2 U 60/11 – Waage mit Tragplatte

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2052

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 6. Juni 2013, Az 2 U 60/11

Vorinstanz: 4b O 35/10

I.
Die Berufung gegen das Urteil der 4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 31. Mai 2011 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen,

dass der Tenor zu Ziffer I. 1. des landgerichtlichen Urteils wie folgt gefasst wird:

Die Beklagten werden verurteilt,

es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen,

Waagen mit einer Tragplatte zur Aufnahme einer zu wiegenden Masse und mit einer elektrischen Schaltvorrichtung zur Aus- oder Anwahl einer Funktion der Waage,

in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei denen die Schaltvorrichtung einen kapazitiven Näherungsschalter mit einer an der Tragplatte angeordneten Elektrode zur Überwachung der Umgebungskapazität der Elektrode aufweist, wobei die Tragplatte aus einem elektrisch nicht leitenden Material besteht und die Elektrode unter der Tragplatte angeordnet ist und die mit den elektrischen Schaltvorrichtungen erfolgende Aus- oder Anwahl einer Funktion im Einschalten der Waage besteht.

II.
Die Beklagten haben auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III.
Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts Düsseldorf sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 375.000,00 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.

V.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 375.000,00 EUR festgesetzt.

G r ü n d e

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 1 371 XXX (Klagepatent) in Anspruch, dessen eingetragene Inhaberin sie ist. Das Klagepatent wurde am 07. Juni 2003 unter Inanspruchnahme zweier deutscher Prioritäten vom 14. Juni 2002 und 27. Februar 2003 von der B GmbH & Co. KG angemeldet. Die Anmeldung wurde am 17. Dezember 2003, der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents am 23. September 2009 veröffentlicht. Die Klägerin ist als einzig verbliebene Gesellschafterin der B GmbH & Co. KG deren Gesamtrechtsnachfolgerin und seit dem 27.08.2009 als Inhaberin des Klagepatents im Register eingetragen. Das Klagepatent steht in Kraft.

Das Klagepatent ist Gegenstand eines unter anderem von der Beklagten zu 2) eingeleiteten Einspruchsverfahrens vor dem EPA gewesen. Mit Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung vom 21. Juni 2011 ist es beschränkt aufrechterhalten worden. Die gegen diese Entscheidung gerichteten, unter anderem von der Klägerin und der Beklagten zu 2) eingelegten Beschwerden hat die Technische Beschwerdekammer mit Entscheidung vom 18. Januar 2013 zurückgewiesen. Mit Klageschrift vom 24. Januar 2013 hat die Beklagte zu 2) beim Bundespatentgericht Nichtigkeitsklage gegen das Klagepatent eingereicht, über die noch nicht entschieden wurde.

Die Klägerin hat die Klage ursprünglich auf den Klagepatentanspruch 1 in der erteilten Fassung gestützt, die auch dem vor der Zwischenentscheidung ergangenen Urteil des Landgerichts vom 31. Mai 2011 zugrundeliegt. Die nach dem Einspruchsverfahren geltende Fassung des Klagepatentanspruchs 1 ist nachstehend wiedergegeben, wobei die im Einspruchsverfahren neu eingefügten beziehungsweise gestrichenen Bestandteile des Anspruchs kursiv gehalten sind:

Waage (1) mit einer Tragplatte (4) zur Aufnahme einer zu wiegenden Masse und mit einer elektrischen Schaltvorrichtung (16, 24) zur Aus- oder Anwahl einer Funktion der Waage (1),
dadurch gekennzeichnet, dass die Schaltvorrichtung (16, 24) einen kapazitiven Näherungsschalter mit einer an der Tragplatte (4) angeordneten Elektrode (18, 28, 38, 44) zur Überwachung der Umgebungskapazität der Elektrode (18, 28, 38, 44) aufweist, wobei die Tragplatte (4) aus einem elektrisch nicht leitenden Material besteht und die Elektrode (18, 38, 44) unter der Tragplatte (4) angeordnet ist und die mit der elektrischen Schaltvorrichtung (16, 24) erfolgende Aus- oder Anwahl einer Funktion im Einschalten der Waage besteht.

Die Beklagte zu 1) stellt Waagen her, die von der Beklagten zu 2) unter anderem in der Bundesrepublik Deutschland vertrieben werden. Dazu gehören auch Waagen mit den Artikelnummern KE XXY, KE XXZ, KE XYX, KE XYY, KE XYZ und KE XZX (angegriffene Ausführungsformen), deren Aufbau aus den Abbildungen der Anlage K 4 ersichtlich ist. Unter anderem weisen sie einen kapazitiven Schalter mit einer Elektrode auf. Diese ist jeweils im technischen Gehäuse (Unterbau) der Waagen angebracht beziehungsweise verbaut, auf das die Tragplatte aufgeklebt ist.

Die Klägerin sieht darin eine Verletzung des Klagepatents. Sie hat vor dem Landgericht geltend gemacht, dass die angegriffenen Ausführungsformen sämtliche Merkmale des erteilten Patentanspruchs 1 verwirklichten. Insbesondere sei bei den angegriffenen Ausführungsformen die Elektrode an der Tragplatte angeordnet.

Die Beklagten haben eine Verletzung des Klagepatents in Abrede gestellt. Sie haben geltend gemacht, die Elektrode der angegriffenen Ausführungsformen sei nicht unmittelbar an der Tragplatte angeordnet. Beim Modell KE XXZ befinde sich zwischen der Elektrode und der Tragplatte Kleber, bei den übrigen angegriffenen Modellen verbleibe ein Freiraum. Außerdem haben die Beklagten ihrer gerichtlichen Inanspruchnahme den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch die Klägerin entgegengehalten. Weiterhin haben sie sich auf ein privates Vorbenutzungsrecht berufen. Im Übrigen haben sie im Hinblick auf das Einspruchsverfahren die Aussetzung der Verhandlung beantragt.

Das Landgericht hat die Beklagten mit Urteil vom 31.05.2011 antragsgemäß auf der Grundlage des Klagepatentanspruchs 1 in der erteilten Fassung zur Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung der Verletzungsprodukte, Rückruf aus den Vertriebswegen, Zahlung vorprozessualer Anwaltskosten verurteilt und die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung und zur Leistung von Schadensersatz festgestellt.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der geltend gemachte Klagepatentanspruch 1 setze nicht voraus, dass die Elektrode unmittelbar an der Tragplatte angeordnet sein müsse. Für eine Anordnung an der Tragplatte genüge es, wenn die Elektrode funktionsgemäß arbeiten könne. Daher mache das angegriffene Modell, bei dem sich zwischen Tragplatte und Elektrode Kleber befinde, von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch. Gleiches gelte für das Modell, bei dem sich zwischen Tragplatte und Elektrode ein Zwischenraum befinde. Die im Erteilungs- und Einspruchsverfahren getätigten Äußerungen der Klägerin zur „Unmittelbarkeit“ seien für das Verletzungsgericht nicht bindend und verwehrten der Klägerin nicht, eine Verletzung des Klagepatents durch die angegriffenen Ausführungsformen geltend zu machen. Ein Vorbenutzungsrecht stehe den Beklagten nicht zu. Ohne Erfolg bleibe mangels Darlegung einer marktbeherrschenden Stellung auch der kartellrechtliche Missbrauchseinwand. Gleiches gelte für den zivilrechtlichen Missbrauchseinwand, da eine Irreführung des Prüfers im Erteilungsverfahren nicht festgestellt werden könne.

Mit der Berufung verfolgen die Beklagten ihr in erster Instanz erfolglos gebliebenes Klageabweisungsbegehren unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiter. Zudem tragen sie im Berufungsrechtszug erstmals vor, ein kapazitiver Näherungsschalter sei etwas anderes als ein kapazitiver Berührungsschalter. Ersterer Schalter reagiere bereits bei bloßer Annäherung und nicht erst bei Berührung der auf der Tragplatte ausgewiesenen Schaltfläche. Ein Berührungsschalter reagiere hingegen nur bei Berührung. Die angegriffenen Waagen seien mit kapazitiven Berührungsschaltern ausgestattet. Um den Schaltvorgang zu bewirken, müsse der Schalter beziehungsweise die darüber liegende Schaltfläche des Substrats berührt werden. Die angegriffenen Waagen machten daher von der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch. Weiterhin sei der von ihr erhobene kartellrechtliche Missbrauchseinwand begründet, da sich die Klägerin die Erteilung des Klagepatent durch wahrheitswidrige Angaben und das Weglassen relevanter Informationen erschlichen habe. Im Übrigen sei ein Erfolg der von der Beklagten zu 2) eingereichten Nichtigkeitsklage wahrscheinlich. Der Klagepatentanspruch 1 fehle jegliche erfinderische Tätigkeit. Die Entscheidung der Beschwerdekammer sei widersprüchlich und damit fehlerhaft.

