4a O 103/06 – Polyurethanlinse II

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 599

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 13. März 2007, Az. 4a O 103/06

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin ist eingetragene, ausschließliche und alleinverfügungsberechtigte Inhaberin des europäischen Patents 0 802 xxx (nachfolgend: Klagepatent). Die Anmeldung des Klagepatents, dessen Verfahrenssprache Englisch ist, wurde aus der dem europäischen Patent 0 645 xxx (das Grundlage der im parallelen Rechtsstreit 4a O 2/06 geltend gemachten Ansprüche ist) zugrunde liegenden Anmeldung abgezweigt. Die Anmeldung des EP 0 645 xxx, aus der die Anmeldung des Klagepatents abgezweigt wurde, erfolgte am 29. September 1994 unter Inanspruchnahme einer japanischen Priorität vom 29. September 1993. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 16. Januar 2002 veröffentlicht. Der deutsche Teil des Klagepatents, der unter der Registernummer DE 694 29 xxx geführt wird, steht in Kraft.
Gegen das zum Klagepatent weitgehend parallele EP 0 645 xxx hatte unter anderem die A GmbH & Co. KG Einspruch eingelegt. Dieser wurde von der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes mit Entscheidung vom 23. Januar 2003 im Wesentlichen zurückgewiesen. Die Technische Beschwerdekammer wies die hiergegen eingelegte Beschwerde mit Entscheidung vom 30. September 2004 zurück.
Gestützt auf das Klagepatent nimmt die Klägerin die Beklagte im vorliegenden Verfahren auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung sowie auf Schadensersatz in Anspruch.

Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Polyurethanlinsen. Der im vorliegenden Rechtsstreit in erster Linie geltend gemachte Patentanspruch 1 lautet in der deutschen Übersetzung (T2-Schrift DE 694 29 xxx: Anlage K3a) wie folgt:

Verfahren zur Massenproduktion einer Polyurethanlinse, umfassend die Stufen:
(A) Zugabe einer Alkylzinnhalogenidverbindung der Formel
(R1)c-Sn-X4-c (I)
worin R1 für Methyl, Ethyl, Propyl oder Butyl steht, X ein Fluoratom, ein Chloratom oder ein Bromatom ist, und c eine ganze Zahl von 1 bis 3 ist, zu einer Polyisocyanatverbindung, um ein erstes Gemisch zu bilden;
(B) im Anschluss an Stufe (A) erfolgende Zugabe von zwei oder mehr Polythiolverbindungen, die unterschiedliche Reaktionsgeschwindigkeiten mit der Polyisocyanatverbindung haben, zu dem Gemisch der Stufe (A) zur Bildung eines zweiten Gemisches;
(C) Gießen des resultierenden Gemisches der Stufe (B) in eine Vielzahl von Linsenformen und Umsetzenlassen des Gemisches; und
(D) Erhitzen der gefüllten Linsenformen der Stufe (C) in dem gleichen Polymerisationsofen.

Hinsichtlich des Wortlauts der im Wege von „Insbesondere“-Anträgen geltend gemachten Patentansprüche 3 und 10 wird auf die Anlage K3a Bezug genommen.

Die Beklagte ist die operativ tätige Gesellschaft des A-Konzerns. Als solche stellt die Beklagte her und vertreibt bundesweit (sowie im Ausland) Brillengläser aus Kunststoff und Mineralglas sowie Brillenfassungen. Sie bietet an und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland Kunststoff-Brillengläser mit dem Brechungsindex 1.6 unter den Bezeichnungen „X“ bzw. „Y“. Diese Brillengläser werden nachfolgend als angegriffene Ausführungsformen bezeichnet. Das Anbieten der angegriffenen Ausführungsformen erfolgt im Internet auf der von der Beklagten betriebenen Website unter der URL www.A.de. Insoweit wird auf die als Anlage K5 vorgelegten Ausdrucke der genannten Website Bezug genommen. Des Weiteren bestellte eine deutsche Tochtergesellschaft der Klägerin bei der Beklagten Gläser des Typs „Y“ und erhielt diese geliefert. Über diesen Testkauf verhält sich der als Anlage K6 vorgelegte Lieferschein vom 11. Mai 2005.
Wie zwischen den Parteien unstreitig ist, handelt es sich bei den angegriffenen Ausführungsformen um Polyurethanlinsen, die alle patentgemäß vorausgesetzten Komponenten umfassen. Sie bestehen aus einer Polyisocyanatverbindung (nämlich Bis(isocyanatomethyl)bicycloheptan) und zwei Polythiolverbindungen. Letztere sind Pentaerythritoltetrakis(mercaptopropionat) (PETMP) und 4-Mercaptomethyl-3,6-dithia-1,8-octandithiol (GST). Als Alkylzinnhalogenid-Katalysator verwendet die Beklagte bei den angegriffenen Ausführungsformen Dibutylzinndichlorid.

Die Klägerin behauptet, die angegriffenen Ausführungsformen würden gemäß dem von Anspruch 1 des Klagepatents geschützten Verfahren hergestellt, indem die dort vorgeschriebene Mischreihenfolge beachtet würde. Ausschließlich durch die patentgemäße Mischreihenfolge könnten optische Fehler wie optische Spannungen und/oder Schlieren (welche die angegriffenen Ausführungsformen unstreitig nicht aufweisen) vermieden werden. Mit einer anderen Mischreihenfolge sei dies jedenfalls bei einer Herstellung in industriellem Maßstab nicht möglich. Maßnahmen, die eine Herstellung schlierenfreier Polyurethanlinsen mit einer abweichenden Mischreihenfolge gestatteten, verteuerten die Produktion in erheblichem Umfang und ließen einen massenhaften Absatz des Produktes nicht zu. Ausschließlich das klagepatentgemäße Verfahren ermögliche in einem technischem Maßstab die Herstellung von Polyurethanlinsen ohne optische Defekte mit vernünftigen Reaktionszeiten und damit in wirtschaftlich sinnvoller Weise.
Wenn die Beklagte eine Verletzung nunmehr bestreite, setze sie sich – so die Auffassung der Klägerin – mit diesem Prozessvortrag in Widerspruch zur vorgerichtlichen und während des Einspruchsbeschwerdeverfahrens gegen das EP 0 645 xxx geführten Korrespondenz der Parteien. In dieser sei eine Verletzung des EP 0 645 xxx sowie des mit diesem hinsichtlich der Mischreihenfolge nach Anspruch 1 identischen Anspruchs 1 des Klagepatents von der Beklagten nie bestritten worden.
Die Klägerin regt eine Anordnung der Kammer an, mit welcher der Beklagten aufgegeben werde, die Betriebsanweisungen für die Herstellung aller ihrer in der Bundesrepublik Deutschland seit dem 14. Februar 1998 (in diesem Verfahren richtigerweise: seit dem 16. Februar 2002) vertriebenen Polyurethanlinsen der angegriffenen Ausführungsformen vorzulegen, hilfsweise diese durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen begutachten zu lassen sowie gegebenenfalls weitere Maßnahmen zu treffen, mit denen etwaigen Geheimhaltungsinteressen der Beklagten Rechnung getragen werden könnte.

