2 U 42/13 – Elektrische Leitungsverbindung

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2178

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 13. Februar 2014, Az. 2 U 42/13

Vorinstanz: 4b O 139/11

A. Auf die Berufung wird das am 4. Juni 2013 verkündete Urteil der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert:

I. Die Beklagten werden verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten zu 1) an ihrer Geschäftsführerin zu vollziehen ist, zu unterlassen,

Polklemmen zur Herstellung einer elektrischen Leitungsverbindung, mit einem metallischen Leiterkörper, der von einem am Gehäuse eines elektrischen Gerätes festlegbaren Isolierkörper umgeben ist, wobei der Leiterkörper aus einem Material mit höchster Leitfähigkeit hergestellt ist und mit dem umgebenden Isolierkörper zu einem Verbundkörper verbunden ist,

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei denen der Leiterkörper als Stanzteil ausgebildet ist, das durch biegetechnische Verformung eine koaxial zur Längsachse der Polklemme verlaufende ringförmige Kontaktfläche für die Aufnahme des Kontaktstiftes eines Bananensteckers einerseits und eine quer zur Längsachse der Polklemme verlaufende Kontaktfläche für den anzuschließenden elektrischen Leiter andererseits aufweist, wobei auf den Isolierkörper eine Spannmutter aufschraubbar ist, welche den anzuschließenden elektrischen Leiter unter Herstellung eines elektrischen Kontaktes gegen die quer zur Längsachse der Polklemme verlaufende Kontaktfläche des Leiterkörpers festklemmt;

2. dem Kläger darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie (die Beklagten) die zu Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 15. Juli 2005 begangen haben, und zwar unter Angabe

a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse,

wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;

3. dem Kläger darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagten) die zu Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 27. November 2004 begangen haben, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei

– von dem Beklagten zu 2) sämtliche Angaben und von der Beklagten zu 1) die Angaben zu e) nur für die Zeit seit dem 15. Juli 2005 zu machen sind,

– den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt dem Kläger einem von ihm (dem Kläger) zu bezeichnenden, ihm gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.

II. Es wird festgestellt,

1. dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, dem Kläger für die unter Ziffer I.1 bezeichneten, in der Zeit vom 27. November 2004 bis zum 14. Juli 2005 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;

2. dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger allen Schaden zu ersetzen, der ihm durch die unter Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 15. Juli 2005 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 3078,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. Januar 2012 zu zahlen.

IV. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden wie folgt verteilt: Die Gerichtskosten tragen der Kläger zu ½ und die Beklagten zu jeweils ¼. Die Beklagten tragen außerdem die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers. Im Übrigen verbleibt es bei der Kostenentscheidung des Landgerichts.

B. Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

C. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Zwangsvollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung von 150.000,- € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

D. Die Revision wird nicht zugelassen.

E. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 158.000,- € festgesetzt.

G r ü n d e :

I.

Der Kläger ist eingetragener Inhaber des mit Wirkung unter anderem für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 470 XXX, das auf einer am 27.10.2004 veröffentlichten Anmeldung vom 24.12.2002 beruht und dessen Erteilung am 15.06.2005 bekanntgemacht worden ist. Das in deutscher Verfahrenssprache abgefasste Klagepatent betrifft eine Polklemme; der im Rechtsstreit allein interessierende Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

Polklemme zur Herstellung einer elektrischen Leitungsverbindung, mit einem metallischen Leiterkörper (1), der von einem am Gehäuse (9) eines elektrischen Gerätes festlegbaren Isolierkörper (2) umgeben ist, wobei der Leiterkörper aus einem Material mit höchster Leitfähigkeit hergestellt ist und mit dem umgebenden Isolierkörper (2) zu einem Verbundkörper verbunden ist,

dadurch gekennzeichnet,

dass der Leiterkörper (1) als Stanzteil ausgebildet ist, das durch biegetechnische Verformung eine koaxial zur Längsachse der Polklemme verlaufende ringförmige Kontaktfläche (3) für die Aufnahme des Kontaktstiftes eines Bananensteckers einerseits und eine quer zur Längsachse der Polklemme verlaufende Kontaktfläche (4) für den anzuschließenden elektrischen Leiter andererseits aufweist, wobei auf den Isolierkörper (2) eine Spannmutter (26) aufschraubbar ist, welche den anzuschließenden elektrischen Leiter unter Herstellung eines elektrischen Kontaktes gegen die quer zur Längsachse der Polklemme verlaufende Kontaktfläche (4) des Leiterkörpers (1) festklemmt.