Die Beklagten beantragen,

das angegriffene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen,

hilfsweise den Verletzungsstreit gemäß § 148 ZPO auszusetzen.

Die Klägerin beantragt,

zu erkennen, wie geschehen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens als zutreffend, wobei sie den Patentanspruch 1 nunmehr in der Fassung des Einspruchsbeschwerdeverfahrens geltend macht. Was die Differenzierung zwischen kapazitiven Näherungsschaltern und Berührungsschaltern angehe, sei diese mit Blick auf die angegriffenen Ausführungsformen unbeachtlich. Denn auch die von den Beklagten in den streitgegenständlichen Waagen verwendeten Sensoren müssten und könnten nicht berührt werden, weil ihre Elektroden unter der Tragplatte angeordnet seien. Ob der Näherungsschalter bereits bei einer Annäherung an die Tragplatte oder erst bei ihrer Berührung reagiere, sei nach der Lehre des Klagepatents irrelevant. Für eine Aussetzung der Verhandlung bestehe kein Anlass, weil ein Erfolg der Nichtigkeitsklage nicht wahrscheinlich sei, nachdem sogar die Beschwerdekammer des EPA das Klagepatent in dem hier geltend gemachten Umfang aufrechterhalten habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht die Beklagten antragsgemäß verurteilt, wobei der Umfang der Verurteilung nunmehr im Hinblick auf die im Einspruchsverfahren geänderte Fassung des Klagepatentanspruchs – wie von der Klägerin beantragt – zu beschränken ist.

1.
Das Klagepatent betrifft eine Waage mit einer Tragplatte zur Aufnahme einer zu wiegenden Masse und mit einer elektrischen Schaltvorrichtung zur Aus- oder Anwahl einer Funktion der Waage.

In der Klagepatentschrift wird ausgeführt, dass solche Waagen im Stand der Technik bekannt gewesen seien. Es handele sich beispielsweise um elektrische Personenwaagen zum Messen und Anzeigen des Körpergewichts mit einer Schaltvorrichtung zum Ein- und Ausschalten, so dass der Bedarf an elektrischer Energie der Waage allein auf den Mess- und Anzeigevorgang beschränkt werden könne. Um den Schaltvorgang auslösen zu können, habe die Waage einen Kontaktschalter, der mit dem Fuß betätigt werden könne. Das Klagepatent sieht es jedoch als nachteilig an, dass ein solcher Kontaktschalter aufwändig zu verkabeln sei und der Benutzer zur Betätigung des Kontaktschalters genau auf den Schalter zielen müsse.

Alternativ dazu – so die Klagepatentschrift weiter – sei ein Akustikschalter bekannt, der auf Schwingungen durch Antippen der Waage reagiere. Allerdings sei es von erheblichem Nachteil, dass der Schalter unkontrolliert und unerwünscht auch auf Fremdgeräusche reagiere. Weiterhin seien ständig in Betrieb befindliche Messsysteme bekannt, die über Gewichtsänderungen auf der Tragplatte aktiviert werden könnten. Nachteilig an solchen Messsystemen sei jedoch die ständige Stromaufnahme und der damit verbundene hohe Energiebedarf.

Die Klagepatentschrift geht in der Einleitung ferner auf die US 4,932,XZY ein, in der eine elektronische Waage mit Kalibriergewichtsschaltung offenbart werde. Die Waage weise einen Näherungsensor auf, mit dessen Hilfe der Kalibrierungsvorgang bei Annäherung einer Person an die Waage gesperrt oder abgebrochen werden könne, bevor die Waagschale durch Wägegut belastet werden könne.

In der US 4,789,XZZ werde hingegen eine Analysewaage beschrieben, bei der die Funktionen im Wesentlichen über ein mechanisch arbeitendes Bedientableau aus- oder angewählt werden könnten. Allerdings sei ein Gehäuse mit einer motorisch angetriebenen Tür vorgesehen, die mit Hilfe von Näherungssensoren oder sprachgesteuerten Sensoren aktivierbar sei.

Schließlich werden in der Klagepatentschrift unter anderem die DE 41 24 YXX A1 und die US 4,208,YXY genannt, aus denen ein mechanischer Schalter für eine Waage beziehungsweise allgemein ein Näherungsdetektor bekannt sei.

Vor diesem Hintergrund liegt dem Klagepatent die Aufgabe (das technische Problem) zugrunde, eine Waage der eingangs genannten Art zu schaffen, die eine einfache Schaltmöglichkeit von hoher Funktionssicherheit bei gleichzeitig niedrigen Herstellungs- und Betriebskosten aufweist. Zur Lösung dieses Problems schlägt Patentanspruch 1 in der im Einspruchsverfahren eingeschränkt aufrechterhaltenen Fassung eine Waage mit folgenden Merkmalen vor:

1. Waage (1)
1.1 mit einer Tragplatte (4) und
1.2 mit einer elektrischen Schaltvorrichtung (16, 24).
2. Die Tragplatte (4)
2.1 dient der Aufnahme einer zu wiegenden Masse,
2.2 besteht aus einem elektrisch nicht leitenden Material.
3. Die elektrische Schaltvorrichtung (16, 24)
3.1 dient der Aus- oder Anwahl einer Funktion der Waage (1), die im Einschalten der Waage (1) besteht,
3.2 weist einen kapazitiven Näherungsschalter auf.
4. Der kapazitive Näherungsschalter weist eine Elektrode (18, 38, 44) auf.
5. Die Elektrode (18, 38, 44)
5.1 dient der Überwachung der Umgebungskapazität der Elektrode (18, 38, 44),
5.2 ist an der Tragplatte (4) angeordnet,
5.3 ist unter der Tragplatte (4) angeordnet.

a)
Bei einem kapazitiven Näherungsschalter im Sinne des Klagepatents handelt es sich um ein elektronisches Bauteil, das bei einer durch die Annäherung eines Gegenstandes verursachten Änderung der Umgebungskapazität einen Schaltungsvorgang auslöst. Diese Funktionsweise wird nicht nur durch den Begriff „Näherungsschalter“ angedeutet, sondern geht auch aus dem Klagepatentanspruch hervor, demzufolge der kapazitive Näherungsschalter eine Elektrode aufweist, die der Überwachung der Umgebungskapazität dient (Merkmale 4 bis 5.1). In diesem Sinne wird der kapazitive Näherungsschalter auch in der Beschreibung des Klagepatents beschrieben. Dort heißt es: „Der kapazitive Näherungsschalter reagiert allein auf die Annäherung von Gegenständen mit anderen dielektrischen Eigenschaften als sie die stationäre Umgebung des Näherungsschalters aufweist. (…) Bei der erfindungsgemäßen Waage überwacht eine mit einer elektronischen Auswerteeinheit verbundene Elektrode die Umgebungskapazität der Elektrode. (…) die Auswerteeinheit reagiert bei bestimmten typischen Änderungen der Umgebungskapazität der Elektrode durch ein Signal an nachfolgende Schaltungsteile“ (Sp. 2 Z. 3-18; Textstellen ohne Bezugsangabe stammen aus der im Einspruchsverfahren geänderten Klagepatentschrift, Anlage BB 2).

Soweit die Beklagten meinen, nach der Lehre des Klagepatents dürfe der Schaltvorgang nicht erst durch eine Berührung der Waage bewirkt werden, sondern müsse bereits durch die bloße Annäherung an die Waage ausgelöst werden, weil der „kapazitive Näherungsschalter“ insofern von einem „kapazitiven Berührungsschalter“ zu unterscheiden sei, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Auch wenn der Fachmann tatsächlich allgemein zwischen Näherungsschaltern einerseits und Berührungsschaltern andererseits differenzieren sollte, ist es nach der Lehre des Klagepatents nicht ausgeschlossen, wenn der Schaltvorgang erst durch eine Berührung der Waage, insbesondere der Tragplatte ausgelöst wird.

