch die spielfreie Integration des Energieverzehrglieds im Gelenkarm erzielt werden sollen (vgl. Abs. 0013: „… dadurch gelöst, dass das Energieverzehrglied in einem der Gelenkarme spielfrei integriert ist“), müssen die Merkmale „spielfrei“ und „integriert“ in einer Weise aufgelegt werden, dass sich die beabsichtigten Effekte (insbesondere einer Stoßabsorption im Normalbetrieb sowie unter Crash-Bedingungen) einstellen können:

Was zunächst die vorgesehene Integration des Energieverzehrglieds in den Gelenkarm anbetrifft, so stellt diese Maßnahme für den Durchschnittsfachmann erkennbar sicher, dass der zur Energieabsorption führende Anstoß gegen das Verzehrglied unabhängig von der im Zeitpunkt des Aufpralls gegebenen relativen Lage der Wagenkästen zueinander immer in derselben, definierten Stellung erfolgt, weil die insoweit zusammenwirkenden Vorrichtungskomponenten – das stoßübertragende Bauteil einerseits und das stoßaufnehmende Verzehrglied andererseits – anders als im vorbekannten Stand der Technik nach der französischen Patentanmeldung 2 716 149 Bestandteil ein- und desselben Gelenkarms und damit nur eines Wagenkastens sind.

Dämpfungseigenschaften unter normalen Betriebsbedingungen werden dem Energieverzehrglied dadurch verliehen, dass es nicht irgendwie, sondern „spielfrei“ im Gelenkarm integriert ist. „Spielfrei“ meint dabei – mit Rücksicht auf den in jedem Betriebszustand (Normalbetrieb und Crash-Fall) gewollten und wirksamen Absorptionseffekt – eine solche konstruktive An- und Einbindung in den Gelenkarm und dessen stoßübertragende Teile, dass das Energieverzehrglied ständig im potentiell stoßabsorbierenden Kraftfluss steht. Der Senat teilt insofern die Ausführungen der Technischen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes in ihrer Entscheidung vom 22.02.2007, wo es auf S. 17 heißt:

„Eine spielfreie Integration in einem der Gelenkarme bedeutet, dass das Energieverzehrglied Teil der Armstruktur ist und folglich im Kraftfluss steht. Bei jeder Zug- oder Stoßkraft wird das Energieverzehrglied mit beansprucht. Und wenn die Stoßkraft eine bestimmte Grenze überschreitet, beginnt die plastische und destruktive Deformation des Energieverzehrglieds, das diese Stoßenergie absorbiert bzw. abbaut.“ (Anm.: Unterstreichung hinzugefügt)

Dem vorstehend dargelegten Verständnis lässt sich nicht entgegenhalten, dass die Klagepatentschrift wiederholt und insbesondere in den gezeigten Beispielen beschreibt, dass das Gelenklager mit einem plastischen Dämpfungsmittel versehen sein kann (Abs. 0021, Zeilen 31 bis 37):

„Des weiteren können die aus dem Stand der Technik bekannten elastischen Dämpfungsmittel, die in der Regel in dem Lager zwischen dem ersten und zweiten Gelenkarm zur Elimination von Stößen und Vibrationen, welche beim normalen Fahrbetrieb auftreten, integriert sind, weiterhin verwendet werden.“

Korrespondierend mit Unteranspruch 2, wonach es bevorzugt ist, das Energieverzehrglied erst beim Überschreiten einer definierten Ansprechkraft wirksam werden zu lassen, beschreibt die Klagepatentschrift die Wirkungsweise einer solchen zusätzlich mit einem regenerativen Dämpfungselement versehenen Gelenkanordnung im Abs. 0029 wie folgt:

„Die Energieverzehrglieder (2, 4) haben die Aufgabe, beim Überschreiten einer festgelegten Ansprechkraft, wie es etwa bei einem Zusammenstoß der Fall ist, die anfallende kinetische (…) Energie, welche über die jeweilige Gelenkanordnung von Wagenkasten (100, 101) zu Wagenkasten (101, 100) übertragen wird, durch plastisches Verformen der Energieverzehrglieder (2, 4) abzubauen. Im definierten Arbeitsbereich unterhalb der Ansprechkraft der Energieverzehrglieder (2, 4) nimmt das Sphärolastiklager (5) gemäß der aus dem Stand der Technik bekannten Arbeitsweise Druck- bzw. Zugkräfte elastisch auf, so dass Stöße, welche in normalen Fahrbetrieb auftreten, elastisch gedämpft werden.“

