15 U 35/14 – Isoliertes antigenbindendes Fragment

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2318

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 15. Juli 2014, Az. 15 U 35/14

Vorinstanz: 4a O 55/12

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 4 a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 10.09.2013 abgeändert.

I. Die Beklagte wird verurteilt,

1.

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vorn Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000, – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf, zu unterlassen, in der Bundesrepublik Deutschland ein isoliertes antigenbindendes Fragment, umfassend eine Polypeptiddomäne, die spezifisch ein BDCA-2-Protein bindet, für das die folgende Sequenz kodiert:

worin für das BDCA-2-Protein die Exone 1-6; die Exone 1 und 3-6; die Exone 1-2 und 4-6; oder die Exone 1-3 und 5-6 der vorstehenden Sequenz kodieren, anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;

2.

der Klägerin

a) Auskunft über Herkunft und Vertriebsweg der unter I. 1. bezeichneten

Erzeugnisse zu erteilen durch schriftliche Angaben über

aa. die Namen und Anschriften sämtlicher Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer (insbesondere Transport- und Lagerunternehmen),
bb. die Namen und Anschriften sämtlicher gewerblicher Abnehmer und

Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,

cc. die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;

b) unter Vorlage einer übersichtlichen, in sich verständlichen

Zusammenstellung Rechnung zu legen über

aa. die mit den unter I. 1. bezeichneten Erzeugnissen erzielten Umsätze, aufgeschlüsselt nach einzelnen Lieferungen und jeweils mit Angabe
– des Zeitpunkts der Lieferung,

– der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,

– der gelieferten Stückzahlen,

– des Stückpreises,

– der zur Identifizierung der gelieferten Erzeugnisse notwendigen

Typenbezeichnungen,

bb. die nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungs- und Vertriebskosten der unter I. 1. bezeichneten Erzeugnisse,

cc. den mit den unter I. 1. bezeichneten Erzeugnissen erzielten Gewinn, dd. den Umfang der Werbung für die unter I. 1. bezeichneten Erzeugnisse,
aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
wobei

– die Angaben zu a. nur für die Zeit seit dem 17. Januar 2007 zu machen sind,
– die Angaben zu b. nur für die Zeit seit dem 17. Februar 2007 zu machen sind,
– der Beklagten bei den Angaben zu b. vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu benennenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder eine bestimmte Lieferung in der Aufstellung enthalten ist;

3.

die unter I. 1. bezeichneten, nach dem 17. Januar 2007 in Verkehr gebrachten und im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, die keine Endabnehmer sind und denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass der Senat mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents EP 1 301 XXX B1 (DE 600 33 XXY) erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird.

II.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unter I. 1. bezeichneten, seit dem 17. Februar 2007 begangenen Handlungen entstanden ist oder künftig noch entstehen wird.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

IV.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,00 € ab- zuwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V.

Die Revision wird nicht zugelassen.

VI.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 100.000,00 € festgesetzt.

GRÜNDE:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 1 301 XXX (im Folgenden: Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Rückruf sowie Feststellung der Schadenersatzpflicht dem Grunde nach in Anspruch.

Das Klagepatente deren Inhaberin die Klägerin ist, wurde am 15.11.200 unter Inanspruchnahme von sechs US-amerikanischen Prioritäten vom 15.11.199. 23.11.1999, 28.01.2000, 07.02.2000, 11.04.2000 und 13.04.2000 in englischer Verfahrenssprache angemeldet. Die Veröffentlichung des Hinweises auf die Erteilung des Klagepatents, dessen deutscher Teil beim Deutschen Paten- und Markenamt unter dem Aktenzeichen DE 600 33 XXY T2 geführt wird, erfolgte am 17.01.2007.

Der deutsche Teil des Klagepatents steht in Kraft. Das Klagepatent trägt in deutscher Übersetzung die Bezeichnung „Antikörper spezifisch für dendritische Zellen, Zusammensetzungen und Verfahren, die diese Antikörper verwenden, das durch die Antikörper detektierte Antigen und die dadurch erhaltenen Zellen“.

Patentanspruch 1 des Klagepatents ist in der deutschen Übersetzung des

Klagepatents nach der T2-Schrift wie folgt gefasst:

„Isoliertes antigenbindendes Fragment, umfassend eine Polypeptiddomäne, die spezifisch ein BDCA-2-Protein bindet, für das Seq.-ID Nr. 1 kodiert, worin für das BDCA-2-Protein die Exone 1-6; die Exone 1 und 3-6; die Exone 1-2 und 4-6; oder die Exone 1-3 und 5-6 der Seq.-ID Nr. 1 kodieren.“

Nachfolgend werden in verkleinerter Form aus der Klagepatentschrift stammende zeichnerische Darstellungen der Erfindung abgebildet. Fig. 12 zeigt die cDNA- Sequenz von BDCA-2 (Seq.-ID Nr. 1).

Fig. 5 zeigt die Aminosäuresequenz einer Isoform von BDCA-2 mit allen sechs Exons, die exprimiert werden (Seq.-ID Nr. 2).

Aus einem einzigen Gen können verschiedene Proteine hergestellt werden, indem aus der primären RNA-Sequenz unterschiedliche Sequenzen herausgetrennt werden (sog. Spleißen). Fig. 20 zeigt die Spleißvarianten des BDCA-2-Transkripts.
Die Beklagte vertreibt in Deutschland mehrere Arten von Antikörpern, die an bestimmte Antigene binden (im Folgenden: die angegriffenen Ausführungsformen). Im Einzelnen handelt es sich um die folgenden fünf Produkte:

Die angegriffenen Ausführungsformen werden auf der englischsprachigen Internetseite der Beklagten www.B.net beworben. Für Deutschland wird als Vertriebspartner das Unternehmen C genannt. Die Klägerin hat die Datenblätter für die angegriffenen Ausführungsformen als Anlage K 2 vorgelegt, auf deren Inhalt verwiesen wird. Die für das Produkt D von der Klägerin als Anlage K 2a vorgelegte deutsche Übersetzung ist nachfolgend auszugsweise eingeblendet:

Nach dem von der Klägerin nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten in der Berufungsinstanz werden die Antikörper unter Verwendung zweier Immunogene „Clone 13.8“ und „Clone 13.9“ hergestellt. Diese Immunogene weisen folgende Aminosäuresequenzen auf (wobei die Aminosäuresequenz gemäß der Seq ID Nr. 1 im Vergleich dazu ebenfalls aufgeführt ist):

Die Klägerin meint, die angegriffenen Ausführungsformen stimmten wortsinngemäß mit der technischen Lehre des Klagepatents überein und hat vor dem Landgericht vorgetragen, die angegriffenen Ausführungsformen bänden jedenfalls an das sogenannte „full-length-Protein“, für das eine Kombination aller sechs Exons des Antigens BDCA-2 gemäß der Seq.-ID Nr. 1 kodiert. Darin liege auch eine „spezifische“ Bindung im Sinne des Klagepatents, denn eine solche sei für den Fachmann auch dann gegeben, wenn die angegriffenen Ausführungsformen zusätzlich an andere Varianten des menschlichen BDCA-2 Proteins binden könnten oder an andere Proteine. Derartige alternative Bindungsmöglichkeiten und Kreuzreaktionen seien dem Fachmann geläufig. Im menschlichen Körper existiere lediglich das vom Patentanspruch erfasste full-length-Protein. Unabhängig vom tatsächlichen Bindungsverhalten der angegriffenen Ausführungsformen sei jedenfalls das Angebot patentverletzend, da eine Spezifität für menschliches BDCA-2 beworben werde. Wegen Einzelheiten – auch hinsichtlich der zwischen den Parteien streitigen Tatsachen – wird insoweit gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Feststellungen im Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt, I. die Beklagte zu verurteilen,

1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vorn Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000, – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf, zu unterlassen, in der Bundesrepublik Deutschland ein isoliertes antigenbindendes Fragment, umfassend eine Polypeptiddomäne, die spezifisch ein BDCA-2-Protein bindet, wobei das BDCA-2-Protein eine menschliche Sequenz hat anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.

2.
der Klägerin
a) Auskunft über Herkunft und Vertriebsweg der unter I. 1. bezeichneten
Erzeugnisse zu erteilen durch schriftliche Angaben über
aa. die Namen und Anschriften sämtlicher Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer (insbesondere Transport- und Lagerunternehmen),
bb. die Namen und Anschriften sämtlicher gewerblicher Abnehmer und Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
cc. die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder
bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden
Erzeugnisse bezahlt wurden,
wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;

b) unter Vorlage einer übersichtlichen, in sich verständlichen Zusammenstellung Rechnung zu legen über
aa. die mit den unter I. 1. bezeichneten Erzeugnissen erzielten Umsätze, aufgeschlüsselt nach einzelnen Lieferungen und jeweils mit Angabe
– des Zeitpunkts der Lieferung,
– der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
– der gelieferten Stückzahlen,
– des Stückpreises,
– der zur Identifizierung der gelieferten Erzeugnisse notwendigen
Typenbezeichnungen,
bb. die nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungs- und Vertriebskosten der unter I. 1. bezeichneten Erzeugnisse,

cc. den mit den unter I. 1. bezeichneten Erzeugnissen erzielten
Gewinn,
dd. den Umfang der Werbung für die unter I. 1. bezeichneten Erzeugnisse, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, wobei
– die Angaben zu a. nur für die Zeit seit dem 17. Januar 2007 zu machen sind,
– die Angaben zu b. nur für die Zeit seit dem 17. Februar 2007 zu machen sind,
– der Beklagten bei den Angaben zu b. vorbehalten bleiben mag, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer statt der Klägerin einem von der Klägerin zu benennenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder eine bestimmte Lieferung in der Aufstellung enthalten ist;

3.
die unter I. 1. bezeichneten, nach dem 17. Januar 2007 in Verkehr gebrachten und im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, die keine Endabnehmer sind und denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents EP 1 301 XXX B1 (DE 600 33 XXY) erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird.

II.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unter I. 1. bezeichneten, seit dem 17. Februar 2007 begangenen Handlungen entstanden ist oder künftig noch entstehen wird.

Hilfsweise,
für den Fall, dass die Kammer die vorgenannte Anspruchsfassung für unzulässig erachten sollte, hat die Klägerin den Antrag zu I. 1. in der folgenden Fassung gestellt:

I. die Beklagte zu verurteilen,
1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vorn Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000, – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf, zu unterlassen, in der Bundesrepublik Deutschland ein isoliertes antigenbindendes Fragment, umfassend eine Polypeptiddomäne, die spezifisch ein BDCA-2-Protein bindet, für das die folgende Sequenz kodiert:

worin für das BDCA-2-Protein die Exone 1-6; die Exone 1 und 3-6; die Exone 1-2 und 4-6; oder die Exone 1-3 und 5-6 der vorstehenden Sequenz kodieren,

anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.

