2 U 16/14 – Pemetrexeddinatrium

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2376

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 5. März 2015, Az. 2 U 16/14

Vorinstanz: 4b O 114/12

I.
Auf die Berufung der Beklagten zu 1. wird – unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Klägerin – das am 03.04.2014 verkündete Urteil der
4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

II.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu tragen.

III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten zu 1. wegen ihrer Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zwangsweise durchzusetzenden Betrages abzuwenden, falls nicht die Beklagte zu 1. zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.

V.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.500.000,00 EUR festgesetzt.

GRÜNDE :

I.
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten und in englischer Verfahrenssprache veröffentlichten europäischen Patents 1 318 AAA (Klagepatent, Anlage HL 3; deutsche Übersetzung Anlage HL 3a), das die Bezeichnung B trägt. Aus dem deutschen Teil dieses Schutzrechts nimmt sie im Berufungsverfahren noch die Beklagte zu 1. auf Unterlassung in Anspruch, nachdem sie vor dem Landgericht auch die Beklagten zu 2. und 3. auf Unterlassung in Anspruch genommen hat.

Die dem Klagepatent zugrunde liegende Anmeldung wurde am 15.06.2001 unter Inanspruchnahme dreier US-Prioritäten vom 30.06.2000, 27.09.2000 und 18.04.2001 eingereicht. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 18.04.2007 im Patentblatt bekannt gemacht. Der deutsche Teil des Klagepatents wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Registernummer DE 601 27 AAB geführt.

Gegen die Erteilung des Klagepatents wurde von dritter Seite Einspruch eingelegt, der von der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes mit Beschluss vom 18.11.2010 zurückgewiesen wurde. Über die hiergegen eingelegte Beschwerde ist bislang noch nicht entschieden worden.

Patentanspruch 1 des Klagepatents lautet in der Verfahrenssprache wie folgt:

“Use of in the manufacture of a medicament for use in combination therapy for inhibiting tumor growth in mammals wherein said medicament is to be administered in combination with vitamin B12 or a pharmaceutical derivative thereof, said pharmaceutical derivative of vitamin B12 being hydroxocobalamin, cyano-10-chlorocobalamin, aquocobalamin perchlorate, aquo-10-chlorocobalamin perchlorate, azidocobalamin, chlorocobalamin or cobalamin.”

In der deutschen Übersetzung lautet er:

„Verwendung von Q zur Herstellung eines Arzneimittels zur Verwendung in einer Kombinationstherapie zur Hemmung eines Tumorwachstums bei Säugern, worin das Arzneimittel in Kombination mit Vitamin B12 oder einem pharmazeutischen Derivat hiervon verabreicht werden soll, wobei das pharmazeutische Derivat von Vitamin B12 Hydroxocobalamin, Cyano-10-chlorcobalamin, Aquocobalaminperchlorat, Aquo-10-chlorcobalaminperchlorat, Azidocobalamin, Chlorcobalamin oder Cobalamin ist.“

Die Klägerin vertreibt das Arzneimittel C, ein Zytostatikum mit dem Wirkstoff Pemetrexed in der Form von Q. Pemetrexed und seine pharmazeutisch verträglichen Salze sind Gegenstand des europäischen Patents 0 432 AAC (Anlage HL 29/29a), dessen Schutzdauer am 10.12.2010 ablief. Derzeit sind Pemetrexed und seine pharmazeutisch wirksamen Salze in verschiedenen Ländern, u.a. in Deutschland, durch der Klägerin auf der Grundlage des vorbezeichneten Patents erteilte ergänzende Schutzzertifikate (nachfolgend: ergänzende Schutzzertifikate) geschützt. Das deutsche ergänzende Schutzzertifikat mit der Nummer DE 12 2005 000 0AA.C hat noch eine Laufzeit bis zum 10.12.2015.

Die Beklagten zu 1. und die – am Berufungsverfahren nicht beteiligte – Beklagte zu 2. gehören zur D-Gruppe. Ihre Konzernmutter ist die D Group HF mit Sitz in Island. Bei der Beklagten zu 2. handelt es sich um deren deutsche Vertriebsgesellschaft. Geschäftsführender Gesellschafter der Beklagten zu 2. ist die D Management GmbH. Deren Geschäftsführer ist der – ebenfalls nicht am Berufungsverfahren beteiligte – Beklagte zu 3.

Mit Schreiben vom 12.07.2012 (Anlage HL 6a/6b) wandten sich die englischen Rechtsanwälte der Kanzlei E für die Beklagte zu 1. und deren nationale Tochtergesellschaften an die Klägerin und setzten diese darüber in Kenntnis, dass ihre Mandanten („D“) nach Ablauf des britischen und weiterer nationaler ergänzender Schutzzertifikate, darunter auch das deutsche Schutzzertifikat, ein Pemetrexed-Produkt auf den deutschen Markt bringen wollen. Die Klägerin wurde um schriftliche Bestätigung gebeten, dass der Vertrieb von Arzneimitteln, die Pemetrexeddikalium statt Q enthalten und im Übrigen entsprechend der Lehre des Anspruchs 1 des Klagepatents verwendet werden sollen, nicht patentverletzend sei. Auf Nachfrage der Klägerin wurde ihr ferner mitgeteilt, dass die Absicht bestehe, die vorgeschlagenen Arzneimittel als generische Arzneimittel zuzulassen mit dem Produkt „F“ als Referenzarzneimittel. Weitere Angaben zur pharmazeutischen Form, der Hilfsstoffe, der Dosierung und der Verabreichungsart der Medikamente wurden nicht gemacht.

Die D Group HF, die nicht Partei des vorliegenden Rechtsstreits ist, erhob nach diesem Schriftwechsel gegen die hiesige Klägerin vor dem High Court of Justice für England und Wales Klage auf Feststellung der Nichtverletzung u.a. des deutschen Teils des Klagepatents durch den Vertrieb von Pemetrexeddikalium zur Verwendung bei der Herstellung eines Arzneimittels zur Verwendung bei einer Kombinationstherapie zur Hemmung des Tumorwachstums bei Säugern.

Mit ihrer am 30. Juli 2012 beim Landgericht eingereichten Klage hat die Klägerin ihrerseits die Beklagten zu 1. und 2. wegen einer drohenden Verletzung des Klagepatents durch den Vertrieb eines Produkts mit dem Wirkstoff Pemetrexed in der Form von Q (nachfolgend auch: angegriffene Ausführungsform Q) in der Bundesrepublik Deutschland auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Einen Antrag der Beklagten zu 1. und 2., den vorliegenden Rechtsstreit im Hinblick auf die von der D Group HF vor dem englischen Gericht erhobene Klage auszusetzen, hat das Landgericht mit Beschluss vom 03.12.2012 abgelehnt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beklagten zu 1. und 2. hat der Senat durch Beschluss vom 04.03.2013 (Az.: I-2 W 6/13; BeckRS 2014, 13989) zurückgewiesen.