Unter den besagten bevorzugten Umständen ist das Energieverzehrglied ständig, also auch unter normalen Fahrbedingungen, in den Kraftfluss eingebunden – und nicht etwa davon ausgeklammert. Das Verzehrglied als solches ist (beispielsweise durch die Materialwahl oder dergleichen) lediglich so eingerichtet, dass die im üblichen Fahrbetrieb auftretenden Stöße nicht ausreichen, um das Verzehrglied ansprechen zu lassen, d.h. dessen Energieabsorptionsleistung abzurufen.

Die Anweisung des Klagepatents mit der Forderung nach einer „spielfreien“ Anordnung geht somit dahin, das Energieverzehrglied so in den Gelenkarm einzubauen, dass es zwischen ihm und den benachbarten stoßübertragenden Teilen der Gelenkarmkonstruktion keinen Abstand – eben kein „Spiel“ – gibt. Bereits der Wortlaut „spielfreie Inte¬gration im Gelenkarm“ macht dem Fachmann deutlich, dass ihm eine konstruktive Handlungsanweisung gegeben wird, welche konkret die (integrierende) Anbindung des Energieverzehrgliedes in den Gelenkarm betrifft. Insofern ist der Beklagten Recht in ihrer Auffassung zu geben, dass es darum geht, dass das Energieverzehrglied ohne irgendeinen Abstand in die für den Kraftfluss wirksame Konstruktion des Gelenkarmes aufgenommen wird. Da es um einen ständigen Kraftfluss zwischen dem Energieverzehrglied und den im Normalbetrieb sowie im Crash-Fall wirksamen Gelenkteilen geht, über die die Stoßenergie von einem zu dem anderen Wagenkasten übertragen wird, soll es genau hier keinen – den Kraftfluss unterbrechenden – Spalt („Spiel“) geben. Dass für die „spielfreie Integration“ das Energieverzehrglied in Bezug auf die in Richtung des Kraftflusses liegenden, das Verzehrglied integrierenden Vorrichtungsteile des Gelenkarmes zu betrachten ist, erschließt sich dem Fachmann vor diesem Hintergrund vollkommen schlüssig auch aus Abs. 0019:

„Eine konstruktive Realisierung einer spielfreien Integration des Deformationselements in der Gelenkanordnung besteht darin, dass es zwischen einer Druckplatte und einem Kegelring verspannt ist. Hier sind selbstverständlich aber auch andere konstruktive Maßnahmen denkbar.“

Zwar ist an der zitierten Beschreibungsstelle eine beispielhafte konstruktive Möglichkeit zu einer spielfreien Integration des Energieverzehrgliedes in den Gelenkarm angesprochen, und zwar durch dessen Verspannen zwischen den zur Gelenkarmkonstruktion gehörenden Bauteilen „Druckplatte“ und „Kegelring“. Allgemeine Bedeutung kommt der Textstelle aber – wie die Beklagte zu Recht geltend macht – insofern zu, als es um den relevanten Bezugspunkt für die spielfreie Anordnung im Gelenkarm geht. Diesen sieht das Klagepatent bei den im Kraftfluss liegenden, dem Energieverzehrglied benachbarten Gelenkarmteilen, deren Anbindung exemplarisch – und nur insofern ist die im Absatz 0019 gezeigte Lösung fakultativ – durch Verspannen zwischen einer Druckplatte und einem Kegelring des Gelenkarms geschehen kann.