Die Beklagten sind dem Verletzungsvorwurf entgegen getreten und haben vor dem Landgericht vorgetragen: Die Klägerin habe nicht schlüssig dargelegt, dass die angegriffenen Ausführungsformen spezifisch an eine der vier in Klagepatentanspruch
1 genau bezeichneten Varianten des Antigens BDCA-2 binden würden und an welche Variante diese Bindung erfolge. Der Fachmann auf dem Gebiet der Biochemie verstehe den Begriff „spezifisch“ dahingehend, dass die Polypeptiddomäne des antigenbindenden Fragments charakteristisch für ein bestimmtes Protein sein müsse. Es müsse also feststehen, dass die angegriffenen Ausführungsformen nicht nur bevorzugt an ein bestimmtes Protein binde, sondern dass es neben diesem Protein an keine anderen Spleißvarianten von BDCA-2 oder an andere Antigene binde. Die Klägerin hätte das Bindungsverhalten der angegriffenen Ausführungsformen anhand praktischer Versuche näher untersuchen müssen.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 10.09.2013 abgewiesen und dieses im

Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass die angegriffenen Ausführungsformen spezifisch an ein BDCA-2-Protein binden, für das eine der Spleißvarianten gemäß Patentanspruch 1 kodiert. Den im Klagepatent verwendeten Begriff der Spezifität verstehe der Fachmann ausgehend von seinem allgemeinen Fachwissen (welches das Landgericht dem Chemielexikon von Römpp entnommen hat) dahingehend, dass eine Substanz, vorliegend also das antigenbindende Fragment, aus einer Anzahl gebotener Reaktionsmöglichkeiten nur eine ganz bestimmte wahrnimmt. Dass dies bei den angegriffenen Ausführungsformen der Fall sei, lasse sich nicht feststellen. Insbesondere sei es den Datenblättern gemäß Anlage K 2 nicht zu entnehmen. Die darin enthaltenen Angaben schlössen nicht aus, dass die angegriffenen Ausführungsformen auch an andere als die in Anspruch 1 genannten Spleißvarianten von BDCA-2 binden oder an andere Antigene. Eine Bindung an andere als der in Patentanspruch 1 genannten Spleißvarianten müsse aber ausgeschlossen sein, wie die Zusammenschau mit den Unteransprüchen 25 und 26 zeige.

Wegen der näheren Begründung wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Zur Begründung führt sie unter ergänzender Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Sachvortrag aus: Dass der Begriff „spezifisch“ in der Biochemie nicht in dem vom Landgericht vertretenen Sinne verstanden werden könne, ergebe sich schon daraus, dass der Fachmann bei einem solchen Verständnis den Begriff „spezifisch“ bei der Antikörper- Antigen-Bindung letztlich niemals verwenden könne, da nie ausgeschlossen werden könne, dass es bei einem Antikörper Kreuzreaktionen bzw. Bindungen an andere Stoffe gebe. Um dies festzustellen, müsste eine unübersehbare Anzahl von Versuchen durchgeführt werden. Um ihr Verständnis von Spezifität zu stützen, verweist die Klägerin zusätzlich zu der erstinstanzlich vorgetragenen Fundstelle im Lehrbuch „Immunology“ von Kuby (Anlage K 10, deutsche Übersetzung: Anlage K 10a) auf ein mit der Berufungsbegründung als Anlage K 11 vorgelegtes Privatgutachten von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. E sowie auf einen als Anlage K 12 (mit deutscher Übersetzung in K 12a) vorgelegten Auszug aus dem Lehrbuch „Clinical Immunology“ von Rich. Auf den Inhalt der Anlagen K 10a, K 11 und K 12a wird verwiesen. Der Umstand, dass im Patentanspruch 1 vier Spleißvarianten von BDCA-2 genannt seien, könne nicht als Argument dafür herangezogen werden, dass es dem Klagepatent gerade darauf ankomme, dass eine Bindung nur an diese Varianten, nicht aber an andere BDCA-2-Spleißvarianten erfolgen solle. Im Prioritätszeitpunkt des Klagepatents seien vielmehr nur diese vier Spleißvarianten bekannt gewesen (vgl. Abs. [0303] der Klagepatentschrift). Die beiden weiteren Spleißvarianten, die inzwischen bekannt seien (rop 2a), seien später entdeckt worden, und zwar auch nur auf mRNA-Ebene, das heißt sie kämen ohnehin nicht auf der Oberfläche von dendritischen Zellen vor. Zum Beleg der Patentverletzung verweist die Klägerin zudem auf einen als Anlage K 13 vorgelegten Versuchsbericht ihres Mitarbeiters Herr Dr. F, wonach eine Untersuchung der Ausführungsformen G, H, D und I ergeben hätte, dass die angegriffenen Ausführungsformen an menschliches BDCA-2-Protein, insbesondere an solches gemäß der Seq.-ID Nr. 1, binden würden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Versuchsberichte gemäß Anlage K 13 verwiesen. Die Klägerin meint, die Beklagte habe den Umstand, dass die angegriffenen Ausführungsformen an das full-length-BDCA-2-Protein bänden, nur unsubstantiiert bestritten. Zum einen ergebe sich aus den Datenblättern, dass die angegriffenen Ausführungsformen an das full-length-BDCA-2-Protein binden, denn in den Datenblättern werde das Gewicht des BDCA-2-Proteins mit 25 kDa angegeben, was – unstreitig – dem Gewicht des full-length-Protein entspricht. Zum anderen werde in dem Datenblatt auf die Veröffentlichtung von F et al. (Anlage rop 2a) verwiesen, in der in Abb. 1 das BDCA-2 ebenfalls in der full-length-Variante gezeigt wird. Dass die angegriffenen Ausführungsformen durch ein anderes Immunogen hergestellt wurden, worauf die Beklagte in diesem Zusammenhang verweise, sei irrelevant. Die Beklagte habe nicht dargetan, dass sich die Abwandlungen, die die Immunogene Clone 13.8 und 13.9 gegenüber der Seq. ID Nr. 1 aufweisen würden, auf das Bindungsverhalten der dadurch hergestellten angegriffenen Ausführungsformen auswirkten. Sämtliche Abwandlungen beträfen vielmehr Bereiche, die für das Epitop nicht relevant sein könnten. Wenn an Position 66 Prolin durch Serin ersetzt worden sei, sei dies unbeachtlich. Denn Prolin könne an dieser Position seine typische „helixbrechende“ Funktion nicht ausüben: diese Position liege nämlich nicht in einer α-Helix, sondern zwischen einer α-Helix und einem β-Faltblatt. Wenn an Position 159 Threonin durch Arginin ersetzt worden sei, sei dies ebenfalls unbeachtlich, denn zwischen den Positionen 158 und 162 befinde sich ein unstrukturierter Bereich. Schließlich sei der Einschub, der beim Clone 13.9 an Position 11 vorhanden sei, für das Bindungsverhalten des Antikörpers nicht ausschlaggebend. Denn dieser Bereich liege im Innern der Zelle, so dass der Antikörper daran nicht ohne Zerstörung der Zelle binden könne.

Die Klägerin beantragt,

– wie tenoriert –.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil und trägt unter Bezugnahme auf ihre erstinstanzlichen Ausführungen ergänzend vor: Mit den neuen Angriffsmitteln, die die Klägerin erst in der Berufungsinstanz vorbringe, sei die Klägerin nach § 531 ZPO präkludiert. Insbesondere könne der Versuchsbericht über die angegriffenen Ausführungsformen nach Anlage K 13 nicht berücksichtigt werden, ebensowenig die erst mit der Berufungsbegründung vorgelegten deutschen Übersetzungen der Anlagen K 6 (Auszug aus der Datenbank UniProt) und K 10 (Lehrbuch von Kuby) und das Privatgutachten zur Spezifität gemäß Anlage K 11. Erstinstanzlich habe die Klägerin zur Verletzung des Klagepatents nur ins Blaue hinein vorgetragen. Deshalb seien die Ausführungen der Klägerin bisher auch nicht einlassungsfähig gewesen. In der Berufungsinstanz bestreitet die Beklagte mit Nichtwissen, dass die angegriffenen Ausführungsformen ein full-length-BDCA-2-Protein, für das die Exone 1-6 der Seq.-ID Nr. 1 kodieren, binden. Zur Begründung führt sie an, sie, die Beklagte, könne die erforderlichen Tests nicht ausführen, da sie über kein BDCA-2-Protein verfüge und sich dieses auch nicht beschaffen könne. Es sei fraglich, ob derartige Antigene überhaupt existierten, denn die Beklagte habe trotz aller Anstrengungen nur abweichende Varianten der im Patent beschriebenen Gensequenz auffinden können. Wenn im Datenblatt der angegriffenen Ausführungsformen eine Spezifität für menschliches CD 303 angegeben sei, so heiße dies nicht, dass das Protein mit der Seq.-ID Nr. 1 gemeint sei. Denn es würden nicht nur verschiedene Spleißvarianten, sondern auch verschiedene Mutationen als BDCA-2 bzw. CD303 bezeichnet, wie sich beispielsweise Freizeichen aus der Veröffentlichung Fernandes et. al. (Anlage rop 8, in deutscher Übersetzung in der Berufungserwiderung als Anlage rop 8a eingereicht) ergebe. Gegen die Methodik der von der Klägerin durchgeführten Versuche (Anlage K 13) erhebt die Beklagte verschiedene Einwände, wegen derer auf den Schriftsatz vom 28.05.2014 verwiesen wird. Die Testergebnisse bestreitet sie mit Nichtwissen.