Bereits der Wortlaut des Klagepatentanspruchs gibt einen Hinweis darauf, dass sich ein kapazitiver Näherungsschalter dadurch auszeichnet, dass er auf eine Annäherung an die Elektrode (und nicht bereits der Waage) reagiert. Denn die Elektrode selbst dient der Überwachung ihrer Umgebungskapazität (Merkmal 5.1). Der Begriff des kapazitiven Näherungsschalters kann daher allenfalls dahingehend verstanden werden, dass der Schaltvorgang bereits vor der Berührung der Elektrode ausgelöst werden soll. Da aber die Elektrode erfindungsgemäß unter der Tragplatte angeordnet ist, ist eine Berührung der Elektrode von vornherein ausgeschlossen. Der Bereich auf der Tragplatte gehört zur Umgebung der Elektrode, deren Kapazität die Elektrode überwachen soll. Nichts anderes ergibt sich aus der eingangs zitierten Beschreibungsstelle. Auch dieser lässt sich lediglich entnehmen, dass der kapazitive Näherungsschalter auf die Annäherung von Gegenständen mit anderen dielektrischen Eigenschaften als die stationäre Umgebung des Schalters reagiert (Sp. 2 Z. 3-6). Die Tragplatte der Waage, die zum Auslösen des Schaltvorgangs gegebenenfalls zu berühren ist, ist jedoch nicht Teil des Schalters, sondern gehört zu seiner stationären Umgebung. Im Übrigen bezieht sich die Beschreibung des Klagepatents immer nur auf die Überwachung der Umgebungskapazität der Elektrode (Sp. 2 Z. 10-18).

Auch der in der Klagepatentschrift gewürdigte Stand der Technik führt zu keiner anderen Auslegung. Zwar beschreibt das Klagepatent eine aus der US 4,932,XZY (Anlage E 3 zur Anlage B 1, in deutscher Übersetzung als Anlage B 2) bekannte elektronische Waage mit einem Näherungssensor, der bereits bei der Annährung einer Person an die Waage einen Schaltvorgang bewirkt, bevor die Person die Waage berührt (vgl. Sp. 1 Z. 34-40; vgl. auch Sp. 1 Z. 28-33 der Anlage E3 zur Anlage B1). Zu den Näherungssensoren gehören laut der genannten Druckschrift auch kapazitive Näherungssensoren (Sp. 3 Z. 46 f der Anlage E3 zur Anlage B1). Die Lehre des Klagepatents ist aber nicht dahingehend beschränkt, dass über die Verwendung eines kapazitiven Näherungsschalters hinaus auch der Schaltvorgang bereits bei einer bloßen Annäherung an die Waage ausgelöst werden muss, wie dies bei dem erwähnten Stand der Technik der Fall ist. Eine solche Auslegung lässt sich weder dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs entnehmen, noch gibt es dafür irgendwelche Anhaltspunkte in der Beschreibung des Klagepatents. Eine Funktionsweise wie im Fall der aus der US 4,932,XZY bekannten Waage ist bei funktionaler Betrachtung auch nicht erforderlich.

Dem Klagepatent geht es nicht darum, mit Hilfe des Näherungsschalters dafür zu sorgen, dass nicht in einen Kalibriervorgang eingegriffen werden kann. Mit dem Näherungsschalter soll stattdessen lediglich die Waage selbst eingeschaltet werden können. Ob eine erfindungsgemäße Waage darüber hinaus kalibriert wird, lässt das Klagepatent offen. Für den bloßen Einschaltvorgang ist es jedoch unbeachtlich, ob der Näherungsschalter bereits bei einer bloßen Annäherung des Gegenstands an die Waage oder erst bei ihrer Berührung auslöst.

Darüber hinaus grenzt sich das Klagepatent mit dem kapazitiven Näherungsschalter von der im Stand der Technik bekannten Verwendung eines Kontaktschalters ab, der in der Klagepatentschrift unter anderem deswegen als nachteilig angesehen wird, weil der Benutzer zur Schalterbetätigung auf eine exakt definierte Stelle der Waage zielen muss (Sp. 1 Z. 16-20). Der Begriff „Kontaktschalter“ darf dabei nicht bereits allein aufgrund des Wortbestandteils „Kontakt-“ in Abgrenzung zu einem Näherungsschalter dahingehend missverstanden werden, dass er eine Berührung der Waage erfordert, während der Näherungsschalter den Schaltvorgang bereits bei einer Annäherung an die Waage auslöst. Der Begriff „Kontaktschalter“ macht vielmehr lediglich deutlich, dass durch den Schalter unmittelbar der elektrische Kontakt hergestellt oder unterbrochen wird, um beispielsweise, wie in dem vom Klagepatent dargestellten Fall, die Waage ein- oder auszuschalten (Sp. 1 Z. 10 f). In diesem Fall handelt es sich um einen mechanischen Schalter, weil er vom Benutzer mit dem Fuß betätigt werden kann (Sp. 1 Z. 13-16; vgl. auch Sp. 2 Z. 24-27). Das Klagepatent sieht also nicht die für die Betätigung des Schalters erforderliche Berührung selbst als nachteilig an, sondern dass dafür genau auf den mechanischen Schalter gezielt werden muss. Dieser Nachteil wird durch die Verwendung eines kapazitiven Näherungsschalters beseitigt, weil nicht mehr genau der Schalter getroffen werden muss, um den Schaltvorgang auszulösen (vgl. Sp. 2 Z. 24-27), sondern eine Annäherung an den Schalter genügt. Insofern es unbeachtlich, ob der Schaltvorgang bewirkt werden kann, bevor die Tragplatte berührt wird, oder ob dies nur mit einer Berührung der Tragplatte möglich ist. In beiden Fällen erfolgt der Schaltvorgang, wenn sich der Gegenstand der Umgebung der Elektrode annähert.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich nach dem Vortrag beider Parteien kapazitive Berührungsschalter und kapazitive Näherungsschalter vom Aufbau her grundsätzlich nicht unterscheiden, sondern lediglich ein unterschiedliches Ansprechverhalten zeigen. Dieses hängt von der Empfindlichkeit beziehungsweise der Einstellung der Messelektronik und von der Stärke des vorhandenen elektrischen Feldes ab. Während der Näherungsschalter bereits bei einer Annäherung an den Schalter reagiert, löst der Berührungsschalter erst bei einer Berührung aus. Der mechanische Druck ist bei der Berührung unerheblich, da lediglich die Änderung des elektrischen Feldes maßgeblich ist. Dann macht es aber mit Blick auf die Funktion des Näherungsschalters für die erfindungsgemäße Waage keinen Unterschied, ob der Schalter reagiert, wenn sich der Gegenstand in einem minimalen Abstand zur Tragplatte unmittelbar vor der Berührung befindet, oder erst dann, wenn die Berührung tatsächlich erfolgt. Die Berührung stellt insofern quasi die stärkste Form der Annäherung dar.

Diese Auslegung entspricht auch dem Verständnis der Einspruchsabteilung und der Beschwerdekammer beim EPA, wie sie in der Zwischenentscheidung vom 21.06.2011 und der Entscheidung vom 18.01.2013 im Einspruchsverfahren zum Ausdruck kommen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Beschwerdekammer die Thematik einer Unterscheidung zwischen Näherungsschaltern und Berührungsschaltern geläufig war und dieser Gesichtspunkt in der mündlichen Verhandlung angesprochen wurde. Gleichwohl hat die Beschwerdekammer – ebenso wie bereits die Einspruchsabteilung vor ihr – die Lehre des Klagepatents in der ursprünglich erteilten Fassung ausgehend von der DE 196 39 YXZ A1 (E 21) als naheliegend erachtet, da sie zu den kapazitiven Näherungsschaltern auch solche Schalter zählt, die erst auf Berührung reagieren. Die E 21 offenbart eine Waage mit einer Schaltvorrichtung, die als Tastschalterflächen zur Betriebsartenauswahl bezeichnet werden (Ziff. 3.2 und 3.4 der Anlage BB 7). Demnach ist nach der E 21 eine Berührung der Schalterflächen erforderlich. Die zu lösende technische Aufgabe bestehe, so die Beschwerdekammer, daher darin, eine passende Schaltvorrichtung zur praktischen Realisierung der nicht weiter spezifizierten Tastschalterflächen bereitzustellen (Ziff. 3.5 der Anlage BB 7). Nach ihrer Auffassung würde der Fachmann zur Lösung dieser Aufgabe auf kapazitive Schaltvorrichtungen zurückgreifen, die im Stand der Technik bekannt seien. Diese wiesen – so die Beschwerdekammer – „allesamt eine zu berührende Elektrode auf, die der Fachmann dann auch unmittelbar an der für die Tastschalterflächen der bekannten Waage vorgesehenen Stelle (…) anordnen würde“ (Ziff. 3.6 der Anlage BB 7 – Hervorhebung des Senats). Ebenso heißt es in Bezug auf die im Einspruchsbeschwerdeverfahren nicht berücksichtigten Entgegenhaltungen WO 96/13YYX (E 35) und DE 695 27 YYY (E 36), dass diese Druckschriften einen kapazitiven Berührungssensor offenbaren (Ziff. 2.2 der Anlage BB 7 – Hervorhebung des Senats).