Am 17.04.2013 reichten die Beklagten zu 1. und 2. sowie weitere Gesellschaften des D-Konzerns gegen die hiesige Klägerin eine weitere Klage beim High Court of Justice ein, mit der sie die Feststellung der Nichtverletzung des deutschen Teils des Klagepatents durch den Vertrieb von Pemetrexedditromethamin sowie Pemetrexeddisäure zur Verwendung bei der Herstellung eines Arzneimittels zur Verwendung bei einer Kombinationstherapie zur Hemmung des Tumorwachstums bei Säugern begehrten. Mit der Zustellung dieser Klageschrift erhielt die hiesige Klägerin ein Anwaltsschreiben der in England klagenden D-Konzerngesellschaften vom 17.04.2013 (Anlage HL 22a/22b), in dem diese erklärten, die Ausführungsformen Pemetrexedditromethamin und Pemetrexeddisäure erst auf den Markt bringen zu wollen, wenn das ergänzende Schutzzertifikat für den Stoff Pemetrexed abgelaufen sei und wenn außerdem ein rechtskräftiges Urteil vorliege, das gegenüber D feststelle, dass ihr Produkt das Klagepatent nicht verletze.

Mit Schriftsatz vom 14.06.2013 hat die Klägerin ihre vorliegende Klage erweitert, indem sie auch den Beklagten zu 3. auf Unterlassung in Anspruch genommen hat, und zwar nicht nur wegen eines drohenden Vertriebs der angegriffenen Ausführungsform Q, sondern auch von Produkten mit dem Wirkstoff Pemetrexed in der Form von Pemetrexedditromethamin (nachfolgend auch: angegriffene Ausführungsform Pemetrexedditromethamin) sowie in der Form von Pemetrexeddisäure (nachfolgend auch: angegriffene Ausführungsform Pemetrexeddisäure).

Der High Court of Justice hat – nach Erlass des landgerichtlichen Urteils – mit Urteil vom 15.05.2014 ([2014] EWHC 1511 (Pat), Anlage B 29, deutsche Übersetzung Anlage B 29a; GRUR Int. 2015, 52) entschieden, dass weder Pemetrexeddisäure noch Q oder Pemetrexedditromethamin in den Schutzbereich der Patentansprüche 1 oder 12 des englischen, des französischen, des italienischen oder des spanischen Teils des Klagepatents fallen und dementsprechend Geschäfte seitens „D“ – d.h. der Klägerinnen des englischen Verfahrens – mit diesen Produkten auch keine Verletzung der betreffenden nationalen Teile des Klagepatents darstellen. Ferner hat der High Court of Justice auch eine mittelbare Verletzung der betreffenden nationalen Teile des Klagepatents verneint. Eine Entscheidung in Bezug auf den deutschen Teil des Klagepatents hat der High Court of Justice nicht getroffen, weil die in England klagenden D-Konzerngesellschaften ihre Klage insoweit nach Erlass des hier angefochtenen Urteils zurückgenommen hatten.

Die Klägerin hat vor dem Landgericht geltend gemacht, dass das Klagepatent durch eine Verabreichung von Pemetrexeddikalium, Pemetrexedditromethamin oder Pemetrexeddisäure in Kombination mit Vitamin B12 wortsinngemäß, jedenfalls aber äquivalent verletzt werde.

Die Beklagten, die um Klageabweisung gebeten haben, haben eine (drohende) Verletzung des Klagepatents in Abrede gestellt. Sie haben geltend gemacht, dass das Klagepatent durch einen Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen weder wortsinngemäß noch äquivalent verletzt werde. Außerdem haben sie das Vorliegen einer Erstbegehungsgefahr in Abrede gestellt.

Durch Urteil vom 03.04.2014 (BeckRS 2014, 08590) hat das Landgericht der gegen die Beklagte zu 1. erhobenen Unterlassungsklage auf der Grundlage des Hilfsantrags der Klägerin wegen einer drohenden äquivalenten Verletzung des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform Pemetrexeddikalium stattgegeben; die weitergehende Klage hat es abgewiesen, und zwar die gegen die Beklagten zu 2. und 3. gerichtete Unterlassungsklage wegen fehlender Erstbegehungsgefahr. Im Einzelnen hat das Landgericht wie folgt erkannt:

„I.
Auf den Hilfsantrag wird die Beklagte zu 1. verurteilt,

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung (je Einheit) zu verhängenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR, (im Fall von Nichtzahlung) ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu 1., zu unterlassen, im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland

Pemetrexeddikalium, das augenfällig hergerichtet ist für die Verwendung bei der Herstellung eines Arzneimittels zur Verwendung in einer Kombinationstherapie zur Hemmung eines Tumorwachstums bei Säugern, worin das Arzneimittel in Kombination mit Vitamin B12 oder einem pharmazeutischen Derivat hiervon verabreicht werden soll, wobei das pharmazeutische Derivat von Vitamin B12 Hydroxycobalamin (richtig: Hydroxocobalamin), Cyano-10-chlorcobalamin, Aquocobalaminper-chlorat, Aquo-10-chlorcobala-minperchlorat, Azidocobalamin, Chlorcobalamin oder Cobalamin ist,

in der Bundesrepublik Deutschland in Verkehr zu bringen oder anzubieten oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.

II.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.“

Zur Begründung hat das Landgericht – soweit für das Berufungsverfahren von Bedeutung – im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klägerin habe gegen die Beklagte zu 1. zwar keinen Anspruch auf Unterlassung einer drohenden wortsinngemäßen Benutzung der patentgemäßen Lehre. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergebe sich jedoch aufgrund der drohenden Benutzung der patentgemäßen Lehre mit äquivalenten Mitteln.

Das Antifolat, das nach der Lehre des Klagepatents zur Herstellung eines Arzneimittels verwendet werden solle, sei nach dem Anspruchswortlaut Q. Hierbei handele es sich um eine chemische Verbindung aus einem Pemetrexed-Anion und zwei Natrium-Kationen, wobei allein Pemetrexed Antifolat-Wirkung habe. Auch wenn dies dem Fachmann bekannt sei, verstehe dieser den Begriff „Q“ nicht verallgemeinernd als Pemetrexed einschließlich seiner pharmazeutisch verträglichen Salze. Weder der Patentanspruch noch die Beschreibung böten hierfür einen Anhaltspunkt. Dass die Funktion von Q für die Lehre des Klagepatents, nämlich die Hemmung Folat-benötigender Enzyme der Thymidin- und Purinbiosynthesewege, allein auf den Bestandteil Pemetrexed zurückzuführen sei, rechtfertige es nicht, vom Wortlaut des Patentanspruchs abzusehen. Da die Beklagte zu 1. nur die Verwendung von Pemetrexeddikalium zur Verwendung in einem Arzneimittel beabsichtige, mache die geplante Verwendung von der Lehre des Klagepatents nicht wortsinngemäß Gebrauch.