Weiter behauptet die Beklagte, die Immunogene, mit Hilfe derer die angegriffenen Ausführungsformen hergestellt worden seien, wiesen signifikant abweichende Gensequenzen auf. Einschübe wie derjenige an Position 11 des Clone 13.9 seien prädestiniert dazu, die Konformation des gesamten Proteins grundlegend zu verändern. Dies gelte besonders deshalb, weil der Einschub zwei Cysteineinheiten enthalte, deren Seitenketten Sulfhydrylgruppen enthalten. Durch Oxidation von Sulfhydrylgruppen könnten zwei Cysteinreste verschiedener Proteinregionen miteinander eine Disulfidbrücke bilden, wobei Cystein entstehe. Dass Prolin durch Serin ersetzt worden sei, sei ebenfalls entscheidend, denn Prolin habe eine unter den Aminosäuren einzigartige helixbrechende Funktion. Auch die Substitution von Threonin durch Arginin sei signifikant, da sie die Proteinfaltung beeinflussen könne. Arginin trage die am stärksten polare Seitenkette aller Aminosäuren. Diese neige dazu, sich an der Proteinoberfläche zu lokalisieren, um mit Wassermolekülen in elektrostatischen Kontakt zu treten. So werde eine Proteinfaltung gefördert, bei der Arginin an der Oberfläche liege. Threonin dagegen trage eine polare ungeladene Seitenkette, die nur Wasserstoffbrückenbindungen eingehen kann, welche viel schwächer seien als elektrostatische Bindungen.

In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte vorgetragen, die angegriffenen Ausführungsformen bänden in signifikanter Weise an die Sequenz Clone 13.9 des verwendeten Immunogens. Dies zeige etwa die Abbildung „Surface FACS staining of CD303-transfected COP5 cells“ auf dem Datenblatt zum Antikörper 104C12.08. Dort sei die Färbeintensität dargestellt, die sich ergebe, wenn man die angegriffenen Antikörper mit dem Clone 13.9 reagieren lasse. Da der Clone 13.9 somit ein „besserer Bindungspartner“ für die angegriffenen Ausführungsformen sei, wäre eine Bindung der angegriffenen Ausführungsformen an BDCA-2, selbst wenn eine solche stattfinden würde, jedenfalls nicht als spezifisch anzusehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Schadensersatz und Rückruf zu, denn die Beklagte verletzt durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen das Klagepatent.

A.

Das Klagepatent betrifft unter anderem Antikörper und Derivate davon, die für Subpopulationen von dendritischen Zellen (DC) spezifisch sind (vgl. T2-Schrift Abs. [0001]; die nachfolgenden Zitate beziehen sich jeweils auf die T2-Schrift). Eine dieser Subpopulationen sind die sogenannten plasmazytoiden dentritischen Zellen (PDC). Zur Bedeutung von dendritischen Zellen (im Folgenden: DC) führt das Klagepatent aus: Dendritische Zellen sind antigenpräsentierende Zellen, die für den Beginn von primären Immunreaktionen und für die Entwicklung von Toleranz essentiell sind (Abs. [0005]). DCs finden sich in großer Zahl in Oberflächengeweben des Körpers, wie z.B. der Haut, dem Rachen und der Speiseröhre, aber auch in den inneren Schleimhäuten und im Blut. DC sind ein Teil des Immunsystems. Sie haben die Funktion, die Immunabwehr gegen körperfremde Strukturen wie z.B. Mikroorganismen und deren Bestandteile, zu verstärken. DCs sind auch für die Entwicklung von Toleranz gegenüber körpereigenen Strukturen wesentlich. Umgekehrt können einige DCs Auslöser für Autoimmunerkrankungen und Allergien sein. Die Ursachen hierfür sind nur teilweise bekannt (vgl. Abs. [0005]; [0007]). Aus Analysen von DC, die aus nicht-kultiviertem Blut isoliert wurden, wurde offensichtlich, dass Blut-DC keine homogene Zellpopulation ist, sondern ein Gemisch aus zumindest zwei Populationen, nämlich plasmazytoide und monocytoide DC (Abs. [0015]).

Angesichts dieser Bedeutung von DCs für die Forschung über Autoimmunerkrankungen berichtet das Klagepatent in der Folge über die im Stand der Technik vorhandenen Probleme, die sich bei Studien über DCs stellten.

Im Stand der Technik bekannte Verfahren zur Isolierung von DCs beruhten auf einer Reifungsveränderung nach einer kurzen Kulturperiode wie dem Erwerb geringer Schwebedichte oder Expression von DC-Aktivierung/Reifungsantigenen (CD83, CMRF-44 und CMRF-56) (Abs. [0009]). Ferner würden funktionelle CD1a+-DC typischerweise ex vivo aus Monozyten und aus hämatopoetischen CD34+- Vorläuferzellen erzeugt. An letzterem Verfahren kritisiert das Klagepatent, es sei nicht bekannt, ob DCs, die in vitro aus Monozyten und hämatopoetischen Vorläuferzellen erzeugt würden, alle Eigenschaften von In-vivo-DCs be- oder erhielten (Abs. [0010]).

Eine weitere Möglichkeit, DCs zu isolieren bestünde darin, monoklonale Antikörper einzusetzen, die für menschliche DCs spezifisch sind. Im Hinblick auf solche Studien bestehe aber das Problem, dass DC-spezifische Zelloberflächenmarker fehlten. So seien viele Versuche, monoklonale Antikörper (mAb) zu erzeugen, die für menschliche DC spezifisch seien, fehlgeschlagen, weil nur mAb erzeugt würden, die Antigene binden, die sowohl von DCs als auch von anderen Leukozyten exprimiert würden. Das Klagepatent erläutert hierzu, dass menschliche DCs eine große Zahl an immunogenen Zelloberflächenstrukturen mit anderen Blutzellen teilen, wie etwa HLA- Moleküle CD18, CD29, CD31, CD43, CD44, CD45, CD54 und CD58. Diese Antigene könnten die Immunreaktion auf eine injizierte DC bis zu einem Grad dominieren, bei welchem B-Zellen (antikörperproduzierende Zellen) mit Spezifität für DC-spezifische Antigene gar nicht oder nur sehr selten unter B-Zellen zu finden seien, welche die Fähigkeit hätten, mit Myelomzellen zu fusionieren (Abs. [0011]).

Forscher hätten daher in verschiedenen Versuchen mit erwachsenen und neugeborenen Mäusen versucht, derartige B-Zellen, die Antikörper für Antigene produzieren, welche DCs und andere Blutzellen gemeinsam haben, zu entfernen oder sie zu tolerieren (vgl. [0012]).

Im Stand der Technik sei weiter ein Verfahren bekannt, bei dem DCs nicht durch die Verwendung eines einzigen, für DCs spezifischen Zelloberflächenmarkers isoliert wurden, sondern durch die Verwendung einer Kombination bestimmter Zelloberflächenmarker. Dies beschreibe die US-Patentschrift Nr. 5.972.XXX.

Vor dem Hintergrund dieses Standes der Technik verfolgt das Klagepatent unter anderem die – nicht ausdrücklich definierte – Aufgabe (das technische Problem), erstmals im Wesentlichen reine Populationen plasmazytoider dendritischer Zellen (pDC) bereitzustellen, d.h. Mengen von pDC, die nicht durch andere Arten dendritischer Zellen oder Blutzellen verunreinigt sind. Dies gelang durch die Identifikation des Oberflächenmoleküls BDCA-2 (für „Blood Dendritic Cell Antigen 2“; nach alternativen Bezeichnungen auch CD 303 oder CLEC4C). BDCA-2/CD 303 ist ein Protein (Eiweiß), das für plasmazytoide dendritische Zellen charakteristisch ist (vgl. Abs. [0027], [0080]-[0082]).

Mit Hilfe der Erfindung sollen unter anderem entsprechende das Antigen BDCA-2 bindende Fragmente und die dadurch erkannten Antigene bereitgestellt werden (Abs. [0080]). Dabei umfasst der Begriff „antigenbindendes Fragment“, wie das Klagepatent in Absatz [0105] ausführt, eine beliebige Gruppierung, die sich vorzugsweise an ein DC oder eine Subpopulation davon bindet.

Diese antigenbindenden Fragmente weisen nach Patentanspruch 1 folgende Merkmale auf:

1. Ein isoliertes antigenbindendes Fragment;

2. das isolierte antigenbindende Fragment umfasst eine Polypeptiddomäne;

3. die Polypeptiddomäne bindet spezifisch ein BDCA-2-Protein, für das

Seq.-ID Nr. 1 kodiert;

3.1 für das BDCA-2 Protein kodieren die Exone 1-6, die Exone 1 und 3-6, die Exone 1-2 und 4-6; oder die Exone 1-3 und 5-6 der Seq.-ID Nr. 1.

Die Verwendung von Antikörpern, die spezifisch an BDCA-2 binden, stellt nach dem Klagepatent einen angenehmen und wirksamen Weg zur raschen Detektion, Zählung und Isolierung von DC-Populationen aus PBMC (humane, einkernige Blutzellen = Peripheral Blood Mononuclear Cells) Leukopheresematerial, Vollblut, Mandeln etc. bereit, ohne offensichtliche funktionelle Störung (Abs. [0103]).

B.

Da die Verwirklichung der Merkmale 1 und 2 durch die angegriffenen Ausführungsformen zu Recht unstreitig ist, bedarf es lediglich weiterer Ausführungen zur Auslegung der Merkmalsgruppe 3.

1.

Nach Merkmal 3 soll die Polypeptiddomäne des antigenbindenden Fragments spezifisch ein BDCA-2-Protein binden, für das Seq.-ID Nr. 1 kodiert.

Maßgeblich kommt es darauf an, welche Bedeutung dem Begriff „spezifisch“ beizumessen ist. Wie das Landgericht zutreffend feststellt, enthält die Klagepatentschrift keine Legaldefinition dieses Begriffs. Ausgangspunkt für die Auslegung ist der Offenbarungsgehalt der Schutzansprüche und ergänzend – im Sinne einer Auslegungshilfe – der Offenbarungsgehalt der Beschreibung, soweit dieser Niederschlag in den Ansprüchen gefunden hat (BGH, GRUR 2005, 754 – werkstoffeinstückig; GRUR 1999, 909, 911 – Spannschraube). Merkmale und Begriffe eines Patentanspruchs sind innerhalb des durch die gebrauchten Worte als solche gezogenen Rahmens so zu deuten, wie dies angesichts der ihnen nach dem offenbarten Erfindungsgedanken zugedachten technischen Funktion angemessen ist (BGH, GRUR 2009, 655 – Trägerplatte; OLG Düsseldorf, BeckRS 2011, 26945 – Wärmedämmelement). Wird ein Begriff im Patentanspruch verwendet, der in einem Fachgebiet gebräuchlich und mit einem bestimmten Inhalt versehen ist, so darf diesem zwar nicht unbesehen diese Bedeutung zu Grunde gelegt werden. Denn es ist die Möglichkeit in Rechnung zu stellen, dass das Patent den Ausdruck gerade nicht in diesem geläufigen, sondern in einem davon abweichenden (z.B. weitergehenden oder engeren Sinne) verwendet (OLG Düsseldorf, BeckRS 2011,
20938). Dies bedeutet aber nicht, dass bei der Auslegung eines Patents unter keinen Umständen auf den üblichen Sprachgebrauch und Begriffsinhalt zurückgegriffen werden dürfte. Vielfach wird dies – im Gegenteil – angezeigt sein, weil bei der Abfassung einer Patentschrift Begriffe in der Regel mit ihrem auf dem betroffenen Fachgebiet üblichen Inhalt gebraucht zu werden pflegen (Kühnen, Hdb. d. Patentverletzung, 6. Aufl. 2013, Rn. 31)

a)

Der Fachmann, ein Biochemiker mit vertieften Kenntnissen der Immunologie, wird ausgehend von seinem Fachwissen den Begriff „Spezifität“ als einen relativen Begriff verstehen, nach dem ein Antikörper dann für ein Antigen spezifisch ist, wenn er zu der Oberfläche des Antigens komplementär ist, also zu diesem „passt“ bzw. ihn erkennt. Aufgrund der Komplementarität erfolgt die Bindung zwischen den Antikörper und dem Antigen im Test nicht nur zufällig im Einzelfall, sondern regelmäßig und zuverlässig. An der Spezifität ändert es nichts, wenn ein Antikörper mit anderen Antigenen kreuzreagieren kann, also auch andere Antigene erkennen kann.