b)
Soweit der Klagepatentanspruch verlangt, dass die zum Näherungsschalter gehörende Elektrode an sowie unter der Tragplatte angeordnet sein muss, ist dafür lediglich erforderlich, dass die Elektrode baulich der Tragplatte zugeordnet sein muss, indem sie mittelbar oder unmittelbar mit ihr verbunden ist, und dabei ihre Funktion als Teil des Näherungsschalters erfüllt. Weitere Anforderungen an die räumliche Anordnung der Elektrode im Verhältnis zur Tragplatte lassen sich weder dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs, noch der Beschreibung des Klagepatents entnehmen. Insbesondere ist die erfindungsgemäße Lehre nicht darauf beschränkt, dass die Elektrode unmittelbar an der Tragplatte angeordnet ist. Geht man mit der Einspruchsabteilung des EPA davon aus, dass die Tragplatte regelmäßig ein im Verhältnis zu anderen Bauteilen bewegliches Teil einer Waage ist (vgl. S. 4 der Zwischenentscheidung, Anlage BK 5), wird durch die Zuordnung der Elektrode zur Tragplatte sichergestellt, dass sich die Elektrode mit der Tragplatte bewegt und immer dieselbe Umgebungskapazität im Verhältnis zur Tragplatte überwacht wird. Dies ist technisch sinnvoll, wenn – wie etwa bei einer Personenwaage – der Näherungsschalter dadurch ausgelöst wird, dass ein Fuß über der Tragplatte bewegt wird (vgl. Sp. 2 Z. 6-10). Dafür ist nicht erforderlich, dass die Elektrode an der Tragplatte „unmittelbar“ angeordnet ist oder diese „kontaktiert“. Das Landgericht ist insofern zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass das Klagepatent nicht in diesem Sinne verstanden werden kann. Auch der Senat hat in seinem Beschluss vom 22.12.2011, mit dem der Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung vom 09.11.2011 zurückgewiesen wurde (Blatt 271 ff der Akte), bereits deutlich gemacht, dass es diese Auffassung des Landgerichts, die darüber hinaus auch von der Einspruchsabteilung geteilt wird (vgl. S. 4 der Zwischenentscheidung, Anlage BK 5), für zutreffend hält. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird daher auf die entsprechenden Feststellungen des Landgerichts und auf die Ausführungen des Senats in den genannten Entscheidungen verwiesen.

2.
Durch die angegriffene Ausführungsform werden sämtliche Merkmale des geltend gemachten Klagepatentanspruchs wortsinngemäß verwirklicht.

Die Schaltvorrichtung der angegriffenen Waagen weist einen kapazitiven Näherungsschalter im Sinne des Klagepatents auf (Merkmal 3.2). Die Beklagten haben dies lediglich mit der Begründung in Abrede gestellt, dass für das Einschalten der Waagen eine Berührung der Tragplatte erforderlich sei. Nach zutreffender Auslegung ist es jedoch für einen erfindungsgemäßen Näherungsschalter unerheblich, ob der Schaltvorgang bereits bei einer Annäherung an die Waage oder erst dann ausgelöst wird, wenn die Tragplatte berührt wird.

Die Elektrode des kapazitiven Näherungsschalters ist auch „an“ sowie „unter“ der jeweiligen Tragplatte der angegriffenen Ausführungsform angeordnet. Dass sich zwischen der Elektrode und der Tragplatte ein gewisser – leerer oder mit Klebstoff gefüllter – Zwischenraum befindet, ist unbeachtlich, da die Elektroden selbst nach dem Vortrag der Beklagten in einem technischen Gehäuse angebracht sind, das mit der Tragplatte verklebt ist. Damit sind die Elektroden aber baulich der Tragplatte zuzuordnen, weil sie mittelbar mit ihr verbunden sind. Dass sie ihre technische Funktion nicht erfüllen, behaupten auch die Beklagten nicht.

Die Verwirklichung der übrigen Merkmale des Klagepatentanspruchs 1 durch die angegriffene Ausführungsform ist unstreitig.

3.
Die wortsinngemäße Verletzung des Klagepatents rechtfertigt die mit dem angefochtenen Urteil tenorierten Rechtsfolgen, wobei diese auf die hier eingeschränkt geltend gemachte Fassung des Klagepatentanspruchs beschränkt sind. Die weiteren Einwendungen der Beklagten gegen ihre Inanspruchnahme greifen nicht durch.

a)
Die Beklagten können sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Klägerin habe das Klagepatent abweichend vom Wortlaut des Klagepatentanspruchs nur eingeschränkt (nämlich hinsichtlich einer unmittelbaren Anordnung der Elektrode an der Tragplatte) geltend gemacht. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 22.12.2011 ausgeführt hat, hat die Klägerin stets die Verletzung in Bezug auf den Wortlaut des Klagepatentanspruchs – sei es in der erteilten oder der im Einspruchsverfahren beschränkten Fassung – behauptet. Dies ergibt sich sowohl aus der Fassung der Klageanträge, als auch aus dem Vortrag, die angegriffene Ausführungsform verletze das Klagepatent. Der Vortrag der Klägerin kann in dieser Hinsicht keinesfalls als Beschreibung der tatsächlichen Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform verstanden werden. Zuletzt hat die Klägerin in der Berufungserwiderung im Übrigen klargestellt, dass Ausführungen in der Replik oder im Einspruchsverfahren weder den Gegenstand, noch die Reichweite der Verletzungsklage einschränken sollten. Von einer Beschränkung des Streitgegenstands, wie die Beklagten meinen, kann daher keine Rede sein. Ebenso wenig bedurfte es insofern einer Konkretisierung des Klageantrags, was auch das Landgericht zu Recht festgestellt hat.

Das prozessuale Verhalten der Klägerin ist in dieser Hinsicht weder widersprüchlich noch rechtsmissbräuchlich. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil Bezug genommen. Auch der Senat hat in seinem Beschluss vom 22.12.2011, auf den verwiesen wird, unter Bestätigung der Ausführungen des Landgerichts insbesondere darauf hingewiesen, dass die Grundsätze der Entscheidung „Weichvorrichtung II“ (NJW 1997, 3377) im vorliegenden Fall nicht zum Tragen kommen. An dieser Beurteilung hält der Senat fest.

b)
Was den seitens der Beklagten erhobenen kartellrechtlichen Einwand des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung angeht, kann dahinstehen, ob die Beklagten nunmehr durch die Vorlage von Umsätzen verschiedener Wettbewerber auf dem Markt für Personen- und Küchenwaagen eine marktbeherrschende Stellung der Klägerin dargelegt haben. Auch wenn eine solche zu bejahen sein sollte, begründet im Streitfall weder der Umstand, dass die Klägerin Ansprüche aus dem Klagepatent geltend macht (Zwangslizenzeinwand, siehe lit. aa)), noch die Art und Weise, wie die Klägerin das Klagepatent erlangt hat (Astra-Zeneca-Rechtsprechung, siehe lit. bb)), den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von §§ 19, 20 GWB beziehungsweise Art. 102 AEUV.

aa)
Der von den Beklagten erhobene Zwangslizenzeinwand greift nicht durch.

Nach gefestigter Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) stellt die Verweigerung einer Lizenz an einem Patent oder einem anderen Immaterialgüterrecht als solche keinen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung dar, selbst wenn sie von einem Unternehmen in beherrschender Stellung ausgehen sollte (vgl. EuGH, GRUR Int. 1990, 141 Rdnr. 8 – Volvo; GRUR Int. 1995, 490 Rdnr. 49 – Magill; GRUR 2004, 524 Rdnr. 34 – IMS/Health). Die Ausübung des ausschließlichen Rechts durch den Inhaber kann hiernach vielmehr nur unter außergewöhnlichen Umständen ein missbräuchliches Verhalten des Rechtsinhabers darstellen (EuGH, GRUR Int. 1990, 141 Rdnr. 9 – Volvo; GRUR Int. 1995, 490 Rdnr. 50 – Magill; GRUR 2004, 524 Rdnr. 34 – IMS/Health; zuletzt EuGH 06.12.2012, C-457/10P Tz. 150 – Astra Zeneca = WuW 2013, 427). Nach der zitierten Rechtsprechung liegen solche „außergewöhnlichen Umstände“ nur dann vor, wenn kumulativ

(1) die begehrte Patentbenutzung für die Ausübung der Tätigkeit des Benutzers dergestalt unentbehrlich ist, dass für sie auch bei gehöriger eigener Anstrengung des Patentbenutzers kein tatsächlicher oder realistischer potenzieller Ersatz vorhanden ist,

(2) das lizenzsuchende Unternehmen beabsichtigt, auf dem Markt neue Erzeugnisse oder Dienstleistungen anzubieten, die der Schutzrechtsinhaber nicht anbietet und für die eine potentielle Nachfrage der Verbraucher besteht,

(3) die Lizenzverweigerung nicht aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist und

(4) durch die Weigerung jeglicher Wettbewerb auf einem abgeleiteten (benachbarten) Markt ausgeschlossen wird.

