2 U 54/11 – Cistus incanus

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1986

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 31. Januar 2013, Az. 2 U 54/11

Vorinstanz: 4b O 162/09

Leitsätze:

1. Die Verwendung eines Stoffes für die Herstellung eines Mittels zu einem therapeutischen Zweck ist patentrechtlich bereits die Verwendung des Stoffs zu diesem Zweck, wobei die Verwendung bereits in dessen sinnfälliger Herrichtung bestehen kann (BGH, GRUR 2001, 730 – Trigonellin). (nichtamtlich)

2. Die Kosten für die Einschaltung eines Rechts- oder Patentanwalts können für den zu Unrecht Abgemahnten unter dem Gesichtspunkt der Adäquanz einen erstattungsfähigen Schaden dar. (red.)

I.
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 24. Mai 2011 verkündete Urteil der 4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und wie folgt gefasst:

1.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 13.972,44 Euro nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Oktober 2009 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

2.
Die Widerklage wird in vollem Umfang abgewiesen.

II.
Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

III.
Die Anschlussberufung des Beklagten wird verworfen.

IV.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 15 % und der Beklagte 85 % zu tragen.

V.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zwangsweise beizutreibenden Betrages abzuwenden, falls nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Beklagten wegen dessen Kosten ebenfalls durch Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 120 % des zwangsweise beizutreibenden Betrages abzuwenden, falls nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

VI.
Die Revision wird nicht zugelassen.

VII.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 250.000,– Euro festgesetzt.

G r ü n d e

I.

Der Beklagte ist eingetragener Inhaber des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten und in deutscher Verfahrenssprache veröffentlichten europäischen Patentes 1 837 XXX (Klagepatent, Anlage K 1) betreffend die Verwendung von Cistus zur Herstellung einer Zusammensetzung bzw. eines Präparats zur Prophylaxe von Erkältungskrankheiten. Aus diesem Schutzrecht verlangt die Klägerin von ihm die Erstattung von Rechts- und Patentanwaltskosten zur Verteidigung gegen Abmahnungen sowie zur Hinterlegung von Schutzschriften, während der Beklagte die Klägerin im Wege der Widerklage auf Unterlassung, Rechnungslegung und Feststellung ihrer Verpflichtung zur Leistung einer angemessenen Entschädigung und zum Schadenersatz sowie Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch nimmt.

Die dem Klagepatent zugrunde liegende Anmeldung ist am 24. März 2006 eingereicht und am 26. September 2007 im Patentblatt veröffentlicht worden; die Veröffentlichung der Klagepatentschrift und Bekanntmachung des Hinweises auf die Patenterteilung haben am 8. Oktober 2008 stattgefunden. In einem u.a. von der Klägerin betriebenen Einspruchsverfahren hat die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes das Klagepatent mit Zwischenbescheid vom 14. Januar 2011 (Anlagen B 12 und K 23) mit folgendem eingeschränkten Anspruch 1 aufrecht erhalten (Einschränkungen durch Fettdruck hervorgehoben):

Verwendung von Cistus zur Herstellung einer Zusammensetzung mit antiviraler Aktivität gegen Rhinoviren zur Prophylaxe und/oder Behandlung von Erkältungskrankheiten, wobei die Erkältungskrankheit eine Primärinfektion, hervorgerufen durch Rhinoviren, umfasst und die Pflanze aus Cistus incanus ausgewählt wird.

Im Einspruchsbeschwerdeverfahren hob die Technische Beschwerdekammer – während des hiesigen Berufungsverfahrens – mit Entscheidung vom 24. Mai 2012 die Entscheidung der Einspruchsabteilung auf und verwies die Sache nach dort zurück mit der Maßgabe, das Klagepatent mit folgenden Ansprüchen 1 und 2 aufrecht zu erhalten (vgl. das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 24. Mai 2012, Anlage BB 1; Änderungen wiederum durch Fettdruck hervorgehoben):

1.
Verwendung von Cistus zur Herstellung einer Zusammensetzung mit antiviraler Aktivität gegen Rhinoviren zur Hemmung der Infektiosität von Rhinoviren bei der Prophylaxe von Erkältungskrankheiten, wobei die Erkältungskrankheit eine Primärinfektion, hervorgerufen durch Rhinoviren, umfasst.

2.
Verwendung nach Anspruch 1, worin die Pflanze aus Cistus incanus ausgewählt wird.

Die Klägerin stellt Cistus incanus-Präparate in Form von Kapseln, Spray und Tee her (vgl. ihren auszugsweise vorgelegten Katalog gemäß Anlage K 8 und ihre Internet-Werbung gemäß Anlage K 7) und vertreibt diese über Partner, die sie als selbstständige Berater bezeichnet. Zu ihnen gehören Bund C aus Erfurt; diese verschickten unter dem 29. April 2009 eine E-Mail (Anlage B 2), in der darauf hingewiesen wird, Cistus incanus könne u.a. gegen Virusinfektionen in Gestalt von Schnupfen, Husten und Influenza eingesetzt werden.

Der Beklagte sieht in den vorbezeichneten Handlungen eine Verletzung des Klageschutzrechtes und ließ die Klägerin sowie ihre beiden genannten Vertriebspartner mit Anwaltsschreiben vom 9. Juni 2009 aus dem Klagepatent abmahnen. Die Klägerin und die beiden Berater forderten den Beklagten durch die ursprünglichen Prozessbevollmächtigten und patentanwaltlichen Vertreter der Klägerin mit Schreiben vom 10. Juli 2009 (Anlagen K 5 und K 15) erfolglos auf, die Abmahnung zurückzunehmen und aus der Abmahnung keine Ansprüche mehr herzuleiten. Die Klägervertreter stellten der Klägerin und ihren Beratern insgesamt jeweils 6.396,48 Euro in Rechnung, die sich aus jeweils 1,3 Gebühr aus einem Streitwert von 250.000,– Euro, 20,– Euro Pauschale sowie Mehrwertsteuer für die rechts- und patentanwaltliche Tätigkeit zusammen setzen, was einem Netto-Betrag von 5.375,20 Euro entspricht. Die Klägerin stellte ihre Berater gegen Abtretung etwaiger Kostenerstattungsansprüche jeweils in Höhe des Netto-Betrages frei. Außerdem ließen die Klägerin und die genannten Berater durch ihre Anwälte unter dem 8. Juli 2009 die aus der Anlage K 4 ersichtliche Schutzschrift erstellen und bei sämtlichen deutschen Patentgerichten hinterlegen. Auf die betreffende Kostenrechnung vom 10. Juli 2009 zahlte die Klägerin den in Rechnung gestellten Gesamt-Brutto-Betrag von 7.461,30 Euro, was einem Netto-Betrag von 5.170,– Euro entspricht (zur Berechnung siehe Anlage K 18). Die beiden Berater traten wiederum etwaige auf sie entfallende Kostenerstattungsansprüche an die Klägerin ab (Anlage K 17).

Die Klägerin meint, die angegriffenen Präparate machten von der Lehre des Klagepatentes keinen Gebrauch. Ihr Internet-Auftritt und der Katalog enthielten keine Hinweise auf eine patentgemäße Verwendung in der im Einspruchsverfahren aufrecht erhaltenen Fassung. Im Übrigen sei das Klagepatent weder neu noch das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit. Infolge dessen seien die Abmahnungen unberechtigt gewesen. Dies habe der Beklagte auch gewusst; ihm sei bereits bei Anmeldung des Klagepatents bekannt gewesen, dass die unter Schutz gestellten Anwendungsformen sämtlich aus der Literatur und aus seinen eigenen Veröffentlichungen bekannt gewesen seien.

Der Beklagte hält die Abmahnungen für berechtigt und meint, die angegriffenen Präparate machten von der Lehre des Klagepatentes in wortsinngemäßer Weise Gebrauch. In der E-Mail der Berater gemäß Anlage B 2 liege ebenso wie in den Äußerungen gemäß Anlagen B3 und B4 eine wortsinngemäße Patentbenutzung, für die die Klägerin hafte. Aus den darin enthaltenen der Klägerin zuzurechnenden Äußerungen ergebe sich eine Empfehlung zur patentgeschützten Verwendung. Darüber hinaus seien die Kosten für die Einreichung einer Schutzschrift nur erstattungsfähig, wenn bei dem Gericht, bei dem die Schutzschrift hinterlegt sei, tatsächlich ein entsprechender Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt werde; auch bei Unterstellung einer unberechtigten Abmahnung seien jedenfalls die angesetzten Kosten zu hoch, da die Klägerin die Anrechnung nach
§ 15a RVG nicht berücksichtigt habe. Durch die Tätigkeit für die Klägerin sowie die beiden Berater seien etwaige Gebühren auch nicht jeweils dreimal angefallen, und für die Einreichung einer Schutzschrift entstehe eine Verfahrensgebühr bestenfalls in Höhe von 0,8 Gebühren.

