2 U 53/11 – Cistus incanus II

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1985

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 31. Januar 2013, Az. 2 U 53/11

Vorinstanz: 4b O 81/11

I.
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 24.05.2011 verkündete Urteil der 4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert: Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

II.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

III.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zwangsweise beizutreibenden Betrages abzuwenden, falls nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.

V.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 335.000 EUR festgesetzt.

G r ü n d e :

I.

Der Kläger ist eingetragener Inhaber des in englischer Verfahrenssprache abgefassten Europäischen Patents EP 1 924 XXX B1 („Klagepatent“, Anlage K 18, deutsche Übersetzung in Anlage K 19), zu dessen benannten Vertragsstaaten unter anderem die Bundesrepublik Deutschland gehört. Das Klagepatent wurde am 13.09.2006 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 13.09.2005 angemeldet. Die Veröffentlichung der Anmeldung erfolgte am 28.05.2008. Im Patent- und Gebrauchsmusterregister ist als Tag der Veröffentlichung des Hinweises auf die Patenterteilung der 23.02.2011 angegeben (Anlage K 20). Das Klagepatent steht in Kraft.

Der vorliegend allein maßgebliche Anspruch 1 des Klagepatents lautet in deutscher Übersetzung:

„Verwendung eines Extrakts aus Pflanzen der Gattung Cistus zur Herstellung eines Medikaments zur Prophylaxe und / oder Behandlung von Influenza, wobei der Extrakt aus Cistus incanus gewonnen wird.“

Die B GmbH & Co. KG erhielt vom Kläger unter anderem am Klagepatent eine Lizenz erteilt. Mit Vereinbarung vom 14.03.2011 (Anlage K 17) trat die B GmbH & Co. KG die aus Ziffer 3. der Vereinbarung ersichtlichen Ansprüche an den Kläger ab.

Der Kläger ist ebenfalls eingetragener Inhaber des Gebrauchsmusters DE 20 2005 020 XXY U1, dessen Schutzanspruch 1 mit demjenigen des Klagepatents nahezu identisch ist (siehe Bl. 6 d.A.). Mit Schriftsatz vom 29.10.2009 mahnte er die Beklagte wegen vermeintlicher Verletzung dieses Gebrauchsmusters infolge der streitgegenständlichen Handlungen ab. Das parallele Gebrauchsmuster wurde durch nicht rechtskräftigen Beschluss des DPMA vom 14.09.2011 gelöscht (Anlage KB 1).

Die Beklagte ist ein „Direktvertriebsunternehmen im Network-Marketing“ mit 300.000 selbständigen Vertriebspartnern, das unter anderem in Deutschland Nahrungsergänzungsmittel, Gesundheits- und Schönheitsprodukte selbst herstellt (vgl. den Auszug aus dem Internetauftritt der Beklagten unter www.C.com gemäß Anlage K 12). Zur Produktpalette der Beklagten gehören unter anderem folgende Produkte (vgl. den Auszug aus dem Internetauftritt gemäß Anlage K 13):

■ Cistus Incanus Kapseln mit 73% Cistus-Incanus-Extrakt („angegriffene Ausführungsform 1“);

■ Cistus Incanus Spray mit 86 % Cistus-Incanus-Extrakt („angegriffene Ausführungsform 2“);

■ Cistus Incanus Tee mit 95 % Zistrosenblätter (Cistus Incanus) („angegriffene Ausführungsform 3“).

Der Kläger hat vor dem Landgericht die Ansicht vertreten, die angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2 verletzten das Klagepatent wortsinngemäß und unmittelbar; diese würden im Internet als Mittel zur Prophylaxe bzw. Behandlung von Influenza beworben. „Medikament“ im Sinne des Klagepatents sei ein „Mittel“, ohne dass es darauf ankomme, ob dieses über eine arzneimittelrechtliche Zulassung verfüge und ohne Rücksicht auf die Produktart. Mittels vom Kläger im Einzelnen näher benannter Äußerungen (vgl. Anlagen K 6 bis K 9 sowie Anlage K 14) seien die angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2 sinnfällig zur Prophylaxe und / oder zur Behandlung von Influenza sinnfällig hergerichtet worden. In den entsprechenden Internetauftritten werde Cistus incanus in Form der angegriffenen Ausführungsformen als Mittel gegen Grippe angepriesen. Dies ergebe sich auch aus der Anlage K 15, in der die Beklagte ihr Vertriebskonzept beschreibe. Die betreffenden Äußerungen seien der Beklagten zuzurechnen. Insoweit hat der Kläger behauptet, bei den Internetauftritten gemäß Anlagen K 6, K 8, K 9 und K 14 handele es sich um Internetseiten von Vertriebspartnern der Beklagten; die aus Anlage K 7 ersichtliche Email stamme von Vertriebspartnern der Beklagten. Die Beklagte versorge ihre Vertriebspartner mit Hintergrundinformationen zu Neuprodukten und Verkaufstipps; dazu erhielten die Vertriebspartner zumindest quartalsweise ein Magazin. Auch biete die Beklagte ein Schulungsprogramm an, in welchem den Vertreibern vermittelt werde, „LR-Verkaufsmethoden umsatzorientiert anzuwenden“. Hierzu hat der Kläger auf den Internetausdruck gemäß Anlage K 2 verwiesen.