Diese Erkenntnis lässt sich aus den Fachbeiträgen entnehmen, die die Parteien als Anlagen rop 5a, K 10a, K 11 und K 12 vorgelegt haben. Zwar wird im Chemie-Lexikon von Römpp (Band 5, 9. Aufl. 1992, S. 4239) der Begriff „spezifisch“ als die Fähigkeit von Substanzen beschrieben, aus einer Anzahl gebotener Reaktions- oder allg. Einwirkungsmöglichkeiten nur eine ganz bestimmte wahrzunehmen. Weiter heißt es dort, bei Immunreaktionen könne von spezifischen Prozessen gesprochen werden. Diese Definition kann aber, auch wenn sie selbst für den Bereich der Biochemie Gültigkeit beansprucht, nicht bedeuten, dass ein Antikörper dann nicht als spezifisch angesehen werden kann, wenn nicht feststeht, dass er mit keinem einzigen anderen Antigen eine Bindung eingeht. Denn dass Antikörper in manchen Fällen andere Antigene erkennen und an sie binden können (Kreuzreaktivität), ist in der Immunologie bekanntermaßen unvermeidbar (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.06.2011, 2 U 26/10, zitiert nach juris, Rn. 85). Dies ergibt sich aus den von den Parteien vorgelegten Auszügen aus der einschlägigen Fachliteratur, die im Vergleich zum Römpp-Chemie-Lexikon spezieller für das maßgebliche Fachgebiet sind. So heißt es im Lehrbuch „Immunology“ von Kuby (Anlage K 10a):

„Obwohl Antigen-Antikörper-Reaktionen hoch spezifisch sind, können Antikörper, die durch ein bestimmtes Antigen hervorgerufen wurden, in einigen Fällen mit einem nicht verwandten Antigen kreuzreagieren“ (Anlage 10a, Kreuzreaktivität).

Auch in dem als Anlage rop 5/5a vorgelegten Artikel, dem Auszug aus der Encylopedia of Life Science, der im Besonderen die „Antigen-Antikörper-Bindung“ betrifft, wird ausgeführt:

„Wie oben erwähnt, ist die bemerkenswerteste Eigenschaft der Antigen-Antikörper-Wechselwirkung ihre hohe Spezifität und Affinität. Gleichwohl können Antikörper in manchen Fällen andere Antigene erkennen.“ (Anlage rop 5a, unter „Grenzen der Antikörper-Spezifität – Kreuzreaktivität“)

Wenn im vorstehenden Artikel davon die Rede ist, dass ein Antikörper eine „hohe Spezifität“ für sein verwandtes Antigen habe (so auch Anlage rop 5a, S. 5, unter der Überschrift „Rolle von Struktur-Veränderungen durch die Komplexbildung bei der Antigen-Antikörper-Bindung“), dann ergibt sich auch hieraus, dass es eine absolute Spezifität nicht gibt, bei der alle Bindungen außer einer einzigen ausgeschlossen sind. Spezifität ist damit ein relativer Begriff, der bezeichnet, wie gut ein Antikörper an ein Antigen passt.

Auch aus dem in Übersetzung vorgelegten Auszug aus dem Lehrbuch „Clinical Immunology“ von Robert R. Rich (Anlage K 12a) ergibt sich, dass Spezifität in der Immunology kein absoluter Begriff ist. Dort heißt es, der Aspekt der Spezifität betreffe die Anpassungsgüte zwischen dem Paratop (des Antikörpers) und dem Epitop (des Antigens). Das Maß für diese Anpassungsgüte sei die intrinsische Affinität (K 12a, S.
1, zweiter Absatz). Es gebe praktische Fälle, in denen es vertretbar sei, allgemein von mehr oder weniger spezifischen Antikörpern zu sprechen (K 12a, S. 1, dritter Absatz). Die Unterscheidung durch Antikörper sei nicht absolut (K 12a, S. 2, zweiter Absatz; vgl. zu einem entsprechenden allgemeinen Fachwissen zur Antigen-Antikörper-Reaktion auch OLG Düsseldorf, BeckRS 2011, 20938 – Schwangerschaftstestgerät VI, unter II. B. 2. a)).

Nichts anderes ergibt sich auch aus dem als Anlage K 11 vorgelegten Privatgutachten von Prof. Dr. Fritz E. Danach ist ein Antikörper für ein Antigen spezifisch, wenn seine Oberfläche chemisch komplementär ist zu der Oberfläche des Antigens. Je stärker die Bindung der Oberflächen ist, desto spezifischer ist der Antikörper für das betreffende Antigen, wobei Affinitäten in nano-molaren bis pico-molaren Bereichen in der Praxis als spezifisch erachtet würden.

Die in der Berufungsbegründung vorgelegten Anlagen K 10a, K 11 und K 12 sind auch zu berücksichtigen, denn sie enthalten keine „neuen“ Angriffsmittel im Sinne des § 531 Abs. 1 ZPO. Um neues Vorbringen im Sinne dieser Vorschrift handelt es sich nur, wenn ein sehr allgemein gehaltenes Vorbringen der ersten Instanz konkretisiert und erstmals substantiiert wird, nicht jedoch, wenn ein bereits schlüssiges Vorbringen aus der ersten Instanz durch weitere Tatsachenbehauptungen zusätzlich konkretisiert, verdeutlicht oder erläutert wird (BGH, GRUR 2012, 1236, 1239 – Fahrzeugwechselstromgenerator; BGH, NJW 2007, 1531, 1532; BGH, NJW 2004, 2825, 2827; BGH, NJW 2006, 152, 153). Vorliegend hatte die Klägerin bereits in erster Instanz konkret und unter Verweis auf Fachliteratur (Anlage K 10, Anlage K 9) zu dem fachmännischen Verständnis zur Spezifität vorgetragen, was sie in zweiter Instanz lediglich vertieft hat.

Konkrete Einwände gegen die Erkenntnisse, die sich aus der zusätzlich vorgelegten Fachliteratur und dem Gutachten von Prof. Dr. E zum Verständnis des Begriffs der Spezifität ergeben, haben die Beklagte in der Berufungsinstanz auch nicht mehr vorgebracht.

b)

Aus dem Klagepatent ergibt sich kein anderes Verständnis des Begriffs Spezifität.

Die technische Funktion der in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellten antigenbindenden Fragmente besteht darin, aus einem Ausgangsmaterial (z.B. PBMC, Lukopheresematerial, Vollblut, Mandeln oder auch Gewebe, vgl. Abs. [0103]) DC-Populationen zu detektieren, zu zählen und zu isolieren. Denn die Klagepatentschrift erläutert ausführlich, welche herausragende Bedeutung DCs vor allem für Autoimmunerkrankungen zukommt. Daraus wird deutlich, dass es das Klagepatent als erstrebenswert ansieht, DCs zu isolieren. Im Stand der Technik scheiterte die gezielte Isolierung von DCs durch monoklonale Antikörper (mAb) daran, dass die Antikörper, die verwendet wurden, an Zelloberflächenstrukturen (Antigene) banden, die DCs mit anderen Blutzellen gemeinsam hatten (Abs. [0011]).

Dieses Problem löst das Klagepatent dadurch, dass es ein neues Antigen namens BDCA-2 beschreibt, das auf der Oberfläche von DCs zu finden ist (Abs. [0081]). In dem erstmaligen Auffinden dieses für DC spezifischen Antigens liegt die Grundlage der Erfindung. Welche Auswirkung das Auffinden dieses für DC spezifischen Antigens hat, wird in Absatz [0094] ausgeführt, wo es heißt:

„Diese Erfindung umfasst antigenbindende Fragmente, die DCs spezifisch anerkennen. Das bedeutet, das Antigen ist auf DCs zu finden, sodass antigenbindende Fragmente, die das Antigen erkennen, vorzugsweise DCs oder eine Teilmenge davon erkennen oder an diese binden. (…)“

Hier wird lediglich gefordert, dass das antigenbindende Fragment das Antigen „erkennt“. Allein dadurch – so das Klagepatent – kommt es dazu, dass eine Bindung vorzugsweise an DCs erfolgt. Die erreichte Isolierung von DCs folgt also nicht etwa daraus, dass die antigenbindenden Fragmente besondere Eigenschaften hätten, die eine Bindung an Antigene anderer Zellen verhindern würden. Die Erkennung der DCs liegt vielmehr daran, dass das Antigen BDCA-2 nach den Erkenntnissen des Klagepatents von anderen Zellen schlicht nicht exprimiert wird („das Antigen ist auf DCs zu finden, sodass antigenbindende Fragmente (…) vorzugsweise DCs erkennen…“). Das Antigen zeichnet gerade plasmazytoide dendritische Zellen aus. Das Klagepatent verbessert demnach nicht eine vorbekannte Erkennungsrate, die durch die Bindung eines Antikörpers an ein Antigen erzielt wird, sondern schafft erstmals überhaupt eine zuverlässige Erkennung von DCs mit Hilfe von Antikörpern. Daraus folgt für den Begriff der Spezifität, dass es ausreichend ist, wenn der Antikörper das Antigen zuverlässig erkennt. Würde er darüber hinaus weitere Antigene erkennen, so lägen darin Kreuzreaktionen, die auf das Vorhandensein gleicher Epitope auf anderen Antigenen zurückzuführen wäre. An der Spezifität des Antikörpers für BDCA-2 würden sie nichts ändern.