Es lägen jedoch die Voraussetzungen patentrechtlicher Äquivalenz vor. Die erforderliche Gleichwirkung sei gegeben. Die mit der Verwendung von Q erfindungsgemäß verbundenen Wirkungen zeitige auch Pemetrexeddikalium im Rahmen einer Kombinationstherapie mit Vitamin B12. Pemetrexeddikalium sei grundsätzlich geeignet, in einem Arzneimittel Verwendung zu finden. Auch sei es geeignet, das Tumorwachstum zu hemmen. Die Wirkungsweise sei dieselbe wie im Falle von Q. Die Ionen-Verbindungen von Pemetrexeddikalium würden in der Infusionslösung gelöst; während Pemetrexed nach der Infusion seine Wirkung in den Zellen des Körpers entfalte, vermischten sich die Kalium-Ionen mit den übrigen körpereigenen Ionen. Der Auswahl der geeigneten Salzform eines Wirkstoffs möge zwar eine Bedeutung bei der Arzneimittelherstellung zukommen; auch möge die Derivatform Auswirkungen auf den Herstellungsprozess und die biologischen Eigenschaften des Arzneimittels haben. Darauf komme es dem Klagepatent aber nicht an. Soweit die Verwendung von Kalium als Kation eine weitere Belastung für die Nierenfunktion darstellen sollte, könnten die damit verbundenen Risiken dadurch begrenzt werden, dass Pemetrexeddikalium bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion nicht verwendet werden dürfe, wie dies schon bei Q (F) in vergleichbarer Weise der Fall sei. Zudem könne den mit der Verabreichung von Kalium verbundenen Nebenwirkungen durch die Anpassung von Infusionsdauer und Infusionsvolumen begegnet werden. Die Verwendung von Pemetrexeddikalium führe schließlich auch nicht dazu, dass die Wirkung von Vitamin B12 ausgeschlossen werde. Der Fachmann habe Pemetrexeddikalium ferner ohne erfinderisches Bemühen als gleichwirkendes Ersatzmittel auffinden können. Aus der Patentbeschreibung erfahre er, dass bestimmte toxische Effekte, die durch Antifolate als Klasse verursacht würden, signifikant in Gegenwart eines Methylmalonsäure verringernden Mittels wie Vitamin B12 reduziert werden könnten, ohne die therapeutische Wirksamkeit nachteilig zu beeinflussen. Auf der Suche nach einem Ersatz für Q werde er daher grundsätzlich alle Antifolate ins Auge fassen. Ihm sei bekannt, dass es sich bei Q um ein Salz des Wirkstoffs Pemetrexed handele und die Antifolat-Wirkung auf das Pemetrexed-Anion zurückzuführen sei. Jedenfalls aus der EP 0 432 AAC ergebe sich, dass Pemetrexed in der Form eines pharmazeutisch verträglichen Salzes eingesetzt werden könne, zu denen die EP 0 432 AAC neben Wirkstoffsalzen mit Natrium ausdrücklich auch solche mit Kalium zähle. Aus dem älteren Patent gehe ferner hervor, dass die dort genannten Salzbildner und sonstigen Zusätze unabhängig vom konkreten Wirkstoff Pemetrexed bekannt gewesen seien. Dem Fachmann sei auch bekannt gewesen, dass sich Pemetrexeddikalium grundsätzlich zur Herstellung eines Arzneimittels eigne. Dass es möglicherweise aufwändiger wissenschaftlicher Versuche bedürfe, um etwaige technische und klinische Schwierigkeiten, die mit der Auswahl von Kalium verbunden seien, in den Griff zu bekommen, stelle die Auffindbarkeit von Pemetrexeddikalium als Ersatzmittel nicht in Frage. Die Verwendung von Pemetrexeddikalium stelle sich auch als eine der Verwendung von Q gleichwertige Lösung dar. Aus den im Anspruch enthaltenen Funktionsangaben erschließe sich dem Fachmann, dass es im Hinblick auf Q entscheidend auf die Hemmung des Tumorwachstums ankomme. Die Patentschrift gebe keinen Hinweis darauf, dass es zur Verwirklichung dieser Funktionen genau der Zusammensetzung Q bedürfe und andere pharmazeutisch verträgliche Pemetrexed-Derivate vom Schutzumfang ausgeschlossen seien. Für die Antifolat-Wirkung entscheidend sei Pemetrexed. Die Verwendung von Q stelle sich auch nicht als „Auswahlentscheidung“ dar, durch die sämtliche Antifolate einschließlich anderer Pemetrexed-Derivate vom Schutzbereich des Klagepatents ausgenommen würden. Die Möglichkeit der Verwendung von Pemetrexed oder seiner Derivate (mit Ausnahme von Q) für eine erfindungsgemäße Kombinationstherapie werde in der Klagepatentschrift nicht offenbart. Formal betrachtet mögen zwar auch die Pemetrexed-Derivate unter die in der Patentbeschreibung enthaltene Antifolat-Definition fallen. Die dieser Definition nachfolgende Benennung von Q als Antifolat zur Verwendung in der Erfindung habe jedoch nicht zur Folge, dass andere Pemetrexed-Derivate nicht in den Schutzbereich fielen. Der Fachmann lese die besagte Textstelle vielmehr vor dem Hintergrund des in der Klagepatentschrift gewürdigten Standes der Technik. Bei der Benennung von Q im Patentanspruch könne es sich zwar insofern um eine Auswahlentscheidung handeln, als die Verwendung der in der einleitenden Beschreibung angesprochenen anderen Antifolate nicht unter Schutz gestellt sei. Ein Ausschluss sämtlicher Derivate mit dem Wirkstoff Pemetrexed sei hierin aber nicht zu sehen. Da das Klagepatent in keiner Weise zwischen dem einzelnen Wirkstoff und seinen Derivaten differenziere, verbiete sich die Annahme, das Klagepatent wolle Pemetrexed selbst und alle seine pharmazeutisch verträglichen Derivate mit Ausnahme von Q vom Schutz ausnehmen. Auf Vorgänge im Erteilungsverfahren könnten sich die Beklagten nicht mit Erfolg berufen.

Die Beklagte zu 1. habe sich mit dem Schreiben vom 12.07.2012 des Rechts berühmt, Pemetrexeddikalium, sinnfällig hergerichtet für die Verwendung zur Herstellung eines Arzneimittels zur Verwendung in einer Kombinationstherapie mit Vitamin B12, in den Verkehr bringen und damit die patentgemäße Lehre benutzen zu dürfen. Durch dieses Verhalten habe sie die (Erst-)Begehungsgefahr für eine Verletzung des Klagepatents begründet. Diese habe die Beklagte zu 1. nicht wieder ausgeräumt.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte zu 1. Berufung eingelegt, wobei im Rubrum der Berufungsschrift vom 05.05.2014, der eine Abschrift des angefochtenen Urteils beilag, alle Beklagten aufgeführt sind und in der Berufungsschrift davon die Rede ist, dass die Berufung „namens und in Vollmacht der Beklagten und Berufungskläger“ eingelegt wird. Die Klägerin hat ihrerseits Anschlussberufung eingelegt, mit der sie eine Verurteilung der Beklagten zu 1. wegen einer wortsinngemäßen statt einer äquivalenten Verletzung des Klagepatents erstrebt.