Der Kläger hat ferner die Ansicht vertreten, das Herstellen der angegriffenen Ausführungsform 3 stelle eine mittelbare Verletzung des Klagepatents dar, da der Tee aus Cistrosen-Blättern hergestellt werde; durch das Aufbrühen werde dann ein wässriger Extrakt, das Tee-Getränk, hergestellt. Das Tee-Getränk, das einen wässrigen Extrakt von Cistus incanus enthalte, sei gleichzeitig ein Medikament im Sinne des Klagepatents zur Prophylaxe und / oder Behandlung von Influenza, was sich aus den Werbeaussagen gemäß den Anlagen K 8 und K 14 ergebe.

Die Beklagte hat ihr auf Klageabweisung gerichtetes Begehren erstinstanzlich wie folgt begründet: Der Kläger sei im Hinblick auf die der B GmbH & Co. KG erteilte Lizenz in Bezug auf die gemachten Unterlassungs- und Auskunftsansprüche nicht aktivlegitimiert. Die Aussagen in den Internetauftritten gemäß der Ausdrucke der Anlagen K 6 bis 9 und K 14 seien ihr nicht zuzurechnen. Sie hat behauptet, ihre Berater seien nicht ihre Händler und für den Aufbau und den Inhalt ihrer Webseiten selbst verantwortlich. Sie – die Beklagte – sei mit der entsprechenden Bewerbung nicht einverstanden gewesen, habe jedoch auf das Verhalten der Berater, die selbständige Unternehmer seien, keinen Einfluss gehabt. Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 02.05.2011 hat die Beklagte vorgetragen, die Berater könnten die Einsatzgebiete von Cistus incanus dem Produktaufkleber bzw. der Umverpackung gemäß Anlage B 8 entnehmen. Darüber hinaus erhielten die Berater Produktflyer (Anlage B 9) und könnten sich an den Beschreibungen und Werbeangaben im Prospekt der Beklagten (Anlage B 10) orientieren. Anlässlich der Einführung neuer Produkte würde an die Führungskräfte zur Weiterleitung an die untergeordnete Struktur Informationsmaterial per eMail versandt, wie zum Beispiel am 19.04.2006 hinsichtlich der Einführung von Cistus incanus geschehen (Anlage B 11). Ferner könnten die Berater sich bei der Beklagten persönlich informieren; seit 2006 gebe es bei der Beklagten die aus Anlage B 12 ersichtliche hausinterne Sprachregelung. Desweiteren habe sie – die Beklagte – die aus Anlage B 13 ersichtlichen Internetrichtlinien entwickelt, die dem Partner bei Unterzeichnung des Partnervertrages zur Verfügung gestellt würden und die häufigsten Fehlerquellen und Risiken aufzeigten. Darüber hinaus nehme die Beklagte ihr bekannt gewordene Fehler der Berater zum Anlass, diese persönlich und gezielt darauf anzusprechen und um Abhilfe zu bitten.

Die Beklagte hat ferner die Ansicht vertreten, es fehle an einer Patentverletzung, weil die Anlagen K 5 bis K 9 sich nicht auf die Verwendung eines Extraktes aus Cistus incanus bezögen; bei den angegriffenen Ausführungsformen werde Cistus als Feinschnitt verarbeitet; darüber hinaus werde Cistus incanus nicht zur Herstellung eines Medikamentes, sondern zur Herstellung eines Nahrungsergänzungsmittels verwendet, wie sich aus Anlage K 6 ergebe.

Mit Schriftsatz vom 01.07.2010 hat der Kläger die Beklagte vor dem Landgericht zunächst lediglich wegen vermeintlicher Verletzung des Gebrauchsmusters durch die angegriffenen Ausführungsformen 1, 2 und 3 in Anspruch genommen. Mit Schriftsatz vom 16.03.2011 hat der Kläger die ursprünglich allein auf das Gebrauchsmuster gestützte Klage erweitert, indem er nunmehr auch Ansprüche auf Unterlassung, Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz und Auskunft sowie Rechnungslegung auf das Klagepatent gestützt hat. Das Landgericht hat den das Klagepatent betreffenden Rechtsstreit mit Beschluss vom 24.05.2011 abgetrennt und zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gemacht.

Mit nachgelassenem Schriftsatz hat die Beklagte zusätzlich beantragt, den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Einspruch gegen die Erteilung des Klagepatents, den sie noch einlegen werde, auszusetzen.