Die Klägerin hat mit ihrer ursprünglich erhobenen Klage die Feststellung begehrt, dass sie durch das Klagepatent nicht gehindert sei, im Bereich der Bundesrepublik Deutschland Cistus enthaltende Zusammensetzungen zur Prophylaxe und/oder Behandlung von Erkältungskrankheiten herzustellen, anzubieten, zu bewerben, in den Verkehr zu bringen, zu im- oder exportieren oder zu den genannten Zwecken zu besitzen. Nach Erhebung einer Leistungswiderklage haben die Parteien den Rechtsstreit bezüglich der negativen Feststellungsklage vor dem Landgericht übereinstimmend für erledigt erklärt.

Mit Urteil vom 24. Mai 2011 hat das Landgericht die Zahlungsklage der Klägerin abgewiesen und der Widerklage auf der Grundlage der damals geltenden Fassung des Klagepatentanspruches 1 mit folgendem Urteilsausspruch stattgegeben:

I.
Die Klägerin wird auf die Widerklage verurteilt,

1.
es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, zu vollstrecken an den Geschäftsführern der Klägerin, zu unterlassen,

Cistus incanus zur Herstellung einer Zusammensetzung mit antiviraler Aktivität gegen Rhinoviren zur Prophylaxe und/oder Behandlung von Erkältungskrankheiten, wobei die Erkältungskrankheit eine Primärinfektion, hervorgerufen durch Rhinoviren, umfasst,

sinnfällig herzurichten, anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.

2.
dem Beklagten Auskunft darüber zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie seit dem 26. Oktober 2007 die unter Ziffer I.1 bezeichneten Handlungen begangen hat, und zwar unter Angabe

a)
der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise,

b)
der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und
–preisen und ggf. Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,

c)
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach den Angebotsmengen, -zeiten und –preisen und ggf. Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d)
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, der Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und –gebiet,

e)
des erzielten Umsatzes sowie der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei

– die Auskünfte zu e) seit dem 8. November 2008 zu erteilen sind,

– die Klägerin zum Nachweis der Angaben unter a) und b) die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Lieferscheine) in Kopie vorzulegen hat, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der rechnungspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen und

– der Klägerin vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger und der nicht gewerblichen Abnehmer statt dem Beklagten einem von diesem zu bezeichnenden, ihm gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Klägerin dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, dem Beklagten auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.

II.
Auf die Widerklage wird festgestellt, dass die Klägerin verpflichtet ist,

1.
dem Beklagten eine angemessene Entschädigung für Handlungen gemäß Ziffer I. 1. im Zeitraum vom 26. Oktober 2007 bis 7. November 2008 zu zahlen,

2.
dem Beklagten allen Schaden zu ersetzen, der ihm und der Dr. Pandalis Urheimische Medizin GmbH & Co. KG, Glandorf, durch die in Ziffer I. 1. bezeichneten, in der Zeit seit dem 8. November 2008 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III.
Die Klägerin wird auf die Widerklage verurteilt, an den Beklagten 6.396,48 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. Januar 2011 zu zahlen.

Es ist der Meinung, die angegriffenen Präparate stimmten wortsinngemäß mit dem in Anspruch 1 der damals geltenden erstinstanzlich im Einspruchsverfahren aufrecht erhaltenen Fassung überein. Sie seien zur Prophylaxe und/oder Behandlung der im Patentanspruch näher bezeichneten Erkältungskrankheiten geeignet und zweckbestimmt. Zwar habe die Klägerin selbst weder durch die Herstellung der angegriffenen Präparate noch durch ihre Äußerungen im Internetauftritt gemäß Anlage K 7 oder ihrem Katalog (Anlage K 8) die genannten Erzeugnisse sinnfällig zur klagepatentgeschützten Verwendung hergerichtet, diese Herrichtung ergebe sich aber aus den Äußerungen der Berater, in denen die genannten Präparate zu dieser Verwendung empfohlen würden. Hierfür hafte die Klägerin, weil sie diese Anpreisung der genannten Präparate gefördert habe, indem sie sie den Vertriebspartnern zur Verfügung gestellt und diese mit einem quartalsweise erscheinenden Magazin versorgt habe. Spätestens seit Erhalt der Abmahnung wisse die Klägerin, dass jedenfalls zwei ihrer Vertriebspartner die Präparate zu den patentgemäß geschützten Verwendungszwecken anpriesen; vorher habe sie sich jedenfalls pflichtwidrig keine entsprechende Kenntnis verschafft. Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihre in erster Instanz erfolglos gebliebene Klage weiter und begehrt Abweisung der Widerklage, während der Beklagte mit seiner Anschlussberufung Anspruch 1 des Klagepatentes in der im Einspruchsbeschwerdeverfahren aufrecht erhaltenen Fassung geltend macht.

Die Klägerin führt zur Begründung unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Sachvortrages aus: Das Landgericht habe den seinerzeit geltenden Patentanspruch 1 unzutreffend ausgelegt. Während dort nur die Verwendung gegen durch Rhinoviren hervorgerufene Erkältungskrankheiten unter Schutz gestellt sei, habe das Landgericht sich primär an der Beschreibung orientiert und auch durch andere Virusarten hervorgerufene Erkältungskrankheiten einbezogen. Die im Einspruchsbeschwerdeverfahren in den Anspruch aufgenommene Zweckangabe „zur Hemmung der Infektiosität von Rhinoviren“ sei keine Klarstellung ohne eigenen Regelungsgehalt, sondern ein neues technisches Merkmal, das zu einer neuen medizinischen Indikation und einer neuen Anwendung führe. Diese Einschränkung aus dem Einspruchsverfahren müsse der Beklagte auch im vorliegenden Verletzungsrechtsstreit gegen sich gelten lassen. Die infektionshemmende Wirksamkeit der angegriffenen Präparate gegen Rhinoviren sei den vom Landgericht als haftungsbegründend bewerteten Äußerungen der Klägerin und ihrer Berater jedoch nicht zu entnehmen. Es werde nur allgemein auf antivirale Eigenschaften und eine mögliche Wirksamkeit von Cistus incanus bei Schnupfen/Husten und diversen entzündlichen Vorgängen hingewiesen; welche konkreten Viren das seien, werde nicht genannt. Da Hunderte bzw. Tausende für den Menschen schädliche Viren existierten und Mund- und Rachenentzündungen neben Viren in erster Linie auch von im Klagepatent nicht benannten Bakterien verursacht würden, liege in diesen Aussagen noch keine Anleitung zu einer zielgerichteten Verwendung. Auch dass ein signifikanter Anteil der Erkältungskrankheiten durch Rhinoviren hervorgerufen werde, genüge nicht.