Bereits aufgrund der vorstehenden Bemerkungen ist der Klägerin in ihrer Auffassung zu widersprechen, dass sich die spielfreie (= abstandslose) Integration des Energieverzehrelements im Gelenkarm nicht auf dessen in Kraftflussrichtung gelegene Bauteile bezieht, sondern darauf, dass das Energieverzehrglied bewegungsfrei im Gelenkarm angeordnet ist, so dass es nicht „schlackert“, d.h. seine axiale Lage in Bezug auf die im Anstoßfall stoßübertragenden Gelenkarmteile verändern kann. Das gilt um so mehr, als es für den Durchschnittsfachmann geradezu evident ist, dass eine zuverlässige Energieabsorption – sei es im Normalbetrieb, erst recht aber im Crash-Fall – von vornherein ausgeschlossen wäre, wenn das Energieverzehrglied keine definierte und fixierte Lage in Bezug auf diejenigen Gelenkarmteile hätte, über die die Stoßenergie übertragen wird. Dass das Energieverzehrglied gegenüber den korrespondierenden Gelenkarmbauteilen nicht „schlackern“ darf, ist eine derart triviale und selbstverständliche Bedingung, dass dieser Umstand im gesamten Beschreibungstext – zu recht – nirgends Erwähnung gefunden hat. Vor diesem Hintergrund ist es für den Fachmann schlechterdings ausgeschlossen, dass gerade diese Trivialität Gegenstand des kennzeichnenden Anspruchsmerkmals der „spielfreien Integration des Energieverzehrglieds in den Gelenkarm“ sein soll.

Die Klägerin kann in diesem Zusammenhang auch nicht darauf verweisen, dass der Begriff „spielfrei“ in der allgemeinen technischen Fachsprache im Zusammenhang mit Gelenkverbindungen gebräuchlich ist und dort den Effekt beschreibt, dass sich die beteiligten Gelenkteile nicht gegeneinander bewegen können. Zwar betrifft das Klagepatent als solches eine Gelenkanordnung; ebenso offensichtlich ist jedoch, dass zwischen dem Energieverzehrglied einerseits und den dieses integrierend aufnehmenden Gelenkarmbauteilen andererseits keine gelenkartige Verbindung hergestellt werden soll, weswegen es bereits im Ansatz verfehlt ist, für das Verständnis des Wortes „spielfrei“ auf denjenigen Sprachgebrauch zurückzugreifen, der sich im Zusammenhang mit Gelenkverbindungen herausgebildet haben mag.

Die Klägerin kann schließlich Argumente für ihre dem Merkmal (4a) zugedachte Interpretation auch nicht aus der Würdigung herleiten, die die US-Patentschrift 2 051 958 in der Klagepatentschrift erfahren hat. Zunächst ist der Klägerin darin zu widersprechen, dass bei der Anspruchsformulierung die Erfindung von dem Gegenstand der genannten US-Schrift abgegrenzt worden ist. Wie im Absatz 0007 der Klagepatentschrift zutreffend erläutert wird, besitzt die Entgegenhaltung lediglich ein Energiedämpfungsglied, welches Stöße absorbieren kann, die der normalen Betriebslast entsprechen, aber kein Energieabsorptionsglied, welches die im Crash-Fall auftretende Stoßenergie abfangen kann. Über ein derartiges Vorrichtungsteil – welches nach der Anspruchsformulierung im Oberbegriff erwähnt wird – verfügt lediglich die Gelenkanordnung nach der französischen Patentanmeldung 2 716 149, die mithin – und zwar allein – den für das Klagepatent gattungsbildenden Stand der Technik repräsentiert. Was „spielfrei“ bedeutet, lässt sich deshalb nicht anhand der US-A 2 051 958 ermitteln. Wenn der darin beschriebenen Gelenkanordnung im Absatz 0007 der Klagepatentschrift „die gleichen Nachteile“ wie der französischen Patentanmeldung 2 716 159 zugeschrieben werden, obwohl das Dämpfungselement (nicht: Energieverzehrglied) in den Gelenkarm integriert ist, so versteht der Fachmann auch diese Aussage schon deshalb nicht wortwörtlich, weil mangels eines Energieverzehrgliedes eine Eignung zur Energieabsorption im Crash-Fall, auf die die Erörterungen zur französischen Patentanmeldung im vorangehenden Absatz 0006 am Ende Bezug nehmen, überhaupt nicht gegeben ist. Der der US-A 2 051 958 bei sinngemäßem Verständnis der Patentbeschreibung zugewiesene Nachteil liegt vielmehr darin, dass aufgrund der – aus der nachstehend eingeblendeten Figur 5 ersichtlichen – Dämpfungskonstruktion

mit verschieblicher Platte (31), einer Keilkonstruktion (28, 29) und einem innen liegenden Federpaket (30) die Energieaufnahme – genau wie beim Gegenstand der französischen Patentanmeldung, dort allerdings aus anderen Gründen – nur ungenau abschätzbar ist. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass mit der „spielfreien“ Integration des Energieverzehrelements in den Gelenkarm – lediglich – eine solche Anordnung und Befestigung gemeint sein könnte, dass das Verzehrglied im Gelenkarm fixiert ist und nicht „schlackert“, liefert der Beschreibungstext des Klagepatents in Anbetracht dessen nicht.