Die Klägerin beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unterlassen,
Linsen anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einzuführen oder zu besitzen, die mittels eines Verfahrens hergestellt werden, das die folgenden Stufen umfasst:
(A) Zugabe einer Alkylzinnhalogenid-Verbindung der allgemeinen Formel (I)
(R1)c-Sn-X4-c
worin R1 für Methyl, Ethyl, Propyl oder Butyl steht, X ein Fluoratom, ein Chloratom oder ein Bromatom und c eine ganze Zahl von 1 bis 3 ist, zu einer Polyisocyanat-Verbindung, um ein erstes Gemisch zu bilden;
(B) im Anschluss an Stufe (A) erfolgende Zugabe von zwei oder mehr Polythiol-Verbindungen, die unterschiedliche Reaktionsgeschwindigkeiten mit der Polyisocyanatverbindung haben, zu dem Gemisch der Stufe (A) zur Bildung eines zweiten Gemisches, und
(C) Gießen des resultierenden Gemisches der Stufe (B) in eine Vielzahl von Linsenformen und Umsetzenlassen des Gemisches;
(D) Erhitzen der gefüllten Linsenformen der Stufe (C) in dem gleichen Polymerisationsofen;

2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 16. Februar 2002 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen, sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen, sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger und der nicht gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Nachfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

3. die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Linsen, die sich noch in ihrem Besitz und/oder Eigentum befinden, auf eigene Kosten zu vernichten;

II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten, seit dem 16. Februar 2002 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird;

III. hilfsweise, der Klägerin nachzulassen, die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung (Bank- oder Sparkassenbürgschaft) abzuwenden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, ihr nachzulassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung (Bankbürgschaft) abzuwenden.

Sie bestreitet, bei der Herstellung der angegriffenen Ausführungsformen die klagepatentgemäße Mischreihenfolge anzuwenden. Sie mische vielmehr zunächst den Katalysator (Dibutylzinndichlorid) mit den beiden Polythiol-Verbindungen (PETMP und GST). Diesem Gemisch werde die Polyisocyanat-Verbindung (Bis(isocyanatomethyl)bicycloheptan) zugegeben. Bei einer Temperatur von 15°C +/- 1°C, die die Beklagte bei ihrem Herstellungsverfahren wähle, sei eine akzeptable Lösungszeit des Katalysators in den beiden Polythiol-Verbindungen von etwa 30 Minuten zu erreichen. Die Mischreihenfolge des Klagepatents sei daher weder die zur Massenherstellung von Polyurethanlinsen einzig taugliche noch die allein wirtschaftlich sinnvolle Mischreihenfolge.
Des Weiteren meint die Beklagte, das Merkmal „unterschiedlicher Reaktionsgeschwindigkeiten“ der Polythiol-Verbindungen mit der Polyisocyanat-Verbindung setze patentgemäß voraus, dass der Unterschied in den Viskositätsveränderungen mindestens 100 cps betrage. Die Beklagte behauptet, dies sei bei den von ihr verwendeten Polythiol-Verbindungen PETMP und GST bei deren Reaktion mit dem verwendeten Polyisocyanat Bis(isocyanatomethyl)bicycloheptan nicht der Fall; mit dem gemäß den Vorgaben des Klagepatents durchgeführten Messverfahren betrage der Unterschied in den Viskositätsveränderungen vielmehr lediglich 1,9 cps.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, mangels Nachweises der Verwendung des klagepatentgemäßen Herstellungsverfahrens bei der Produktion der angegriffenen Ausführungsformen jedoch nicht begründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche aus § 139 Abs. 1 i.V.m. § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG; §§ 139 Abs. 2; 140a Abs. 1 Satz 1 und 2; 140b Abs. 1 und 2 PatG; §§ 242; 259 BGB nicht zu.

I.
Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Polyurethanlinsen, die frei von optischen Fehlern wie Schlieren sind. Wie die Klagepatentschrift ausführt, waren Polyurethanlinsen mit bestimmten Eigenschaften und Verfahren zu ihrer Herstellung aus dem Stand der Technik bekannt.
Die JP-A-63-130614 lehrte den Fachmann, zur Herstellung des Polyurethan-Polymers als Monomere Polyisocyanate und Polythiole einzusetzen, um den Vernetzungsgrad zu erhöhen (Anlage K3a, Seite 1). Ebenso sei es, wie die Klagepatentschrift weiter ausführt (Anlage K3a, Seite 1, zweiter Absatz), bekannt gewesen, dass zwei verschiedene Polythiol-Verbindungen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit mit der Polyisocyanat-Verbindung reagieren. Diese unterschiedlichen Reaktionsgeschwindigkeiten könnten zu optischen Spannungen und Schlieren in der Linse führen. Um eine Polyurethanlinse herzustellen, die frei von optischen Spannungen ist, beschreibt das Klagepatent aus dem Stand der Technik ein Polymerisationsverfahren, bei dem die Polymerisationsbedingungen an die reaktivere Polythiol-Verbindung (d.h. diejenige mit der höheren Reaktionsgeschwindigkeit) angepasst worden seien. Die anfängliche Polymerisationstemperatur werde bei diesem Verfahren – um eine vorzeitige Reaktion des reaktiveren Polythiols mit der Polyisocyanat-Verbindung zu verhindern – auf eine niedrige Temperatur eingestellt und erst während der Polymerisationsreaktion allmählich angehoben (Anlage K3a, Seite 1, zweiter Absatz a.E.), um die Reaktionsgeschwindigkeit zu erhöhen und die Reaktionszeit zu verkürzen.
An diesem Verfahren beschreibt es die Klagepatentschrift als nachteilig, dass es langwierig und ineffizient sei. Des Weiteren sei es von Nachteil bei Linsen mit einer großen zentralen Dicke und einer großen Randdicke. Infolge der bei der Reaktion einer Polythiol-Verbindung, die eine große Reaktionsgeschwindigkeit mit der Polyisocyanat-Verbindung aufweist, mit dieser Polyisocyanat-Verbindung entstehenden Reaktionswärme sei es schwierig, das Auftreten von optischen Spannungen und Schlieren allein durch eine Steuerung der Polymerisationswärme zu verhindern. Nachteiligerweise sei die Ausbeute an Linsen pro Polymerisationsofen in der Massenproduktion beschränkt (Anlage K3a, Seiten 1 und 2 übergreifender Absatz).

Aufgabe (technisches Problem) der dem Klagepatent zugrunde liegenden Erfindung ist es, die genannten Nachteile aus dem Stand der Technik zu vermeiden. Das Klagepatent verfolgt das Ziel, die Polymerisationszeit zur Herstellung der Linse aus einer Polyisocyanat-Verbindung und Polythiol-Verbindungen herabzusetzen. Dies soll es gestatten, Linsen ohne optische Fehler wie Schlieren selbst dann zu erhalten, wenn es sich um Linsen mit einer großen zentralen Dicke und einer großen Randdicke handelt (vgl. Anlage K3a, Seite 2, zweiter Absatz).