Dass diese Voraussetzungen (vgl. hierzu im Einzelnen Senat, Urteil v. 20.01.2011- I-2 U 92/10, juris; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 6. Aufl., Rdnr. 1427 ff.) im Streitfall erfüllt sind, ist weder dargetan noch ersichtlich. Es kann schon nicht davon ausgegangen werden, dass die von den Beklagten begehrte Benutzung des Klagepatents für die Ausübung ihrer unternehmerischen Tätigkeiten dergestalt unentbehrlich sind, dass für sie auch bei gehöriger eigener Anstrengung kein tatsächlicher oder realistischer potenzieller Ersatz vorhanden ist. Dass es den Beklagten nicht möglich ist, weiterhin auf dem Markt für Haushaltswaagen beziehungsweise speziell Personen- oder Küchenwaagen aktiv zu sein und eigene Waagen auf den Markt zu bringen, behaupten auch die Beklagten nicht. Ebenso wenig ist die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen aus dem Klagepatent geeignet, jeglichen Wettbewerb auf einem abgeleiteten Markt auszuschließen. Schließlich haben die Beklagten nicht einmal dargelegt, welches neue Produkt sie auf den Markt zu bringen beabsichtigen, dass die Klägerin nicht anbietet und für das auf Seiten der Verbraucher möglicherweise eine Nachfrage besteht.

bb)
Die Beklagten machen unter Berufung auf das Urteil des EuGH vom 06.12.2012 (C-457/10 P – Astra Zeneca) weiterhin geltend, die Klägerin habe das Klagepatent durch unzutreffende Angaben im Erteilungsverfahren erschlichen und habe daher aus dem Patent keine Ansprüche gegen sie – die Beklagten. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

Der Senat hat bereits entschieden, dass der Einwand der Patenterschleichung im Patentverletzungsprozess jedenfalls ausgeschlossen ist, soweit er in seinem sachlichen Gehalt zur Begründung eines Einspruchs oder einer Nichtigkeitsklage dienen kann und hätte dienen können (Urt. v. 26.06.2008 – I-2 U 130/06 = WuW 2013, 427), was vorliegend der Fall ist. Ob bei einem marktbeherrschenden Unternehmen aus kartellrechtlichen Gründen eine andere Beurteilung gerechtfertigt ist, womit sich der EuGH in seinem Urteil vom 06.12.2012 nicht befasst hat, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Eine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung lässt sich hier nicht feststellen.

Auch wenn nach der Entscheidung des EuGH die absichtliche Angabe irreführender Darstellungen bei Patentämtern einzelner Mitgliedstaaten mit dem Zweck, Patentschutz zu erhalten oder aufrechtzuerhalten, eine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung und damit ein unzulässiges Verhalten im Sinne von Art. 102 AEUV darstellen kann, löst nicht jede Patentanmeldung eines Unternehmens, die deshalb zurückgewiesen wird, weil sie nicht den Patentfähigkeitskriterien genügt, automatisch eine Verantwortlichkeit auf der Grundlage des Art. 102 AEUV aus (EuGH 06.12.2012, C-457/10P Tz. 99 – Astra Zeneca = WuW 2013, 427). Vielmehr ist erforderlich, dass sich die Klägerin Mittel außerhalb des Leistungswettbewerbs bedient haben muss, um in den Genuss des Klagepatents zu gelangen (EuGH 06.12.2012, C-457/10P Tz. 75 – Astra Zeneca = WuW 2013, 427). Hierzu müssen besondere Umstände vorliegen. Solche hat der EuGH in der in Rede stehenden Entscheidungen deshalb bejaht, weil dort – zusammengefasst – ein konstantes und geradliniges Verhalten des betreffenden Schutzrechtsinhabers vorlag, das durch stark irreführende Darstellungen gegenüber den Patentämtern und einen offenkundigen Mangel an Transparenz gekennzeichnet war und mit dem der Schutzrechtsinhaber die Patentämter und die Gerichte vorsätzlich täuschen wollte, um ihr Monopol auf dem relevanten Markt möglichst lang zu wahren (vgl. EuGH 06.12.2012, C-457/10P Tz. 93 – Astra Zeneca = WuW 2013, 427). Ein derartiges Verhalten ist hier nicht feststellbar.

(1)
Soweit die Beklagten der Klägerin vorwerfen, das EPA im Patenterteilungsverfahren darüber getäuscht zu haben, dass in der US 4 932 YYZ (Anlage E 3 zur Anlage B 1) ein kapazitiver Näherungsschalter offenbart ist, ist zwar richtig, dass die Klägerin auf den Prüfungsbescheid des EPA vom 13.03.2008 (Anlage K 9) mit Eingabe vom 16.04.2008 (Anlage B 3) unter anderem erwidert hatte, dass die in Rede stehende Druckschrift keinen „kapazitiven Näherungsschalter, sondern ausschließlich einen Näherungsschalter“ offenbare. Tatsächlich ist in dieser Druckschrift allerdings auch ein kapazitiver Näherungssensor erwähnt (Sp. 3, Z. 46-51 der Anlage E 3 zur Anlage B 1). Soweit ersichtlich erfolgt die Erwähnung allerdings nur an einer Beschreibungsstelle, weshalb sich schon nicht feststellen lässt, dass die Klägerin den Offenbarungsgehalt dieser Druckschrift bewusst unzutreffend dargestellt hat. Jedenfalls ist nicht feststellbar, dass die in Rede stehende Angabe ursächlich für die Erteilung des Klagepatents war. Denn die Klägerin hat mit ihrer Eingabe auch eingewandt, dass der in der US 4 932 YYZ beschriebene Näherungssensor nichts mit den Schaltvorrichtungen zur Aus- und Anwahl einer Funktion zu tun habe und dass der Näherungsschalter nicht an der Tragplatte angeordnet sei. Dem Prüfer lag die in Rede stehende Druckschrift im Übrigen vor, so dass er deren Offenbarungsgehalt selbstständig prüfen konnte. Nach den unangegriffenen und auch zutreffenden Feststellungen des Landgerichts ging der Prüfer ausweislich des Inhalts seines Prüfungsbescheides bereits vor der Stellungnahme der Klägerin davon aus, dass die Entgegenhaltung einen kapazitiven Näherungsschalter zeigt. Unabhängig davon, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass das Klagepatent in der hier geltend gemachten Fassung nicht erteilt worden wäre, wenn die Klägerin erkannt und darauf hingewiesen hätte, dass die US 4 932 YYZ einen kapazitiven Näherungsschalter offenbart. Denn sowohl die Einspruchsabteilung als auch die Technische Beschwerdekammer des EPA sind in Kenntnis dieses Umstandes (vgl. Ziff. 5.3.5 der Anlage BB 7) davon ausgegangen, dass die Lehre des Patentanspruchs 1 des Klagepatents in der Fassung des Einspruchsbeschwerdeverfahrens gegenüber dieser Entgegenhaltung neu und erfinderisch ist.

(2)
Dass die Klägerin im Einspruchsverfahren vor dem EPA nicht die Einschätzung des DPMA zu einer der beiden dem Klagepatent zugrundeliegenden Prioritätsanmeldungen, zum parallelen Gebrauchsmusterlöschungsverfahren oder zur parallelen deutschen Patentanmeldung mitteilte, ist unbeachtlich. Eine Verpflichtung zur Vorlage von Stellungnahmen anderer Erteilungsbehörden besteht grundsätzlich nicht, da das vorliegende Patenterteilungsverfahren von den Eintragungs- und Erteilungsverfahren anderer Schutzrechte unabhängig ist. Der Prüfungsbescheid des DPMA vom 06.09.2011 betreffend die prioritätsbegründende deutsche Patentanmeldung sowie der das parallele Gebrauchsmuster betreffende Zwischenbescheid der Gebrauchsmusterabteilung des DPMA vom 28.03.2012 lagen im Übrigen weder im Erteilungsverfahren, noch im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Einspruchsverhandlung am 21.06.2011 vor. Im zweiseitigen Einspruchsbeschwerdeverfahren hätten diese Stellungnahmen jedoch auch von den Einsprechenden selbst vorgelegt werden können.