B.

Für das Klagegebrauchsmuster gelten die unter I. gemachten Ausführungen sinngemäß in gleicher Weise. Zwar weicht der Beschreibungstext insofern von der Patentbeschreibung ab, als die erst im Erteilungsverfahren aufgefundene französische Patentanmeldung 2 716 149 dort nicht abgehandelt wird. Entscheidend für das Verständnis ist jedoch, dass sowohl die Notwendigkeit einer Dämpfung der Gelenkverbindung im Normal¬betrieb als auch der Bedarf an einer Energieabsorption im Crash-Fall übereinstimmend erläutert werden, woraus sich bereits ergibt, dass die vom Klagegebrauchsmuster vorgeschlagene (sich aus der geltenden Anspruchsfassung ergebende) Gelenkanordnung beide Wirkungen erzielen muss. In vollständiger Übereinstimmung mit dieser Feststellung wird die dem Schutzrecht zugrunde liegende Aufgabenstellung deswegen auch dahin formuliert, dass die beabsichtigte verbesserte Gelenkanordnung „auch“ die durch einen extremen Aufprall übertragene Stoßenergie abbauen soll, was für den Fachmann hinreichend klarstellt, dass die im Anmeldezeitpunkt bekannte, gebräuchliche und erforderliche Dämpfung der normalen Betriebslast selbstverständlich beibehalten werden soll. Auch für sie kommt mangels irgendeiner im Schutzanspruch 1 für das Gelenklager vorgesehenen Dämpfungsmaßnahme ausschließlich das spielfrei in den Gelenkarm zu integrierende Energieverzehrglied in Betracht. Im allgemeinen Beschreibungstext wird demgemäß als Vorteil der erfindungsgemäßen Lösung herausgestellt:

„Das Energieverzehrglied nimmt die Stoßenergie, welche durch Stöße über die Gelenkanordnung zwischen benachbarten Wagenkästen übertragen wird, auf. Stöße, die beim normalen Fahrbetrieb, etwa bei moderatem Beschleunigen auftreten, aber auch solche, die bei Extremsituationen, etwa bei einem Aufprall auftreten, werden von dem Energieverzehrglied weitestgehend absorbiert.“

Solches kann nur geschehen, wenn das Energieverzehrglied im Kraftfluss mit den stoßübertragenden integrierenden Gelenkarmteilen steht, und zwar sowohl beim Normalbetrieb als auch im Crash-Fall, was bedingt, dass das Verzehrelement abstandslos („spielfrei“) in die stoßübertragende Gelenkarmkonstruktion eingebunden wird.

C.

Die angegriffene Gelenkanordnung der Beklagten macht von der technischen Lehre der Klageschutzrechte keinen Gebrauch.

1.
Als Energieverzehrglied kann nur ein solches Vorrichtungsteil angesehen werden, das in der Lage ist, die bei einem über der Betriebslast liegenden Stoß die anfallende Energie in dem vom Klagepatent geforderten Maße abzubauen. Diese Eignung besitzen die Abreißschrauben für sich alleine betrachtet – wie zwischen den Parteien im Verhandlungstermin vom 17.01.2008 unstreitig war – nicht. Eine wortsinngemäße Patentbenutzung lässt sich deshalb nicht mit der Erwägung feststellen, dass die Abreißschrauben spielfrei in die Gelenkarmkonstruktion eingebunden sind.