Für die vom Klagepatent geforderte zuverlässige Erkennung des Antigens durch den Antikörper ist es unschädlich, wenn der Antikörper auch andere Bindungen eingeht. Dies folgt aus Absatz [0031] im allgemeinen Teil der Klagepatentschrift, in dem es heißt:

„Die Erfindung umfasst Verfahren zum Gewinnen von Zusammensetzungen aus hämatopoetischen Zellen, die mit DCs angereichert sind, indem ein Gemisch aus menschlichen hämatopoetischen Zellen in eine Fraktion getrennt wird, worin zumindest 80 % der Zellen in der Fraktion BDCA-2+ sind.“

Hier sieht es das Klagepatent – im Zusammenhang mit dem Verfahren, das in Patentanspruch 16 unter Schutz gestellt ist, das aber auf die antigenbindenden Fragmente nach Patentanspruch 1 zurückbezogen ist – als ausreichend an, wenn die spezifischen antigenbindenden Fragmente zu einem gewissen Anteil (20 %) auch an andere Zellen als DCs (und damit an andere Antigene als BDCA-2) binden. DCs werden mit einer zufriedenstellenden Konzentration isoliert.

Auch Absatz [0145] stützt diese Auslegung. Dort wird ein Verfahren beschrieben, wie klagepatentgemäße antigenbindende Fragmente identifiziert werden können, also solche, die für DCs spezifisch. Dies solle mittels einer Phagendisplaybibliothek erfolgen. Dabei werden Proteine (z.B. Antikörper) auf der Oberfläche von Bakteriophagen präsentiert, um dadurch geeignete Bindepartner zu finden und zu isolieren. Die Phagendisplaybibliothek solle, so das Klagepatent in Absatz [0145], gescreent werden und es soll derjenige Phage (mit darauf präsentiertem Antikörper) ausgewählt werden, der sich „bevorzugt“ an DCs bindet. Dass zugleich ausgeschlossen werden müsse, dass eine Bindung an andere Zellen bzw. Antigene erfolgt, verlangt das Klagepatent danach nicht.

c)

Die Auslegung des Senats von Spezifität wird bestätigt durch die sachkundige Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts. Diese geht davon aus, dass den Fachmann das Auftreten von Kreuzreaktionen mit anderen Antigenen nicht davon abhalten würde, einen Antikörper als spezifisch für ein Antigen zu bezeichnen. In der Entscheidung vom 15.06.2004 (T 0189/01) führt sie hierzu aus, der Begriff der Spezifität schließe Kreuzreaktionen mit anderen Polypeptiden nicht aus. Dies liege daran, dass die Kreuzreaktion letztlich keine Eigenschaft des Antikörpers sei, sondern eine Eigenschaft des Epitops des Antigens. Ein solches könne nun einmal auf verschiedenen Proteinen vorhanden sein.

2.

Nach dem Merkmal 3.1 sollen für das BDCA-2 Protein die Exone 1-6, die Exone 1 und 3-6, die Exone 1-2 und 4-6; oder die Exone 1-3 und 5-6 der Seq.-ID Nr. 1 kodieren. Danach muss das patentgemäße antigenbindende Fragment zumindest an eine dieser Spleißvarianten spezifisch binden im dem unter Ziffer 1. genannten Sinne.

a)

Entgegen der Ansicht der Klägerin reicht es für die Verwirklichung des Merkmals 3.1 des Patentanspruchs 1 nicht aus, wenn ein Antikörper das BDCA-2-Antigen erkennt, unabhängig davon, in welcher Spleißvariante es vorliegt. Die Klägerin meint deshalb, sie müsse nicht näher darlegen, welche Isoform von BDCA-2 die angegriffenen Ausführungsformen erkennen. Diese Auslegung lässt sich aber mit dem Wortlaut des Patentanspruchs nicht in Einklang bringen. Würde auf eine Spezifität für BDCA-2 in jedweder Form abgestellt, so würde dem Merkmal 3.1 ein eigenständiger Sinngehalt abgesprochen werden. Dies wäre mit dem Grundsatz ausreichender Rechtssicherheit für Dritte nicht vereinbar, der bei der Auslegung zu berücksichtigen ist (Rinken/Kühnen in: Schulte, PatG, 9. Aufl. 2014, § 14 Rn. 14). Auch Absatz [0200] der Klagepatentschrift, auf den sich die Klägerin in diesem Zusammenhang beruft, spricht nicht dafür, dass Patentanspruch 1 entgegen seinem Wortlaut eine Spezifität für irgendeine Spleißvariante von BDCA-2 ausreichen lassen will. Nach Absatz [0200] umfasst die Erfindung „Sets, die anti-DC-spezifische antigenbindende Fragmente enthalten, zur Messung von BDCA-2 (…), einschließlich Isoformen davon“. Zwar spricht das Klagepatent hier an, dass ein Antikörper verschiedene Spleißvarianten (Isoformen) von BDCA-2 erkennen kann. Dass es aber für die Verwirklichung des Patentanspruchs schon ausreichen soll, wenn nur solche

Varianten erkannt werden, die nicht im Patentanspruch 1 aufgeführt sind, lässt sich dem Absatz [0200], der die Isoformen nicht beim Namen nennt, nicht entnehmen.

b)

Wenn nach diesen Ausführungen gemäß Merkmal 3.1 zu fordern ist, dass das antigenbindende Fragment an eine der in Patentanspruch 1 genannten Spleißvarianten spezifisch bindet, so folgt daraus auf der anderen Seite nicht – wie die Beklagte meint –, dass eine patentgemäße Spezifität nur dann vorliegt, wenn zugleich feststeht, dass der Antikörper andere Spleißvarianten von BDCA-2, Mutationen von BDCA-2 und andere Antigene nicht erkennt.

Weder dem Anspruchswortlaut noch der Beschreibung lassen sich Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass eine solche Ausschließlichkeit verlangt wird. Allein der Umstand, dass in Patentanspruch 1 neben dem full-length-Protein nach Seq.-ID Nr. 1 ausdrücklich weitere drei Spleißvarianten aufgezählt sind, führt den Fachmann nicht zu der Schlussfolgerung, dass hier einzelne Spleißvarianten bewusst außer Betracht gelassen worden sind, weil eine Bindung an diese ausgeschlossen werden soll. Denn in Absatz [0303] der Klagepatentschrift wird ausgeführt, dass zumindest vier Spleißvarianten von BDCA-2 hergestellt wurden. Aufgeführt wurden im Patentanspruch 1 damit diejenigen Spleißvarianten, die der Erfinder herstellen konnte. Die Klägerin hat hierzu zudem näher ausgeführt, dass die Auflistung der Spleißvarianten in Patentanspruch 1 nach dem Kenntnisstand des Fachmanns zum Prioritätszeitpunkt vollständig war, dass also keine weiteren Spleißvarianten bekannt waren. Die im Laufe des vorliegenden Verfahrens diskutierten Spleißvarianten fünf (die die Exone 2 und 3 auslässt) und sechs (die die Exone 2 und 4 auslässt, vgl. Anlage rop 2a, Abb. 4) seien erst später entdeckt worden. Diesem Vortrag ist die Beklagte nicht entgegen getreten. Waren aber zum Prioritätszeitpunkt nur die aufgeführten Spleißvarianten bekannt, so spricht dies dafür, dass die Auflistung in Patentanspruch 1 alle bekannten Spleißvarianten abdecken sollte und nicht etwa eine bewusste, ausschließlich zu verstehende Auswahl aus einer größeren Anzahl von Spleißvarianten darstellt.

Ebensowenig lässt sich aus der Fassung der Unteransprüche 25 und 26 folgern, dass Patentanspruch 1 in dem Sinne zu verstehen wäre, dass ein antigenbindendes Fragment nur dann spezifisch ist, wenn es nur an die in Patentanspruch 1 genannten Spleißvarianten bindet und nicht an weitere mögliche Spleißvarianten. Die Unteransprüche 25 und 26 betreffen jeweils ein BDCA-2-Protein, das zur Bindung eines Anti-BDCA-2–Antikörpers in der Lage ist. In Unteranspruch 26 wird dieses BDCA-2- Protein ebenso wie in Patentanspruch 1 beschrieben, nämlich dadurch, dass es durch die Seq.-ID Nr. 1 oder die in Patentanspruch 1 genannten Exon-Kombinationen kodiert wird. Dagegen ist Unteranspruch 25, auf den sich Unteranspruch 26 rückbezieht, weiter gefasst. Er umfasst ein BDCA-2-Protein, für das Seq.- ID Nr. 1 kodiert oder ein Polypeptid-Fragment davon.

Die Fassung der Unteransprüche 25 und 26 können jedoch für die vorliegende Auslegungsfrage bezüglich des Merkmals „Spezifität für die in Merkmal 3.1 genannten Varianten von BDCA-2“ nichts beitragen. Denn Unteranspruch 25 ist ein selbstständiger Nebenanspruch, der einen anderen Schutzgegenstand betrifft, nämlich das BDCA-2-Protein, das in Anspruch 1 erkannt werden soll. Er sowie der auf ihn rückbezogene Unteranspruch 26 bestimmen, welche Eigenschaften dieses Protein haben muss. Patentanspruch 1 betrifft dagegen ein antigenbindendes Fragment, das näher dadurch beschrieben wird, dass es spezifisch für ein näher beschriebenes BDCA-2-Protein sein soll. Richtig ist nun, dass in Patentanspruch 1 das BDCA-2-Protein enger beschrieben als in dem Anspruch, der unmittelbar auf den Schutz dieses Proteins gerichtet ist: In Unteranspruch 25 werden auch Polypeptid-Fragmente eines BDCA-2-Proteins erwähnt. Dies können insbesondere die in Absatz [0169] genannten Polypeptid-Fragmente von BDCA-2 sein, bei denen einzelne Aminosäuren, die die Eigenschaften des Proteins nicht signifikant beeinflussen, hinzugefügt (addiert), ersetzt (substtuiert) oder weggelassen (deletiert) werden. Aus der engeren Formulierung in Patentanspruch 1 im Vergleich zum selbstständigen Unteranspruch 25 kann aber nur gefolgert werden, dass das Klagepatent weitere Ausgestaltungen des BDCA-2-Proteins kennt, dass es aber für den unter Schutz gestellten Antikörper als ausreichenden Patentschutz ansieht, wenn eine Spezifität für das unveränderte BDCA-2-Protein vorliegt. Damit ist nicht gesagt, dass eine Bindung eines Antikörpers an solche Abwandlungen aus der Spezifität herausführen würden.