Die Ausführungen des Landgerichts trügen auch nicht seine Feststellung, sie
– die Klägerin – habe die Verwirklichung des unter Schutz gestellten Verwendungszwecks bei ihren Beratern vorsätzlich gefördert oder ermöglicht. Zur Verletzung zweckgebundener Verwendungspatente müsse zu einer Bereitstellung des Mittels auch dessen sinnfällige und zielgerichtete Herrichtung hinzu kommen. Der Beklagte trage selbst nicht einmal vor, dass die angegriffenen Erzeugnisse der Klägerin in der Lage seien, den im Klagepatentanspruch benannten Zweck zu erreichen. Sie habe auch bei ihren Beratern nicht darauf hingewirkt, ihre Cistus-Produkte als Mittel zur Prophylaxe gegen Rhinoviren zu bewerben oder sinnfällig herzurichten. Sie selbst bewerbe die betreffenden Präparate nur als solche zur Unterstützung des Immunsystems. Sie habe auch ihre Berater in mehrfacher Hinsicht darüber informiert, Cistus-Produkte dürften als Nahrungsergänzungsmittel nicht zur Verwendung als Heilmittel gegen Krankheiten angepriesen werden. Sie habe darauf vertrauen dürfen, die Berater hielten sich daran. Insbesondere gegenüber den Beratern Shevchenko und Klarner habe sie diese Hinweise unverzüglich nach Eingang der Abmahnung wiederholt. Die Berater seien selbstständige Unternehmer, die bei ihr – der Klägerin – Produkte erwürben und im eigenen Namen und auf eigene Rechnung verkauften. Sie habe ihnen gegenüber kein Direktionsrecht. Das Landgericht habe demgegenüber letztendlich unterstellt, die Klägerin habe an die Vertriebspartner mögliche Hinweise unterlassen. Dass das Landgericht insoweit von einer sekundären Darlegungs- und Beweislast der Klägerin ausging, hätte es nicht erst im Termin zur mündlichen Verhandlung offen legen dürfen, sondern hätte dies so rechtzeitig tun müssen, dass sie noch die Möglichkeit gehabt hätte, hierzu dezidiert schriftsätzlich und unter Beweisantritt vorzutragen. Nicht nur mangels Patentverletzung, sondern auch mangels Verschulden unterliege sie ferner keinen Schadenersatzansprüchen des Beklagten; die geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung scheiterten zusätzlich daran, dass eine Verantwortlichkeit allein durch Zurechnung im Wettbewerbsrecht keine Auskunftspflicht begründe; für Patentverletzungen müsse entsprechendes gelten. Mangels Schutzrechtsverletzung sei auch die Abmahnung des Beklagten unbegründet. Selbst wenn man zu seinen Gunsten eine Verletzung unterstelle, sei sie zur Hälfte unbegründet, weil die im Einspruchsbeschwerdeverfahren aufrecht erhaltene Fassung nur noch den Einsatz von Cistus zur Prophylaxe gegen Erkältungskrankheiten und nicht mehr auch deren Behandlung unter Schutz stellt.

Obwohl auch die Technische Beschwerdekammer das Klagepatent aufrecht erhalten habe, erhalte sie ihren Aussetzungsantrag aufrecht.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und

1.
den Beklagten zu verurteilen, an sie – die Klägerin – 21.295,60 Euro nebst
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Zustellung der Klage zu zahlen;

2.
die Widerklage in vollem Umfang abzuweisen;

3.
hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur endgültigen Entscheidung über die Beschwerde der Klägerin gegen die Erteilung des europäischen Patentes
1 837 XXX auszusetzen.

Der Beklagte beantragt,

1.
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen und

2.
auf die Anschlussberufung das landgerichtliche Urteil in Ziffer I. 1. abzuändern und die Klägerin auf die Widerklage zu verurteilen,

es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt 2 Jahren, zu vollstrecken an den Geschäftsführern der Klägerin,

zu unterlassen,

Cistus zur Herstellung einer Zusammensetzung mit antiviraler Aktivität gegen Rhinoviren zur Hemmung der Infektiosität von Rhinoviren bei der Prophylaxe von Erkältungskrankheiten, wobei die Erkältungskrankheit eine Primärinfektion, hervorgerufen durch Rhinoviren, umfasst,

sinnfällig herzurichten, anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

h i l f s w e i s e

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass Ziffer I. 1. des landgerichtlichen Urteilsausspruches folgende Fassung erhält:

Die Klägerin wird auf die Widerklage verurteilt,

es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt 2 Jahren, zu vollstrecken an den Geschäftsführern der Klägerin,

zu unterlassen,

Cistus incanus zur Herstellung einer Zusammensetzung mit antiviraler Aktivität gegen Rhinoviren zur Hemmung der Infektiosität von Rhinoviren bei der Prophylaxe von Erkältungskrankheiten, wobei die Erkältungskrankheit eine Primärinfektion, hervorgerufen durch Rhinoviren, umfasst,

sinnfällig herzurichten, anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Ausführungen der Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Sachvortrages entgegen. Darüber hinaus ist er der Auffassung, die Klägerin habe das Klagepatent auch in seiner im Beschwerdeverfahren aufrecht erhaltenen Fassung schuldhaft verletzt. Anspruch 1 des Klagepatentes hebe sich dadurch vom Stand der Technik ab, dass eine antivirale Wirksamkeit von Cistus gegen Rhinoviren beschrieben werde, die in der Fähigkeit von Cistus bestehe, bereits die Infektion einer Zelle mit einem Rhinovirus zu unterbinden und bei der Prophylaxe gegen Erkältungskrankheiten eingesetzt zu werden. Aus seiner Sicht habe Anspruch 1 in der bisherigen Fassung diese Wirkweise und Zielrichtung der Wirkung bereits mit der Vorgabe „mit antiviraler Aktivität gegen Rhinoviren zur Prophylaxe … von Erkältungskrankheiten“ beschrieben. Nachdem die Beschwerdekammer diese Formulierung jedoch nur als Beschreibung eines inhärenten Effektes angesehen habe, sei das zusätzliche Merkmal „zur Hemmung der Infektiosität von Rhinoviren“ aufgenommen worden, um die therapeutische Anwendung der antiviralen Aktivität noch deutlicher zu beschreiben und klarzustellen, dass die antivirale Aktivität gegen Rhinoviren auch zum Einsatz kommen und die Infektiosität zielgerichtet bei der Vorbeugung gegen Erkältungskrankheiten hemmen solle. Insofern handele es sich zwar um eine Klarstellung, die auf den Umfang des Schutzbereichs keinen Einfluss habe, sie betreffe aber nicht ein inhärentes nichttechnisches Merkmal, sondern den therapeutischen Anwendungszweck und sei damit eine technische Vorgabe. Dies habe er bei der bisherigen Auslegung des Klagepatentanspruches auch berücksichtigt, indem er nicht die rein immunstimulierende oder entzündungshemmende Verwendung angegriffen habe, sondern nur solche Benutzungsformen, bei denen die antivirale Wirksamkeit von Cistus zur Anwendung gegen Erkältungskrankheiten gerade herausgehoben wurde, gerade auch zur Hemmung der Infektiosität von Rhinoviren. Die diesbezüglichen Rechtsverletzungen habe die Klägerin pflichtwidrig nicht unterbunden. Soweit die Klägerin nunmehr behaupte, ihrer Verpflichtung durch Belehrungen ihrer Berater nachgekommen zu sein, könne dies im Berufungsverfahren nicht mehr berücksichtigt werden; ihre diesbezüglichen Behauptungen würden mit Nichtwissen bestritten.

Die Klägerin beantragt,

die Anschlussberufung des Beklagten zurückzuweisen.

Sie hält die Anschlussberufung mangels Beschwer für unzulässig. Der Beklagte sei mit seinen Widerklageanträgen vor dem Landgericht in vollem Umfang durchgedrungen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist im Wesentlichen begründet. Zu Unrecht hat das Landgericht sie wegen einer vermeintlichen unmittelbaren Verletzung des Klagepatentes zur Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Entschädigung, Schadenersatz und Kostenerstattung verurteilt. Zu Unrecht hat das Landgericht auch die Klage in vollem Umfang abgewiesen; der Klägerin steht vielmehr der zugesprochene Betrag unter dem Gesichtspunkt der Erstattung von Kosten zur Verteidigung gegen die unberechtigte Abmahnung des Beklagten zu. Die Anschlussberufung des Klägers ist unzulässig.

1.
Zu Unrecht ist das Landgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klägerin das Klagepatent verletzt. Das angegriffene Verhalten der Klägerin greift weder in die dem landgerichtlichen Urteil zugrunde liegende damals geltende im Einspruchsverfahren erstinstanzlich aufrecht erhaltene noch in die im Einspruchsbeschwerdeverfahren entstandene Anspruchsfassung des Klagepatents ein.

a)
Das Klagepatent betrifft die Verwendung von Cistus zur Herstellung einer Zusammensetzung zur Prophylaxe gegen Erkältungskrankheiten (grippale Infekte), die eine Primärinfektion, hervorgerufen durch Rhinoviren, umfassen.