Die nachfolgenden Abbildungen (Figuren 1,2 der Klagepatentschrift) verdeutlichen den Gegenstand der Erfindung anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels.

Die in Ungarn ansässige Beklagte zu 1), deren Geschäftsführerin die Beklagte zu 2) ist, betätigt sich auf dem Gebiet High Fidelity und befasst sich dort mit der Lieferung von Zubehörteilen für High-End-Geräte. Zu ihrem Sortiment gehören unter anderem Kabel und Stecker, welche die Beklagte zu 1) unter ihrem eigenen Firmennamen anbietet. Darüber hinaus ist sie exklusiver Vertragspartner für eine Reihe namhafter ausländischer Herstellerfirmen. Zu ihnen gehört die japanische Firma B, für welche die Beklagte zu 1) in Ungarn diverse Artikel vertreibt.

Auf der Messe High End 2011, die zwischen dem 19. und 22.05.2011 in München stattfand, bot die – vom Kläger im landgerichtlichen Verfahren neben weiteren Personen ebenfalls in Anspruch genommene – B Co. Ltd. Polklemmen des Typs FT 809 an, deren technische Einzelheiten aus dem als Anlage K 11 überreichten Muster ersichtlich sind. Der Kläger hält die besagten Polklemmen für patentverletzend. Zur Begründung seines Verletzungsvorwurfs hat er sich vor dem Landgericht auf die nachfolgende Abbildung der angegriffenen Ausführungsform (GA I 13) berufen

und hierzu ausgeführt, dass der Leiterkörper ausweislich der als Anlage K 12 überreichten Werbeunterlage der Firma B aus reinem Kupfer oder aus Rhodium bestehe bzw. eine 24-karätige Goldbeschichtung aufweise, womit sämtlich Materialien höchster elektrischer Leitfähigkeit gegeben seien.

Die Polklemmer sind auf dem nachfolgend eingeblendeten Werbeflyer (Anlage KMG 2) abgebildet.

Die Rückseite des Flyers ist aus der nachstehenden Einblendung ersichtlich. Sie zeigt eine Werbung der Beklagten zu 1), welche für sich genommen keinerlei Bezug zu der als patentverletzend beanstandeten Polklemme der Firma B hat.

Der Werbeflyer lag sowohl auf dem Messestand der Firma B als auch auf demjenigen der Beklagten zu 1) aus. Die alleinige Verantwortung für die Gestaltung und den Inhalt jeder Flyerseite lag nach der Einlassung der Beklagten ausschließlich bei dem jeweils werbenden Unternehmen. In die auf dem Messestand bereitgehaltenen Messekataloge war der Flyer ebenfalls als „Lesezeichen“ eingelegt.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die Verletzungsklage gegen die Beklagten abgewiesen. Es hat dahinstehen lassen, ob die Benutzung der Merkmale des Klagepatents durch die angegriffenen Polklemme der Firma B – wie geschehen – mit bloßem Nichtwissen bestritten werden dürfe. Hierauf komme es nicht an, weil es in der Person der Beklagten bereits an einer Benutzungshandlung im Sinne von § 9 PatG fehle. Der auf der Messe verwendete gemeinsame Werbeflyer begründe kein Angebot der Beklagten. Die jeweils unterschiedliche graphische und textliche Gestaltung mache für den angesprochenen Verkehr hinreichend deutlich, dass die eine Seite des Flyers eine Werbung der Firma B und die andere Seite des Flyers eine – völlig eigenständige – Werbung der Beklagten zu 1) darstelle. Selbst wenn dem Betrachter nicht geläufig sei, dass der Beklagten zu 1) der Vertrieb von B-Produkten allein in Ungarn obliege, könne er nicht auf den Gedanken kommen, dass die allein auf der B-Flyerseite abgebildeten Polklemmen nunmehr auch über die Beklagte zu 1) bezogen werden könnten. Die Voraussetzungen einer Erstbegehungsgefahr lägen ebenfalls nicht vor.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein gegenüber den Beklagten in erster Instanz erfolglos gebliebenes Klagebegehren weiter. Er ist der Auffassung, dass das Landgericht die Anforderungen an ein patentbenutzendes Angebot überspannt habe. Bei der gebotenen rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise sei es unschädlich, wenn die Angebotshandlung nicht auf eigene Geschäftsabschlüsse des Anbietenden abziele, sondern – wie hier – darauf gerichtet sei, den Absatz eines Dritten zu fördern. Der auf dem Messestand der Beklagten zu 1) ausgelegte Werbeflyer stelle von daher eine eigene (B begünstigende) Angebotshandlung der Beklagten dar. In jedem Fall liege eine Beihilfe zu Angebotshandlungen der Firma B bzw. eine nebentäterschaftliche Tatbegehung mit dieser vor. Hilfsweise beruft sich der Kläger auf die Grundsätze der Störerhaftung.