Zur Lösung schlägt das Klagepatent in seinem Anspruch 1 ein Verfahren zur Massenproduktion einer Polyurethanlinse vor, das die folgenden Stufen umfasst, die nachfolgend in Form einer Merkmalsgliederung wiedergegeben werden:
1. (A) Zugabe einer Alkylzinnhalogenidverbindung zu einer Polyisocyanatverbindung, um ein erstes Gemisch zu bilden, wobei die Alkylzinnhalogenidverbindung die allgemeine Formel (I)
(R1)c-Sn-X4-c
hat, worin
1.1 R1 für Methyl, Ethyl, Propyl oder Butyl steht,
1.2 X ein Fluoratom, ein Chloratom oder ein Bromatom ist und
1.3 c eine ganze Zahl von 1 bis 3 ist;
2. (B) im Anschluss an Stufe (A) erfolgende Zugabe von zwei oder mehr Polythiolverbindungen zu dem Gemisch der Stufe (A) zur Bildung eines zweiten Gemisches;
2.1 die Polythiolverbindungen haben unterschiedliche Reaktionsgeschwindigkeiten mit der Polyisocyanatverbindung;
3. (C) Gießen des resultierenden Gemisches der Stufe (B) in eine Vielzahl von Linsenformen und Umsetzenlassen des Gemisches; und
4. (D) Erhitzen der gefüllten Linsenformen der Stufe (C) in dem gleichen Polymerisationsofen.

Das Klagepatent sieht mithin in Anspruch 1 ein Verfahren mit insgesamt vier Stufen vor. Die erste Stufe beschreibt die Zugabe einer Alkylzinnhalogenid-Verbindung einer näher charakterisierten Formel zu einer Polyisocyanat-Verbindung vor, um ein erstes Gemisch zu erhalten. In der zweiten Stufe werden mindestens zwei Polythiol-Verbindungen mit dem ersten Gemisch vermischt (Merkmal 2), um das zweite Gemisch zu erhalten, mit dem auf der dritten und vierten Stufe weiter verfahren wird, um Polyurethanlinsen zu erhalten. Die erfindungsgemäßen Polythiol-Verbindungen sind durch Merkmal 2.1 weiter dahin charakterisiert, dass sie unterschiedliche Reaktionsgeschwindigkeiten mit der Polyisocyanat-Verbindung gemäß Merkmal 1 aufweisen. Die Alkylzinnhalogenid-Verbindung fungiert dabei als Katalysator für die Polymerisation der Polythiol-Verbindungen mit der Polyisocyanat-Verbindung.

II.
Die Beklagte bestreitet zum einen, die in den Merkmalen 1 und 2 vorgegebene Mischreihenfolge (zunächst Zugabe der Alkylzinnhalogenid-Verbindung zu einer Polyisocyanat-Verbindung, sodann Mischen dieser Mischung mit den mehreren Polythiol-Verbindungen) anzuwenden. Unabhängig davon steht zwischen den Parteien zum anderen die Auslegung des Merkmals 2.1 in Streit, konkret die Frage, ob „unterschiedliche Reaktionsgeschwindigkeiten“ im Sinne des Klagepatents erst ab einem Mindestmaß des Unterschieds in der Viskositätsveränderung von 100 cps vorliegen. Daran schließt sich die im Tatsächlichen umstrittene Frage an, ob der Unterschied in der Viskositätsveränderung bei den für die Herstellung der angegriffenen Ausführungsformen verwendeten Polythiol-Verbindungen PETMP und GST 1,9 cps (so die Beklagte) oder 314,7 cps (so die Klägerin) beträgt.

1.
Ob der Beklagten in ihrer Auslegung des Merkmals 2.1 zu folgen ist, kann für die vorliegenden Entscheidung offen bleiben. Die Beklagte meint, von „unterschiedlichen“ Reaktionsgeschwindigkeiten im Sinne des Klagepatents könne erst dann gesprochen werden, wenn der Unterschied zwischen der Reaktionszeit der ersten Polythiol-Verbindung mit der Polyisocyanat-Verbindung einerseits und der zweiten Polythiol-Verbindung mit der Polyisocyanat-Verbindung andererseits einen gewissen Mindestwert übersteigt. Hierzu müsse der Unterschied in den Viskositätsveränderungen mindestens 100 cps betragen. Denn für den Fachmann auf den Gebiet des Klagepatents verstehe es sich von selbst, dass unterschiedliche (Polythiol-) Verbindungen auch unterschiedliche Reaktionsgeschwindigkeiten mit einer dritten (Polyisocyanat-) Verbindung aufweisen. Wenn Anspruch 1 mit Merkmal 2.1 nicht in überflüssiger Weise eine Selbstverständlichkeit zum Ausdruck bringen wolle, würde der Fachmann versuchen, dem Merkmal „unterschiedlicher Reaktionsgeschwindigkeiten“ einen darüber hinausgehenden Bedeutungsgehalt beizumessen. Da dieser qualitativer Natur nicht sein könne, müsse sich der „Unterschied“ auf eine quantitative Komponente beziehen. Aus der Beschreibung der Klagepatentschrift in Anlage K3a (Seite 6, vorletzter Absatz bis Seite 7, dritter Absatz) entnehme der Fachmann den Hinweis, dass zwei Polythiol-Verbindungen nur dann als Verbindungen angesehen werden, die im Sinne des Klagepatents „unterschiedliche Reaktionsgeschwindigkeiten“ mit einer Polyisocyanat-Verbindung aufweisen, wenn der Unterschied zwischen der Viskositätsveränderung bei der einen und der anderen Polythiol-Verbindung (jeweils ermittelt aus der Viskosität direkt nach Herstellen der Mischung und zwei Stunden danach) mindestens 100 cps beträgt (vgl. Anlage K3a, Seite 7, dritter Absatz).
Ob diese von der Beklagten vertretene Auslegung eine ausreichende Grundlage in der Klagepatentschrift findet, so dass ihr zu folgen wäre, kann für die vorliegende Entscheidung dahin stehen. Denn in jedem Fall fehlt es für eine Verwirklichung des Verfahrensanspruchs 1 des Klagepatents bei der Herstellung der angegriffenen Ausführungsformen am erforderlichen Nachweis durch die Klägerin, dass dabei die patentgemäße Mischreihenfolge eingehalten wird.