Das Landgericht hat in seinem angegriffenen Urteil vom 24.05.2011 der Klage hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2 entsprochen, während es hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform 3 die Klage abgewiesen hat, und dabei im Einzelnen wie folgt erkannt:

I. Die Beklagte wird verurteilt,

1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu vollstrecken an den Geschäftsführern der Beklagten, zu unterlassen,

ein Extrakt aus Pflanzen der Gattung Cistus zur Herstellung eines Medikaments zur Prophylaxe und/oder Behandlung von Influenza, wobei der Extrakt aus Pflanzen der Gattung Cistus incanus gewonnen wird, sinnfällig herzurichten, anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.

2. dem Kläger Auskunft über Umfang und Dauer der Handlungen gemäß Ziffer I.1. zu erteilen und Rechnung zu legen unter Angabe folgender Informationen:

a) Name und Anschrift der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Erzeugnisse gemäß Ziffer I.1. sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren,

b) die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie über die Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse gemäß Ziffer I.1. bezahlt wurden, unter Angabe der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen und Typenbezeichnungen, Lieferzeiten und Preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach den Angebotsmengen und Typenbezeichnungen, Angebotszeiten und Preisen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) des erzielten Umsatzes sowie der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei

– die Angaben ab 23.03.2011 zu machen sind.

– der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger und der nicht gewerblichen Abnehmer statt dem Kläger einem von diesem zu bezeichnenden, ihm gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, dem Kläger auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger allen Schaden zu ersetzen hat, der ihm und der B GmbH & Co. KG, D, durch die vorstehend zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen ab dem 23.03.2011 entsteht.

III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.

Die Begründung des Landgerichts lautet – soweit es die Beklagte hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2 (Kapseln und Spray) verurteilt hat – im Wesentlichen: Der Einwand der Beklagten, dass zur Herstellung der angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2 Cistus lediglich als Feinschnitt und nicht als Extrakt verwendet werde, sei angesichts der in Anlage K 5 angegebenen Inhaltsstoffe nicht haltbar und widerspreche auch den Angaben zur Extraktherstellung in Ziffer 3. der Anlage B 11. Die Beklagte habe auch nicht konkret dargetan, wie sie denn ohne Extrakt herstelle. In der Weiterverarbeitung des gewonnenen Extraktes zu den galenischen Applikationsformen Tablette bzw. Spray sei die „Herstellung eines Medikaments“ im Sinne des Anspruchs 1 des Klagepatents zu sehen; auch Nahrungsergänzungsmittel könnten klagepatentgemäße Medikamente sein. Die angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2 würden auch zur Prophylaxe und / oder Behandlung von Influenza verwendet, wie sich aus den Äußerungen gemäß Anlagen K 6 bis K 9, K 14 ergebe, da dort ausdrücklich vom Einsatz von Cistus incanus gegen Grippe bzw. Viren gesprochen werde und so eine entsprechende Zweckbestimmung getroffen werde. Die Passivlegitimation der Beklagten folge daraus, dass sie die Anpreisung der angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2 zum Einsatz gegen Influenza jedenfalls gefördert habe, ohne sich vor der Abmahnung – trotz entsprechender Zumutbarkeit – Kenntnis von den Verletzungshandlungen der Berater verschafft zu haben. Es sei zweifelhaft, ob die Beklagte tatsächlich gegen das Klagepatent verletzende Vertriebspartner vorgehe. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Landgerichts wird auf das angegriffene Urteil (Blatt 98 bis 120 d.A. verwiesen).