Der Kläger beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie verteidigen das landgerichtliche Urteil als zutreffend.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet.

Indem die Beklagten den die angegriffene Polklemme zeigenden Werbeflyer auf dem Messestand der Beklagten zu 1) ausgelegt und als „Lesezeichen“ in ihren für das Publikum bereitgehaltenen Messekatalogen verwendet haben, haben sie einen das Klagepatent verletzenden Gegenstand widerrechtlich angeboten. Sie sind dem Kläger deshalb im zuerkannten Umfang zur Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Entschädigung, Kostenerstattung und zum Schadenersatz verpflichtet.

A.

Das Klagepatent betrifft eine Polklemme, wie sie in der Unterhaltungselektronik gebraucht wird, um Leitungen (insbesondere von Lautsprechern) an einen Verstärker anzukoppeln.

Bei bekannten Polklemmen ist der Leiterkörper gewöhnlich als Drehteil aus einem Material hergestellt, das einerseits für eine spanende Bearbeitung geeignet und andererseits elektrisch leitfähig ist. Problematisch ist allerdings, dass ein für die spanende Bearbeitung geeignetes Material eine niedrigere Leitfähigkeit aufweist als das leitende Material des anzuschließenden Leiters. Um eine qualitätsmindernde Dämpfung von Leitungsimpulsen zu unterbinden, bedarf es deshalb größerer Leitungs- und Kontaktquerschnitte. Materialien mit hoher Leitfähigkeit (wie Kupfer und Silber) kommen zwar mit kleinen Leitungsquerschnitten aus, sie eignen sich jedoch nicht für eine spanabhebende Fertigung.

Aufgabe der Erfindung ist es vor diesem Hintergrund, eine Polklemme anzugeben, deren Leiterkörpermaterial eine höhere elektrische Leitfähigkeit besitzt, wobei der Leiterkörper weniger komplex und von einfachem Aufbau ist, damit der Fertigungsaufwand gering und die Handhabung benutzerfreundlich bleibt.

Zur Lösung dieser Problemstellung schlägt Patentanspruch 1 des Klagepatents die Kombination folgender Merkmale vor:

1. Polklemme zur Herstellung einer elektrischen Leitungsverbindung.

2. Die Polklemme hat

a) einen metallischen Leiterkörper (1) und

b) einen Isolierkörper (2), der am Gehäuse (9) eines elektrischen Gerätes festlegbar ist.

3. Der Leiterkörper (1) ist

a) aus einem Material mit höchster Leitfähigkeit hergestellt,

b) als Stanzteil ausgebildet und

c) von dem Isolierkörper (2) umgeben,

d) wobei Leiterkörper (1) und Isolierkörper (2) zu einem Verbundkörper verbunden sind.

4. Das Stanzteil des Leiterkörpers (1) weist durch biegetechnische Verformung auf:

a) einerseits eine koaxial zur Längsachse der Polklemme verlaufende ringförmige Kontaktfläche (3) für die Aufnahme des Kontaktstiftes eines Bananensteckers sowie

b) andererseits eine quer zur Längsachse der Polklemme verlaufende Kontaktfläche (4) für den anzuschließenden elektrischen Leiter.