2.
Zwischen den Parteien besteht Einigkeit darin, dass hinsichtlich der patentgemäßen Mischreihenfolge allein eine wortsinngemäße Verletzung in Betracht kommt, weil jede Abweichung von der Reihenfolge nach Merkmalen 1 und 2 aus dem Klagepatent heraus führt. Die von der Beklagten in der Klageerwiderung aufgeworfene Frage einer äquivalenten Verletzung des Klagepatentanspruchs 1 stellt sich damit in Wahrheit nicht.

a)
Nach dem Sach- und Streitstand zum Schluss der mündlichen Verhandlung kann die Kammer davon ausgehen, dass bei der Herstellung der angegriffenen Ausführungsformen unstreitig die patentgemäßen Verbindungen Verwendung finden. Als patentgemäße Polyisocyanat-Verbindung benutzt die Beklagte Bis(isocyanatomethyl)-bicycloheptan, welches das Klagepatent als anspruchsgemäße Polyisocyanat-Verbindung erwähnt (vgl. Anlage K3a, Seite 4, dritter Absatz, vierte/fünfte Zeile und Unteranspruch 3). Dieses trägt auch die Handelsbezeichnung „MR8A“. Auch die Verwendung der Alkylzinnhalogenid-Verbindung Dibutylzinndichlorid (patentgemäß nach Anlage K3a, Seite 7, vorletzte Zeile sowie Unteranspruch 10) mit der Handelsbezeichnung „MR6A“ gesteht die Beklagte zu. Als erste Polythiol-Verbindung nach Merkmal 2.1 verwendet die Beklagte Pentaerythritoltetrakis(mercaptopropionat) (PETMP, Handelsbezeichnung „MR8B1“). PETMP ist eine patentgemäße Polythiol-Verbindung (vgl. Anlage K3a, Seite 5, vierter Absatz, zweite Zeile und Unteranspruch 5). Nachdem sich die Klägerin den Vortrag der Beklagten aus der Klageerwiderung zu eigen gemacht hat, bei der zweiten Polythiol-Verbindung handele es sich um 4-Mercaptomethyl-3,6-dithia-1,8-octandithiol (GST), steht es als unstreitig fest, dass diese auch als „MR8B2“ bezeichnete Polythiol-Verbindung in die Produktion der angegriffenen Ausführungsformen einfließt. Wie die Beklagte in anderem Zusammenhang selbst ausgeführt hat (vgl. Duplik vom 23. Januar 2007, Seite 10; Bl. 107 GA), ist GST identisch mit 2,3-Dimercaptoethylthio-1-mercaptopropan (DMMTP), das in der Klagepatentschrift als Polythiol-Verbindung genannt wird (Anlage K3a, Seite 14, sechste Zeile).

b)
Die Klägerin stützt ihre Behauptung, die Beklagte mache darüber hinaus von der patentgemäßen Mischreihenfolge Gebrauch, auf die Grundannahme, eine andere Reihenfolge könne bei der Herstellung von Polyurethanlinsen in industriellem Maßstab nicht zu schlierenfreien Linsen führen. Das klagepatentgemäße Verfahren sei das einzige taugliche Verfahren, mit dem in industriellem Maßstab optisch einwandfreie Polyurethanlinsen hergestellt werden könnten.
Die Voraussetzungen für diese Schlussfolgerung der Klägerin vermag die Kammer aus dem Vorbringen der Klägerin nicht zu erkennen, wie im Weiteren in Zusammenhang mit der angeregten Vorlageanordnung gegen die Beklagte zu erörtern sein wird. Auch für eine Anordnung nach den §§ 142 Abs. 1; 144 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO fehlt es aber an der erforderlichen Grundlage.

aa) Wie der Bundesgerichtshof in der Entscheidung „Restschadstoffentfernung“ (Urteil vom 01. August 2006, X ZR 114/03, Mitt. 2006, 523-527) ausgesprochen hat, kann bei Rechtsstreitigkeiten über technische Schutzrechte eine Vorlegung von Urkunden oder sonstigen Unterlagen nach § 142 ZPO angeordnet werden, wenn die Vorlegung zur Aufklärung des Sachverhalts geeignet und erforderlich, weiter verhältnismäßig und angemessen, d.h. dem zur Vorlage Verpflichteten bei Berücksichtigung seiner rechtlich geschützten Interessen nach Abwägung der kollidierenden Interessen zumutbar ist. Dabei kann es als Anlass für eine Vorlageanordnung ausreichen, dass eine Benutzung des Gegenstands des Schutzrechts wahrscheinlich ist.
§ 142 ZPO ist wie die materiell-rechtliche Norm des § 809 BGB ein Mittel, einem Beweisnotstand der klagenden Partei zu begegnen, wie er sich gerade im Bereich der besonders verletzlichen technischen Schutzrechte in besonderem Maße ergeben kann. Dabei ist eine differenzierte Betrachtung und Anwendung generell formulierter Bestimmungen wie des § 809 BGB und des § 142 ZPO in verschiedenen Rechtsgebieten nicht nur angebracht, sondern jedenfalls insoweit auch geboten, als eine differenzierte Regelung nicht spezialgesetzlich erfolgt ist. Da es an einer solchen spezialgesetzlichen Regelung im gewerblichen Rechtsschutz insgesamt und bei den technischen Schutzrechten insbesondere fehlt, kann bei Streitigkeiten über technische Schutzrechte eine Vorlageanordnung nach § 142 ZPO jedenfalls dann ergehen, wenn sie zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und erforderlich, weiter verhältnismäßig und angemessen, d.h. dem zur Vorlage Verpflichteten bei Berücksichtigung seiner rechtlich geschützten Interessen nach Abwägung der kollidierenden Interessen zumutbar ist (BGH, Mitt. 2006, 523, 526, Rn. 42 – Restschadstoffentfernung). Das Zumutbarkeitserfordernis ergibt sich im – hier relevanten – Verhältnis zum Prozessgegner zwar nicht aus § 142 ZPO selbst, der es ausdrücklich nur für Dritte in § 142 Abs. 2 Satz 1 ZPO statuiert, ist jedoch unmittelbar aus verfassungsrechtlichen Vorgaben abzuleiten (BGH, a.a.O. Rn. 42 – Restschadstoffentfernung). Im Rahmen der Abwägung kann nach Sachlage auch auf die Intensität des Eingriffs in das Schutzrecht und in die rechtlich geschützten Interessen des von der Vorlage Betroffenen abzustellen sein.
In der Entscheidung „Restschadstoffentfernung“ rekurriert der für das Patentrecht zuständige X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes ausdrücklich auf die zu § 809 BGB anlässlich einer behaupteten Urheberrechtsverletzung ergangene Entscheidung „Faxkarte“ des I. Zivilsenats (BGH, Urteil vom 02. Mai 2002, I ZR 45/01, GRUR 2002, 1046-1049 = BGHZ 150, 377ff.). Danach ist ein „gewisser Grad an Wahrscheinlichkeit“ für eine Verletzung erforderlich. Dabei läuft das berechtigte Geheimhaltungsinteresse des auf Vorlage in Anspruch Genommenen dem Interesse der die Vorlage begehrenden Partei, ein Mittel zum Beweis der Rechtsverletzung auch in solchen Fällen zu erhalten, in denen ein Beweis der Rechtsverletzung anderweitig nur schwer oder gar nicht erbracht werden könnte, in der Regel zuwider. Zugleich soll vermieden werden, dass der Besichtigungsanspruch aus § 809 BGB zu einer Ausspähung insbesondere auch solcher Informationen missbraucht wird, die der Verpflichtete aus schutzwürdigen Gründen geheim halten möchte (BGH, a.a.O., 1048 – Faxkarte). Berechtigte Geheimhaltungsinteressen des Schuldners eines Anspruchs aus § 809 BGB sind daher im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung zu berücksichtigen, führen jedoch nicht dazu, dass generell gesteigerte Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit der Rechtsverletzung zu stellen wären. Der Grad der Wahrscheinlichkeit einer Schutzrechtsverletzung stellt dabei nur einen im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Punkt dar. Im Rahmen der vorzunehmenden umfassenden Interessenabwägung ist des Weiteren darauf abzustellen, ob für den Gläubiger noch andere zumutbare Möglichkeiten bestehen, die Rechtsverletzung zu beweisen. Im Hinblick auf berechtigte Geheimhaltungsinteressen des nach § 809 BGB in Anspruch Genommenen ist schließlich zu berücksichtigen, ob deren Beeinträchtigung nicht durch die Einschaltung eines zur Verschwiegenheit verpflichteten Dritten weitgehend ausgeräumt werden kann (BGH, a.a.O., 1049 – Faxkarte). Die Kammer versteht den ausdrücklichen Verweis des X. Zivilsenats in der Entscheidung „Restschadstoffentfernung“ (BGH, a.a.O., 526, Rn. 43) auf die Entscheidung „Faxkarte“ des I. Zivilsenats, dessen Rechtsprechung zu § 809 BGB bei Anwendung der Bestimmung des § 142 ZPO entsprechend heranzuziehen sei, dahin, dass es auch für eine Vorlageanordnung nach § 142 Abs. 1 ZPO einer umfassenden Abwägung der kollidierenden Interessen bedarf, in die unter anderem die Wahrscheinlichkeit der behaupteten Schutzrechtsverletzung einzustellen ist. So verbindet der X. Zivilsenat mit seinem Verweis auf die „Faxkarte“-Rechtsprechung des I. Zivilsenats zu § 809 BGB den ausdrücklichen Hinweis an das Berufungsgericht, die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des geltend gemachten Patents bei seiner erneuten Befassung zu beurteilen (BGH, a.a.O., 526, Rn. 43 a.E.). Dies unterstreicht, dass mit „Wahrscheinlichkeit“ mehr als nur die bloße Möglichkeit einer Schutzrechtsverletzung gemeint sein muss.