Ein Energieverzehrglied i.S.d. Klageschutzrechte stellen demgegenüber zweifellos die drei Verformungsrohre dar. Diese sind allerdings nicht – wie gefordert – „spielfrei“, nämlich abstandslos in den Gelenkarm integriert. Vielmehr besteht ein Abstand zur stoßübertragenden Druckplatte, den die Beklagte unwiderlegt mit 10 bis 15 mm angegeben hat. Da die spielfreie Anbindung eine konstruktive Handlungsanweisung ist, die sicherstellen soll, dass das Energieverzehrglied ständig, d.h. auch im Normalbetrieb, im Kraftfluss mit den stoßübertragenden Bauteilen des Gelenkarmes steht, kommt es nicht darauf an, ob die Druckplatte beim Brechen der Abreißschrauben an den Verformungsrohren anliegt. Der direkte Kontakt mit den stoßvermittelnden Gelenkarmbauteilen (Druckplatte) muss permanent gegeben sein, woran es bei der angegriffenen Ausführungsform allein mit Blick auf den vor dem Brechen der Abreißschrauben bestehenden Abstand zwischen Druckplatte und Stirnseiten der Verformungsrohre fehlt.

Die Forderung nach einer „spielfreien“ Integration des Energieverzehrgliedes kann auch dann nicht als erfüllt angesehen werden, wenn mit der Klägerin von einer zweiteiligen Ausgestaltung des Verzehrelements, bestehend einerseits aus den Abreißschrauben und andererseits aus den Verformungsrohren, ausgegangen wird. Da die wesentliche Energieabsorption von den Deformationsrohren bereitgestellt wird, wäre zwar das erste Teil des Energieverzehrgliedes (nämlich die Abreißschrauben) spielfrei in den Gelenkarm integriert, nicht aber das andere, für die Wirkungsweise maßgebliche Teil, nämlich die Verformungsrohre. Damit bliebe es bei der Feststellung, dass das (mehrteilig ausgeführte) Energieverzehrglied als solches – wegen des zwischen den beiden Teilen des Verzehrelements unter normaler Betriebslast gegebenen Abstands – eben nicht „spielfrei“ in den Gelenkarm aufgenommen ist.

2.
Die Voraussetzungen einer äquivalenten Patentverletzungen lassen sich gleichfalls nicht feststellen.

Es mangelt bereits an der technischen Gleichwirkung, die voraussetzen würde, dass das Energieverzehrglied mit den stoßübertragenden Bauteilen des Gelenkarms ständig – d.h. bei Betriebslast und im Crash-Fall – im Kraftfluss steht. Derartiges für die angegriffene Ausführungsform anzunehmen verbietet sich bereits aufgrund des unstreitigen Sachvortrages, weil unter den Bedingungen des normalen Fahrbetriebs die Verformungsrohre als wesentlicher Teil des Energieverzehrglieds aufgrund ihres zu der stoßübertragenden Druckplatte gegebenen Abstands vom Kraftfluss, der nach dem Willen der Erfindung ununterbrochen bestehen soll, abgeschnitten sind. Dieselbe Feststellung gilt – obwohl es darauf für die Entscheidung des Rechtsstreits an sich nicht mehr ankommt – für den Crash-Fall. Zwar behauptet die Klägerin, dass die Druckplatte in dem Moment, in dem die Abreißschrauben brechen, mit der Stirnseite der Verformungsrohre in Kontakt steht, was die Annahme rechtfertigen könnte, dass die beiden Teile des Energieverzehrglieds hintereinander, aber insgesamt ununterbrochen, in Anlage an den stoßvermittelnden Teilen des Gelenkarmes sind. Abgesehen davon, dass die eigenen zeichnerischen Darstellungen der Klägerin gemäß Anlage S 1 einen anderen Funktionsablauf darstellen, der sich prinzipiell mit der Einlassung der Beklagten deckt, hat die Beklagte konkret behauptet, dass sich die Druckplatte im Augenblick des Brechens der Abreißschraubens weiterhin in einem Abstand zu den Stirnseiten der Verformungsrohre befindet, wobei dieser Abstand mindestens 3 mm beträgt. Dieser Einlassung hat die Klägerin zwar auch im Verhandlungstermin vom 17.01.2008 widersprochen; auf Nachfrage hat sie jedoch klargestellt, dass ihre gegenteilige Behauptung eines Kontaktes zwischen Druckplatte und Verformungsrohren beim Abreißen der Halteschrauben nicht auf einer Untersuchung des angegriffenen Gegenstandes beruht. Sie hat sich stattdessen darauf bezogen, dass die Abreißschrauben in Abhängigkeit z.B. von der verwendeten Stahlart ein unterschiedliches Dehnungsverhalten zeigen, was die Möglichkeit beinhalte, dass sich die Druckplatte vor dem Brechen der Halteschrauben bereits so weit auf die Verformungsrohre zu bewegt habe, dass es zu einem Berührungskontakt komme. Nachdem die Klägerin jedoch selbst nicht vorträgt, Feststellungen dahingehend getroffen zu haben, welche Stahlsorte bei der angegriffenen Ausführungsform verwendet wird, ist die Behauptung eines Kontaktes zwischen Druckplatte und Verbindungsrohren im Augenblick der Befreiung der Druckplatte ersichtlich ohne eine tatsächliche Grundlage und damit ins Blaue hinein aufgestellt. Ihrer angesichts der konkreten Maßangaben der Beklagten gesteigerten Substantiierungslast ist die Beklagte mit einem solchen Vortrag nicht nachgekommen.