5. Auf den Isolierkörper (2) ist eine Spannmutter (26) aufschraubbar.

6. Die Spannmutter (26) klemmt den anzuschließenden elektrischen Leiter unter Herstellung eines elektrischen Kontaktes gegen die quer zur Längsachse der Polklemme verlaufende Kontaktfläche (4) des Leiterkörpers (1) fest.

Zu den Vorteilen einer erfindungsgemäßen Polklemme führt die Klagepatentschrift aus:

„Bei der Polklemme gemäß der Erfindung ist der Leiterkörper so ausgebildet, dass er aus metallischem Flachmaterial mit höchster Leitfähigkeit, beispielsweise Kupfer oder Silber, gestanzt werden kann. Durch Biegetechnik erhält er die Form, um die erforderlichen Funktionen zu erfüllen. Für die Aufnahme des Kontaktstiftes eines Bananensteckers ist der Leiterkörper an seinem vom Gehäuse abgewandten Ende biegetechnisch so ausgeformt, dass er koaxial zur Längsachse ringförmige Kontaktflächen bildet. Für den elektrischen Kontakt mit dem quer zur Längsachse der Polklemme anzuschließenden externen Leiter erhält der Leiterkörper biegetechnisch eine in Querrichtung zur Längsachse abgewickelte Kontaktfläche, die anschließend erneut parallel zur Längsachse ausgerichtet ist. Somit sind Kontakte sowohl in Längs- als auch in Querrichtung zum externen Leiter hergestellt.“

B.

Die streitbefangene Polklemme der Firma B entspricht dem Wortsinn nach sämtlichen Merkmalen von Anspruch 1 des Klagepatents.

In seiner Klageschrift hat der Kläger – unter Bezugnahme auf ein vorgelegtes Musterstück (Anlage K 11), eine Abbildung der erfindungsrelevanten Einzelteile (GA I 13) sowie erläuternde Werbeunterlagen der Firma B (Anlage K 12) – im Einzelnen dargelegt, auf welche konstruktive Weise jedes einzelne Anspruchsmerkmal bei der angegriffenen Ausführungsform verwirklicht ist. Um dem in rechtlich erheblicher Weise entgegenzutreten, wäre es Sache der Beklagten gewesen, zu den einzelnen relevanten Behauptungen der Klageschrift Stellung zu nehmen und sich über die diesbezüglichen tatsächlichen Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß zu erklären (§ 138 Abs. 1 ZPO). Eine Erklärung mit Nichtwissen – auf die sich die Beklagten vorliegend zurückziehen – kommt nicht in Betracht.

§ 138 Abs. 4 ZPO sieht sie nur für solche Tatsachen vor, die nicht eigene Handlungen der Partei betreffen und auch nicht Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung sind. Letzteres ist auch dann zu verneinen, wenn in der Person des Beklagten zwar eine aktuelle Unkenntnis besteht, diese aber darauf beruht, dass die Partei bestehende Erkundigungspflichten verletzt hat. Teil der prozessualen Erkundigungspflicht ist es, sich den angegriffenen Gegenstand, wenn die beklagte Partei ihn selbst nicht in ihrem Besitz hat, auf dem Markt zu besorgen, um alsdann an ihm die für die Verletzungsfrage notwendigen Feststellungen zu treffen. Ein Händler kann sich deshalb nicht damit entlasten, dass er in eigener Person keine Kenntnis von der Zusammensetzung und/oder Konstruktion des von ihm angebotenen oder vertriebenen Produktes hat. Die technischen Details sind Gegenstand seiner eigenen Wahrnehmung, wenn sie zwar gegebenenfalls nicht vom Händler, wohl aber von einem durch ihn eingeschalteten Sachverständigen, dem die fraglichen Produkte zur Analyse überlassen werden, aufgeklärt werden können. Schließlich wird auch dem Kläger abverlangt, dass er sich zur Durchsetzung seiner Rechte das mutmaßliche Verletzungsprodukt beschafft und anschließend dessen patentrelevante Beschaffenheit notfalls mittels sachverständiger Hilfe aufklärt. Für den Beklagten, in dessen Händen sich das angegriffene Erzeugnis (weil es von ihm vertrieben wird) bereits befindet oder der sich das streitbefangene Produkt auf dem Markt beschaffen kann, kann insoweit nichts anderes gelten.