Die Beklagte zu 1. macht unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens geltend:

Kern der technischen Lehre des Klagepatents sei nicht die Senkung der toxischen Wirkung von Antifolatarzneimitteln jedweder Art, sondern allein von Q. Die Senkung der toxischen Nebenwirkungen des Antifolats diene ausdrücklich dem Ziel, die Verabreichung des Antifolats zu optimieren, um eine sichere maximale Dosierung des Arzneimittels zu erlauben. Dabei spiele der konkrete Wirkstoff, der für die Herstellung des Antifolatarzneimittels verwendet werde, für die klagepatentgemäße Lehre eine ebenso große Rolle wie die Verabreichung von Vitamin B12. Als Antifolatarzneimittel sei ausdrücklich Q ausgewählt worden. Daran müsse sich die Klägerin festhalten lassen; der Schutzbereich des Klagepatents könne nicht auf die Kombination von Vitamin B12 mit einem beliebigen anderen Arzneimittel ausgedehnt werden. Mit der Auswahl von Q habe sich die Klägerin nicht für die Benutzung aller Antifolatarzneimittel mit dem Wirkstoff Pemetrexed entschieden. Die verschiedenen Derivate und Salze des Wirkstoffs Pemetrexed würden vom Fachmann nicht als ein einziges Antifolatarzneimittel angesehen. Q sei aus gutem Grund als Antifolat der Erfindung gewählt worden, weil dieses im Prioritätszeitpunkt das sicherste und wirksamste aller bekannten Antifolate gewesen sei. Der Schutzbereich des Klagepatents sei daher schon infolge der Formulierung des Patentanspruchs 1 sowie der Patentbeschreibung nicht so weit auszulegen, dass er andere Pemetrexedderivate und/oder –salze als Q mit einschließe. Gegen ein solch weites Verständnis spreche zudem der Gang des Erteilungsverfahrens. Die Klägerin habe den Patentanspruch 1 im Erteilungsverfahren bewusst beschränkt. Die Beschränkung sei unmittelbar einem Vergleich zwischen der veröffentlichten Patentanmeldung und der zur Erteilung gelangten Fassung zu entnehmen. Für den Fachmann ergebe sich hieraus eindeutig, dass allein Q, nicht aber andere Antifolate (einschließlich anderer Pemetrexedsalze) vom Schutzbereich erfasst sein könnten. Die angegriffene Ausführungsform Q (nachfolgend nur noch: angegriffene Ausführungsform) verletze das Klagepatent vor diesem Hintergrund nicht nur nicht wortsinngemäß, sondern auch nicht mit äquivalenten Mitteln. Es fehle bereits an der erforderlichen Gleichwirkung. Für die Herstellung des erfindungsgemäßen Antifolatarzneimittels seien nicht nur die Pemetrexed-Anionen entscheidend, sondern sämtliche Bestandteile des Arzneimittels und insbesondere auch, welche Gegenionen in dem Antifolatarzneimittel eingesetzt würden. Die jeweiligen Gegenionen hätten nicht nur erheblichen Einfluss auf die Galenik des Arzneimittels und dessen Verträglichkeit, sondern auch auf die Therapieeffizienz des eigentlichen Wirkstoffs. Pemetrexeddikalium weise keine mit Q vergleichbare Wirkung auf, und zwar weder bezogen auf die Antifolat-Wirkung noch bezogen auf ein entsprechendes Arzneimittel insgesamt. Eine äquivalente Patentverletzung scheitere außerdem an der fehlenden Auffindbarkeit von Pemetrexeddikalium als Ersatzmittel für Q. Dem Fachmann sei nicht bekannt gewesen, dass Pemetrexeddikalium zur Herstellung von Arzneimitteln verwendet werden könne; er hätte nicht einmal notwendigerweise erwartet, dass dies überhaupt möglich sei; es sei in keiner Weise vorhersehbar gewesen, ob ein anderes Pemetrexedsalz überhaupt die erforderlichen Eigenschaften, insbesondere die benötigte Löslichkeit, besitze. Schließlich fehle es auch an der Gleichwertigkeit, und zwar schon deshalb, weil Pemetrexeddikalium insgesamt toxischer auf den Patienten einwirke als Q. Darüber hinaus habe die Anmelderin eine bewusste Entscheidung zu Gunsten von Q getroffen, während andere Antifolate in der Klagepatentschrift erwähnt würden, jedoch keinen Eingang in den Patentanspruch gefunden hätten. Dessen Formulierung stelle sich als bewusste Auswahlentscheidung des Patentinhabers dar, die andere Antifolate einschließlich Pemetrexeddikalium vom Schutzbereich des Klagepatents ausschließe.

Die Beklagte zu 1. beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern, soweit der Klage stattgegeben wurde, und die gegen sie gerichtete Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Berufung der Beklagten zu 2. und 3. zu verwerfen;

2. die Berufung der Beklagten zu 1. zurückzuweisen und das Urteil des Landgerichts dadurch abzuändern, dass es (zur Erfassung einer wortsinngemäßen Patentverletzung durch Pemetrexeddikalium) in Ziffer I. des Tenors „Q“ anstelle von „Pemetrexeddikalium“ heißt und das Wort „Hilfsantrag“ gegen das Wort „Hauptantrag“ ausgetauscht wird;

3. hilfsweise zu 2., die Berufung der Beklagten zu 1. zurückzuweisen.

Die Klägerin macht unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vortrags geltend:

Zu Recht habe das Landgericht eine Verletzung des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform bejaht. Es liege allerdings sogar eine wortsinngemäße Verletzung vor. Unter den Begriff „Q“ sei allgemein Pemetrexed zu verstehen. Hierfür biete bereits der Anspruchswortlaut einen Anhaltspunkt, weil Q „zur Tumorhemmung“ im Rahmen einer Kombinationstherapie beansprucht werde. Die Hemmung des Tumorwachstums erfolge nicht durch den Stoff „Q“; sie gehe vielmehr allein von dem Pemetrexed(-anion) aus. Das Antifolat in der Erfindung sei damit Pemetrexed und nicht Q. Bei Q und Pemetrexeddikalium handele es sich um ein und dasselbe Antifolat; es würden lediglich zwei verschiedene Formen (Salze) desselben Antifolats bezeichnet, in denen das Antifolat gelagert und vertrieben werden könne. Dies stehe auch im Einklang mit der Patentbeschreibung. Dem Klagepatent komme es nach der erfindungsgemäßen Lehre auch funktional allein auf den Wirkbestandteil Pemetrexed an. Die Natrium-Kationen leisteten zur Funktion weder einen Beitrag noch würden sie sonst näher beschrieben.

Jedenfalls liege aus den Gründen des landgerichtlichen Urteils eine äquivalente Patentverletzung vor. Die Beklagte zu 1. versuche, die Lehre des Klagepatents fälschlich so darzustellen, dass diese in der Herstellung eines bestimmten Arzneimittels unter Auswahl speziell des Dinatriumsalzes des Antifolats Pemetrexed und mit einem dem Produkt „F“ vergleichbaren Wirkungs-/Nebenwirkungsprofil sowie Dosierungs- und Verabreichungsschema liege. Keiner dieser Aspekte habe jedoch Niederschlag im Patentanspruch gefunden. Bei zutreffendem Verständnis der Lehre des Klagepatents seien sämtliche von der Beklagten gegen eine äquivalente Patentverletzung vorgebrachten Argumente unerheblich. Pemetrexeddikalium sei gleichwirkend mit Q, weil es dieselbe tumorhemmende Wirkung entfalte; bei Pemetrexeddikalium würden dieselben Pemetrexed-Anionen verabreicht, die für die Antifolat-Wirkung verantwortlich seien. Die Verwendung eines Kaliumsalzes von Pemetrexed sei für den Fachmann auch naheliegend gewesen, weil ihm Kaliumsalze von Arzneimitteln generell geläufig gewesen seien; ggf. erforderliche Versuche zur Bestimmung einer akzeptablen Löslichkeit lägen im Rahmen der Routinetätigkeiten des Fachmannes. Pemetrexeddikalium sei für den Fachmann schließlich auch gleichwertig zu Q. Weder in Patentanspruch 1 noch in der Patentbeschreibung erblicke dieser objektiv eine „Auswahlentscheidung“, die ihm bedeute, dass Pemetrexeddikalium nicht unter Schutz gestellt sein solle. Dem im Anspruch verwendeten Begriff „Q“ entnehme er gerade keine bewusste Entscheidung gegen andere Pemetrexedformen. Die Patentbeschreibung spreche überdies an keiner Stelle im Zusammenhang mit der Erfindung von anderen Pemetrexedformen. In der Aufnahme von Q in den Patentanspruch könne der Fachmann im Hinblick auf die Patentbeschreibung allenfalls einen Verzicht auf andere in der Beschreibung genannte Antifolate als Pemetrexed sehen. Bei Q und Pemetrexeddikalium handele es sich jedoch um zwei Formen ein und desselben Antifolats. Darüber hinaus sei an keiner Stelle des Klagepatents angedeutet, dass es im Stand der Technik bekannt gewesen sei, dass Pemetrexeddikalium in einer Kombinationstherapie mit Vitamin B12 verwendet werden könne. Schließlich sei ein Äquivalenzschutz auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit zu versagen; es sei sachlich nicht angemessen, den Patentschutz auf Q zu beschränken.