Letztlich kann zugunsten der Klägerin aber sogar unterstellt werden, dass die Druckplatte, nachdem die Abreißschrauben gebrochen sind, augenblicklich im Kontakt mit den Verformungsrohren ist. In diesem Fall fehlt es nämlich an der erforderlichen Gleichwertigkeit, d.h. daran, dass der Durchschnittsfachmann bei Orientierung an der ihm in den Patent- und Schutzansprüchen gegebenen technischen Lehre aufgrund naheliegender Überlegungen imstande war, die abgewandelte Konstruktion als technisch gleichwirkendes Lösungsmittel aufzufinden. Zwar lässt es der allgemein gehaltene Anspruchswortlaut der Klageschutzrechte zu, das Energieverzehrglied mehrteilig auszuführen. Da das Energieverzehrglied aber im ständigen Kraftfluss stehen, d.h. auch unter Betriebslast mitbeansprucht werden soll, und die Klageschutzrechte zu diesem Zweck vorsehen, dass das Energieverzehrglied spielfrei in den Gelenkarm aufgenommen ist, gelangt der Durchschnittsfachmann zu der Auffassung, dass auch die mehreren Teile eines Energieverzehrgliedes untereinander im spielfreien Kontakt sein müssen, weil nur so gewährleistet ist, dass der Kraftfluss zwischen den stoßübertragenden Gelenkarmteilen und dem (aus mehreren, hintereinander wirksam werdenden Teilen bestehenden) Energieverzehrglied fortdauernd besteht. Diese Überlegung gilt umso mehr, als die Klageschutzrechte es als bevorzugt ansehen, das Gelenklager mit regenerativen Dämpfungselementen auszustatten, die im Normalbetrieb den Energieabbau herbeiführen, und das Energieverzehrelement erst nach Überschreiten der Betriebslast ansprechen zu lassen, die Klageschutzrechte jedoch auch bei dieser Konstellation daran festhalten, dass das Energieverzehrglied zur Gewährleistung eines permanenten Kraftflusses spielfrei (d.h. abstandslos) in die stoßübertragende Gelenkarmkonstruktion eingebunden sein muss, und zwar nicht erst, wenn die Ansprechgrenze überschritten wird, sondern konstruktionsbedingt immer, d.h. auch im Zustand normaler Betriebslast. Dass dem so ist, ergibt sich aus der Tatsache, dass die Klageschutzrechte auch unter den besonderen Bedingungen des Unteranspruchs 2 (wonach das Energieverzehrglied erst bei Vorliegen einer bestimmten Kraft anspricht) durch ihren Rückbezug auf Anspruch 1 verlangen, dass das Energieverzehrglied spielfrei im Gelenkarm aufgenommen ist. Etwas Abweichendes in dem Sinne, dass sich die spielfreie Anordnung unter den Voraussetzungen des Anspruchs 2 erst bei Überschreiten der definierten Ansprechkraft einstellt, wird dem Fachmann im gesamten Beschreibungstext der Klageschutzrechte nirgends offenbart. Dieser Sachverhalt ist umso bemerkenswerter, als das Klagepatent als einzigen gattungsbildenden Stand der Technik die französische Patentanmeldung 2 716 159 erörtert, die bereits eine Konstruktion zeigt, bei der die normale Betriebslast über Dämpfungselemente (13) des Gelenklagers abgefangen wird, während im Crash-Fall die Energieabsorption mit Hilfe des Verzehrelements (3) im Zusammenwirken mit dem torusförmigen Gelenkarmelement (1) erfolgt, wobei im zuletzt genannten Betriebsfall die Gelenkverbindung vom Kraftfluss dadurch entkoppelt wird, dass die Schrauben (22) brechen, die das den Schwenkzapfen (17) aufnehmende Tragteil (9) mit dem einen der beiden Wagenkästen verbinden. Die Schrauben (22), die sich zunächst unter Absorption von Stoßenergie dehnen und anschließend abreißen, stellen selbstverständlich ebenso ein Mittel zum Energieverzehr dar, wie dies die Klägerin für die Abreißschrauben der angegriffenen Ausführungsform reklamiert, so dass bereits der gattungsbildende Stand der Technik ein zweigeteiltes Energieverzehrelement (22, 3) zum Gegenstand hat. Angesichts der trotz dieser Ausgangslage klaren Anweisung der Klageschutzrechte, das Energieverzehrglied (und nicht nur Teile davon) auch dann im unmittelbaren Kontakt zu den stoßübertragenden Teilen des Gelenkarmes anzuordnen, wenn die Betriebslast über regenerative Dämpfungselemente im Gelenklager abgefangen wird und das Energieverzehrglied seine Absorptionswirkung erst bei Auftreten einer darüber hinausgehenden Stoßenergie entfaltet, ist nicht ersichtlich, wie der Fachmann bei Orientierung an dem, was ihm die Patent- bzw. Schutzansprüche lehren, naheliegend zu einer abgewandelten Lösung gelangen soll, bei der die Betriebslast ebenfalls mittels einer Gelenklagerdämpfung bewältigt wird, eine die Betriebslast übersteigende Stoßenergie jedoch durch ein Energieverzehrglied absorbiert wird, dessen wesentlicher Teil (die Verbindungsrohre) mit Abstand zu den stoßübertragenden Gelenkarmteilen angeordnet ist. Auffinden kann der Fachmann eine solche Variante nur, wenn er sich über die technische Lehre der Klageschutzrechte geradezu hinwegsetzt, wonach das Energieverzehrglied, auch wenn es eine absorptive Leistung im Normalbetrieb nicht entfaltet, permanent in Kontakt mit dem die Stoßenergie übertragenden Teilen des Gelenkarmes steht.