(3)
Die weiteren Ausführungen der Beklagten beziehen sich nicht auf die unrichtige Darstellung von Tatsachen durch die Klägerin, sondern betreffen lediglich Fragen rechtlicher Wertung, insbesondere ob die Übertragung der Technik kapazitiver Näherungsschalter auf das Gebiet der Haushaltswaagen als erfinderisch einzustufen ist. Dass die Klägerin diesbezüglich eine ihr günstige Auffassung vertreten hat, vermag nicht den Vorwurf eines missbräuchlichen Verhaltens zu begründen. Dies gilt selbst dann, wenn sich die Erteilung des Klagepatents im nunmehr anhängigen Nichtigkeitsverfahren als unrichtig herausstellen sollte.

(4)
Letztlich steht dem von den Beklagten erhobenen Missbrauchsvorwurf auch entgegen, dass das Klagepatent in der hier geltend gemachten Fassung von zwei fachkundigen Instanzen, nämlich von der Einspruchsabteilung und der Technischen Beschwerdekammer des EPA, in Kenntnis aller relevanten Entgegenhaltungen als rechtsbeständig angesehen worden ist.

c)
Die Beklagten haben zum zivilrechtlichen Missbrauchseinwand (§ 242 BGB) eingewandt, unabhängig von einer Täuschung der Erteilungsbehörde habe die Klägerin den Klagepatentanspruch unpräzise gefasst und von jeder Erläuterung im Erteilungsverfahren abgesehen, einzig in der Absicht, ihre Wettbewerber zu behindern. Dieser Einwand ist jedoch ebenfalls unbehelflich, weil – wie der Senat bereits im Beschluss vom 22.12.2011 festgestellt hat – das Klagepatent das Einspruchsverfahren in dem hier geltend gemachten Umfang überstanden hat, ohne dass das EPA den erfinderischen Abstand gegenüber dem Stand der Technik auf eine bestimmte unmittelbare Anordnung der Elektrode an der Tragplatte gestützt hätte. Es erschließt sich nicht, worin dann noch eine Behinderung der Wettbewerber oder irgendein sonstiges rechtsmissbräuchliches Verhalten liegen soll, wenn die Klägerin gegen eine Verletzung des Klagepatents vorgeht, das ihr in völliger Übereinstimmung mit der Rechtsordnung erteilt wurde.

4.
Für eine Aussetzung der Verhandlung im Hinblick auf die von der Beklagten eingereichte Nichtigkeitsklage besteht auch im vorliegenden Berufungsverfahren kein hinreichender Anlass, § 148 ZPO. Zwar ist die Frage der Aussetzung eines Patentverletzungsstreits in zweiter Instanz unter etwas weniger strengen Gesichtspunkten als in der ersten Instanz zu beurteilen, wenn bereits ein erstinstanzliches Urteil zugunsten des Patentinhabers vorliegt, aus dem dieser – auch im Fall der Aussetzung – gegen Sicherheitsleistung vollstrecken kann. So kann in einer solchen Situation der Umstand, dass ein gegen ein erteiltes Patent ergriffener Rechtsbehelf sich nur auf bereits gewürdigten Stand der Technik stützt, nicht von vornherein eine Zurückweisung des Aussetzungsbegehrens rechtfertigen (OLG Düsseldorf Mitt 1997, 257 – Steinknacker). Aber auch nach dieser Entscheidung ist eine Aussetzung erst dann geboten, wenn die Vernichtung oder der Widerruf des Patents nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich sind (OLG Düsseldorf InstGE 7, 139 – Thermocycler).

Nach diesen Grundsätzen sieht der Senat auch im Hinblick auf die von der Beklagten zu 2) erhobene Nichtigkeitsklage für eine Aussetzung der Verhandlung keine Veranlassung. Es ist – nachdem das EPA das Klagepatent in dem hier geltend gemachten Umfang aufrechterhalten hat – nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass das Klagepatent auf die Nichtigkeitsklage vernichtet wird.

a)
Soweit die Beklagte zu 2) mit der Nichtigkeitsklage den Einwand der mangelnden Offenbarung gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG beziehungsweise Art. 100 lit. b) EPÜ erhebt, greift dieser nicht durch. Bereits die Einspruchsabteilung und die Beschwerdekammer des EPA haben sich mit dem Vortrag der Beklagte zu 2) auseinandergesetzt, dass die Erfindung nur dann erfolgreich ausgeführt werden könne, wenn die Elektrode unmittelbar an der Tragplatte und von der Sensoreinheit entkoppelt und entfernt angebracht sei. Sie haben unter anderem ausgeführt, dass in der Klagepatentschrift lediglich beansprucht sei, dass die Elektrode an der Tragplatte angeordnet sei, was sowohl mittelbar als auch unmittelbar angeordnet bedeute. Eine solche Anordnung an der Tragplatte sei für den Fachmann unproblematisch. Es sei mit Blick auf die in der Klagepatentschrift dargestellten Ausführungsbeispiele auch nicht ersichtlich, warum es dem Fachmann nicht möglich sein sollte, den technisch eher einfachen Gegenstand des Klagepatents nachzuarbeiten. Diese Erwägungen begegnen seitens des Senats keinen durchgreifenden Bedenken und auch die Beklagte zu 2) erhebt dagegen keine grundsätzlichen Einwände. Sie stützt ihren Vortrag stattdessen darauf, dass die Klägerin sowohl im Einspruchsverfahren als auch im vorliegenden Verfahren wiederholt darauf hingewiesen habe, dass die unmittelbare Anordnung der Elektrode an der Tragplatte und ihre Entkopplung von der Sensoreinheit für die Erfindung wesentlich seien. Darauf kommt es aber nicht entscheidend an, weil dieses Merkmal im Klagepatent keinen Niederschlag gefunden hat und im Übrigen selbst die Beklagten nicht behaupten, dass die Erfindung ohne die unmittelbare Anordnung der Elektrode an der Tragplatte und ihrer Entkopplung von der Sensoreinrichtung nicht ausführbar ist. Dafür ist in der Tat nichts ersichtlich, vielmehr hat die Klägerin lediglich vorgetragen, dass es ohne diese Merkmale zu Störungen kommen und der Energieverbrauch steigen könne. Der Einwand der mangelnden Offenbarung lässt sich darauf jedoch nicht mit Erfolg stützen.

b)
Die Beklagte zu 2) macht mit der Nichtigkeitsklage ferner geltend, dass der eingeschränkt aufrechterhaltene und vorliegend geltend gemachte Klagepatentanspruch auf einer unzulässigen Erweiterung beruhe, weil in den Anmeldungsunterlagen nur für eine als Druckschicht oder Bedampfungsschicht ausgebildete Elektrode die Anordnung unter der Tragplatte offenbart sei. Im Übrigen werde lediglich eine Anordnung der Elektrode – unabhängig von ihrer räumlich-körperlichen Ausbildung – an der Tragplatte beschrieben. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

Die Beschwerdekammer des EPA hat in ihrer Entscheidung vom 18.01.2013 ausgeführt, dass die ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen an unterschiedlichen Stellen der Beschreibung und der Zeichnungen Elektroden offenbaren, die unter der Tragplatte angeordnet sind und entweder aus einer elektrisch leitenden Druckschicht, einer elektrisch leitenden Bedampfungsschicht oder einem aufgeklebten Metallteil bestehen. Ebenso kann die Elektrode durch eine Wägezellen- oder Zwischenelement oder durch die Wägezelle selbst gebildet werden (Sp. 2 Z. 40-50 der Anlage K 21 zur Anlage BK 16), die typischerweise unterhalb der Tragplatte angeordnet ist. Nichts anderes bestätigen auch die von der Beklagten zu 2) in der Nichtigkeitsklage zitierten Textstellen aus der Klagepatentschrift. Die technische Ausgestaltung dieser Elektroden als Druckschicht, Bedampfungsschicht oder Metallteil erfordert jedoch nicht zwingend ihre Anordnung ausschließlich unter der Tragplatte. In den Anmeldungsunterlagen wird beschrieben, die Druck- oder Bedampfungsschicht gegebenenfalls auch auf der Tragplatte oder auf einer ihrer schmalen Seitenflächen anzuordnen (Sp. 2 Z. 23-27 u. Z. 32-35; Sp. 4 Z. 28-32 der Anlage K 21 zur Anlage BK 16). Für den Fachmann wird daraus unmittelbar deutlich, dass die Anordnung der Elektrode unter der Tragplatte nicht zwingend von der Art der Elektrode abhängig ist. Zudem wird in den Anmeldungsunterlagen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Ausbildung der Elektrode grundsätzlich nicht beschränkt ist (Sp. 2 Z. 22 f der Anlage K 21 zur Anlage BK 16). Für den Fachmann ist daher – worauf auch die Beschwerdekammer des EPA in ihrer Entscheidung hingewiesen hat – aus den Anmeldungsunterlagen unmittelbar und eindeutig erkennbar, dass die Anordnung einer Elektrode unter der Tragplatte grundsätzlich nicht auf eine Elektrode einer bestimmten Beschaffenheit beschränkt ist. Dem stellt die Beklagte zu 2) im Nichtigkeitsverfahren nur ihre abweichende Auffassung gegenüber. Dass die Ausführungen der Beschwerdekammer in dieser Hinsicht offensichtlich unzutreffend sind, ist nicht erkennbar.