Typische Erkältungskrankheiten, zu denen Atemwegsinfekte wie Schnupfen und Mandel- und Rachenentzündungen sowie Husten und Bronchitis gehören, werden durch Viren ausgelöst; neben Adeno- und Coronaviren kommen insbesondere Rhinoviren als Erreger in Betracht. Diese auch als „grippaler Infekt“ bezeichneten Krankheiten sind zu unterscheiden von der durch Influenza-Viren hervorgerufenen „echten“ Grippe bzw. Influenza mit wesentlich stärkerem und länger dauerndem Krankheitsverlauf.

Da es über hundert verschiedene Typen von Viren gibt, die Schnupfen verursachen können und deshalb kein universeller Impfstoff entwickelt werden kann, richtet sich die Behandlung von Erkältungskrankheiten auf eine Linderung der Symptome. Als bewährte Hausmittel nennt die Klagepatentschrift zunächst das Inhalieren heißen Dampfes bei stark verstopfter Nase zum Abschwellen der Nasenschleimhaut und zur Unterstützung des Schleimausflusses sowie das regelmäßige Durchspülen der Nase mit einer Salzlösung zur Senkung der Anfälligkeit gegen Schnupfen (Abs. [0003]).

Anschließend werden Medikamente erörtert, die die Gefäße in der geschwollenen Nasenschleimhaut verengen und die Nasenschleimhaut beruhigen. Nasentropfen zur Abschwellung der Nasenschleimhaut sollten jedoch nicht länger als 2 bis 3 Tage angewendet werden; danach könne die Nasenschleimhaut nach dem Absetzen umso stärker anschwellen und sich ein „Medikamentenschnupfen“ (Rhinitis medicamentosea entwickeln (Abs. [0004]). Schnupfen werde vor allem durch in die Nasenschleimhäute eindringende Rhinoviren verursacht. Wenn daraufhin die Nase verstopft sei, hülfen Nasentropfen auf Cistus-Basis; die darin enthaltenen Polyphenole wirkten abschwellend und entzündungshemmend (Einschub gemäß Zwischenbescheid der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes vom 14. Januar 2011, Abs. [0004] a.E.).

Phytopharmaka schädigten im Gegensatz zu chemisch-synthetischen Nasensprays auch bei längerer Anwendung die Nasenschleimhaut nicht und verursachten keine Rhinitis medicamentosea. Je frühzeitiger sie angewandt würden, desto wirksamer seien sie. Schon bei ersten Anzeichen einer Erkältung könnten sie unterstützend eingesetzt werden und wirkten auch einer Ausbreitung der Infektion entgegen (Abs.[0005]).

An häufig bei Erkältungskrankheiten eingenommenen Echinacea-Präparaten wird bemängelt, kontrollierte Studien über die Wirksamkeit dieser Phyto-Therapeutika existierten nur in begrenztem Umfang und mit widersprüchlichen Ergebnissen. Eine neue Studie habe erst kürzlich ergeben, dass Echinacea nicht die postulierte Wirkung aufweist (Abs. [0006]).

Ein weiteres Medikament auf pflanzlicher Basis sei das unter dem Namen D vertriebene Extrakt aus den Wurzeln von Pelargonium reniforme oder sidoides, dem antibakterielle, antivirale und sekretolytische Wirkungen nachgesagt würden. Hieran wird neben seinem verhältnismäßig hohen Abgabepreis bemängelt, Schwangere und Stillende sowie Patienten mit Leber- und Nierenerkrankungen oder erhöhter Blutungsneigung sollten das Präparat nicht anwenden, da in diesen Bereichen keine ausreichenden Erfahrungen vorliegen (Abs. [0007]).

Als Aufgabe (technisches Problem) der Erfindung ist in der Klagepatentschrift, soweit der im Beschwerdeverfahren aufrecht erhaltene Anspruch 1 betroffen ist, angegeben, eine antivirale Zusammensetzung zur Prophylaxe gegen Erkältungskrankheiten (grippale Infekte), die eine Primärinfektion, hervorgerufen durch Rhinoviren, umfassen, zur Verfügung zu stellen, die kostengünstig hergestellt werden kann und keinerlei oder nur geringe Nebenwirkungen bei der Verabreichung hervor ruft (Abs. [0008]).

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent in der im Einspruchsbeschwerdeverfahren aufrecht erhaltenen Fassung seines Anspruches 1 folgendes vor (Abweichungen gegenüber der erstinstanzlich aufrecht erhaltenen Fassung sind durch Fettdruck hervorgehoben):

1. Verwendung von Cistus zur Herstellung einer Zusammensetzung.

2. Die Zusammensetzung hat antivirale Aktivität gegen Rhinoviren.

3. Die antivirale Aktivität liegt

a) in der Hemmung der Infektiosität von Rhinoviren
b) bei der Prophylaxe von Erkältungskrankheiten.

4. Die Erkältungskrankheit umfasst eine Primärinfektion, die durch Rhinoviren hervorgerufen
ist.

Die wesentliche Änderung der im Beschwerdeverfahren aufrecht erhaltenen Anspruchsfassung gegenüber derjenigen aus dem dortigen erstinstanzlichen Verfahren besteht darin, dass die unter Schutz gestellte Verwendung der Cistus enthaltenden Zusammensetzung sich nunmehr auf die Prophylaxe gegen Erkältungskrankheiten beschränkt und die Behandlung dieser Krankheiten nicht mehr umfasst. Merkmal 4 konkretisiert den Begriff der in Merkmal 3 genannten Erkältungskrankheiten und beschränkt sie auf eine Primärinfektion, hervorgerufen durch Rhinoviren. Unter Schutz gestellt ist also nicht die Verwendung gegen sämtliche Erkältungskrankheiten, die die Klagepatentbeschreibung etwa in den Absätzen [0002], [0011], [0019] und [0044] als Erkältungskrankheiten bezeichnet, sondern nur diejenigen, die durch Rhinoviren hervorgerufen werden. Die Bekämpfung von Adeno- und Coronaviren oder sonstigen Erregern steht daher nicht unter Schutz.

Des Weiteren beschränkt das Merkmal 4 den Kreis der zu bekämpfenden Erkältungskrankheiten auf eine Primärinfektion, hervorgerufen durch Rhinoviren. Sekundäre Infektionen – als solche bezeichnet die Klagepatentbeschreibung bakterielle Infektionen, die sich auf die bereits bestehende Virusinfektion „aufsetzen“ (Abs. [0021]) –, gehören entgegen den Ausführungen der Klagepatentbeschreibung im letztgenannten Absatz nicht zum geschützten Anwendungsbereich. Da dieses Anwendungsgebiet nur in der Beschreibung steht und im Anspruch 1 keinen Niederschlag gefunden hat, nimmt es am Patentschutz nicht teil.

Das im Einspruchsbeschwerdeverfahren neu hinzugekommene Merkmal 3a konkretisiert die in Merkmal 2 verlangte antivirale Aktivität der Zusammensetzung gegen Rhinoviren dahin, dass diese Aktivität in einer Hemmung der Infektiosität dieser Viren besteht. Zutreffend weist der Beklagte darauf hin, dass das Merkmal 2 mit seiner Vorgabe der antiviralen Aktivität gegen Rhinoviren nicht nur sinnfrei einen der Zusammensetzung innewohnenden Effekt beschrieb, sondern dass die Zusammenschau mit Merkmal 2 ergibt, dass diese antivirale Aktivität gegen Rhinoviren zielgerichtet zur Prophylaxe (und bisher auch bei der Behandlung) von Erkältungskrankheiten eingesetzt werden sollte und dass das Merkmal 3a dies lediglich noch einmal verdeutlicht. Auf welche Weise die Infektiosität gehemmt wird, etwa ob die Viren abgetötet oder nur unfähig gemacht werden, in menschliche Zellen einzudringen, ist ohne Bedeutung.

b)
Entgegen der Ansicht des Landgerichts ergeben die getroffenen tatrichterlichen Feststellungen keine unmittelbare Verletzung des Klagepatentanspruches 1. Ob sie zumindest die Feststellung einer mittelbaren Verletzung des Klagepatentes rechtfertigten, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, nachdem der Beklagte auf ausdrücklichen richterlichen Hinweis bewusst an seinen auf eine unmittelbare Patentverletzung zugeschnittenen Klageanträgen festgehalten und ausdrücklich erklärt hat, Ansprüche wegen mittelbarer Patentverletzung nicht geltend zu machen (siehe Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 20. Dezember 2012, S. 2, Abs. 2; Bl. 362 d.A.).