Mit ihrer Berufung, mit welcher sie ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft, macht die Beklagte zunächst geltend, dem Landgericht sei ein Verfahrensfehler unterlaufen, indem es die auf das Klagepatent gestützten Klageanträge von dem Ursprungsverfahren mit dem landgerichtlichen Aktenzeichen 4b O 14X/XZ mit Beschluss vom 24.05.2011 abgetrennt habe: Die Abtrennung habe erheblich vermeidbare Kosten verursacht und ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Die unterschiedliche Sichtweise in Bezug auf den Rechtsbestand des parallelen Gebrauchsmusters einerseits und des Klagepatents andererseits sei nicht nachvollziehbar. Auf dem Verfahrensfehler beruhe auch das angegriffene Urteil, weil bei unterbliebener Abtrennung mit der Gesamtentscheidung (also auch jener über die auf das Klagepatent gestützten Anträge) bis zur Entscheidung über den das Gebrauchsmuster betreffenden Löschungsantrag hätte gewartet werden müssen. Das Landgericht habe zu Unrecht ihre Passivlegitimation angenommen: Es fehle in ihrer Person an einer für die Bejahung der Verletzung eines Verwendungspatents sinnfälligen und zielgerichteten Herrichtung; schon gar nicht habe sie sich vorsätzlich an einer solchen beteiligt. Die angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2 seien gar nicht in der Lage, den anspruchsgemäßen Zweck zu erreichen. Das Landgericht habe missachtet, dass die Veröffentlichung des Klagepatents erst am 23.03.2011 und somit nur einen Tag vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht erfolgt sei. Nach der „Registrierung“ des Klagepatents seien keine Benutzungshandlungen mehr erfolgt. Gleichwohl habe die Beklagte ihre Berater dahingehend informiert, dass die Cistus Produkte nicht als Mittel zur Prophylaxe oder Behandlung von Krankheiten angepriesen werden dürften (vgl. u.a. Bl 240 d.A.). Zu Unrecht habe das Landgericht den Beklagtenvortrag aus dem Schriftsatz vom 02.05.2011 (S. 12 – 14) nicht beachtet. Der richterliche Hinweis in der Verhandlung am 24.03.2011 sei zu spät erfolgt. Sie habe nach Erhalt der Abmahnung vom 29.10.2009 die betreffenden Berater aufgefordert, die Werbung sofort abzuändern; sie habe auch die Berater Klarner und Shevchenko nach der Abmahnung vom 09.06.2009 darauf hingewiesen, dass Cistus Produkte nicht mit heilender Wirkung beworben werden dürften. Ohne jede Grundlage habe das Landgericht vermutet, die Beklagte ginge nicht gegen Vertriebspartner, welche Verletzungshandlungen mit den angegriffenen Ausführungsformen begangen hätten, vor. In Bezug auf Schadensersatzansprüche fehle es am erforderlichen Verschulden der Beklagten. Hilfsweise macht die Beklagte geltend, dass der Rechtsstreit zumindest in zweiter Instanz ausgesetzt werden müsse: Sie habe – unstreitig – unter dem 28.07.2011 (Anlage BB1) nunmehr Einspruch gegen die Erteilung des Klagepatents eingelegt. Dieser werde aufgrund fehlender Neuheit, zumindest aber mangels Erfindungshöhe der technischen Lehre des Klagepatents Erfolg haben.

Die Beklagte beantragt,

1. das angefochtene Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 24.05.2011 teilweise abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen;

2. den Rechtsstreit bis zur Entscheidung über den Einspruch der Beklagten vom 28.07.2011 gegen das europäische Patent EP 1924XYX auszusetzen.

Der Kläger, welcher dem Aussetzungsantrag entgegentritt, beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil, soweit es von der Beklagten angegriffen worden ist. In Anbetracht der Tatsache, dass im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung unstreitig noch kein Einspruch gegen das Klagepatent eingelegt gewesen sei, habe das Landgericht die Prozesstrennung nicht verfahrensfehlerhaft vorgenommen. Zutreffend habe das Landgericht die Passivlegitimation der Beklagten bejaht: Insoweit müsse berücksichtigt werden, dass die Beklagte bereits unstreitig am 29.10.2009 wegen Verletzung des Gebrauchsmusters abgemahnt worden sei (Anlage KB 5). Noch im März 2011 sei es zu weiteren Verletzungshandlungen gekommen, wie der aus Anlage K 22 ersichtliche Screen-Shot zeige; dies dokumentiere, dass die Beklagte offensichtlich nicht gegen ihren Berater Herrn E, den Verfasser der betreffenden Webseiten, eingeschritten sei. Aufgrund von Verletzungen des Klagegebrauchsmusters bestehe zugleich auch eine Wiederholungsgefahr in Bezug auf das gleichlautende Klagepatent. Dass das Klagepatent erst später veröffentlicht worden sei, sei unerheblich, weil entsprechende Maßnahmen gegen die Verletzung des Gebrauchsmusters zugleich Verletzungen des später erteilten Klagepatents verhindert hätten. Einer erneuten Abmahnung nach Erteilung des Klagepatents habe es nicht bedurft. Die mit dem erstinstanzlich nachgelassenen Schriftsatz vorgelegten Unterlagen könnten die Beklagte nicht entlasten, wobei der Kläger jeweils mit Nichtwissen bestreitet, dass diese Unterlagen den Vertriebspartnern zugegangen seien. Das Klagepatent werde sich – ungeachtet der inzwischen unstreitig erfolgten erstinstanzlichen Löschung des parallelen Gebrauchsmusters (siehe den Beschluss des DPMA vom 14.09.2011 gemäß Anlage KB 1) – im Einspruchsverfahren als rechtsbeständig erweisen. Insbesondere stehe die Entgegenhaltung D 17 (welche unstreitig identisch ist mit der Entgegenhaltung D 30 im Löschungsverfahren gegen das parallele Gebrauchsmuster) weder der Neuheit noch der Erfindungshöhe des Klagepatents entgegen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige (eingeschränkte) Berufung der Beklagten ist begründet.

Zu Unrecht hat das Landgericht sie wegen einer vermeintlichen unmittelbaren Verletzung des Klagepatents verurteilt. Dem Kläger stehen keine Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie auf Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz zu.