c)
Die Beklagten sind der Auffassung, die erfindungsgemäße Lehre sei durch eine Kombination der DE 201 10 YZX U1 (Anlage K 8 zur Anlage BK 14) mit der WO 96/13YYX A1 (Anlage K 9 zur Anlage BK 14, in deutscher Übersetzung Anlage K 10) oder der US 5,572,YZY A (Anlage K 12 zur Anlage BK 14) nahegelegt. Mit der Kombination der K 8 und der K 12 hat sich bereits die Beschwerdekammer im Einspruchsverfahren in ihrer Entscheidung vom 18.01.2013 auseinandergesetzt (dort E 30 und E 3) und die K 8 als nächstkommenden Stand der Technik angesehen, aber ein Naheliegen der patentgemäßen Erfindung verneint. Die Nichtigkeitsklage der Beklagten zu 2) zeigt keinen Grund auf, warum diese Auffassung offensichtlich fehlerhaft sein sollte.

aa)
Die K 8 betrifft eine Vorrichtung zum Messen des menschlichen Körperfetts, die auch in der Form einer Waage hergestellt werden kann (S. 7 der K 8). Unter anderem ist auf der Oberseite des Gehäuses ein Leistungsschalter 92 zum Ein- und Ausschalten der Leistung vorgesehen, der in der Figur 6 ohne weiteres als Druckknopf-Schalter identifiziert werden kann (so auch die Beschwerdekammer, vgl. Ziff. 5.2 der Anlage BB 7). Die Beklagten sind mit Blick auf das Klagepatent der Auffassung, die technische Aufgabe liege ausgehend von der K 8 darin, eine Waage zu schaffen, die eine einfache Schaltmöglichkeit von hoher Funktionssicherheit bei gleichzeitig niedrigen Herstell- und Betriebskosten aufweise. Auch wenn die Beklagte zu 2) die technische Aufgabe anders als noch im Einspruchsverfahren allgemeiner gefasst hat, bestehen seitens des Senats keine durchgreifenden Bedenken gegen die Feststellung der Beschwerdekammer, dass bereits die Formulierung der Aufgabe mit rückschauenden Überlegungen in Kenntnis der Erfindung behaftet zu sein scheint, weil sie bereits den Lösungsansatz aufzeigt, wonach der Schalter zu ersetzen ist (vgl. Ziff. 5.3.1 der Anlage BB 7). Im Übrigen stellt sich das Problem der Funktionssicherheit lediglich im Hinblick auf Feuchtigkeit und Spritzwasser, denen Waagen im Bad- und Küchenbereich typischerweise ausgesetzt sind.

Abgesehen davon ergeben sich aus dem Stand der Technik aber auch nicht die Merkmale in naheliegender Weise, nach denen es sich bei der Schaltvorrichtung um einen kapazitiven Näherungsschalter mit einer Elektrode handelt, die unter der Tragplatte angeordnet ist. Es begegnet bereits durchgreifenden Zweifeln, ob in der K 8 eine Waage mit einer Tragplatte offenbart ist, an der der Druckknopf angebracht ist, oder ob dieser nicht durch die Oberseite durchgreifend am Gehäuse selbst befestigt ist. Der Figur 6 lässt sich insofern keine eindeutige Offenbarung dieses Merkmals entnehmen. Aber selbst wenn unterstellt wird, dass die Entgegenhaltungen K 8 und K 12 zusammen sämtliche Merkmale des Klagepatentanspruchs offenbaren, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die erfindungsgemäße Lehre im Stand der Technik nahegelegt war. Ob der Fachmann von dem im Stand der Technik Bekannten zum Gegenstand der erfindungsgemäßen Lehre gelangt, beruht auf einer Wertung, die voraussetzt, dass das Bekannte dem Fachmann dazu einen Anlass oder eine Anregung gab (vgl. BGH GRUR 2010, 407 – Einteilige Öse). Dafür hat die Beklagte zu 2) auch in der Nichtigkeitsklage nichts vorgetragen. Vielmehr kommen hier die weiteren Erwägungen der Beschwerdekammer zum Tragen, gegen die auch die Beklagte zu 2) nichts zu erinnern hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insofern auf die Ausführungen der Beschwerdekammer in der Entscheidung vom 18. Januar 2013 Bezug genommen (dort Ziff. 5.3.3 bis 5.3.4 der Anlage BB 7).

bb)
Die Beschwerdekammer hat sich zwar nicht explizit mit der ferner geltend gemachten Kombination der K 8 mit der K 9 auseinandergesetzt, weil sie die K 9 im Beschwerdeverfahren nicht zugelassen hat (vgl. Ziff. 2.1 der Anlage BB 7). Sie hat aber die K 9 bereits prima facie als nicht relevanter als die im Verfahren befindlichen Druckschriften angesehen, weil der von ihr offenbarte kapazitive Berührungssensor nicht in einer waagenähnlichen Anwendung zum Einsatz komme (Ziff. 2.2 der Anlage BB 7). Es handelt sich dabei um eine – jedenfalls kursorische – inhaltliche Auseinandersetzung mit der Entgegenhaltung K 9, auch wenn sie letztlich in einer rein verfahrensrechtlichen Rechtsfolge, nämlich der Nichtzulassung im Beschwerdeverfahren – äußert. Im Übrigen gelten die Ausführungen der Beschwerdekammer zur Kombination der K 8 mit der K 12 prinzipiell auch für die Kombination der K 8 mit der K 9. Die K 9 betrifft unter anderem einen Berührungssensor, der an einer Seite eines Substrats angebracht ist, um einen Benutzerkontakt der gegenüberliegenden Seite des Substrats zu erfassen. Auch wenn die Kombination der K 8 und K 9 sämtliche Merkmale der Lehre des Klagepatents offenbaren sollte, ist nicht ersichtlich, welchen Anlass der Fachmann haben sollte, die beiden Entgegenhaltungen zu kombinieren. Zunächst sind die von der Beschwerdekammer unter Ziffer 5.3.3 ihrer Entscheidung angestellten Erwägungen auf eine Kombination der K 8 mit der K 9 ohne weiteres übertragbar, weil sie nicht spezifisch die in der Beschwerdeentscheidung herangezogene Entgegenhaltung K 12 betreffen. Aber auch die Ausführungen unter Ziffer 5.3.4 der Beschwerdeentscheidung finden Anwendung, weil sich die K 9 ebenso wie die K 12 mit einer anderen Problematik befasst und daher kaum mit dem Stand der Technik vereinbar ist (vgl. Ziff. 5.3.4 der Anlage BB 7).