Aus diesem Grund folgt der Senat auch nicht der in der mündlichen Verhandlung vertieften Argumentation der Beklagten hierzu. Die Beklagte hatte in diesem Zusammenhang ausgeführt: Die Spezifität nach Patentanspruch 1 sei jedenfalls dann zu verneinen, wenn feststehe, dass ein Antikörper auch an ein solches Antigen signifikant binde, das eine umfangreichere Abwandlung vom BDCA-2-Protein darstelle als es die in Absatz [0169] des Klagepatents aufgeführten konservativen Substitutionen darstellten. Diese Auslegung sei entscheidend, denn die angegriffenen Ausführungsformen bänden signifikant an den Clone 13.9, der solche umfangreichen Abwandlungen enthalte.

Dieser Auslegungsansatz überzeugt jedoch nicht, denn zum einen werden in Absatz [0169] Veränderungen, die die Eigenschaften der Proteine nicht signifikant beeinflussen, nicht abschließend aufgezählt. Es heißt dort (Unterstreichung hinzugefügt):
„Zum Beispiel umfassen Veränderungen, die die Eigenschaften der Polypeptide, für welche kodiert wird, nicht signifikant beeinflussen, …“. Zum anderen ändert Absatz [0169] nichts an dem allgemeinen Wissen des Fachmanns darüber, dass Kreuzreaktionen nicht zu vermeiden sind.

C.

Ausgehend von diesem am Klagepatent orientierten und mit dem allgemeinen Fachwissen übereinstimmenden Verständnis von Spezifität verletzen die angegriffenen Ausführungsformen Patentanspruch 1 des Klagepatents.

1.

Die Klägerin kann die von ihr geltend gemachten Ansprüche zwar schon nicht allein damit begründen, dass das Angebot der angegriffenen Ausführungsformen für sich genommen eine Patentverletzung darstelle und dass es daher nicht darauf ankomme, welche tatsächlichen Bindungseigenschaften die angegriffenen Ausführungsformen besäßen.

Denn unabhängig davon, ob ein Angebotsempfänger den Angaben in dem Datenblatt die sichere Überzeugung gewinnen kann, dass ihm ein Erzeugnis angeboten wird, welches sämtliche Anspruchsmerkmale des Klagepatents aufweist, könnte die Feststellung, dass jedenfalls ein solches patentverletzendes Angebot vorliegt, nicht sämtliche von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche begründen. So setzt etwa der geltend gemachte Rückrufanspruch nach § 140a Abs. 3 PatG voraus, dass (tatsächlich) patentverletzende Gegenstände das Unternehmen des Verletzers verlassen haben und sich in der nachgeordneten Vertriebskette befinden (Voß/Kühnen in: Schulte, PatG, 9. Aufl. 2014, § 140a Rn. 27). Auch die Ansprüche auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsformen sowie auf Rechnungslegung und Schadensersatzfeststellung setzen – in der Reichweite, wie sie gestellt sind – voraus, dass ein patentverletzendes Inverkehrbringen gegeben ist. Denn es wird Auskunft, Rechnungslegung und Schadensersatz für tatsächlich in den Verkehr gebrachte Ausführungsformen verlangt.

2.

Die Klägerin hat anhand der Datenblätter gemäß Anlage K 2 dargetan, dass die Beklagte Ausführungsformen anbietet, die die Merkmale des Klagepatents aufweisen. Die Beklagte ist diesem Vortrag trotz entsprechender Hinweise des Senats nicht erheblich entgegen getreten.

Die Datenblätter stellen eine Angebotshandlung der Beklagten im Inland dar. Denn sie waren auf der Internetseite der Beklagten auch in Deutschland abrufbar. Ein wirtschaftlich relevanter Bezug zum Inland liegt vor, weil die Verwendung der englischen Sprache bei den adressierten Fachkreisen üblich ist und weil im Internetauftritt auf eine deutsche Vertriebstochter hingewiesen wird (OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.07.2012, Az. I-2 U 12/12 – Windturbine; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2007, 259, 261 – Thermocycler; OLG Karlsruhe, BeckRS 2009, 09227, Rn. 98 – SMD-Widerstände; vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 6. Aufl. 2013, Rn. 174).

a)
Aus den Datenblättern für die angegriffenen Ausführungsformen ergibt sich eine Verletzung des Patentanspruchs 1.

(1)

Die Datenblätter belegen, dass die angegriffenen Antikörper spezifisch ein BDCA-2-Protein binden (Merkmal 3). Denn in den Datenblättern für die angegriffenen Ausführungsformen wird jeweils angegeben, dass diese eine Spezifität für menschliches CD 303 aufweisen.

Hierzu ist zunächst festzustellen, dass CD 303 gleichbedeutend ist mit dem Protein BDCA-2. Dies ergibt sich aus dem als Anlage K 6 vorliegenden Auszug aus der Datenbank Universal Protein Resource (UniProt), wonach BDCA-2 und CD 303 Synonyme sind. Dass CD 303 und BDCA-2 Synonyme für dasselbe Protein sind, war zwischen den Parteien auch bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig. Die Klägerin hatte dies in der Klageschrift behauptet, und auch in der Berufungsbegründung hatte sie vorgetragen, diese Identität sei zwischen den Parteien unstreitig. Die Beklagte hat dies schriftsätzlich zu keinem Zeitpunkt bestritten. Erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 05.06.2014 hat die Beklagte gemeint, bei der Bezeichnung „CD 303“ handele es sich lediglich um den „Familiennamen“, und BDCA-2 sei nur eines der von diesem Namen erfassten Proteine. Die Beklagte hat aber weder näher erläutert, welche weiteren Proteine Mitglieder dieser Proteinfamilie sein sollen, noch ihre Behauptung näher wissenschaftlich belegt. Auch ist nicht ersichtlich, wie dieser Vortrag mit der Anlage K 6, deren wissenschaftliche Korrektheit die Beklagte nicht in Frage gestellt hat, in Einklang zu bringen sein soll. Vor diesem Hintergrund ist der Vortrag der Beklagten nicht hinreichend substantiiert, so dass es auf die Frage, ob gemäß § 531 Abs. 2 ZPO ein Zulassungsgrund für diesen neuen Vortrag gegeben ist (was im Übrigen ebenfalls nicht ersichtlich ist), letztlich nicht ankommt. Falls die Beklagte mit ihrer Aussage, CD 303 sei nur ein „Familienname“, zum Ausdruck bringen will, dass in der Praxis auch solche Proteine als „BDCA-2“ bezeichnet werden, die einzelne Veränderungen in den Gensequenzen aufweisen, so ist dieser Vortrag nicht erheblich, wie unter (2) erläutert wird.

Enthalten aber die Datenblätter die Angabe, dass die angegriffenen Ausführungsformen eine Spezifität für menschliches BDCA-2 aufweisen, so belegt dies die Verwirklichung des Merkmals 3. Denn der Fachmann, an den sich die Informationen in dem Datenblatt richten, wird diese Angaben so verstehen wie es in der Fachsprache üblich ist. Er wird daher davon ausgehen, dass die angegriffenen Antikörper das Antigen BDCA-2 zuverlässig erkennen, dass ihre Oberfläche also komplementär zu jener des Antigens ist. Von seiner Annahme, es liege eine Spezifität nach allgemeinem fachlichen Maßstäben vor, wird der Fachmann auch nicht dadurch abgebracht, dass bei einzelnen Ausführungsformen (I und DSX0043) in den Datenblättern angegeben wird, dass eine Spezies-Kreuzreaktivität mit Hund, Ratte und Maus besteht. Denn wie bereits ausgeführt, würde den Fachmann der Umstand, dass Kreuzreaktionen auftreten können, nicht daran hindern, einen Antikörper als spezifisch zu bezeichnen. Dass Kreuzreaktionen in gewissem Maße unumgänglich sind, ist ihm vielmehr bewusst.

(2)

Aus den Datenblättern ergibt sich des Weiteren, dass diese spezifische Bindung an die full-length-Variante des BDCA-2-Proteins erfolgt, so dass Merkmal 3.1 erfüllt ist.

Zu Unrecht wendet die Beklagte insofern ein, es lasse sich den Datenblättern nicht entnehmen, ob die angegriffenen Ausführungsformen tatsächlich konkret an eine (bzw. an welche) der in Patentanspruch 1 genannten Spleißvarianten von BDCA-2 oder an das full-length-Protein binde. Tatsächlich wird der Fachmann dem Datenblatt jedoch entnehmen können, dass die angegriffenen Ausführungsformen an das full-length-Protein binden. Zwar mag die Angabe: „Specificity: human CD303“ theoretisch auch die Möglichkeit beinhalten, dass die angegriffenen Ausführungsformen an eine Mutation von BDCA-2 oder an eine nicht in Patentanspruch 1 genannte Spleißvariante bindet, denn unstreitig werden auch verschiedene Spleißvarianten und Mutationen als BDCA-2, CD303 bzw. CLECSF7 bezeichnet (vgl. etwa Anlage
8a, Abb. 1).

Aus den weiteren Angaben in den Datenblättern wird aber deutlich, dass hier eine Bindung an das full-length-Protein mit der Seq.-ID Nr. 1 beschrieben wird. Denn in den Datenblättern finden sich einleitend allgemeine Ausführungen über das Antigen BDCA-2/CD 303. Es wird als ein membrangebundenes Glykoprotein mit einem Gewicht von 25 kDa beschrieben. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass dieses Gewicht genau auf die full-length-Variante von BDCA-2 zutrifft. Die einleitenden Ausführungen machen für den Fachmann nur Sinn, wenn darin genau dasjenige Protein näher beschrieben wird, das durch den angebotenen Antikörper erkannt werden soll. Denn würde die dort beschriebene full-length-Variante nicht von dem Antikörper gebunden, wären sämtliche Ausführungen zu Struktur und Funktion dieses full-length-Proteins nicht von Interesse. Weshalb bei den Angaben zu den angegriffenen Ausführungsformen einleitend allgemeine Informationen über Antigene gegeben werden sollten, die gar nichts mit den angegriffenen Ausführungsformen zu tun haben sollen, ist nicht nachvollziehbar. Damit sind die Angaben im Datenblatt auch nicht mit der Behauptung der Beklagten vereinbar, die angegriffenen Ausführungsformen könnten möglicherweise ausschließlich an eine nicht in Patentanspruch 1 genannte Spleißvariante binden. Diese hätte dann nämlich ein geringeres Gewicht als das im Datenblatt genannte für die full-length-Variante.