Die Beklagte zu 1. beantragt,

die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie tritt dem Berufungsvorbringen der Klägerin entgegen und verteidigt das Urteil des Landgerichts, soweit dieses eine wortsinngemäße Patentverletzung verneint hat, unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Die Parteien haben jeweils Privatgutachten vorgelegt, nämlich die Klägerin ein Gutachten von Prof. Dr. G (Anlage HL 25), ein Gutachten von Prof. Dr. H (Anlage HL 26), eine Stellungnahme von Prof. Dr. I (Anlage HL 28) nebst ergänzender Stellungnahme (Anlage HL 32) sowie ein Gutachten von Prof. Dr. J (Anlage HL 31a/b), und die Beklagte ein Gutachten von Prof. K (Anlage B 21/21a) und ein Gutachten von Prof. Dr. L.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und der von ihnen vorgelegten Anlagen sowie auf Tatbestand und Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

II.
Die Berufung der Beklagten zu 1. ist zulässig und begründet, wohingegen die Anschlussberufung der Klägerin ohne Erfolg bleibt. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht eine wortsinngemäße Übereinstimmung der angegriffenen Ausführungsform (Q) mit der im Klagepatent unter Schutz gestellten technischen Lehre verneint. Entgegen der Beurteilung des Landgerichts verwirklicht die angegriffene Ausführungsform die technische Lehre des Klagepatents jedoch auch nicht mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln, weshalb die Klage auf die Berufung der Beklagten zu 1. insgesamt abzuweisen ist.

A.
In prozessualer Hinsicht ist vorab Folgendes zu bemerken:
1.
Berufungsführerin war und ist allein die Beklagte zu 1. Zwar sind im Rubrum der Berufungsschrift vom 05.05.2004 alle Beklagten aufgeführt und im Text der Berufungsschrift heißt es auch, dass die Berufung „namens und in Vollmacht der Beklagten und Berufungskläger“ eingelegt werde. Soweit danach hinsichtlich der aus mehreren Personen bestehenden Beklagtenseite auch die Beklagten zu 2. und 3. als Berufungskläger angegeben worden sind, liegt jedoch bloß eine offensichtlich falsche Bezeichnung des Rechtsmittelführers vor. Tatsächlich sollte bei vernünftiger Betrachtung allein die Beklagte zu 1. Berufungsklägerin sein. Denn aus der der Berufungsschrift beigefügten Abschrift des angefochtenen Urteils ergab sich, dass die Beklagten zu 2. und 3. nicht beschwert sind und nur die vom Landgericht allein verurteilte Beklagte zu 1. als Rechtsmittelführerin in Betracht kommen konnte. Die der Berufungsschrift beigefügte Urteilsabschrift ist für die Auslegung der Berufungsschrift heranzuziehen. Darüber, wer Rechtsmittelführer ist, gibt nicht allein dessen ausdrückliche Bezeichnung Aufschluss; dies ist vielmehr auch im Wege der Auslegung der Berufungsschrift und der etwa sonst im Zeitpunkt des Ablaufs der Berufungsfrist vorliegenden Unterlagen zu ermitteln (BGH, NJW-RR 2006, 284; NJW-RR 2007, 413, 414). Insbesondere ist eine falsche Bezeichnung des Rechtsmittelführers in der Berufungsschrift unschädlich, wenn sich aus der beigefügten Urteilsabschrift ergibt, dass der Bezeichnete nicht beschwert ist und nur die andere Partei als Rechtsmittelführer in Betracht kommen kann (BGH, NJW-RR 2000, 1661).

2.
Dass die von der Beklagten zu 1. eingelegte Berufung, mit der sie sich gegen ihre Verurteilung zur Unterlassung des Angebots und Vertriebs der angegriffenen Ausführungsform wendet, zulässig ist, stellt die Klägerin zu Recht nicht in Abrede.

3.
Die von der Klägerin eingelegte Anschlussberufung ist ebenfalls zulässig, was die Beklagte zu 1. auch nicht in Zweifel zieht.