D.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 22.01.2008 ist verspätet und hat daher außer Betracht zu bleiben. Er rechtfertigt auch keine Wiedereröffnung der ordnungsgemäß geschlossenen mündlichen Verhandlung.

Der Senat sieht sich jedoch zu folgenden Bemerkungen veranlasst: Der Vorwurf, bei der Verhandlung „sei offenbar geworden, dass der Sachvortrag der Klägerin in erster Instanz zur angegriffenen Ausführungsform nicht mehr in Erinnerung gewesen sei“, ist nicht nur tatsachenwidrig, sondern unterstellt dem Senat in völlig unangemessener Weise, den Haupttermin nur oberflächlich vorbereitet und ohne hinreichende Aktenkenntnis durchgeführt zu haben. Richtig ist statt dessen, dass der Klägervertreter im Verhandlungstermin darauf hingewiesen worden ist, dass er in seinen Schriftsätzen unterschiedlich dazu vorgetragen habe, ob im Zeitpunkt des Abreißens der Halteschrauben für die Druckplatte ein Kontakt zur Stirnseite der Verformungsrohre besteht oder nicht. Im erstgenannten Sinne verhalten sich die Schriftsätze vom 24.05.2004, Seiten 22 (GA I 141) und 19.09.2007, Seite 27 (GA II 390); im zweitgenannten Sinne äußern sich dieselben Schriftsätze auf den Seiten 16-17 (GA I 135-136) und Seite 24 (GA II 387). In Anbetracht dieses unklaren Vortrags ist der Klägervertreter aufgefordert worden, seine diesbezügliche Behauptung klarzustellen und zu erläutern, ob und auf welche Weise die Klägerin sich Gewissheit darüber verschafft hat, welche Verhältnisse im Moment des Brechens der Abreißschrauben herrschen.

E.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).