Dass sich die im Datenblatt angegebene Spezifität nicht auf eine nicht patentgemäße Spleißvariante von BDCA-2 beziehen kann, ergibt sich zudem aus der Angabe im Datenblatt, dass die Spezifität für „menschliches“ BDCA-2 gegeben ist. Es ist davon auszugehen, dass im menschlichen Körper das Protein BDCA-2 nur in patentgemäßen Spleißvarianten existiert. Die Klägerin hatte insoweit vorgetragen, im menschlichen Körper komme ausschließlich die full-length-Variante von BDCA-2 vor. Andere Spleißvarianten kämen lediglich auf mRNA-Ebene vor. Dies seien nicht in die Zellmembran integrierte Bausteine, die vor der Translation, also vor dem Auslesen der Basen der mRNA und Bildung der dementsprechenden Aminosäuresequenz hergestellt werden. Dass im menschlichen Körper BDCA-2 in nicht patentgemäßen Spleißvarianten vorkommen, hat die Beklagte nicht darzulegen vermocht. Sie hat unter Verweis auf die Veröffentlichung von F et al. (rop 2a) zwar vorgetragen, dass neben der full-length-Variante insgesamt fünf Spleißvarianten von BDCA-2 existieren (vgl. rop2a, Abb. 4). Allerdings ist auch in jener Veröffentlichung lediglich davon die Rede, dass dies vermeintliche alternative Spleiß-Formen der BDCA-2 mRNA seien. So heißt es im Fließtext auch, man habe (neben der full-length-Variante) „mindestens vier zusätzliche Banden von kleinerer Größe detektiert, die auf das Vorhandensein verschiedener BDCA-2 mRNA-Spezies hinweisen“ (rop 2a, S. 9, 2. Absatz). Der Nachweis, dass diese Spleißvarianten auch als fertiges Protein im menschlichen Körper vorkommen, ist damit mit der rop2a nicht erbracht. Lediglich der Anlage rop 3 lässt sich entnehmen, dass im menschlichen Milz-Lysat als fertiges BDCA-2–Protein auch die Spleißvariante 2 vorkommt, bei der das Exon 2 fehlt. Diese ist allerdings vom Klagepatent erfasst. Da diese Spleißvariante allerdings ein Molekulargewicht von 20 kDa hat, kann diese im Datenblatt nicht gemeint sein.

Zu Unrecht wendet die Beklagte gegen den Beleg der Patentverletzung durch das Datenblatt des Weiteren ein, dass es im menschlichen Körper viele Mutationen von BDCA-2 gebe, die der Fachmann dennoch als solche bezeichnen würde. Wenn es im Datenblatt heiße, die Antikörper seien spezifisch für „menschliches BDCA-2“, so könnten damit theoretisch ebenso solche Mutationen von BDCA-2 gemeint sein. Dass es derartige Polymorphismen gibt, ist zwischen den Parteien unstreitig. Insbesondere ist unstreitig, dass Proteine Abweichungen in der Aminosäuresequenz aufweisen und trotzdem dasselbe Protein (BDCA-2) darstellen können. Der Einwand der Beklagten greift jedoch nicht durch. Zum einen wird in den einleitenden Beschreibungen des Datenblatts erkennbar Bezug genommen auf das (Original-) full-length-Protein, was insbesondere aus der Massenangabe (25 kDa) ersichtlich ist. Welche Aminosäurensequenzen dieses hat, kann der Fachmann der Veröffentlichung von F et al. (2001, J. Exp. Med. 194, 1823, 1834) entnehmen, auf das das Datenblatt ergänzend verweist. Zum Zweiten könnten Abwandlungen von BDCA-2 nur dann auch als „BDCA-2“ bezeichnet werden, wenn eine entscheidende Strukturveränderung, die das Bindungsverhalten beeinflusst, nicht stattfindet. So heißt es in Absatz [0169] des Klagepatents, bestimmte Aminosäuren könnten weggelassen (Deletion), hinzugefügt (Addition) oder ersetzt werden (Substitution); diese funktionell äquivalenten Varianten könnten die Fähigkeit zeigen, sich spezifisch an ihre entsprechenden Antikörper zu binden. Das bedeutet, dass eine entscheidende Strukturveränderung des Proteins nicht stattfindet, woraus folgt, dass Antikörper, die die BDCA-2 –Abwandlung erkennen, auch das full-length-Protein erkennen würden. Ein Antikörper, der für eine funktionell äquivalente Mutation von BDCA-2 spezifisch ist, wäre demnach auch für die full-length-Variante spezifisch.

b)

Die Beklagte ist dem durch die Datenblätter belegten Vorwurf der Patentverletzung nicht erheblich entgegen getreten.

(1)

Nachdem die Beklagte in erster Instanz lediglich gerügt hatte, der Vortrag der Klägerin zur Verwirklichung der Merkmale 3/3.1 sei unschlüssig und deshalb nicht einlassungsfähig, hat sie erstmals in der Berufungsinstanz mit Nichtwissen bestritten, dass die angegriffenen Ausführungsformen an das full-length-Protein binden. Im Übrigen hat sie – wie auch bereits in erster Instanz – geltend gemacht, die angegriffenen Antikörper beruhten nicht auf BDCA-2 als Antigen, sondern seien durch Antigene hergestellt worden, die sich von der BDCA-2 Struktur signifikant unterscheiden würden.

Diese Ausführungen genügen jedoch den Anforderungen an ein substantiiertes Bestreiten des Verletzungstatbestands nicht. Für eine Erwiderung auf eine substantiiert vorgetragene Patentverletzung genügt es zwar grundsätzlich, wenn der Beklagte konkret erklärt, welches Anspruchsmerkmal von der angegriffenen Ausführungsform nicht verwirklicht wird (Kühnen, Hdb. d. Patentverletzung, 6. Aufl. 2013, Rn. 1386). Allerdings sind die Anforderungen an ein substantiiertes Bestreiten des Beklagten desto strenger, je substantiierter der Sachvortrag des Klägers ist (BGH, GRUR 1982, 681, 683 – Skistiefel; Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 138 Rn. 8a).

Vorliegend kann die Klägerin zum Beleg der Verwirklichung der streitigen Merkmale 3 und 3.1 auf die eigenen Angaben der Beklagten in den Datenblättern der angegriffenen Ausführungsformen verweisen. Sie hat daher die Patentverletzung nicht nur behauptet, sondern sie hat unter Nennung konkreter Anhaltspunkte hierzu substantiiert vorgetragen. Die eigenen Angaben des Verletzers belegen die Patentverletzung. Wenn sich die Patentverletzung aber bereits aus den eigenen Angaben des Verletzers ergibt, die er zu den angegriffenen Ausführungsformen macht, so liegt ein schlüssiger und ausreichend substantiierter Vortrag des Schutzrechtsinhabers schon darin, dass er auf diese Angaben verweist. Ein solcher Vortrag löst eine Pflicht des Beklagten aus, hierauf konkret – und nicht nur durch einfaches Bestreiten – zu erwidern. Einen Widerspruch zwischen eigenen Unterlagen und der Realität muss der Beklagte nachvollziehbar aufklären (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.03.2014, 15 U 19/14, unter I. 2. a) bb)). Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Beklagte nicht.

Das Bestreiten mit Nichtwissen reicht schon deshalb nicht aus, weil gemäß § 138 Abs. 4 ZPO nur solche Tatsachen mit Nichtwissen bestritten werden können, die weder eigene Handlungen betreffen noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung waren. Dabei kann dahinstehen, ob die Behauptung der Beklagten zutrifft, nach der sie nicht in der Lage ist, sich BDCA-2 mit der Seq.-ID Nr. 1 zu beschaffen, um zu testen, ob die angegriffenen Ausführungsformen daran binden. Denn jedenfalls betrifft die Frage, ob die angegriffenen Ausführungsformen spezifisch an BDCA-2 binden, insoweit eine eigene Handlung der Beklagten, hinsichtlich derer ein Bestreiten mit Nichtwissen unzulässig ist, als dass der Beklagten bekannt ist, wie die angegriffenen Antikörper hergestellt werden und welche Rückschlüsse sich daraus für das Bindungsverhalten der angegriffenen Ausführungsformen ziehen lassen. Hierzu hätte die Beklagte konkret vortragen können und müssen.

Auf diese Bewertung der Darlegungslasten hat der Senat die Beklagte mit Beschluss vom 20.05.2014 hingewiesen und deutlich gemacht, dass der bisherige Vortrag der Beklagten die durch das Datenblatt belegte Patentverletzung nicht zu entkräften vermag.

Auch nach diesem Hinweis hat die Beklagte jedoch nicht konkret darzulegen vermocht, woraus sich ergeben soll, dass die Angaben in den Datenblättern nicht der Realität entsprechen sollen. Zwar hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 28.05.2014 offen gelegt, welche Abweichungen die Immunogene, die sie zur Herstellung der angegriffenen Antikörper verwendet hat, gegenüber der Seq. ID Nr. 1 aufweisen. Auch hat sie ausgeführt, welche Auswirkungen die einzelnen Abwandlungen für die Struktur eines Proteins haben können: Der Einschub beim Clone 13.9 sei prädestiniert dazu, die Konformation des gesamten Proteins zu verändern. Wenn Prolin durch Serin ersetzt werde, könne dies Auswirkungen haben, weil Prolin eine helixbrechende Funktion habe. Auch der Austausch von Threonin durch Arginin könne die Proteinfaltung beeinflussen, da Arginin hydrophil sei und deshalb dazu neige, sich an der Proteinoberfläche zu befinden.

Allerdings ergibt sich allein aus diesem Vortrag nicht nachvollziehbar, weshalb eine Spezifität der angegriffenen Ausführungsformen für das full-length-Protein von BDCA-2 nicht gegeben sein soll. Um zu begründen, weshalb es an einer solchen Spezifität fehlen soll, hätte die Beklagte nicht nur zur Struktur des Immunogens vortragen müssen, sondern – wie im Hinweisbeschluss vom 20.05.2014 vorgegeben – auch dazu, welche Schlussfolgerungen sich daraus für das Bindungsverhalten der hergestellten Antikörper ziehen lassen. Denn nicht jede Veränderung eines Immunogens bewirkt, dass ein Antikörper hergestellt wird, der für die Ursprungsform des Antigens nicht mehr spezifisch ist. Wie das Klagepatent in Absatz [0028] ausführt, bezieht sich die Spezifität des Antikörpers letztlich auf ein Epitop eines Antigens. Bleibt dieses Epitop trotz der Veränderungen des Proteins erhalten und präsentiert es sich dem Antikörper, so wird der hergestellte Antikörper nach wie vor das Ursprungsprotein erkennen. Auf die Frage, welche Auswirkungen die Proteinveränderungen auf das Bindungsverhalten der hergestellten Antikörper haben, geht die Beklagte aber nicht konkret ein. Sie trägt lediglich vor, welche Auswirkungen die vorgenommenen Veränderungen theoretisch für die Struktur des Proteins haben können. Ob aber eine für das Bindungsverhalten des Antikörpers relevante Stelle des Proteins von den Veränderungen betroffen ist, hat sie nicht dargetan.