aa)
Der Klagepatentanspruch 1 setzt nach seinem Merkmal 1. voraus, dass die Verwendung von Pflanzen der Gattung Cistus „zur Herstellung einer Zusammensetzung“ erfolgt. Anspruch 1 des Klagepatents ist ein sog. „Schweizer Anspruch“, der neben der Verwendung auch die Herstellung umfasst und dessen spezifische Fassung durch folgenden Anspruchsaufbau gekennzeichnet ist: „Verwendung des Stoffes A zur Herstellung eines Präparates zur Behandlung der Krankheit B“ (vgl. Gruber/Zumbusch/Haberl/Oldekop, Europäisches und Internationales Patentrecht, 7. Aufl. 2012, 12. Kap. Rdnr. 12.35 unter bb). Die Charakteristik dieser Anspruchsfassung hat ihren Hintergrund in Art. 53 c) EPÜ, wonach europäische Patente unter anderem nicht für Verfahren zur therapeutischen Behandlung des menschlichen Körpers erteilt werden. Der Zweck des Art. 53 c) EPÜ ist es – wie bei Art. 52 Abs. 4 EPÜ 1973 -, die Tätigkeiten des Arztes auf dem Gebiet der Human- und Veterinärmedizin von patentrechtlichen Beschränkungen freizuhalten: Der Arzt soll in der Auswahl von Maßnahmen zur Behandlung und Heilung von Krankheiten nicht beschränkt werden (BGH, GRUR 2007, 404 – Carvedilol II; GRUR 2001, 321 – Endoprotheseneinsatz; vgl. BGH, GRUR 2010, 181 – Bildunterstützung bei Katheternavigation).

Im EPÜ 1973 war diesbezüglich als Ausnahmefall die Verwendung eines Stoffes zur zweiten (und weiteren) medizinischen Indikation anerkannt (Gruber/Zumbusch/Haberl/Oldekop, a.a.O.). Da jedoch ein Anspruch auf Verwendung eines Stoffes zur therapeutischen Behandlung wesensgleich ist mit einem Verfahren zur therapeutischen Behandlung, das nach Art. 52 Abs. 4 S. 1 EPÜ 1973 als gewerblich nicht anwendbar galt, wurden unter Geltung des EPÜ 1973 nur solche Ansprüche für zulässig erachtet, die (auch) auf die vorangegangene Herstellung des Arzneimittels gerichtet waren, weil die Herstellung im gewerblichen Bereich stattfindet (EPA T 958/94 – ABl. 1997, 241 – Antitumormittel/THERAPEUTIQUES SUBSTITUTIVES). Insoweit wurde im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung insbesondere die Verwendung des „Schweizer Anspruches“ durch die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes anerkannt (EPA G 01/83 – ABl. 1985, 60 ff. = GRUR Int. 1985, 193 – Zweite medizinische Indikation/BAYER).

Im EPÜ 2000 wurde als Ausnahme zu Art. 53 c) S.1 EPÜ der Schutz der zweiten und weiterer Indikationen im neuen Art. 54 Abs. 5 EPÜ kodifiziert, wonach die Patentierbarkeit von Stoffen zur spezifischen Anwendung in einem therapeutischen Verfahren möglich ist, wenn diese spezifische Anwendung nicht zum Stand der Technik gehört. Art. 54 Abs. 5 EPÜ ist ebenfalls als Ausnahme vom Grundsatz zu verstehen, dass Erzeugnisansprüche nur für – absolut – neue Produkte gewährt werden, wobei es sich um einen zweckgebundenen Stoffschutz handelt (Meier-Beck, GRUR 2009, 300, 304 f).

bb)
Für die Frage der Verwirklichung des Merkmals 1 ist vor diesem Hintergrund zwingend im Blick zu halten, dass der Anspruch 1 des Klagepatents keinen absoluten Sachschutz vermittelt, sondern lediglich ein Verwendungspatent darstellt, wobei zusätzlich die Besonderheit seiner Fassung als „Schweizer Anspruch“ zu beachten ist. Die geschützte Verwendung besteht – worauf der Senat bereits mit Beschluss vom 14. Dezember 2012 hingewiesen hat – nicht im bloßen Gebrauch von Pflanzen der Gattung Cistus durch den Patienten zur Prophylaxe von Erkältungskrankheiten. Vielmehr ist dessen Verwendung zur Herstellung eines Medikaments unter Schutz gestellt. Dabei begnügt sich der Patentanspruch nicht mit einer allgemein gehaltenen Verwendungsanleitung dahingehend, unter Heranziehung von Pflanzen der Gattung Cistus diese Zusammensetzung herzustellen. Namentlich die geforderte Prophylaxe von Erkältungskrankheiten ist keine Frage der im Objektiven gegebenen oder fehlenden Wirksamkeit von Cistus, sondern eine Frage des speziellen Einsatzzwecks der Zusammensetzung. Das Erfinderische liegt dementsprechend auch nicht darin, Cistus Incanus überhaupt für die Herstellung einer Zusammensetzung zu gebrauchen, sondern darin, dies für den speziellen Einsatzzweck, nämlich für die „Prophylaxe von Erkältungskrankheiten“, zu tun. Am Ende der patentierten Verwendung soll mithin eine Zusammensetzung stehen, die – erstens – Cistus Incanus als Inhaltsstoff enthält und deren Einsatzzweck – zweitens – die Prophylaxe gegen Erkältungskrankheiten ist.

Dem steht nicht entgegen, dass die Große Beschwerdekammer nunmehr entschieden hat, dass der Schweizer Anspruch unter Geltung des EPÜ 2000 nicht mehr zulässig ist, da es einer derartigen Fassung mit Blick auf Art. 54 Abs. 5 EPÜ nicht mehr bedürfe (EPA G 2/08 – ABl. 2010, 456 – Dosieranleitung/ABBOTT RESPIRATORY). Denn letztgenannte Rechtsprechung gilt erst für Anmeldungen, deren Anmelde-/Prioritätstag drei Monate nach Veröffentlichung dieser Entscheidung liegt; eine Rückwirkung hat die Große Beschwerdekammer ausdrücklich nicht angeordnet. Diese zeitliche Komponente ist hinsichtlich des Klagepatents ersichtlich nicht erfüllt, da die betreffende Entscheidung der Großen Beschwerdekammer erst am 19. Februar 2010 erging und das bereits am 24. März 2006 angemeldete Klagepatent nicht erfasst. Unabhängig davon ist allgemeinen Grundsätzen zufolge für den Verletzungsprozess ohnehin allein die in Kraft stehende und geltend gemachte Anspruchsfassung maßgeblich, auch wenn diese heute in dieser Form nicht mehr erteilungsfähig wäre. Der Kläger hat seinerzeit diese Anspruchsfassung gewählt, um auf der Basis der bis dahin vom Europäischen Patentamt angewandten Kriterien Patentschutz zu erhalten. Es geht nicht an, den bestandskräftig erteilten Anspruch im Nachhinein mit Blick auf eine nur ex nunc wirkende, geänderte Rechtsprechung des EPA in einem Sinne auszulegen, der durch die erteilte Fassung gerade nicht gedeckt wäre.

cc)
In Anwendung vorstehender Grundsätze fällt der Klägerin keine Verwendung von Cistus zur Herstellung einer Zusammensetzung zur Prophylaxe von Erkältungskrankheiten zur Last.

Die Verwendung eines Stoffes für die Herstellung eines Mittels zu einem therapeutischen Zweck ist patentrechtlich bereits die Verwendung des Stoffs zu diesem Zweck, wobei die Verwendung bereits in dessen sinnfälliger Herrichtung bestehen kann (BGH, GRUR 2001, 730 – Trigonellin).

(1)
Eine solche sinnfällige Herrichtung kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs etwa in der auf den speziellen Verwendungszweck abgestellten Formulierung und Konfektionierung eines Medikaments sowie in dessen Dosierung liegen (vgl. BGH, GRUR 1983, 729 – Hydropyridin; vgl. BGH, GRUR 1990, 505 – geschlitzte Abdeckfolie; vgl. BGH, GRUR 2005, 845 – Abgasreinigungsvorrichtung).