bb) Legt man diese Grundsätze dem vorliegenden Fall zugrunde, fehlt es an einer ausreichenden Wahrscheinlichkeit für eine Benutzung der technischen Lehre des Patentanspruchs 1 durch das Herstellungsverfahren der Beklagten, die auch nach umfassender Interessenabwägung eine Vorlageanordnung zu Lasten der Beklagten rechtfertigen würde.

(1) Ausgehend vom Klagepatent liegt es nicht nahe, dass allein mit der klagepatentgemäße Mischreihenfolge optisch einwandfreie Linsen in industriellem Maßstab hergestellt werden können. Die Beschreibung des Klagepatents stellt nur eine einzige von Anspruch 1 abweichende Mischreihenfolge in dem „Vergleichsbeispiel 5“ dar (vgl. Anlage K3a, Seite 13, zweiter Absatz). Die übrigen in der Beschreibung erörterten Vergleichsbeispiele befassen sich mit anderen Komponenten, während die patentgemäße Mischreihenfolge allein in Vergleichsbeispiel 5 variiert wird. Dabei bezeichnet (wie zwischen den Parteien nicht umstritten ist) „DMTDCl“ den Katalysator Dimethylzinndichlorid (die Alkylzinnhalogenid-Verbindung), „XDI“ die Polyisocyanat-Verbindung Xylylendiisocyanat sowie „PETMA“ und „DMMD“ die beiden Polythiol-Verbindungen Pentaerythritoltetrakis(mercaptoacetat) und Dimercaptomethyldithian. In Beispiel 5 des Klagepatents wurde der Katalysator DMTDCl erst zugegeben, als die übrigen Komponenten XDI, PETMA und DMMD „gleichförmig“ miteinander vermischt waren (Anlage K3a, Seite 13, zweiter Absatz). Diese Mischreihenfolge entspricht damit nicht der von der Beklagten für die Herstellung der angegriffenen Ausführungsform behaupteten Reihenfolge.
Bei einer Anzahl von vier Komponenten ergeben sich schon theoretisch vielfältige Variationen, in welcher Reihenfolge die feststehenden Komponenten zusammengefügt werden können. Dabei mag das Klagepatent mit seiner Beschreibung, die Alkylzinnhalogenid-Verbindung weise eine schlechte Löslichkeit in einer Polythiol-Verbindung, hingegen eine gute Löslichkeit in einer Polyisocyanat-Verbindung auf (Anlage K3a, Seite 4, erster Absatz), die erfindungsgemäße Mischreihenfolge nahe legen; in der Praxis zwingend ist sie deswegen noch nicht. Erst recht kann aus Vergleichsbeispiel 5 nicht abgeleitet werden, dass (auch) eine andere Reihenfolge technisch nicht möglich oder zu einer Herstellung in industriellem Maßstab ungeeignet wäre.

(2) Dass es sich bei denkbaren alternativen Reihenfolgen auch um wirtschaftlich praktikable Verfahren handelt, belegt die technische Information der Herstellerin der von der Beklagten verwendeten Komponenten, der B- Chemicals, Inc., vom Juli 2000, welche die Beklagte im Original und in Übersetzung als Anlage NSL 6/6a vorgelegt hat. Sie sieht eine weitere, von der beklagtenseits behaupteten abweichende Mischreihenfolge vor (vgl. Anlage NSL 6a, Seite 11, 12 und 14). Danach soll zunächst das Polyisocyanat (MR-8A) mit dem ersten Polythiol PETMP (MR-8B1) (vgl. Anlage NSL 6a, Seite 11, Zeilen 25-30), sodann dieses Gemisch mit dem zweiten Polythiol GST (MR-8B2) und dem Katalysator gemischt werden (vgl. Anlage NSL 6a, Seite 11, Zeilen 32-34). Die Tatsache, dass die Herstellerin diese Mischreihenfolge empfiehlt, deutet bereits darauf hin, dass es sich auch bei ihr um ein für die Massenproduktion geeignetes Verfahren handelt. Zugleich spricht die technische Information der Lieferantin dafür, dass es technisch möglich ist, den patentgemäßen Katalysator (d.h. Dibutylzinndichlorid) dem Polythiol GST (MR-8B2) zuzugeben und in einem Temperaturbereich von 10-20°C in einem Zeitraum von 15-30 Minuten zu lösen (vgl. Anlage NSL 6a, Seite 11, Zeilen 32-34).