1.
Das Klagepatent hat die Verwendung eines Extrakts zur Herstellung eines Medikaments zur Vorbeugung und/oder Behandlung der Influenza, sowie eine Tablette und ein Aerosol, enthaltend den Extrakt, zum Gegenstand.

Einleitend erläutert das Klagepatent, dass die Influenza, die auch unter der Bezeichnung „Grippe“ bekannt ist, eine ansteckende virale Erkrankung, die sich in saisonalen Epidemien um die Welt verbreitet, ist. Man unterscheidet drei Virentypen A, B und C. B und C sind auf den Menschen beschränkt, während Typ A sich über Säugetiere und Vögel erstreckt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt vor einer globalen Influenza-Pandemie in den kommenden Jahren. Epidemien und Pandemien werden am ehesten von Influenzaviren des Typs A verursacht.

Als Stand der Technik hebt das Klagepatent die Impfung als das wichtigste Mittel zur Vorbeugung einer viralen Erkrankung hervor. Kritisch merkt das Klagepatent insoweit jedoch an, dass im Rahmen der Prävention die Impfung auf die Herstellung eines Impfstoffes angewiesen ist. Dies setzt voraus, dass der Virus bereits existieren muss. Die lange Zeit für die Entwicklung des Impfstoffs (ca. 4 Monate) führe zu einer wesentlichen Einschränkung seines Einsatzes bei einer globalen Pandemie.

Als bekannt erwähnt das Klagepatent sodann antivirale Wirkstoffe, die zur Behandlung von Influenza wirksam sind (Amantadine, Rimantadine, Zanamivir, Oseltamivir und Ribavirin). Insoweit bemängelt das Klagepatent, dass alle aufgeführten Medikamente Nebenwirkungen aufwiesen, die zum Teil schwerwiegend sein könnten. Zum Beispiel könne Oseltamivir, das unter der Bezeichnung Tamiflu® vertrieben werde, häufig zu Übelkeit, Erbrechen und Magenschmerzen führen. Seine Anwendung sei erst ab dem 13. Lebensjahr indiziert, da bei Jugendlichen unterhalb der Altersgrenze zum Teil schwere Nebenwirkungen wie Ohrenentzündungen, Lungenentzündungen, Entzündungen der Nasennebenhöhlen, Bronchitis, Lymphknotenschwellungen und Bindehautentzündungen beobachtet würden.

Ferner nennt das Klagepatent als Stand der Technik antivirale Medikamente, die bei der Prophylaxe einer viralen Erkrankung sowie bei ihrer Behandlung wirksam sind. Als nachteilhaft sieht es insoweit an, dass die direkte medizinische Heilung einer Viruserkrankung bisher noch nicht gelungen sei.

Als bekannt führt das Klagepatent auch eine keimtötende Wirkung bei Extrakten aus Pflanzen der Gattung Cistus an. Die Cistus Art incanus und ihre Unterspezies tauricus, welche beide im Mittelmeer-Raum verbreitet sind, haben bereits in der traditionellen Heilkunde dieser Region Verwendung gefunden. Cistus incanus wird in der Tierhaltung als natürliches Heilmittel sowie allgemein zur Steigerung des Gesundheitszustandes der Tiere (Pieroni, A.; Howard, P; Volpato, G.; Santoro, R. F. Vet. Res. Commun. 2004, 27 (1), 55-88) verwendet. In nördlichen Teilen Griechenlands wurde Cistus incanus ssp. tauricus traditionell zur Behandlung von Hauterkrankungen verwendet (Petereit, F., Kolodziej H., Nahrstedt A. Phytochemistry 1991, 30 (3), 981-985).

Schließlich erwähnt das Klagepatent, dass aus Petereit, F., Kolodziej H., Nahrstedt A. Phytochemistry 1991, 30 (3), 981-985 bekannt ist, dass Cistus Spezies unter anderem Flavanoide und Proanthocynidine enthalten, die nach Attaguile, G.; Russo, A.; Campisi, A. Cell Biol Toxicol. 2000, 16 (2), 83-90 im Körper als Antioxidationsmittel fungieren können. Aus Bouanmama, H. et al. Therapie 1999, 54 (6), 731-3 ist bekannt, dass Extrakte der Blätter von Cistus incanus antibakteriell und antimykotisch wirken).