Im Streitfall ist den Beklagten nach diesen Grundsätzen eine Erklärung mit Nichtwissen versagt. Sofern sie aufgrund ihrer Vertriebstätigkeit in Ungarn über Polklemmen der angegriffenen Art verfügen sollten, hätten sie den Verletzungsgegenstand ohne weiteres zur Verfügung und deshalb einer näheren Untersuchung auf das Vorliegen der behaupteten Merkmale des Patentanspruchs unterziehen können und müssen. Sollten die Beklagten aktuell nicht im Besitz einer streitbefangenen Polklemme sein, wäre es ihnen ohne weiteres möglich (und auch zumutbar) gewesen, sich einen entsprechenden Gegenstand auf dem freien Markt zu besorgen und diesen alsdann den notwendigen Analysen und Untersuchungen zu unterziehen. Dies zu tun, oblag ihnen allein deshalb, weil sie – wie sogleich ausgeführt werden wird – die angegriffene Ausführungsform zum Gegenstand eines eigenen Angebotes gemacht haben und streitbefangene Polklemmen frei erhältlich sind. Nachdem ein entsprechender Vortrag nicht geschehen ist, hat die Behauptung des Klägers, die angegriffene Polklemme entspreche den Vorgaben von Patentanspruch 1 des Klagepatents, als unstreitig zu gelten.

C.

Indem die Beklagte zu 1) während der Messe High-End 2011 auf ihrem Messestand einen die angegriffene Ausführungsform abbildenden Werbeflyer ausgelegt und als Einlage in ihren Messekatalogen verwendet hat, haben die Beklagten Verletzungsgegenstände widerrechtlich angeboten.

Der Begriff des Anbietens ist rein wirtschaftlich zu verstehen. Er umfasst jede im Inland begangene Handlung, die nach ihrem objektiven Erklärungswert darauf gerichtet ist, das beworbene Erzeugnis der Nachfrage wahrnehmbar zum Erwerb der Verfügungsgewalt bereitzustellen (BGH, GRUR 2006, 927 – Kunststoffbügel). Es kommt nicht darauf an, ob der Anbietende mit seiner Offerte eigene Geschäftsabschlüsse forcieren will oder ob das Angebot einem Dritten zugutekommen soll, für dessen Produkt mit dem Angebot eine zu befriedigende Nachfrage geschaffen wird. In dem einen wie in dem anderen Fall ist die Rechtsposition des Schutzrechtsinhabers in gleichem Maße beeinträchtigt, weil eine Nachfrage nach schutzrechtsverletzenden Gegenständen geweckt wird, die das Ausschließlichkeitsrecht aus dem Patent schmälert. Insofern entspricht es der Rechtsprechung des BGH, dass zur Gewährleistung eines wirksamen Patentschutzes nur von Belang ist, ob mit der fraglichen Handlung für einen schutzrechtsverletzenden Gegenstand tatsächlich eine Nachfrage geschaffen wird, die zu befriedigen mit dem Angebot in Aussicht gestellt wird. Wer das angebotene Erzeugnis später zur Verfügung stellt, hat keine Bedeutung. Bezweckt das Angebot den Geschäftsabschluss mit einem Dritten, so ist es deswegen unerheblich, ob der Anbietende von dem Dritten beauftragt oder bevollmächtigt ist (BGH, a.a.O.). Auch wenn es hieran fehlt, bleibt es dabei, dass mit dem drittbegünstigenden Angebot eine Nachfrage für das Verletzungsprodukt generiert wird, die in das Monopolrecht des Patentinhabers eingreift. Vom Schutzbedürfnis des Patents her betrachtet macht es ersichtlich keinen Unterschied, ob Verletzungsgegenstände deshalb nachgefragt werden, weil der spätere Lieferant selbst sich zu ihrer Lieferung bereit erklärt hat, oder ob derselbe Eingriffstatbestand dadurch geschaffen wird, dass ein Dritter das Verletzungsprodukt zugunsten des Lieferanten beworben hat. Im Falle drittbegünstigender Angebote ist es dementsprechend belanglos, ob der Begünstigte um die ihm vorteilhaften Aktivitäten des Anbietenden weiß, ob er mit ihnen einverstanden ist oder nicht. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Dritte willens und in der Lage ist, die ihm durch den Anbietenden vermittelte Nachfrage zu befriedigen.