Auch auf entsprechende Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte erneut auf die – lediglich – potentiellen Auswirkungen der Veränderungen der Aminosäuresequenz für die Proteinstruktur verwiesen. Sie hat angegeben, es sei nicht bekannt, ob die Abweichungen der von ihr verwendeten Clone im Vergleich zur Aminosäuresequenz des Klagepatents tatsächlich solche Aminosäuren betreffen würden, die das für die Antikörper relevante Epitop ausbilden. Die Beklagte hat demnach nicht die Möglichkeit aufgezeigt, dass die Veränderungen das mit dem Antikörperagierende Epitop des Antigens betreffen. Hierzu hätte die Beklagte als Fachunternehmen aber ohne Weiteres vortragen können und auch müssen, um die durch die Datenblätter gerechtfertigte Annahme einer Patentverletzung zu entkräften. Erst Recht hätte der Beklagten näherer Vortrag hierzu deshalb oblegen, nachdem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung konkret aufgezeigt hat, weshalb die Veränderungen des Clones 13.9 gegenüber der full-length-Variante von BDCA-2 für die Spezifität des Antikörpers nicht relevant sein können. Sie hat hierzu ausgeführt, der Einschub der Aminosäuresequenz an Position 11 des Clones 13.9 könne deshalb nicht das Epitop betreffen, an das der Antikörper binde, weil sich dieser Bereich im Innern der Zelle befinde. Sowohl die Position 66 als auch die Position 159 befänden sich in unstrukturierten Bereichen des Proteins, also ebenfalls nicht in Bereichen, an den ein Antikörper binden würde. Im Übrigen behaupte die Beklagte zu Unrecht, der Austausch der Aminosäure Prolin durch Serin an Position 66 könne entscheidende Auswirkungen haben, weil Prolin ein Helixbrecher sei. Denn an Position 66 des Proteins befinde sich gar keine α-Helix, die gebrochen werden könne. Der Austausch der Aminosäuren in diesem unstrukturierten Bereich sei daher irrelevant. Auf den weiteren Vortrag der Klägerin zur Relevanz der Veränderungen des Clone 13.9 im nachgelassenen Schriftsatz vom 26.06.2014, mit dem die bereits in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Ausführungen lediglich noch einmal anschaulich dargestellt werden, kommt es insoweit nicht mehr an. Die Beklagte ist diesem Vortrag in der mündlichen Verhandlung nicht entgegen getreten. Angesichts dieses detaillierten Vortrags der Klägerin hätte es der Beklagten oblegen, substantiiert auf die Einwände zu erwidern. Denn substantiierter Sachvortrag des Klägers erfordert ein substantiiertes Bestreiten des Beklagten (BGH, GRUR 1982, 681, 683 – Skistiefel; Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 138 Rn. 8a).

(2)

Soweit die Beklagte im Übrigen schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung darauf verwiesen hat, dass die angegriffenen Ausführungsformen jedenfalls ein Bindungsverhalten aufweisen würden, das von demjenigen abweiche, das die von der Klägerin hergestellten Antikörper aufwiesen – dieses binde nicht an den Clone 13.9 –, kommt es hierauf nicht an. Denn maßgeblich ist nicht ein Vergleich des Produkts der Klägerin mit dem Produkt der Beklagten, sondern ein Vergleich zwischen dem Produkt der Beklagten und dem Klagepatent.

(3)

Schließlich überzeugt auch der Einwand der Beklagten nicht, es könne letztlich dahinstehen, ob die angegriffenen Ausführungsformen BDCA-2 erkennen oder nicht, denn jedenfalls bänden sie in signifikanter Weise an den Clone 13.9. Stehe aber ein solcher im Vergleich zum BDCA-2-Protein „besserer Bindungspartner“ zur Verfügung, so sei die Spezifität zu verneinen. Zunächst kann dem Vortrag der Beklagten in tatsächlicher Hinsicht schon nicht entnommen werden, dass die angegriffenen Ausführungsformen „besser“ an den Clone 13.9 binden als an BDCA-2. Die Beklagte hat hierzu auf das in der mündlichen Verhandlung überreichte, aus dem Datenblatt zum Antikörper 104C12.08 vergrößerte Diagramm „Surface FACS staining of CD303- transfected COP5 cells“ verwiesen. Bei der Untersuchung der Bindung dieses Antikörpers an den Clone 13.9 ergäben sich Maximalwerte von ca. 3.000, während der Maximalwert bei der Abbildung 7 der Anlage K 13, die sich auf eine Bindung an BDCA-2 beziehe, 120 betrage. Der Mittelwert liege bei dem Diagramm bei 100, bei der Abbildung 8 nur bei 25. Hier sei erkennbar, dass der Clone 13.9 deutlich besser erkannt werde als das Protein BDCA-2. Die Klägerin hat jedoch in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass die Geräte zur Messung der mittleren Fluoreszenzintensität (MFI) nicht vergleichbar kalibriert sind. Je nach Gerät sei die Skala ganz unterschiedlich definiert, so dass die mit unterschiedlichen Geräten ermittelten Werte keinesfalls miteinander vergleichbar seien. Diesem nachvollziehbaren Vortrag hat die Beklagte nicht widersprochen, so dass ein Vergleich der beiden Graphiken ausscheidet. Letztlich kommt es auf die Frage, ob die angegriffenen Ausführungsformen signifikant auch an den Clone 13.9 binden, aber auch nicht an. Denn wenn die angegriffenen Ausführungsformen zuverlässig auch den Clone 13.9 erkennen, dann handelt es sich hierbei um eine Kreuzreaktion mit einem Antigen, die nicht aus der Spezifität herausführt. Denn wie vorstehend unter B. ausgeführt, sind Kreuzreaktionen bei der Antigen-Antikörper-Bindung unvermeidbar. Für das Klagepatent ist entscheidend, ob der Antikörper das Protein BDCA-2 (in der full-length-Variante) erkannt wird, das wiederum – davon geht das Klagepatent aus – die DCs auszeichnet. Erkennt der Antikörper darüber hinaus andere Antigene, so liegt dies daran, dass diese dasselbe Epitop ausbilden wie BDCA-2. Richtig ist zwar, dass dies nicht „im Sinne des Klagepatents“ sein dürfte. Der Grund hierfür läge dann aber nicht in einer Eigenschaft des Antikörpers bzw. darin, dass er das Merkmal 3/3.1 nicht erfüllt, sondern in einer Eigenschaft des Antigens, ein passendes Epitop anzubieten (vgl. Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts, Entscheidung vom 15.06.2004, Az. T 0189/01). Das Ziel der Erfindung würde dann deshalb nicht erreicht, weil die Prämisse, dass BDCA-2 für DCs charakteristisch sind, falsch wäre. Der Antikörper aber würde seine Eigenschaft, „spezifisch“ zu sein, nicht verlieren. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass sich dieses Problem freilich nur dann stellen würde, wenn ein Protein der Sequenz des Clones 13.9 überhaupt in irgendwelchen Lebewesen vorkommen würde, wozu dem Senat keine Belege vorliegen.

D.

Aufgrund der Patentbenutzung sind die Klageansprüche gegenüber der Beklagten wie folgt gerechtfertigt:

Gemäß § 139 Abs. 1 PatG hat die Beklagte weitere Angebots- und Vertriebshandlungen zu unterlassen. Für Benutzungshandlungen nach Veröffentlichung der Patenterteilung (zuzüglich einer Karenzzeit von einem Monat) haftet die Beklagte auf Schadenersatz gemäß § 139 Abs. 2 PatG. Da die Klägerin ohne ihr Verschulden im Ungewissen über den genauen Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist und deswegen den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch derzeit nicht beziffern kann, ist es gerechtfertigt, die Schadenersatzpflicht der Beklagten zunächst gerichtlich festzustellen. Damit die Klägerin imstande ist, ihren Anspruch auf Schadenersatz der Höhe nach zu bestimmen, ist die Beklagte gemäß §§ 242, 259 BGB zur Rechnungslegung verpflichtet. Um weitere Verletzer aufzuspüren, schuldet sie der Klägerin – unter Belegvorlage – außerdem Auskunft über ihre Verletzungshandlungen (§ 140b PatG). Da der Auskunftsanspruch verschuldensunabhängig ist, setzt die Auskunftspflicht bereits mit dem Tag der Bekanntmachung des Hinweises auf die

Patenterteilung ein. Schließlich ist der Rückrufanspruch gemäß § 140a Abs. 3 PatG gerechtfertigt.

E.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Der Klägerin waren die Kosten nicht anteilig aufzuerlegen, auch wenn die Klägerin in erster Instanz zunächst einen Hauptantrag geltend gemacht hatte, den sie in zweiter Instanz nicht mehr gestellt hat. Denn der Hauptantrag reichte in der Sache nicht weiter als der Hilfsantrag. Der Hauptantrag enthielt statt der Formulierung des Merkmals 3.1 die Worte, „wobei das BDCA-2-Protein eine menschliche Sequenz hat“. Die Klägerin hatte hierzu vorgetragen, dass mit der „menschlichen Sequenz“ des BDCA-2-Proteins das full-length-Protein bezeichnet werden solle, da nur dieses im menschlichen Organismus vorkomme. Damit hatte die Umstellung des Klageantrags auf den Wortlaut des Patentanspruchs keine Einschränkung des Streitgegenstands zur Folge – eine Bindung an die full-length-Variante war nach wie vor geltend gemacht. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

F.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Sache hat weder grundsätzlichen Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts, § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, bei der allgemeine Grundsätze der Auslegung von Patentansprüchen sowie der Darlegungslast zur Anwendung kommen.

Der Streitwert war entsprechend des in erster Instanz festgesetzten und auch in der Berufungsinstanz unstreitig gebliebenen Streitwert auf 100.000,00 € festzusetzen.