Am Stand der Technik bemängelt das Klagepatent, dass die Staaten der Weltgemeinschaft als präventive Maßnahme für den Fall einer drohenden Pandemie, welche durch die Vogelgrippe verursacht werden könne, auf antivirale Medikamente setzten. Beispielsweise sei das oben bereits aufgeführte Medikament Oseltamivir (Tamiflu®; Hoffman La Roche) in erheblichen Mengen von einigen Staaten als Vorrat für den Fall einer Pandemie bestellt worden, wobei befürchtet werde, dass das Medikament im Ernstfall schnell aufgebraucht werden könne. Die immense Nachfrage habe außerdem zu großen Engpässen in der Produktion geführt. Außerdem sei die Verwendung (bekannter) antiviraler Wirkstoffe zunehmend dadurch gefährdet, dass diese als Breitbandmedikamente in der Tierhaltung verwendet würden. Ungeachtet internationaler Verbote hätten solche Praktiken beispielsweise in China zu einer Resistenz mancher Stämme der Vogelgrippe geführt. Hinzu kämen die häufigen Nebenwirkungen dieser Mittel, die zum Teil schwer sein könnten. Ferner seien diese Medikamente in manchen Fällen nur für bestimmte Altersgruppen indiziert.

Vor dem Hintergrund dieses Standes der Technik stellt sich das Klagepatent die Aufgabe, ein antivirales Medikament zur Prophylaxe und / oder zur Behandlung von Influenza zur Verfügung zu stellen, das kostengünstig hergestellt werden kann und keinerlei Nebenwirkungen bei der Verabreichung hervorruft (Absatz [0014] des Klagepatents).

Zur Lösung dieses technischen Problems schlägt das Klagepatent in seinem Anspruch 1 vor:

1. Verwendung eines Extraktes aus Pflanzen der Gattung Cistus zur Herstellung eines Medikaments.

2. Der Extrakt wird aus Pflanzen der Gattung Cistus incanus gewonnen.

3. Das Medikament dient zur Prophylaxe und/oder Behandlung von Influenza.

2.
Es kann dahinstehen, ob der Beklagten darin zu folgen ist, dass dem Landgericht, indem es den Rechtsstreit betreffend das Klagepatent aus dem Ursprungsverfahren LG Düsseldorf 4b O 13X/YY ohne vorherige Anhörung der Beklagten abgetrennt hat, ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, der bereits für sich allein betrachtet zum Erfolg der Berufung führen muss.

Jedenfalls kann die landgerichtliche Entscheidung deshalb keinen Bestand haben, weil die getroffenen tatrichterlichen Feststellungen keine unmittelbare Verletzung des Anspruchs 1 des Klagepatents rechtfertigen. Ob zumindest eine mittelbare Verletzung des Klagepatents anzunehmen wäre, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, nachdem der Kläger auf ausdrücklichen richterlichen Hinweis bewusst an seinen auf eine unmittelbare Patentverletzung zugeschnittenen Klageanträgen festgehalten und ausdrücklich erklärt hat, Ansprüche wegen mittelbarer Patentverletzung nicht geltend zu machen (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.12.2012, S. 2, 2. Abs., Blatt 271 d.A.).

Der Anspruch 1 setzt nach dem Merkmal 2 voraus, dass die Verwendung des Extraktes aus Pflanzen der Gattung Cistus „zur Herstellung eines Medikaments“ erfolgt.

a)
Demnach ist der Anspruch 1 des Klagepatents ein sog. „Schweizer Anspruch“, der neben der Verwendung auch die Herstellung umfasst und dessen spezifische Fassung durch folgenden Anspruchsaufbau gekennzeichnet ist: „Verwendung des Stoffes A zur Herstellung eines Arzneimittels zur Behandlung der Krankheit B“ (vgl. Gruber/Zumbusch/Haberl/Oldekop, Europäisches und Internationales Patentrecht, 7. Aufl. 2012, 12. Kap. Rn 12.35 unter bb). Die Charakteristik dieser Anspruchsfassung hat ihren Hintergrund in Art. 53 c) EPÜ, wonach europäische Patente unter anderem nicht für Verfahren zur therapeutischen Behandlung des menschlichen Körpers erteilt werden. Der Zweck des Art. 53 c) EPÜ ist es – wie bei Art. 52 Abs. 4 EPÜ 1973 -, die Tätigkeiten des Arztes auf dem Gebiet der Human- und Veterinärmedizin von patentrechtlichen Beschränkungen freizuhalten: Der Arzt soll in der Auswahl von Maßnahmen zur Beseitigung von Krankheiten nicht beschränkt werden (BGH, GRUR 2007, 404 – Carvedilol II; GRUR 2001, 321 – Endoprotheseneinsatz; vgl. BGH, GRUR 2010, 181 – Bildunterstützung bei Katheternavigation).