Der Beklagte ist dem Hinweis des Senats (Beschluss vom 14. Dezember 2012) nicht entgegen getreten, den angegriffenen Präparaten werde der erfindungsgemäße Verwendungszweck nicht unmittelbar durch eine ganz bestimmte Abmischung (d.h. besondere Mengenverhältnisse oder Begleitstoffe) und erst recht nicht durch eine spezielle äußere Gestaltung (Formgebung) verliehen worden sein, so dass feststeht, dass diese Voraussetzungen bei den angegriffenen Produkten nicht gegeben sind.

(2)
Zwar ist nach der unter (1) zitierten BGH-Rechtsprechung ebenso anerkannt, dass die Herrichtung auch in der Beifügung eines Beipackzettels liegen kann. Auch wenn die betreffende Beifügung an sich kein Bestandteil des eigentlichen Herstellungsverfahrens ist, muss sie dem Herstellungsakt gedanklich zugerechnet werden, um das erfindungsgemäße Herstellungsverfahren vom Stand der Technik unterscheiden zu können (vgl. Meier-Beck, GRUR 2009, 300, 303). Zu beachten ist allerdings, dass die in Verkehr gebrachte Sache als solche auf die patentgeschützte Verwendung ausgerichtet werden muss. Allgemeine Werbeankündigungen, die sich losgelöst vom Vertrieb der konkreten Sache mit der patentierten Verwendung befassen, sind unzureichend und können allenfalls die Grundlage für eine mittelbare Verletzung des Verwendungspatents sein (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 6. Auflage, Rdnr. 217). Derartige allgemeine Werbeankündigungen stellen kein sinnfälliges Herrichten der in Verkehr gebrachten Sache dar, weil sie nicht den notwendigen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Produkt selbst aufweisen, der erst dessen Verwendung in der zweckgerichteten Weise gewährleistet. Anders als bei einer Herrichtungsmaßnahme an der Sache selbst bleibt bei einer Gebrauchsanleitung, die nur in allgemeinen Werbeunterlagen ihren Niederschlag gefunden hat, gänzlich im Ungewissen, ob der Empfänger der (zu verwendenden) Sache überhaupt von ihr Notiz nimmt, weswegen es dementsprechend auch ungewiss bleibt, ob es tatsächlich zu der patentgeschützten Verwendung des Sache kommt oder nicht. In Anbetracht der vorliegenden Fassung von Anspruch 1 muss jedenfalls am Schluss der im Klagepatent gelehrten Verwendung (nämlich der Herstellung der angegriffenen Ausführungsformen) eine Zusammensetzung aus einem Extrakt aus Pflanzen der Gattung Cistus mit dem speziellen Einsatzzweck stehen, was aus den vorgenannten Gründen vorliegend nicht feststellbar ist.

Es kann deshalb dahinstehen, ob die Werbemaßnahmen der selbständigen Berater der Klägerin zurechenbar sind.

2.
Dagegen ist die Klage, soweit über sie noch streitig zu entscheiden ist, zum überwiegenden Teil begründet. Da die Schutzrechtsverwarnung des Beklagten aus dem Klagepatent mangels Patentverletzung unberechtigt war, hat die Klägerin in Höhe von 13.972,44 Euro teils aus eigenem und im Übrigen aus abgetretenem Recht einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB auf Erstattung der Kosten, die sie selbst und ihre beiden ebenfalls abgemahnten Berater Abwehr der Schutzrechtsverwarnungen des Beklagten aufgewandt haben; soweit sie darüber hinaus auch Kosten für die Hinterlegung von Schutzschriften bei 11 Patentverletzungsgerichten in der Bundesrepublik Deutschland erstattet verlangt, ist die Klage dagegen unbegründet.

a)
Nach § 823 Abs. 1 BGB hat der Beklagte der Klägerin und ihren beiden Beratern die aufgewendeten Rechts- und Patentanwaltskosten zur Abwehr der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung zu erstatten. Durch die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung hat sie schuldhaft in das nach § 823 Abs. 1 BGB geschützte Recht der Klägerin und auch ihrer beiden mit abgemahnten Berater am jeweils eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen; dass rechtswidrige und schuldhafte Schutzrechtsverwarnungen in dieses Recht eingreifen, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt (BGH GRUR 2005, 882 – unberechtigte Schutzrechtsverwarnung; Ahrens/Achilles, Der Wettbewerbsprozess, 6. Aufl. 2009, Kapitel 3 Rdnr. 16 m.w.N.). Das Verschulden des Beklagten folgt daraus, dass er den Schutzbereich des Klagepatentes fahrlässig im Sinne des § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB verkannt hat. Hätte er wie dort von ihm gefordert die im Verkehr erforderliche Sorgfalt walten lassen, hätte er den Schutzumfang des geltend gemachten Patentanspruches 1 genauer geprüft und bei Einholung zutreffender rechtlicher Beratung auch richtig erfassen können. Vom zutreffenden Verständnis des Hauptanspruches 1 aus hätte er dann auch erkennen können, dass die Klägerin mit ihrem Verhalten das Klagepatent ebenso wenig verletzt hat wie ihre Berater.

b)
Die geltend gemachten Aufwendungen für die Honorare für rechts- und patentanwaltliche Tätigkeiten gehören zum Schaden, den die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung dem zu Unrecht Abgemahnten zugefügt hat. Darüber, ob die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts sowie gegebenenfalls zusätzlich eines Patentanwalts im konkreten Einzelfall erforderlich war, entscheiden dieselben Grundsätze, die für die Erstattung der Anwaltskosten für eine Abmahnung gelten (BGH GRUR 2012, 756 – Kosten des Patentanwalts III; Kühnen, a.a.O., Rdnr. 705). Für Abmahnungen ist die Erstattungsfähigkeit der für einen Rechtsanwalt aufgewendeten Kosten und in aller Regel auch derjenigen patentanwaltlicher Tätigkeit zu bejahen. Zwar beruhen die Abmahnkosten auf einer freien Willensentscheidung des Abmahnenden; auch im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes gilt jedoch der Grundsatz, dass ein Verletzer denjenigen Schaden, der ihm durch eine Handlung entstanden ist, die auf einer von ihm selbst getroffenen Willensentscheidung beruht, dann ersetzt verlangen kann, wenn die Handlung durch ein rechtswidriges Verhalten eines anderen herausgefordert worden ist und eine nicht ungewöhnliche Reaktion auf dieses Verhalten darstellt. Speziell bei Aufwendungen kommt eine Ersatzpflicht in Betracht, wenn ein wirtschaftlich denkender Mensch sie für notwendig erachten durfte, um einen konkret drohenden Schadenseintritt zu verhüten (BGH GRUR 2007, 631 – Abmahnaktion). Mit Blick auf eine vorgerichtliche Abmahnung wegen Patentverletzung ist dies nicht zuletzt mit Blick auf § 93 ZPO ohne weiteres zu bejahen (vgl. zum Ganzen Kühnen, a.a.O., Rdnr. 636). Besteht dieser verhütete Schaden im Falle einer Abmahnung in den Vermögensnachteilen, die der Abmahnende durch eine Fortsetzung der angegriffenen Verletzungshandlungen erleidet, so besteht er im umgekehrten Fall der Abwehr einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung in den Nachteilen, die dem zu Unrecht Abgemahnten dadurch entstehen können, dass er sich wie ein Schutzrechtsverletzer der Abmahnung fügt und das angegriffene Verhalten einstellt.