(3) Im Hinblick auf die konkret von der Beklagten behauptete Mischreihenfolge, die – wie sie behauptet – bei einer Temperatur von 15°C +/- 1°C eine angesichts der gesamten Produktionsdauer akzeptable Lösungszeit des Katalysators in den Polythiol-Verbindungen PETMP und GST von maximal 30 Minuten ergebe, hat die Klägerin nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass und warum dies in einem industriellen Herstellungsprozess nicht zu optisch einwandfreien Linsen führen soll. Insbesondere kann sich die Klägerin nicht auf die von ihr durchgeführten Tests nach Anlagen K12/12a und K13/13a berufen.
Die Klägerin begründet die Bedeutung der Mischreihenfolge, die in der Beschreibung des Klagepatents nicht explizit erläutert wird, damit, dass der Katalysator seine Wirkung nur dort entfalten könne, wo er vorliegt, was wegen seiner unterschiedlichen Lösbarkeit in der Polyisocyanat-Verbindung und den Polythiol-Verbindungen potentiell zu einer ungleichmäßigen (inhomogenen) Vernetzung der Polythiol-Verbindungen mit dem Polyisocyanat führe. Experimente der Klägerin im Einspruchsverfahren mit exakt den von der Beklagten zur Herstellung der angegriffenen Ausführungsformen verwendeten Bestandteilen hätten dies bestätigt. (In den den Anlagen K12/12a zugrunde liegenden Tests wird als „Monomer A“ (d.h. als Polyisocyanat) zwar Bisisocyanatmethylnorbornan oder „NBDI“ und nicht Bis(isocyanatomethyl)-bicycloheptan verwendet; die Beklagte hat aber nicht in Abrede gestellt, dass es sich dabei um dieselben Stoffe handelt, worauf auch Anlage K13 hindeutet. Dort wird auf Seite 1 „NBDI“ unter Ziffer (iii) mit „MR-8A“ und „bis(isocyanatomethyl)bicyclo[2.2.1]heptane“ gleichgesetzt.)
Im Hinblick auf die Tests nach Anlagen K12/12a meint die Klägerin, sie zeigten eine kurze Auflösungszeit des Katalysators in einer Polyisocyanat-Verbindung (entsprechend der patentgemäßen Reihenfolge), während der Katalysator bei einer Temperatur von 10°C bei Zugabe zu einer Polythiol-Verbindung (entsprechend der von der Beklagten behaupteten Reihenfolge) nicht vollständig habe aufgelöst werden können; hier bestehe die Gefahr von Feststoffresten. Eine Erhöhung der Temperatur des Reaktionsgemischs zur Verbesserung der Löslichkeit lasse die Viskosität in unerwünschter Weise ansteigen, wie die Tabellen in Anlage K12 (Seite 8) für Temperaturen von 25°C und 35°C zeigten. Die Reaktion laufe schneller ab und werde unkontrollierbar, das Reaktionsgemisch müsse im Anschluss wieder abkühlen. Dies alles mache den Herstellungsprozess in industriellem Maßstab unwirtschaftlich.
Gegen die Validität der Testergebnisse nach Anlagen K12/12a hat die Beklagte erhebliche Einwendungen vorgebracht. So hänge das Maß der besseren Löslichkeit des Katalysators in Polyisocyanat-Verbindungen gegenüber der in Polythiol-Verbindungen von zahlreichen Faktoren wie der Konzentration des Katalysators, der Mischtemperatur, Mischzeit, Mischvorrichtung und Mischweise ab. Diese Parameter sind der Anlage K12/12a jedoch nicht zu entnehmen, so dass auch nicht ersichtlich ist (und zwar weder für die Beklagte noch für die Kammer), unter welchen Umständen die Ergebnisse der Anlagen K12/12a seinerzeit ermittelt wurden. Insbesondere bemängelt die Beklagte, dass das Lösungsverhalten nur für eine Temperatur von 10°C untersucht wurde, während sich bei höheren Temperaturen, wie sie die Beklagte für ihr Herstellungsverfahren mit 15°C (+/- 1°C) behauptet, ein ganz anderes Lösungsverhalten ergeben könne. Wie sich aus dem Schriftsatz vom 05. Februar 2007, mit dem auf die gerichtliche Anregung vom 31. Januar 2007 (vgl. Bl. 112 GA) hin die Anlage NSL 9 vorgelegt wurde, ergibt, bezieht sich die bereits zuvor von der Beklagten erwähnte Temperatur von 15°C konkret auf das ihrerseits behauptete Herstellungsverfahren. Mit ihr lasse sich, wie die Beklagte behauptet, auch mit der von ihr vorgetragenen Reihenfolge eine Lösungszeit des Katalysators in den Polythiol-Verbindungen PETMP und GST von 30 Minuten erzielen. Dass sich aus dem Temperaturunterschied zwischen 10°C und 15°C, wie es die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vertreten hat, nur ein geringfügiger Unterschied im Lösungsverhalten ergebe, vermag die Kammer nicht zu erkennen. In Verbindung mit den übrigen unklaren Parametern der Tests nach Anlagen K12/12a bestehen damit erhebliche Bedenken dagegen, wenn sich die Klägerin auf diese Untersuchungen stützt, um eine ausreichende Wahrscheinlichkeit für eine Schutzrechtsverletzung durch das Produktionsverfahren der Beklagten zu begründen.
Angesichts der beklagtenseits vorgetragenen abweichenden Mischtemperatur von 15°C, die – so die Beklagte – eine Lösung des Katalysators Dibutylzinndichlorid in den Polythiol-Verbindungen PETMP (MR-8B1) und GST (MR-8B2) in einem Zeitraum von 30 Minuten gestatte, bestehen Bedenken, ob die Klägerin alles ihr Zumutbare unternommen hat, um die behauptete Rechtsverletzung auch ohne die Vorlage der begehrten Betriebsanweisungen der Beklagten zu beweisen. In die umfassende Abwägung der widerstreitenden Interessen ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 809 BGB (BGH, GRUR 2002, 1046, 1049 – Faxkarte), die für eine Vorlageanordnung nach § 142 ZPO entsprechend heranzuziehen ist (BGH, Mitt. 2006, 523, 526, Rn. 43 – Restschadstoffentfernung), unter anderem einzustellen, ob für die die Vorlage begehrende Partei noch andere Möglichkeiten bestehen, die behauptete Rechtsverletzung zu beweisen. So hätte der Klägerin nach diesem substantiierten Vortrag der Beklagten die Möglichkeit offen gestanden, weitere Untersuchungen unter Zugrundelegung einer Mischtemperatur von 15°C durchzuführen, um ihre dem Verletzungsvorwurf zugrunde gelegte Grundannahme zu stützen, einzig und allein die klagepatentgemäße Mischreihenfolge gewährleiste eine industrielle Produktion optisch einwandfreier Linsen aus den patentgemäßen Komponenten. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Sachvortrag der Beklagten auch nicht unsubstantiiert, weil die ihm entgegengehaltenen Untersuchungen nach den Anlagen K12/12a und – wie nachfolgend noch zu erörtern sein wird – nach den Anlagen K13/13a auf einer abweichenden Temperatur beruhen.
Dieselben Bedenken wie angesichts der Versuche nach Anlagen K12/12a bestehen gegen die Aussagekraft des Tests, über den sich der als Anlage K13 (Übersetzung: Anlage K13a) vorgelegte Versuchsbericht verhält. Der in Anlagen K13/13a wiedergegebene Test soll nach Auffassung der Klägerin belegen, dass nur die patentgemäße, nicht jedoch die von der Beklagten behauptete Mischreihenfolge zu akzeptablen Linsen führe. In Test 1 wurde der Katalysator zunächst den Polythiol-Verbindungen zugesetzt (entsprechend dem von der Beklagten behaupteten Verfahren) und dieses Gemisch anschließend mit der Polyisocyanat-Verbindung versetzt. Der Versuchsbericht stellt insoweit fest, dass Schlieren gefunden worden seien, welche die Qualität eines Handelsprodukts beeinträchtigen könnten (vgl. Anlage K13a, Seite 3, Zeilen 15-17). Test 2, der die klagepatentgemäße Mischreihenfolge untersucht, habe hingegen zu Linsen ohne Schlieren geführt (vgl. Anlage K13a, Seite 6, Zeilen 9-11). Daraus leitet die Klägerin ab, dass allein das klagepatentgemäße Verfahren, nicht jedoch das von der Beklagten behauptete in der Großserienproduktion zu qualitativ akzeptablen Polyurethanlinsen führe.
Auch der Versuchsbericht nach Anlagen K13/13a lässt jedoch nicht vollständig erkennen, unter welchen Umständen die Tests durchgeführt wurden. Kenntlich gemacht wird zu den Versuchsbedingungen lediglich eine Verarbeitungstemperatur von 10°C (vgl. Anlage K13a, Seite 1, Zeile 22 und Seite 2, Zeile 9). Nachdem die Beklagte für das von ihr angewandte Verfahren aber eine Mischtemperatur von 15°C behauptet, ist der in Anlagen K13/13a dokumentierte Test nicht aussagekräftig für die Lösbarkeit des Katalysators Dibutylzinndichlorid in den Polythiol-Verbindungen PETMP und GST bei einer Verarbeitungstemperatur von 15°C und die Qualität der daraus schließlich gewonnen Polyurethanlinsen. Im Hinblick auf die Behauptung einer Lösungszeit von 30 Minuten bei 15°C ist mit der Beklagten an Test 1 nach Anlagen K13/13a schließlich zu bemängeln, dass sich der Katalysator in der Mischung der Polythiol-Verbindungen MR-8B1 und MR-8B2 nur 15 Minuten lang lösen konnte, weil nur so lange gerührt (vgl. Anlage K13a, Seite 1, Zeile 26) und die Mischlösung im Anschluss über einen Teflonfilter mit einem Porendurchmesser von einem Mikrometer filtriert wurde (vgl. Anlage K13a, Seite 2, Zeilen 1f.). Dieses Vorgehen legt – wie von der Beklagten zu Recht gerügt – ungeachtet der niedrigeren Temperatur die Vermutung nahe, dass ein Teil des Katalysators vor seiner Lösung wieder ausgefiltert wurde und daher zur anschließenden Reaktion mit der Polyisocyanat-Verbindung nichts mehr beitragen konnte. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach dem Test gemäß Anlagen K12/12a eine vollständige Lösung des Katalysators in den Polythiol-Verbindungen sogar nach 150 Minuten nicht stattgefunden habe (vgl. Tabelle 1). Auch die Tests nach Anlagen K13/13a lassen sich damit nicht als Anhalt dafür anführen, dass das von der Beklagten behauptete Verfahren nicht zu optisch einwandfreien Linsen führen könne.