Im EPÜ 1973 war diesbezüglich als Ausnahmefall die Verwendung eines Stoffes zur zweiten (und weiteren) medizinischen Indikation anerkannt (Gruber/Zumbusch/Haberl/Oldekop, Europäisches und Internationales Patentrecht, 7. Aufl. 2012, 12. Kap., Rn 12.35 unter bb). Da jedoch ein Anspruch auf Verwendung eines Stoffes zur therapeutischen Behandlung wesensgleich ist mit einem Verfahren zur therapeutischen Behandlung, das nach Art. 52 Abs. 4 S. 1 EPÜ 1973 als gewerblich nicht anwendbar galt, wurden unter Geltung des EPÜ 1973 nur solche Ansprüche für zulässig erachtet, die (auch) auf die vorangegangene Herstellung des Arzneimittels gerichtet waren, weil die Herstellung im gewerblichen Bereich stattfindet (EPA T 958/94 – Abl. 1997, 241 – Antitumormittel/THERAPEUTIQUES SUBSTITUTIVES). Insoweit wurde im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung insbesondere die Verwendung des „Schweizer Anspruches“ durch die Große Beschwerdekammer anerkannt (EPA G 01/83 – Abl. 1985, 60 ff. = GRUR Int. 1985, 193 – Zweite medizinische Indikation/BAYER).

Im EPÜ 2000 wurde als Ausnahme zu Art. 53 c) S.1 EPÜ der Schutz der zweiten und weiterer Indikationen im neuen Art. 54 Abs. 5 EPÜ kodifiziert, wonach die Patentierbarkeit von Stoffen zur spezifischen Anwendung in einem therapeutischen Verfahren möglich ist, wenn diese spezifische Anwendung nicht zum Stand der Technik gehört. Art. 54 Abs. 5 EPÜ ist ebenfalls als Ausnahme vom Grundsatz zu verstehen, dass Erzeugnisansprüche nur für – absolut – neue Produkte gewährt werden, wobei es sich um einen zweckgebundenen Stoffschutz handelt (Meier-Beck, GRUR 2009, 300, 304 f).

b)
Für die Frage der Verwirklichung des Merkmals 1 ist vor diesem Hintergrund zwingend im Blick zu halten, dass der Anspruch 1 des Klagepatents keinen absoluten Sachschutz vermittelt, sondern lediglich ein Verwendungspatent darstellt, wobei zusätzlich die Besonderheit seiner Fassung als „Schweizer Anspruch“ zu beachten ist. Die geschützte Verwendung besteht – worauf der Senat bereits mit Beschluss vom 14.12.2012 hingewiesen hat – nicht im bloßen Gebrauch eines Extraktes aus Pflanzen der Gattung Cistus durch den Patienten zur Prophylaxe und/oder Behandlung von Influenza. Vielmehr ist dessen Verwendung zur Herstellung eines Medikaments unter Schutz gestellt. Dabei begnügt sich der Patentanspruch nicht mit einer allgemein gehaltenen Verwendungsanleitung dahingehend, unter Heranziehung von Pflanzen der Gattung Cistus ein Medikament herzustellen. Namentlich die geforderte Prophylaxe und/oder Behandlung von Influenza ist keine Frage der im Objektiven gegebenen oder fehlenden Wirksamkeit von Cistus, sondern eine Frage des speziellen Einsatzzwecks des Medikaments. Das Erfinderische liegt dementsprechend auch nicht darin, Cistus Incanus überhaupt für die Herstellung eines Medikaments zu gebrauchen, sondern darin, dies für den speziellen Einsatzzweck, nämlich für die „Prophylaxe und/oder Behandlung von Influenza“, zu tun. Am Ende der patentierten Verwendung soll mithin ein Medikament stehen, das – erstens – Cistus Incanus als Inhaltsstoff enthält und dessen Einsatzzweck – zweitens – die Prophylaxe und/oder Behandlung von Influenza ist.

Dem steht nicht entgegen, dass die Große Beschwerdekammer nunmehr entschieden hat, dass der Schweizer Anspruch unter Geltung des EPÜ 2000 nicht mehr zulässig ist, da es einer derartigen Fassung mit Blick auf Art. 54 Abs. 5 EPÜ nicht mehr bedürfe (EPA G 2/08 – Abl. 2010, 456 – Dosieranleitung/ABBOTT RESPIRATORY). Denn letztgenannte Rechtsprechung gilt erst für Anmeldungen, deren Anmelde-/Prioritätstag drei Monate nach Veröffentlichung dieser Entscheidung liegt; eine Rückwirkung hat die Große Beschwerdekammer ausdrücklich nicht angeordnet. Diese zeitliche Komponente ist hinsichtlich des Klagepatents ersichtlich nicht erfüllt, da die betreffende Entscheidung der Großen Beschwerdekammer erst am 19.2.2010 erging, so dass das Klagepatent von ihr nicht erfasst wurde. Unabhängig davon ist allgemeinen Grundsätzen zufolge für den Verletzungsprozess ohnehin allein die in Kraft stehende und geltend gemachte Anspruchsfassung maßgeblich, auch wenn diese heute in dieser Form gar nicht mehr erteilungsfähig wäre. Der Kläger hat seinerzeit eben diese Anspruchsfassung gewählt, um auf der Basis der bis dahin vom EPA angewandten Kriterien Patentschutz zu erhalten. Es geht nicht an, den bestandskräftig erteilten Anspruch im Nachhinein mit Blick auf eine nur ex nunc wirkende, geänderte Rechtsprechung des EPA in einem Sinne auszulegen, der durch die erteilte Fassung gerade nicht gedeckt wäre.

c)
In Anwendung vorstehender Grundsätze fällt der Beklagten keine Verwendung von Cistus Incanus zur Herstellung eines Medikaments zur Behandlung und/oder Prophylaxe von Influenza zur Last.