Zwar hat der Senat (Urteil vom 20.12.2012 – I-2 U 89/07, BeckRS 2013, 11856) bereits entschieden, dass das Berufungsgericht nicht deshalb daran gehindert ist, auf eine wortsinngemäße Patentverletzung zu erkennen, weil das Landgericht unter Verneinung einer wortsinngemäßen Benutzung nur auf eine äquivalente Benutzung des Klagepatents erkannt und der Verletzungskläger die Entscheidung des Landgerichts insoweit nicht im Wege der Berufung oder Anschlussberufung angegriffen hat, sondern nur der Verletzungsbeklagte Berufung eingelegt hat. Der Senat hat dies daraus hergeleitet, dass eine äquivalente Patentverletzung keinen anderen Streitgegenstand als eine wortsinngemäße Patentverletzung darstellt (vgl. Senat, Urteil vom 20.12.2012 – I-2 U 89/07, BeckRS 2013, 11856; Urteil vom 21.03.2013 – I-2 U 73/09, BeckRS 2013, 12504; Senat, GRUR-RR 2014, 185, 191 – WC-Sitzgelenk). Der Streitgegenstand einer Patentverletzungsklage wird nämlich im Wesentlichen durch die üblicherweise als angegriffene Ausführungsform bezeichnete tatsächliche Ausgestaltung eines bestimmten Produkts im Hinblick auf die Merkmale des geltend gemachten Patentanspruchs bestimmt. Dabei ist grundsätzlich unerheblich, ob die vorzunehmende Subsumtion nach Meinung des Verletzungsklägers eine wortsinngemäße oder eine unter dem Gesichtspunkt der gleichwertigen (äquivalenten) Verwirklichung eines oder mehrerer Merkmale der geschützten Erfindung in den Schutzbereich des Klagepatents fallende Benutzung der geschützten Erfindung ergibt (BGH, GRUR 2012, 485, 487 – Rohrreinigungsdüse II). Liegt insoweit ein einheitlicher Streitgegenstand vor, bedarf es auch nicht der Klageabweisung im Übrigen, wenn der Verletzungskläger eine wortsinngemäße, jedenfalls aber eine äquivalente Patentbenutzung geltend macht und das Gericht der Klage „nur“ wegen einer äquivalenten Verletzung stattgibt (Senat, Urteil vom 20.12.2012 – I-2 U 89/07, BeckRS 2013, 11856; Kühnen, Hdb. d. Patentverletzung, 7. Aufl., Rdnr. 102). Der Verletzungskläger kann demgemäß gegen eine so begründete Entscheidung grundsätzlich auch kein Rechtsmittel einlegen, weil er durch die seiner Klage stattgebende Entscheidung nicht beschwert ist (Senat, Urteil vom 20.12.2012 – I-2 U 89/07; vgl. auch Kühnen, a.a.O., Rdnr. 102). Das Berufungsgericht kann folgerichtig eine vom Verletzungsbeklagten gegen ein solches Urteil eingelegte Berufung mit der Begründung zurückweisen, dass die zur Entscheidung gestellte Ausführungsform von der technischen Lehre des Klagepatents nicht nur äquivalent, sondern wortsinngemäß Gebrauch macht. Denn es handelt sich nur um eine andere rechtliche Begründung für dasselbe Ergebnis (unmittelbare Verletzung desselben Schutzrechts durch dieselbe angegriffene Ausführungsform). Der Annahme einer wortsinngemäßen Patentverletzung durch das Berufungsgericht steht es in einem derartigen Fall auch nicht entgegen, dass das Landgericht einen auf die angegriffene Ausführungsform zugeschnittenen Urteilstenor formuliert hat (zum Klageantrag bei Äquivalenz: BGH, GRUR 2010, 314, 318 – Kettenradanordnung II; GRUR 2011, 313, 317 – Crimpwerkzeug IV). Das gilt schon deshalb, weil der Verletzungskläger im Falle der Geltendmachung einer wortsinngemäßen Benutzung nicht einen den Wortlaut des Patentanspruchs wiedergebenden Klageantrag formulieren muss, sondern durchaus auch einen auf die angegriffene Ausführungsform zugeschnittenen Klageantrag stellen kann. Der Bundesgerichtshof hält es sogar für geboten, dass der Klageantrag (und die Urteilsformel) bei einer streitigen wortsinngemäßen Patentverletzung über den Anspruchswortlaut hinaus an die zur Entscheidung gestellte Verletzungsform anzupassen ist, indem konkret diejenigen konstruktiven oder räumlich-körperlichen Mittel bezeichnet werden, mit denen bei der angegriffenen Ausführungsform das bzw. die streitige(n) Anspruchsmerkmal(e) verwirklicht werden (BGHZ 162, 365 = GRUR 2005, 569, 570 – Blasfolienherstellung; BGH, GRUR 2012, 485, 488 – Rohrreinigungsdüse II; GRUR 2014, 852, 853 – Begrenzungsanschlag). Einer Änderung des Urteilsausspruchs bedarf es in diesen Fällen daher nicht, weil die auf die äquivalente Benutzung zugeschnittene Antragsfassung die Verletzungsform selbstverständlich auch in ihrer wortsinngemäßen Übereinstimmung mit dem Klagepatent erfasst.

Hat das Landgericht der Klage aber – wie im Streitfall – nur wegen einer äquivalenten Verletzung unter Formulierung eines auf die angegriffene Ausführungsform zugeschnittenen Urteilsausspruchs stattgegeben und die Klage im Übrigen (im Hinblick auf die primär geltend gemachte wortsinngemäße Patentverletzung) formell abgewiesen, lässt sich dennoch die Zulässigkeit einer Anschlussberufung, mit der sich der Verletzungskläger gegen die formelle Teil-Klageabweisung wendet und mit der er eine vermeintlich weitere Fassung des Tenors erstrebt, nicht verneinen. Denn die Anschlussberufung setzt keine Beschwer voraus (Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 524 Rdnr. 31; MünchKommZPO/Rimmelspacher, 4. Aufl., § 524 Rdnr. 13; Musielak/Ball, ZPO, 11. Aufl., § 524 Rdnr. 10 jew. m. w. Nachw.). Es muss nur eine Abänderung, des angefochtenen Urteils zugunsten des Anschlussberufungsklägers mindestens möglich sein, und das Begehren muss auf mehr gehen, als das, was das Urteil bereits zugesprochen hat (Zöller/Heßler, a.a.O. § 524 Rdnr. 31), was hier im Hinblick auf die von der Klägerin angestrebte Änderung der Formulierung des Unterlassungstenors bejaht werden kann. Wollte man dies anders sehen, ist in der Anschlussberufung der Klägerin jedenfalls eine an den Senat gerichtete Anregung zu sehen, von seiner Möglichkeit Gebrauch zu machen, auf eine wortsinngemäße statt auf eine äquivalente Verletzung zu erkennen.

B.
Das Klagepatent betrifft die therapeutische Behandlung von Krebs (Tumorwachstum) unter Verwendung eines Antifolats in Kombination mit einem Methylmalonsäure senkenden Mittel.

Die Klagepatentschrift führt in ihrer Einleitung aus, dass Antifolate eine der am besten untersuchten Klassen von antineoplastischen Mitteln darstellen (Abs. [0002]; die nachfolgenden Bezugnahmen beziehen sich jeweils auf die deutsche Übersetzung der Klagepatentschrift, Anlage HL 3a). Antifolate hemmen ein oder mehrere Folat-benötigende Schlüsselenzyme der Thymidin- und Purinbiosynthesewege, insbesondere Thymidylat-Synthase (TS), Dihydrofolat-Reduktase (DHFR) und Glycinamid-Ribonukleotid-Formyltransferase (GARFT), indem sie mit reduziertem Folat um die Bindung dieser Enzyme konkurrieren (Abs. [0002]).

Zur Erläuterung ist anzumerken, dass Enzyme eine Vielzahl chemischer Reaktionen katalysieren. Bestimmte Enzyme, die beispielweise Redoxreaktionen katalysieren, benötigen Cosubstrate, um ihre katalytische Wirkung zu entfalten. Cosubstrate sind niedermolekulare, organische Moleküle. Diese binden nur vorübergehend an das Enzym und bilden mit diesem einen katalytisch aktiven Enzym-Cosubstrat-Komplex, das so genannte Holoenzym. Das enzymatisch inaktive Enzym, das durch Entfernen des Cosubstrats aus dem Holoenzym entsteht, ist das so genannte Apoenzym. Im Gegensatz zum katalytisch inaktiven Apoenzym ist das katalytisch aktive Holoenzym dazu in der Lage, enzymatische Reaktionen zu katalysieren. Dies ist in dem nachfolgend eingeblendeten Schema veranschaulicht. Im Reaktionsweg 1 bindet das Cosubstrat zunächst an das Apoenzym und das katalytisch aktive Holoenzym entsteht. An dieses bindet im zweiten Schritt das Substrat. Das Holoenzym katalysiert nun die Reaktion, wobei das Substrat als auch das Cosubstrat miteinander reagieren und in Produkte umgewandelt werden. Die entstehenden Produkte dissoziieren vom Apoenzym und es kann eine neue Katalysereaktion beginnen. Im Reaktionsweg 2 ist ein so genannter Antagonist zugegen. Antagonisten sind Moleküle, die ebenfalls an Enzyme (in diesem Fall an Apoenzyme) binden, ohne eine biochemische Wirkung aufzuweisen. Bindet ein Antagonist an ein Apoenzym, so entsteht kein katalytisch aktives Holoenzym. Besagtes Enzym ist gehemmt und kann dadurch seine katalytische Aktivität nicht entfalten. Antagonisten konkurrieren mit ihren Agonisten (in diesem Fall das Cosubstrat) um die Bindung an das Enzym bzw. Apoenzym. Dies ist auch als kompetetive Hemmung bekannt.