(4) Schließlich kann sich die Klägerin auch auf die Herstelleranweisung nach Anlagen K15/15a nicht mit Erfolg berufen. Zwar ist unstreitig, dass die Beklagte ihre Rohstoffe für die Herstellung der angegriffenen Ausführungsformen von dem Lieferanten B- bezieht. Des Weiteren enthält die Anleitung der B–C-Chemie AG vom 05. Dezember 1994 für die Linse PU-1023 und vom 23. Februar 1995 für die Linse PU-1423 (Anlage K15, Übersetzung Anlage K15a) eine klagepatentgemäße Mischreihenfolge, wie die Beklagte in der Sache nicht bestreitet. Die Behauptung der Klägerin, die Beklagte habe nach der Herstelleranweisung gemäß Anlagen K15/15a produziert, ist jedoch durch nichts belegt. Die Beklagte bestreitet schon, diese Herstelleranweisung von 1994/1995 überhaupt gekannt zu haben. Selbst wenn man aber zugunsten der Klägerin unterstellt, dass die Beklagte die Anweisung gekannt hat, wäre der Schluss auf ihre Befolgung nicht zwingend: So hat die Beklagte selbst die neuere technische Information der B- Chemicals, Inc. vom Juli 2000 als Anlagen NSL 6/6a vorgelegt. Diese schlägt eine nicht patentgemäße Mischreihenfolge, die allerdings auch von der seitens der Beklagten behaupteten Reihenfolge abweicht, vor. Wenn die Klägerin annehmen wollte, die Beklagte befolge generell die Anweisungen ihrer Lieferantin, müsste sie erläutern können, warum dies einmal (Herstelleranweisungen von 1994/1995) der Fall sein soll, im anderen Fall (für die neuere technische Information vom Juli 2000) hingegen nicht.
In diesem Zusammenhang kann sich die Klägerin auch nicht darauf berufen, die Beklagte müsse für ein qualifiziertes Bestreiten der Patentbenutzung seit dem 16. Februar 2002 (einen Monat nach Veröffentlichung der Patenterteilung) vortragen, wann sie das ihrerseits behauptete Alternativverfahren entwickelt habe. Die Klägerin meint, die Beklagte müsse substantiiert behaupten, das klagepatentgemäße Verfahren seit dem 16. Februar 2002 niemals angewandt zu haben. Mit dieser Auffassung verkehrt die Klägerin die Darlegungslast. Eine sekundäre Darlegungslast für die Entwicklung des zum Klagepatent alternativen Herstellungsverfahrens träfe die Beklagte nur dann, wenn die Klägerin Benutzungshandlungen bereits für frühere Zeiträume (insbesondere für den Zeitraum vor dem Scheitern des Einspruchs gegen das zum Klagepatent hinsichtlich der Mischreihenfolge parallele EP 0 645 xxx) substantiiert behauptet hätte. Von der Klägerin vorgetragen sind hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsformen „X“ und „Y“ aber ausschließlich Benutzungshandlungen (die Lieferung nach Anlage K6 im Mai 2005; die Internet-Werbung gemäß Anlage K5 vom Dezember 2005), die zeitlich nach der Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer vom 30. September 2004 über den Rechtsbestand des parallelen Patents EP 0 645 xxx liegen. Mangels einer substantiierten Behauptung der Klägerin, die Beklagte habe die angegriffenen Ausführungsformen auch schon vor rechtskräftiger Entscheidung über den Einspruch angeboten und vertrieben, kann auch von der Beklagten für ein qualifiziertes Bestreiten der Benutzung nicht die Angabe verlangt werden, seit wann sie das von ihr behauptete Alternativverfahren anwendet.