Für den Entscheidungsfall folgt daraus, dass die Beklagte zu 1) durch das Auslegen der Werbeflyer, die auf einer Seite die angegriffenen Polklemmen zeigen, Verletzungsgegenstände angeboten hat. Sie hat nämlich – nicht anders als wenn sie alleinige Werbeprospekte der Firma B bei sich ausgelegt hätte – für den Messebesucher deutlich gemacht, dass patentverletzende Polklemmen erhältlich sind, und in diesem Zusammenhang kundgetan, dass die beworbenen Klemmen zumindest über die Firma B bezogen werden können. Das reicht für ein Angebot im Sinne von § 9 PatG aus. Der Einwand der Beklagten, die Auslage des Werbeflyers auf ihrem Messestand werde vom Verkehr nicht als fremdnützige Werbemaßnahme zugunsten der Firma B verstanden, sondern als alleiniges Angebot der Firma B auf einem fremden Messestand, ist zurückzuweisen. Bereits der Umstand, dass nur des Inhaber des Messestandes darüber bestimmt, was in welcher Weise dem Publikum auf seiner Ausstellungsfläche präsentiert wird, zwingt bei lebensnaher Betrachtung zu der Feststellung, dass auch aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs der Standinhaber – mithin die Beklagte zu 1) – derjenige Entscheidungsträger ist, die die Auslage bestimmter Werbematerialien maßgeblich verantwortet und der sich deshalb auch daran festhalten lassen muss, dass ihm die auf ein drittes Unternehmen hinweisende Werbung als eigene Handlung zugerechnet wird. Aus denselben Erwägungen stellt auch der in den auf dem Messestand der Beklagten zu 1) bereitgehaltenen Katalogen als Lesezeichen eingelegte Werbeflyer ein drittbegünstigendes Angebot der Beklagten dar.

D.

Aufgrund der vorgefallenen Patentbenutzung sind die Klageansprüche gegenüber den Beklagten wie folgt gerechtfertigt:

Gemäß § 139 Abs. 1 PatG haben die Beklagten weitere Angebots- und Vertriebshandlungen zu unterlassen. In Bezug auf die Vergangenheit schulden sie dem Kläger gemäß § 139 Abs. 2 PatG, Art. II § 1 Abs. 1 IntPatÜG eine Kompensation in Geld. Für Benutzungshandlungen nach Veröffentlichung der Patenterteilung (zuzüglich einer Karenzzeit von einem Monat) haften die Beklagten gesamtschuldnerisch auf Schadenersatz; für die vorhergehende Zeit der Offenlegung hat die Beklagte zu 1) dem Kläger eine Entschädigung nach Lizenzgrundsätzen zu zahlen. Da der Kläger ohne sein Verschulden im Ungewissen über den genauen Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist und deswegen den ihm zustehenden Entschädigungs- und Schadensersatzanspruch derzeit nicht beziffern kann, ist es gerechtfertigt, die Entschädigungs- und Schadenersatzpflicht der Beklagten zunächst gerichtlich festzustellen. Bereits aufgrund der Angebotshandlungen während der Messe ist hinreichend wahrscheinlich, dass dem Kläger in irgendeiner Höhe eine Entschädigung und ein Schadenersatz zustehen können (§ 256 Abs. 1 ZPO). Damit der Kläger imstande ist, seinen Anspruch auf Entschädigung und Schadenersatz der Höhe nach zu bestimmen, sind die Beklagten gemäß §§ 242, 259 BGB zur Rechnungslegung verpflichtet. Um weitere Verletzer aufzuspüren, schulden sie dem Kläger – unter Belegvorlage – außerdem Auskunft über ihre Verletzungshandlungen (§ 140b PatG). Unter Schadenersatzgesichtspunkten hat die Beklagte zu 1) dem Kläger schließlich die Kosten seiner (berechtigten) vorgerichtlichen Abmahnung zu erstatten. Weder gegen den Gegenstandswert von 250.000,- € noch gegen die in Ansatz gebrachte Geschäftsgebühr (von 1,5) bestehen Bedenken.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 97 Abs. 2, 269 Abs. 3 ZPO.

Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, mit der der Bundesgerichtshof auch nicht im Interesse einer Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung befasst werden muss (§ 543 Abs. 2 ZPO).