Die Antifolate weisen antagonistische Wirkung auf. Sie bilden eine Klasse von antineoplastischen Verbindungen, die bestimmte Enzyme hemmen. Diese Enzyme sind in biochemischen Prozessen der DNA- und RNA-Synthese und Reparatur- und Proteinsynthese maßgeblich beteiligt. Konkret hemmen Antifolate ein oder mehrere Tetrahydrofolat (THF)-benötigende Apoenzyme der Thymidin- und Purinbiosynthese, indem sie mit THF (die reduzierte Form der Folate), das als Cosubstrat fungiert, um die Bindung mit den Apoenzymen konkurrieren und somit die Bildung des katalytisch aktiven Holoenzyms verhindern. Insbesondere können Antifolate das Enzym DHFR hemmen, das THF synthetisiert, so dass THF für die obigen Apoenzyme nicht mehr zur Verfügung steht und dadurch die katalytisch aktiven Holoenzyme nicht mehr gebildet werden können. Zu den Enzymen, die von Antifolaten gehemmt werden können, gehören ferner die Enzyme TS und GARFT. Zusammengefasst lässt sich damit sagen, dass Antifolate ein oder mehrere wichtige Enzyme in Zellen hemmen. Alle Antifolate weisen hierbei die gleiche Wirkung auf, jedoch hemmen verschiedene Antifolate unterschiedliche Enzyme. Die Folge der Enzymhemmung ist der Tod der Zelle. Dies gilt insbesondere für Zellen, die sich wie Tumorzellen sehr schnell teilen und dadurch rasch wachsen. Daher sind Antifolate zur Behandlung von Tumoren besonders geeignet und finden in der medizinischen Tumortherapie Anwendung.

Als Beispiele für Antifolate, die Thymidylat-Synthese hemmende („TSI“) Eigenschaften aufweisen, erwähnt die Klagepatentschrift „M“ und „N“ (Abs. [0002]). Als ein Beispiel für ein Antifolat, das eine Dihydrofolat-Reduktase hemmende („DHFRI“) Eigenschaft hat, wird „O“ (Abs. [0002]) angeführt, das die Klagepatentschrift einleitend als Standardkomponente von effektiven Chemotherapieplänen für verschiedene Krebsarten wie z.B. Lymphome, Brustkrebs sowie Kopf- und Halskrebs bezeichnet (Abs. [0002]). Ferner benennt die Klagepatentschrift „P“ als ein Beispiel für ein Antifolat, das Glycinamid-Ribonukleotid-Formyltransferase hemmende („GARFTI“) Eigenschaften aufweist. Die Klagepatentschrift weist ferner darauf hin, dass viele der bekannten Antifolatarzneimittel mehr als einen Biosyntheseweg hemmen (Abs. [0002]). Als ein Beispiel für ein solches Antifolatarzneimittel führt sie das bereits erwähnte „P“ an, das auch ein Inhibitor der DHFR ist (Abs. [0002]). Als weiteres Beispiel wird „Q (R and Company, IN)“ erwähnt, das die Enzyme TS, DHFR und GARFT hemmt (Abs. [0002]).

Nach der Klagepatentbeschreibung ist die Entwicklung von Antifolatarzneimitteln allerdings aufgrund ihrer zytotoxischen, d.h. zellschädigenden Aktivität beschränkt (Abs. [0003]). Ferner kann die anschließende Wirksamkeit der Antifolate mit einer substantiellen Toxizität für einige Patienten verbunden sein (Abs. [0003]). Zusätzlich sind Antifolate als Klasse mit einer sporadisch schweren Myelosuppression (Knochenmarkshemmung, die die Blutbildung unterdrückt bzw. behindert) mit gastrointestinaler Toxizität assoziiert, die, obwohl sie selten ist, ein hohes Sterblichkeitsrisiko in sich birgt (Abs. [0003]). Da man nicht in der Lage war, diese Toxizitäten zu kontrollieren, musste die klinische Entwicklung einiger Antifolate nach den Angaben der Klagepatentschrift gänzlich abgebrochen werden; die klinische Entwicklung von anderen Antifolaten, wie z.B. „P“ und „S“, ist dadurch verkompliziert worden (Abs. [0003]). Antifolate verursachen schließlich auch nicht-hämatologische Ereignisse, wie Hautausschläge und Müdigkeit (vgl. Abs. [0001], [0005]).

Es wurde bereits versucht, die für Patienten nachteilige Toxizität, die mit der Verabreichung der Klasse der Antifolate einhergeht, zu mindern. Um den Toxizitäten zu begegnen und eine sichere, maximale Dosierung zu erlauben, wird nach den Angaben in der Klagepatentschrift in einigen Fällen routinemäßig eine unterstützende Intervention verwendet. So können beispielweise Steroide wie Dexamethon verwendet werden, um die Bildung von Hautausschlägen zu vermeiden, die durch das Antifolat verursacht werden (Abs. [0001]). Die Klagepatentschrift beschreibt in ihrer Einleitung weiter, dass im Stand der Technik Patienten, die mit Antifolaten behandelt wurden, bestimmte Verbindungen, wie Folsäure und Retinoide, verabreicht wurden (Abs. [0004]). Die Toxizität der Antifolate konnte jedoch mit Hilfe der betreffenden Mittel nur unzureichend reduziert werden. Die potentielle lebensbedrohende Toxizität, so die Klagepatentschrift (Abs. [0001]), bleibe eine hauptsächliche Limitierung bei der optimalen Verabreichung von Antifolaten.

Ein konkretes zu lösendes Problem wird in der Beschreibung des Klagepatents nicht ausdrücklich formuliert. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestimmt sich das von einer Schutzrechtslehre gelöste Problem danach, was die Erfindung objektiv leistet, was wiederum durch Auslegung der Patentansprüche, ggf. unter Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen, zu ermitteln ist (BGH, GRUR 2010, 602, 605 – Gelenkanordnung; GRUR 2011, 607, 608 – Kosmetisches Sonnenschutzmittel III; GRUR 2012, 1122, 1123 – Palettenbehälter III; GRUR 2012, 1130 – Leflunomid). Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der erteilte Patentanspruch 1 die Verwendung von Q zur Herstellung eines Arzneimittels vorsieht, ergibt sich hier als das dem Klagepatent zugrunde liegende Problem, die für den Patienten nachteiligen toxischen Effekte, wie Mortalität und nicht-hämatologische Ereignisse, die durch die Verabreichung von Q als Antifolat verursacht werden, zu reduzieren, ohne die therapeutische Wirksamkeit des Antifolats nachteilig zu beeinflussen. Das Ergebnis ist im Streitfall aus den nachfolgend angeführten Gründen allerdings kein anderes, wenn man die Aufgabe der Erfindung mit dem Landgericht allgemeiner darin sehen wollte, die für den Patienten nachteiligen toxischen Effekte, die durch die „Antifolate als Klasse“ verursacht werden, zu verringern, ohne die therapeutische Wirksamkeit „der Antifolate“ nachteilig zu beeinflussen.