Gegen die Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwalts- und/oder Patentanwaltskosten wird allerdings eingewandt, die insoweit getätigten Aufwendungen zählten unter dem Gesichtspunkt der Adäquanz nicht zum Schaden des zu Unrecht Verwarnten. Der zu ersetzende Eingriff in den Gewerbebetrieb des Verwarnten liege nur darin, dass dieser infolge der Geltendmachung eines in Wirklichkeit nicht bestehenden oder nicht so weitreichenden Ausschließlichkeitsrechts und der damit einhergehenden Androhung sonst einschlagender Rechtsfolgen veranlasst wird, das so nicht bestehende Ausschließlichkeitsrecht zu respektieren und dadurch ungerechtfertigt seine Teilnahme am Marktgeschehen einzuschränken, wogegen er es hinnehmen müsse, sich einer Auseinandersetzung über den Schutzbereich eines in seinem Betätigungsfeld existierenden Schutzrechts zu stellen und als Folge und Risiko seiner Marktteilnahme auch die damit einhergehenden Kosten zu tragen (Ahrens/Achilles, a.a.O., Rdnr. 19). Die Einschaltung eines Rechts- oder Patentanwaltes beruhe dagegen auch hier zunächst einmal auf dem eigenen Entschluss des Abgemahnten, der sich nicht zuletzt im eigenen Interesse über die Erfolgsaussichten des gegnerischen Begehrens beraten lasse, um die Rechtmäßigkeit des Verhaltens zu klären und es zu vermeiden, bei eventueller Begründetheit des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs die höheren Kosten einer gerichtlichen Auseinandersetzung tragen zu müssen (Archilles, a.a.O.). Etwas anderes gelte nur, wenn gerade die von der Verwarnung ausgehende spezifische Drucksituation einen sonst nicht nahe liegenden Beratungsbedarf auslöse oder zu höheren Beratungsaufwendungen veranlasse, als sie sonst angezeigt gewesen wären (Ahrens/Achilles, a.a.O. Rdnr. 19). Dieser Auffassung vermag der Senat nicht zuzustimmen. Sie wird der Situation nicht gerecht, in die die Schutzrechtsverwarnung den Verwarnten bringt. Für ihn steht die fehlende Berechtigung nicht von vornherein fest, sondern sie bedarf der sorgfältigen Überprüfung. Dazu wird regelmäßig zu klären sein, ob die beanstandeten Handlungen tatsächlich mit der unter Schutz gestellten technischen Lehre übereinstimmen, ob das Abmahnungsschutzrecht rechtsbeständig ist, die Abmahnung den formalen Anforderungen genügt oder sonstige Einwände gegen den geltend gemachten Anspruch bestehen. Die in diesem Zusammenhang zu prüfenden Fragen sind regelmäßig sehr komplex, wobei auch die Reichweite der Folgen in den Blick zu nehmen ist, die die möglichen Reaktionen auf eine Abmahnung nach sich ziehen. Entscheidet sich der Abgemahnte, auf die Abmahnung nicht zu reagieren, droht ihm eine gerichtliche Inanspruchnahme mit erheblichem Kostenrisiko. Entscheidet er sich für die Abgabe der geforderten Unterlassungserklärung, unterwirft er sich einem grundsätzlich dauerhaften Verbot des abgemahnten Verhaltens und setzt sich zudem dem Risiko aus, gegen das Verbot zu verstoßen und daraufhin hohe Vertragsstrafen zahlen zu müssen. Die Tragweite einer Unterlassungserklärung ist auch deshalb erheblich, weil der Abgemahnte an das Verbot und das Vertragsstrafeversprechen grundsätzlich auch dann gebunden ist, wenn von Anfang an kein gesetzlicher Unterlassungsanspruch besteht (vgl. BGH GRUR 2010, 946, 947 – Kündigung eines presserechtlichen Unterlassungsvertrages). Zu Recht wird deshalb bei der Frage, wie auf eine Abmahnung zu reagieren ist, die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes nach überwiegender Meinung für regelmäßig erforderlich gehalten (vgl. zum Ganzen Chudziak, GRUR 2012, 133; Kühnen, a.a.O., Rdnr. 705).

Diese Überlegungen mussten auch im hier zur Entscheidung stehenden Fall angestellt werden. Schon daraus rechtfertigt sich, dass sowohl die Klägerin als auch ihre beiden Berater sich vor der Beantwortung der Abmahnung rechtsanwaltlicher Hilfe bedient haben. Darüber hinaus konnte ihnen auch die Einschaltung eines Patentanwaltes nicht verwehrt werden. Allerdings ergibt sich die Erstattungsfähigkeit für die vorgerichtliche Tätigkeit noch nicht aus § 143 Abs. 3 PatG, der für den hier in Rede stehenden materiell-rechtlichen Erstattungsanspruch nicht gilt (BGH GRUR 2011, 754 – Kosten des Patentanwalts II; OLG Düsseldorf InstGE 9, 35 – Patentanwaltskosten für Abschlussschreiben; OLG Frankfurt a.M., GRUR-RR 2010, 127 – vorgerichtliche Patentanwaltskosten; Kühnen, a.a.O., Rdnr. 640). Agiert der Patentanwalt nicht allein, sondern wirkt er neben einem Rechtsanwalt mit, setzt die Notwendigkeit voraus, dass der Patentanwalt Aufgaben übernommen hat, die zum typischen Aufgabengebiet eines Patentanwaltes gehören und zu denen der Rechtsanwalt nicht in der Lage ist (BGH GRUR 2011, 754 – Kosten des Patentanwalts II). Es genügen Recherchen zum Registerstand, zur Schutzfähigkeit des abgemahnten Schutzrechtes oder zur Benutzungslage. Ob die Einschaltung des Rechtsanwalts die zusätzliche Mitwirkung eines Patentanwaltes entbehrlich macht, ist mit Blick auf die konkrete Person und Sachkunde des mandatierten Rechtsanwaltes und Patentanwaltes zu beurteilen (BGH, a.a.O., Kosten des Patentanwaltes II; GRUR 2012, 759 – Kosten des Patentanwaltes IV; Kühnen, a.a.O., Rdnr. 640). Geht man hiervon aus, fiel im Rahmen der Abwehr der unberechtigten Schutzrechtsverwarnungen in den patentanwaltlichen Aufgabenbereich in jedem Fall neben der Prüfung der Schutzfähigkeit des Klagepatentes auch und insbesondere die Überprüfung der Benutzungslage, die erhebliche Schwierigkeiten mit sich brachte, die Reichweite des geltend gemachten Patentanspruches 1 zutreffend zu erfassen. Da es im vorliegenden Fall nicht um die Aufarbeitung in Rechtsprechung und Literatur weitgehend geklärter Fragen ging, sondern um die rechtlich seltene Konstellation, in der ein Schweizer Anspruch mit den Anforderungen an das sinnfällige Herrichten einer Sache zur patentgeschützten Verwendung zusammentrifft, ergaben sich im Streitfall besondere Schwierigkeiten in der rechtlichen Beurteilung, deren Bewältigung auch von im gewerblichen Rechtsschutz erfahrenen Rechtsanwälten ohne patentanwaltliche Unterstützung nicht immer erwartet werden kann. Wie hoch die Schwierigkeiten im Streitfall waren, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass es erst der mit Beschluss vom 14. Dezember 2012 gegebenen Hinweise des Senats bedurfte, um die Beteiligten auf die eigentlichen rechtlichen Zweifelsfragen des vorliegenden Falles aufmerksam zu machen.

Daraus ergibt sich zugleich, dass die rechts- und patentanwaltlichen Vertreter der Klägerin ihre Geschäftsgebühr für die Beantwortung der Abmahnung zutreffend nach einem Gebührensatz von 1,3 berechnet haben, die in Patentverletzungssachen ohnehin regelmäßig zugrunde gelegt wird. Bei der Angabe des Streitwertes von 250.000,– Euro ist zu Recht der Streitwert übernommen worden, den der Beklagte seiner Abmahnung zugrunde gelegt hat, den auch das Landgericht zutreffend und unangefochten für das erstinstanzliche Verfahren festgesetzt hat und dem auch der Senat bei der Wertfestsetzung für das Berufungsverfahren gefolgt ist.

c)
Hiervon ausgehend berechnen sich die vom Beklagten der Klägerin zu erstattenden Kosten wie folgt:

aa) Erstattung der Abwehrkosten der Klägerin:

Geschäftsgebühr §§ 13, 14 Nr. 2300 VV RVG (1,3) 2.667,60 €
abzgl. 50 % Anrechnung Vorbem. 3 IV VV RVG 1.333,80 €
Zwischenergebnis: 1.333,80 €
zzgl. Pauschale für Post und Telekommunikation Nr. 7002
VV RVG 20,00 €
Zwischensumme 1.353,80 €
19 % MWSt Nr. 7008 VV RVG 257,22 €
Summe 1.611,02 €

Die Anrechnung gilt auch für die Geschäftsgebühr zur Abwehr einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung (vgl. Kühnen, a.a.O., Rdn. 646). Berücksichtigt man, dass die Klägerin neben ihrem rechtsanwaltlichen Berater auch einen Patentanwalt beauftragt hatte, verdoppelt sich der vorstehend ermittelte Betrag auf 3.222,04 Euro.

bb) Ansprüche ihrer Berater Klarner und Shevchenko aus abgetretenem Recht

Insoweit steht der Klägerin jeweils ein Anspruch von 2.867,60 Euro zu, der sich zusammensetzt aus der 1,3 Geschäftsgebühr von 2.667,60 Euro und der Auslagenpauschale von 20 Euro. Die gesetzliche Mehrwertsteuer hat nicht der Abtretung unterlegen und konnte daher auch nicht berücksichtigt werden.