Die Verwendung eines Stoffs für die Herstellung eines Mittels zu einem therapeutischen Zweck ist patentrechtlich bereits die Verwendung des Stoffs zu diesem Zweck, wobei die Verwendung bereits in dessen sinnfälliger Herrichtung bestehen kann (BGH, GRUR 2001, 730 – Trigonellin).

aa)
Eine solche sinnfällige Herrichtung kann nach der Rechtsprechung des BGH etwa in der auf den speziellen Verwendungszweck abgestellten Formulierung und Konfektionierung eines Medikaments sowie in dessen Dosierung gesehen werden (vgl. BGH, GRUR 1983, 729 – Hydropyridin; vgl. BGH, GRUR 1990, 505 – geschlitzte Abdeckfolie; vgl. BGH, GRUR 2005, 845 – Abgasreinigungsvorrichtung).

Der Kläger ist dem Hinweis des Senats (Beschluss vom 14.12.2012), wonach bei den angegriffenen Ausführungsformen der erfindungsgemäße Verwendungszweck nicht unmittelbar durch eine ganz bestimmte Abmischung (d.h. besondere Mengenverhältnisse oder Begleitstoffe) und erst recht nicht durch eine spezielle äußere Gestaltung (Formgebung) verliehen worden sein dürfte, nicht entgegen getreten, so dass feststeht, dass diese Voraussetzungen bei den angegriffenen Ausführungsformen nicht gegeben sind.

bb)
Zwar ist nach der unter aaa) zitierten BGH-Rechtsprechung ebenso anerkannt, dass die Herrichtung auch in der Beifügung eines Beipackzettels liegen kann. Dies gilt, obwohl die betreffende Beifügung an sich kein Bestandteil des eigentlichen Herstellungsverfahrens ist; sie muss dem Herstellungsakt jedoch gedanklich zugerechnet werden, um das erfindungsgemäße Herstellungsverfahren vom Stand der Technik unterscheiden zu können (vgl. Meier-Beck, GRUR 2009, 300, 303). Zu beachten ist allerdings, dass die in Verkehr gebrachte Sache als solche auf die patentgeschützte Verwendung ausgerichtet werden muss. Allgemeine Werbeankündigungen, die sich losgelöst vom Vertrieb der konkreten Sache mit der patentierten Verwendung befassen, sind unzureichend und können allenfalls die Grundlage für eine mittelbare Verletzung des Verwendungspatents sein (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 6. Auflage, Rn 217). Derartige allgemeine Werbeankündigungen stellen kein sinnfälliges Herrichten der in Verkehr gebrachten Sache dar, weil sie nicht den notwendigen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Produkt selbst aufweisen, der erst dessen Verwendung in der zweckgerichteten Weise gewährleistet. Anders als bei einer Herrichtungsmaßnahme an der Sache selbst bleibt bei einer Gebrauchsanleitung, die nur in allgemeinen Werbeunterlagen ihren Niederschlag gefunden hat, gänzlich im Ungewissen, ob der Empfänger der (zu verwendenden) Sache überhaupt von ihnen Notiz nimmt, weswegen es dementsprechend auch ungewiss bleibt, ob es tatsächlich zu der patentgeschützten Verwendung des Sache kommt oder nicht. In Anbetracht der vorliegenden Fassung von Anspruch 1 muss jedenfalls am Schluss der im Klagepatent gelehrten Verwendung (nämlich der Herstellung der angegriffenen Ausführungsformen) ein Medikament aus einem Extrakt aus der Pflanze der Gattung Cistus Incanus mit dem speziellen Einsatzzweck stehen, was aus den vorgenannten Gründen vorliegend nicht feststellbar ist.

Insofern kann dahinstehen, ob die Werbemaßnahmen der selbständigen Berater der Beklagten zurechenbar sind, wobei – wie das auf Anlagen K 6 bis K 9 und K 14 abstellende Landgericht übersehen hat – ohnehin nur solche Handlungen patentverletzend hätten sein können, die nach der erst am 23.02.2011 erfolgten Veröffentlichung des Hinweises auf die Erteilung des Klagepatents erfolgt waren.

3.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Anlass zur Zulassung der Revision (§ 543 ZPO) besteht nicht. Die vorliegende Rechtssache wirft als reine Einzelfallentscheidung weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung noch solche auf, die zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts eine Entscheidung
des Bundesgerichtshofes als Revisionsgericht erfordern.