Die K 9 bietet eine Lösung für die Probleme, dass Berührungsflecken auf dem Substrat herkömmlicher kapazitiver Sensoren beschädigt werden können, dass sie durch das elektrische Feld benachbarter Flecken gestört werden können oder dass Wasser oder andere Flüssigkeiten auf dem Substrat zu Fehlfunktionen der Sensoren führen können. Letzteres betrifft dabei nicht die einen Kurzschluss verursachende Feuchtigkeit, sondern – wie auch die K 12 – eine mögliche Beeinträchtigung der Detektionsfunktion des Sensors, weil die Feuchtigkeit das elektrische Feld verändert. Diese Probleme stellen sich jedoch nicht bei einer Waage, wie sie in der K 8 mit einem mechanischen Schalter offenbart ist. Dass der Fachmann daher die Technik der K 9 als Alternative zu einem mechanischen Druckknopfschalter für den Einschaltvorgang einer Personenwaage und zur Lösung einer anderen technischen Aufgabe überhaupt in Erwägung gezogen hätte, scheint eher fernliegend (vgl. Ziff. 5.3.4 der Anlage BB 7). Daher führt auch der Hinweis in der K 9 nicht weiter, dass eventuell vorhandene herkömmliche Schalter, darunter auch Einschalter, durch einen kapazitiven Näherungsschalter ersetzt werden könnten. Vielmehr verdreht die gegenteilige Auffassung der Beklagten den Ausgangspunkt der Betrachtung, weil sie von der K 9 ausgeht. Diese ist es, die auf den Einsatz kapazitiver Näherungsschalter mit unter dem Substrat angeordneter Elektrode als Ersatz für herkömmliche mechanische Schalter hinweist. Allerdings gelangt der Fachmann ausgehend von der K 9 schwerlich zur erfindungsgemäßen Lehre, da es am Bezug zu einer Waage im Sinne des Klagepatents fehlt.

cc)
Entgegen der Auffassung der Beklagten stehen die Ausführungen der Beschwerdekammer zur Patentierbarkeit des eingeschränkt verteidigten Patentanspruchs nicht im Widerspruch dazu, dass sie den ursprünglich erteilten Patentanspruch 1 als nicht patentfähig erachtet hat. Die Beschwerdekammer sah den Einsatz eines kapazitiven Näherungsschalters in einer Waage ausgehend von der DE 196 39 YXZ A1 (Anlage E 21 zur Anlage BK 6) als naheliegend an, weil die E 21 für die dort offenbarte Waage gar keinen konkreten Schalter vorsah, sondern nur allgemein von Tastschalterflächen sprach, die in der Figur 1 der Entgegenhaltung auch nur schematisch angedeutet sind. Von vornherein stellte sich damit dem Fachmann die Aufgabe, einen geeigneten Schalter für eine Waage des in der E 21 offenbarten Typs zu finden. Anders verhält es sich hingegen mit der K 8, die die Beschwerdekammer im Hinblick auf den eingeschränkt aufrechterhaltenen und hier geltend gemachten Klagepatentanspruch als nächstliegenden Stand der Technik angesehen hat. In dieser Entgegenhaltung ist in den Figuren ein in das Gehäuse eingelassener Druckschalter erkennbar, so dass durchgreifende Zweifel bestehen, dass ein Fachmann Anlass haben könnte, diesen durch einen kapazitiven Näherungsschalter zu ersetzen.

Damit erklärt sich auch der Hinweis der Beschwerdekammer, dass der Fachmann in dem einen Fall den Einsatz eines für eine Herdmulde offenbarten Näherungsschalters als naheliegend und im anderen Fall als nicht realistisch erachtet. Selbst wenn die – im Übrigen nicht in deutscher Übersetzung vorgelegte – Entgegenhaltung K 12 nicht auf eine Herdmulde beschränkt sein sollte, bleibt es dabei, dass sie sich mit einer anderen Problematik befasst (Fehlfunktionen infolge von durch Spritzwasser verursachten Störungen des elektrischen Feldes) als es für das Auffinden der patentgemäßen Lehre ausgehend von der K 8 erforderlich ist. Die Frage, ob der Fachmann die Elektrode ausgehend von der K 12 unterhalb der Tragplatte anordnet, stellt sich daher nicht, wenn er die K 12 bereits nicht zur Lösung des technischen Problems in Erwägung zieht.

Im Ergebnis ist es auch unbeachtlich, dass die Beschwerdekammer ihre Entscheidung unter anderem damit begründet hat, es sei nicht naheliegend, bei batteriebetriebenen Haushaltsgeräten für die Einschaltfunktion einen kapazitiven Näherungsschalter zu verwenden, der fortwährend Strom verbrauche (Ziff. 5.3.3 der Anlage BB 7), obwohl an keiner Stelle der K 8 offenbart ist, dass die Waage batteriebetrieben ist. Denn der Nachteil, dass der kapazitive Näherungssensor auch im ausgeschalteten Zustand der Waage Strom verbraucht, bleibt unabhängig vom Batteriebetrieb einer Waage bestehen. Im Übrigen hat die Beschwerdekammer ihre Argumentation dadurch relativiert, dass selbst dann, wenn kapazitive Näherungsschalter aufgrund des technischen Fortschritts im Stand der Technik nur noch einen geringen Stromverbrauch aufwiesen und für die beabsichtigte Verwendung als Einschalter verwertbar gewesen seien, die Erkenntnis neuer Anwendungsmöglichkeiten bereits als Beitrag zu einer erfinderischen Leistung gewertet werden könne (Ziff. 5.3.3 der Anlage BB 7).

d)
Soweit die Beklagte zu 2) zur Begründung der Nichtigkeitsklage ergänzend auf den Prüfungsbescheid des DPMA vom 06. September 2011 verweist, in dem das DPMA den Anspruch 1 einer der dem Klagepatent zugrundeliegenden Prioritätsanmeldungen (Anlage K 15 zur Anlage BK 14) für nicht patentfähig erachtet hat, vermag auch das nicht die Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs der Nichtigkeitsklage zu begründen. Denn der Anspruch 1 der DE 103 08 804 A1 unterscheidet sich nicht vom ursprünglich erteilten Anspruch 1 des Klagepatents, den auch das EPA im Einspruchsverfahren für nicht patentfähig gehalten hat und der daher von der Klägerin eingeschränkt wurde. Gleiches gilt für den das Gebrauchsmuster DE 203 21 YZZ U1 betreffende Zwischenbescheid der Gebrauchsmusterabteilung beim DPMA vom 28.03.2012 (Anlage K 18 zur Anlage BK 14).

Abgesehen davon ergibt sich die erfindungsgemäße Lehre nicht in naheliegender Weise aus der vom DPMA herangezogenen Kombination der DE 38 15 ZXX A1 (Anlage K 16 zur Anlage BK 14) mit der DE 41 24 YXX A1 (Anlage K 19). Die K 16 ist inhaltsgleich zur US 4,932,XZY (Anlage E 3 zur Anlage B 1) und gehört damit zum geprüften Stand der Technik. Im Einzelnen offenbart die K 19 einen Druckschalter zum Ein- und Ausschalten einer elektrischen Waage. Sie befasst sich dabei mit der Problematik, dass herkömmliche Druckschalter zu kostspielig oder unzuverlässig seien, insbesondere in bestimmten Konstellationen nicht genügend Druck zum Betätigen des Schalters übertrügen. Stattdessen sieht die K 19 einen unter der Tragplatte angeordneten Druckschalter vor, der bereits bei einer geringen Auslenkung der signalerzeugenden Elemente ausgelöst wird. Davon ausgehend ist wie auch im Fall der K 8 nicht ersichtlich, welchen Anlass der Fachmann haben sollte, diesen Schalter durch einen kapazitiven Näherungsschalter zu ersetzen, zumal die K 19 eine bestimmte konstruktive Lösung für den Einschalter einer Waage vorsieht, die der Fachmann nicht ohne Grund aufgeben wird. Als Druckschalter muss der Schalter anders als ein kapazitiver Näherungsschalter nicht fortlaufend mit Strom versorgt werden und da er unter der Tragplatte angeordnet ist, stellt sich auch nicht das Problem von Spritzwasser und Feuchtigkeit. Auch der im Klagepatent angesprochene Nachteil, genau auf den Kontaktschalter zielen zu müssen, ist nicht vorhanden. Noch weniger wird der Fachmann jedoch die K 19 mit der K 16 kombinieren, da letztere eine Waage mit Kalibriergewichtsschaltung offenbart, bei der der kapazitive Näherungsschalter dazu dient, den Kalibrierungsvorgang abzubrechen, wenn sich eine Bedienperson der Waage annähert. Nicht ohne Grund hat die Beschwerdekammer zu der parallelen US 4,932,XZY ausgeführt, dass sie dem beanspruchten Gegenstand nicht näher komme als die zuvor genannten Druckschriften (vgl. Ziffer 5.3.5 der Anlage BB 7 a.E.). Auch das DPMA verhält sich in seinem Zwischenbescheid zum parallelen Gebrauchsmuster nicht dazu, wie der Fachmann ausgehend von der K 19 zur patentgemäßen Lehre gelangen sollte.
5.
Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 24.05.2013 gibt aufgrund der vorstehenden Gründe keinen Anlass zu einer abweichenden Entscheidung oder zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Es bestand keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, weil die hierfür in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen ersichtlich nicht vorliegen. Als Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO noch erfordern die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.