Der Senat hat nicht verkannt, dass beide Berater dem vollen Honoraranspruch nur bzgl. der Abwehr der in der Abmahnung geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung und Auskunftserteilung/Rechnungslegung unterliegen, während für die Schadenersatz- und Entschädigungsansprüche nur die Erhöhungsgebühr von 0,3 (VV RVG Nr. 1008) angefallen ist, weil insoweit gebührenrechtlich nur eine Angelegenheit vorliegt (BGH GRUR-RR 2008, 460; Kühnen, a.a.O., Rdnr. 576, 577). Geht man jedoch für die Berechnung der Vergütung für die Ansprüche auf Unterlassung und Auskunft/Rechnungslegung von einem Streitwert von 200.000,– Euro und für diejenigen auf Entschädigung und Schadenersatz von einem Wert von 50.000,– Euro aus, dann ergibt eine 1,3 Geschäftsgebühr den Betrag von 2.360,80 Euro, der mit der 0,3 Erhöhungsgebühr von 544,80 Euro zu einer Gesamtsumme von 2.905,60 Euro zu addieren ist. Da dies jedoch mehr ist als der nach dem höchsten Gesamtwert von 250.000,– Euro berechnete Betrag von 2.667,60 Euro, ist das Honorar nach § 15 Abs. 3 2. Halbsatz RVG insoweit auf den letztgenannten Betrag zu begrenzen (vgl. Kühnen, a.a.O., Rdn. 653), der sich um die Auslagenpauschale von 20,– Euro auf 2.687,60 Euro erhöht.

Da für die patentanwaltliche Tätigkeit derselbe Betrag angefallen ist, erhöht sich die Erstattungssumme für jeden der beiden Berater auf 5.375,20 Euro, so dass die Klägerin aus abgetretenem Recht insgesamt 10.750,40 Euro vom Beklagten erstattet verlangen kann. Rechnet man den Erstattungsbetrag von 3.222,04 Euro aus eigenem Recht hinzu, ergibt sich die vom Beklagten zu erstattende Gesamtsumme von 13.972,44 Euro.

Der Zinsausspruch beruht auf den §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.

3.
Unbegründet ist die Klage dagegen, soweit die Klägerin auch Erstattung ihrer und der Berater Honoraraufwendungen für rechts- und patentanwaltliche Tätigkeiten zur Hinterlegung der Schutzschriften verlangt. Für das gerichtliche Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 104 ff. ZPO ist anerkannt, dass die Kosten einer Schutzschrift bei Vorliegen eines den Gläubiger günstigen Kostentitels nur dann erstattungsfähig sind, wenn ein entsprechender Verfügungsantrag bei Gericht tatsächlich anhängig wird (BGH GRUR 2007, 727 – Kosten der Schutzschrift II; GRUR 2003, 456 – Kosten der Schutzschrift I; Kühnen, a.a.O., Rdnr. 1878; Ahrens/Spätgens, a.a.O., Kapitel 6, Rdnr. 25, 26 m.w.N.). Im Kostenfestsetzungsverfahren wären die Kosten zur Erstellung und Hinterlegung der Schutzschriften nach diesen Grundsätzen nicht erstattungsfähig, weil bei keinem Patentverletzungsgericht ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung aus dem Klagepatent eingegangen ist.

Dieselben Grundsätze müssen auch für den hier zur Entscheidung stehenden materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch geltend. Kann schon zur Abwehr einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung, zu deren Durchsetzung wegen der häufig nur geringfügigen Auswirkungen auf den Antragsgegner verhältnismäßig häufig eine Beschlussverfügung ergeht, eine Erstattungsfähigkeit nur anerkannt werden, wenn tatsächlich ein entsprechender Verfügungsantrag bei Gericht angebracht wird, so muss das erst recht gelten, wenn die Schutzschrift zur Abwehr einer befürchteten einstweiligen Verfügung wegen Patentverletzung erstellt und eingereicht wird, zumal dort wegen der einschneidenden Auswirkungen insbesondere einer Unterlassungsverfügung kaum eine gerichtliche Entscheidung im Beschlusswege ohne mündliche Verhandlung ergeht, sondern im Allgemeinen erst nach Gewährung rechtlichen Gehörs und im Zweifel mündlicher Verhandlung durch Urteil entschieden wird, so dass der Antragsgegner und Verfügungsbeklagte seine Verteidigung in der mündlichen Verhandlung vortragen kann, ohne dass es zuvor einer Schutzschrift bedarf, die dem Gericht das beabsichtigte Verteidigungsvorbringen schon vorab zur Kenntnis bringt. Unter diesen Umständen kann der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch keinesfalls weiter gehen als der prozessuale Kostenerstattungsanspruch.

4.
Die Anschlussberufung des Beklagten ist unzulässig. Allerdings erfordert die Anschlussberufung keine Beschwer (BGH, GRUR 2011, 1043, 1044 – TÜV II, BGHZ 4, 229, 234; NJW 1980, 702; NJW 1994, 944, 945; Musielak/Ball, ZPO, 9. Aufl., § 524, Rdnr. 10 m.w.N.; a.A. Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 524, Rdnr. 31). Wer als Kläger in erster Instanz voll obsiegt hat, kann seine Klage nur erweitern, wenn er sich der Berufung des Gegners anschließt; eine selbstständige Berufung ist mangels Beschwer nicht möglich (BGHZ 4, 229, 234; BGH, GRUR 2011, a.a.O. und MDR 1978, 398; Musielak/Ball, a.a.O.). Voraussetzung ist nur, dass eine Abänderung des Urteils zu Gunsten des Anschlussberufungsklägers mindestens möglich ist und dessen Begehren über das ihm bereits vom Landgericht Zugesprochene hinausgeht (vgl. Zöller/Heßler, a.a.O., BGH, GRUR 2011, 1043, 1044 – TÜV II, BGH NJW-RR 1988, 185). Das ist hier nicht der Fall, auch wenn der im Einspruchsverfahren in erster Instanz auf Cistus incanus beschränkte Klagepatentanspruch 1 im Beschwerdeverfahren wieder entsprechend der erteilten Fassung allgemein auf Cistus bezogen wurde. Die Beseitigung dieser Beschränkung hat im Streitfall keine praktische Bedeutung. Die real in den Verkehr gebrachten und beworbenen angegriffenen Präparate enthalten sämtlich nur Cistus incanus. Zwar hat die Klägerin ihre negative Feststellungsklage – entsprechend der damals noch geltenden erteilten Anspruchsfassung – allgemein auf Cistus enthaltende Zusammensetzungen bezogen (vgl. Bl. 2 d.A.), dass sie aber auch andere Cistus-Arten verwenden will, ist nicht erkennbar. Dementsprechend haben beide Parteien – auch die Klägerin – den Rechtsstreit mit Blick auf die Leistungswiderklage des Beklagten, die auf Cistus incanus beschränkt war (vgl. Bl. 52 d.A.), im Umfang der gesamten negativen Feststellungsklage übereinstimmend für erledigt erklärt. Das hätte nicht geschehen dürfen, wenn noch weitere Ausführungsformen mit anderen Cistus-Arten existierten oder demnächst eingeführt werden sollten. Es gibt nur die Cistus-incanus-Präparate der Klägerin, und diese werden sowohl von einem auf Cistus incanus beschränkten als auch von einem allgemein Cistus geltenden Anspruch erfasst.

III.

Entsprechend den beiderseitigen Unterliegensanteilen hat der Senat die Kosten nach § 92 Abs. 1 ZPO auf beide Parteien verteilt; die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Es bestand keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, weil die in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen dafür ersichtlich nicht gegeben sind. Die vorliegende Rechtssache wirft als reine Einzelfallentscheidung weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung noch solche auf, die zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes als Revisionsgericht bedurften.