(5) Im Rahmen der Interessenabwägung kann sich die Klägerin schließlich nicht darauf berufen, in der vorprozessualen Korrespondenz der Parteien habe die Beklagte (bzw. die ihr verbundene A GmbH & Co. KG) eine Verwirklichung der technischen Lehre des Klagepatents nie in Abrede gestellt.
Die Klägerin sieht Indizien für eine zumindest frühere Patentbenutzung durch die Beklagte darin, dass diese eine Benutzung des Klagepatents nie bestritten habe, auch nicht in den Schreiben vom 17. Mai 2002 (Anlage K9) und vom 19. September 2002 (Anlage K8). Vielmehr sei der Klägerin in diesen Schreiben zugesichert worden (vgl. Anlage K8, Seite 1, letzter Absatz), das EP 0 645 xxx von Beklagtenseite im Umfang des parallelen US-Patents 5,744,xxx zu respektieren, wobei in dem parallelen US-Patent ein Mindestmaß unterschiedlicher Reaktionsgeschwindigkeiten im Sinne des Merkmals 2.1 von Anspruch 1 des Klagepatents vorausgesetzt werde. Bereits mit Schreiben vom 17. Mai 2002 (Anlage K9) sei der Klägerin eine Rücknahme des Einspruchs gegen das EP 0 645 xxx in Aussicht gestellt worden, wenn die Klägerin der Beklagten die Nichtverletzung für den Fall versichern würde, dass zwei oder mehr Polythiol-Komponenten verwendet werden, deren Unterschiede in der Viskositätsveränderung weniger als 100 cps betragen aufgrund der Reaktion mit einer identischen Polyisocyanat-Verbindung („… provided that two or more polythiol compounds are used for the manufacture of the lenses whose viscosity changes differ by less than 100 cps due to the reaction with one identical polyisocyanate compound (20°C/2h)“; Anlage K9, seitenübergreifender Absatz).
Dabei lässt die Klägerin jedoch außer Acht, dass die Beklagte zu einem Bestreiten einer aktuellen Patentbenutzung nur dann Veranlassung hätte sehen müssen, wenn die Klägerin eine solche Patentbenutzung zuvor substantiiert behauptet hätte. Dass dies vor der vor Klageerhebung ausgesprochenen Abmahnung vom 02. Januar 2006 (Anlage K11) der Fall gewesen wäre, hat die Klägerin nicht dargelegt. Ohne die Behauptung einer Verletzung ist aber auch die Annahme nicht gerechtfertigt, die Beklagte habe eine Patentverletzung „nie bestritten“. In den Schreiben gemäß Anlagen K8 und K9 wird die Frage einer Patentverletzung seitens der Beklagten nicht diskutiert.
Dass seitens eines Wettbewerbers des Patentinhabers Einspruch gegen ein Patent eingelegt und sowohl Einspruchs- als auch Beschwerdeverfahren durchgeführt werden, lässt noch nicht den Schluss zu, dass eine aktuelle Benutzung der geschützten Erfindung stattfindet. Der Angriff gegen ein Patent kann vielmehr auch allein dadurch motiviert sein, dass der Einsprechende eine zukünftige Benutzung der patentierten Technologie beabsichtigt, das Schutzrecht während dessen Fortbestands jedoch respektiert. Das Angebot der A GmbH & Co. KG vom 17. Mai 2002 (Anlage K9), bekräftigt mit Schreiben vom 19. September 2002 (Anlage K8), den Einspruch zurückzunehmen gegen die unwiderrufliche Zusicherung der Patentinhaberin, das EP 0 645 xxx nur im Rahmen des Schutzes durch das parallele US-Patent beachten zu müssen, bedeutet daher nicht, die Beklagte (oder ein ihr verbundenes Unternehmen) habe zugleich zugestanden, das EP 0 645 xxx sowie das Klagepatent bereits zum damaligen Zeitpunkt nicht respektiert zu haben. Solange die Beklagte darüber im Unklaren war, ob Anspruch 1 des EP 0 645 xxx sowie Anspruch 1 des Klagepatents einen Mindestunterschied in den Reaktionsgeschwindigkeiten der beiden Polythiol-Verbindungen voraussetzen, kann sie zur Vermeidung einer Patentbenutzung schon zum damaligen Zeitpunkt unter Inkaufnahme von Zeitverlusten in der Produktion eine andere als die patentgemäße Mischreihenfolge praktiziert haben. In diesem Fall wäre der Angriff gegen das EP 0 645 xxx allein von dem Bestreben getragen, die Produktion in der Zukunft von einer aktuell abweichenden Mischreihenfolge auf die patentgemäße Mischreihenfolge umzustellen, um die mit der alternativen Mischreihenfolge verbundenen Nachteile zukünftig vermeiden zu können. Der Einspruch gegen das EP 0 645 xxx belegt in diesem Fall nur das Interesse der Einsprechenden an einer zukünftigen Nutzung der patentgemäßen Mischreihenfolge. Darauf deutet schon das Schreiben vom 17. Mai 2002 (Anlage K9) hin. In ihm wird auf Seite 1 im vorletzten Absatz ausdrücklich das Ziel der Beschwerde gegen die Einspruchsentscheidung benannt, möglicherweise in der Lage zu sein, die von Anspruch 1 geschützte Mischreihenfolge der anspruchsgemäßen Komponenten zukünftig zu benutzen, vorausgesetzt, dass bestimmte Polythiol-Verbindungen (nämlich solche mit einem unter der angenommenen Grenze von 100 cps liegenden Unterschied in den Viskositätsveränderungen) verwendet werden.
Aus den vorprozessualen Äußerungen der Einsprechenden A GmbH & Co. KG kann daher (selbst dann, wenn man sie der Beklagten zurechnen wollte) kein Indiz dafür abgeleitet werden, die technische Lehre des EP 0 645 xxx (und damit angesichts der identischen Mischreihenfolge auch des Klagepatents) sei von der Beklagten bereits zum damaligen Zeitpunkt eingestandenermaßen benutzt, eine Benutzung jedenfalls nicht bestritten worden. Damit sind auch diese vorprozessualen Äußerungen nicht geeignet, die Interessen der Klägerin an einer Vorlage der Betriebsanweisungen für die Herstellung der angegriffenen Ausführungsformen höher zu bewerten als die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der Beklagten, ihr Produktionsverfahren gegenüber der Klägerin als Konkurrentin nicht offenbaren zu müssen.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 (1. Halbsatz) ZPO.
Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 709 Satz 1 und 2; 108 ZPO.
Dem Schutzantrag der Klägerin nach § 712 Abs. 1 Satz 1 ZPO war nicht zu entsprechen. Die Klägerin hat die tatsächlichen Umstände, aufgrund derer ihr die Vollstreckung wegen der Kosten einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen sollte, weder vorgetragen noch, wie von § 714 Abs. 2 ZPO verlangt, glaubhaft gemacht.

Der Streitwert wird auf 500.000,- € festgesetzt.