Zur Lösung schlägt Anspruch 1 des Klagepatents die Kombination folgender Merkmale vor:

(1) Verwendung von Q zur Herstellung eines Arzneimittels.

(2) Das Arzneimittel dient der Verwendung in einer Kombinationstherapie zur Hemmung eines Tumorwachstums bei Säugern;

(3) Das Arzneimittel soll in Kombination mit Vitamin B12 oder einem pharmazeutischen Derivat hiervon verabreicht werden;

(4) Das pharmazeutische Derivat von Vitamin B12 ist Hydroxocobalamin, Cyano-10-chlorcobalamin, Aquocobalaminperchlorat, Aquo-10-chlorcobalaminperchlorat, Azidocobalamin, Chlorcobalamin oder Cobalamin.

Der Kern der im Patentanspruch 1 umschriebenen technischen Lehre des Klagepatents besteht in der Verwendung eines aus Q herzustellenden Antifolatarzneimittels in Kombination mit Vitamin B12 (einschließlich seiner im Patentanspruch benannten Derivate) zur therapeutischen Behandlung von Krebs (Tumorwachstum). Das aus Q hergestellte Antifolatarzneimittel wird dem Patienten im Rahmen der therapeutischen Behandlung in Kombination mit Vitamin B12 verabreicht. Dem Vitamin B12 kommt im Rahmen der erfindungsgemäßen Kombinationstherapie die Funktion zu, die toxischen Nebenwirkungen, wie Mortalität und nicht-hämatologische Ereignisse (z.B. Hautausschläge und Müdigkeit), die durch das Antifolatarzneimittel verursacht werden, zu reduzieren, ohne dabei die therapeutische Wirksamkeit des Antifolats nachteilig zu beeinflussen (vgl. Abs. [0005]). Der toxischen Wirkung des an Patienten verabreichten Antifolats geht nach den Erläuterungen der Klagepatentschrift ein erhöhter Spiegel an Methylmalonsäure voraus. Eine Behandlung der erhöhten Methylmalonsäure verringert die Mortalität und die nicht-hämatologischen Ereignisse. Erfindungsgemäß wird dem Patienten daher im Rahmen der therapeutischen Behandlung mit dem aus Q hergestellten Antifolatarzneimittel zusätzlich Vitamin B12 (oder eines seiner im Patentanspruch 1 benannten Derivate) verabreicht, das ein Methylmalonsäure verringerndes Mittel ist.

Dieses vorausgeschickt, bedarf im Hinblick auf den Streit der Parteien das Merkmal (1) bzw. der Begriff „Q“ näherer Erläuterung:

1.
Patentanspruch 1 setzt nach seinem Merkmal (1) voraus, dass die Verwendung von Q zur Herstellung eines Arzneimittels erfolgt. Anspruch 1 des Klagepatents ist ein sog. „Schweizer Anspruch“, der neben der Verwendung auch die Herstellung umfasst und dessen spezifische Fassung durch folgenden Anspruchsaufbau gekennzeichnet ist: „Verwendung des Stoffes A zur Herstellung eines Präparates zur Behandlung der Krankheit B“ (Senat, Urteil vom 31.01.2013 – I-2 U 54/11 m. w. Nachw.; vgl. auch High Court of Justice, Urteil vom 15.05.2014, Anlage B 29/29a Rdnr. 50). Die Charakteristik dieser Anspruchsfassung hat ihren Hintergrund in Art. 53 c) EPÜ, wonach europäische Patente u.a. nicht für Verfahren zur therapeutischen Behandlung des menschlichen Körpers erteilt werden. Der Zweck des Art. 53 c) EPÜ ist es – wie bei Art. 52 Abs. 4 EPÜ 1973 –, die Tätigkeiten des Arztes auf dem Gebiet der Human- und Veterinärmedizin von patentrechtlichen Beschränkungen freizuhalten: Der Arzt soll in der Auswahl von Maßnahmen zur Behandlung und Heilung von Krankheiten nicht beschränkt werden (BGH, GRUR 2007, 404 – Carvedilol II; GRUR 2001, 321 – Endoprotheseneinsatz; vgl. BGH, GRUR 2010, 181 – Bildunterstützung bei Katheternavigation). Im EPÜ 1973 war diesbezüglich als Ausnahmefall die Verwendung eines Stoffes zur zweiten (und weiteren) medizinischen Indikation anerkannt. Da jedoch ein Anspruch auf Verwendung eines Stoffes zur therapeutischen Behandlung wesensgleich ist mit einem Verfahren zur therapeutischen Behandlung, das nach Art. 52 Abs. 4 S. 1 EPÜ 1973 als gewerblich nicht anwendbar galt, wurden unter Geltung des EPÜ 1973 nur solche Ansprüche für zulässig erachtet, die (auch) auf die vorangegangene Herstellung des Arzneimittels gerichtet waren, weil die Herstellung im gewerblichen Bereich stattfindet (EPA T 958/94 – ABl. 1997, 241 – Antitumormittel/THERAPEUTIQUES SUBSTITUTIVES). Insoweit wurde im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung insbesondere die Verwendung des „Schweizer Anspruches“ durch die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes anerkannt (EPA G 01/83 – ABl. 1985, 60 ff. = GRUR Int. 1985, 193 – Zweite medizinische Indikation/BAYER). Im EPÜ 2000 wurde als Ausnahme zu Art. 53 c) S.1 EPÜ der Schutz der zweiten und weiterer Indikationen im neuen Art. 54 Abs. 5 EPÜ kodifiziert, wonach die Patentierbarkeit von Stoffen zur spezifischen Anwendung in einem therapeutischen Verfahren möglich ist, wenn diese spezifische Anwendung nicht zum Stand der Technik gehört. Art. 54 Abs. 5 EPÜ ist ebenfalls als Ausnahme vom Grundsatz zu verstehen, dass Erzeugnisansprüche nur für – absolut – neue Produkte gewährt werden, wobei es sich um einen zweckgebundenen Stoffschutz handelt (Meier-Beck, GRUR 2009, 300, 304 f.). Ohne Bedeutung ist, dass die Große Beschwerdekammer nunmehr entschieden hat, dass der „Schweizer Anspruch“ unter Geltung des EPÜ 2000 nicht mehr zulässig ist, da es einer derartigen Fassung mit Blick auf Art. 54 Abs. 5 EPÜ nicht mehr bedürfe (EPA G 2/08 – ABl. 2010, 456 – Dosieranleitung/ABBOTT RESPIRATORY). Denn letztgenannte Rechtsprechung gilt erst für Anmeldungen, deren Anmelde-/Prioritätstag drei Monate nach Veröffentlichung dieser Entscheidung liegt; eine Rückwirkung hat die Große Beschwerdekammer ausdrücklich nicht angeordnet. Unabhängig davon ist allgemeinen Grundsätzen zufolge für den Verletzungsprozess ohnehin allein die in Kraft stehende und geltend gemachte Anspruchsfassung maßgeblich, auch wenn diese heute in dieser Form nicht mehr erteilungsfähig wäre (vgl. Senat, Urteil vom 31.01.2013 – I-2 U 54/11, BeckRS 2013, 11782 m. w. Nachw.).

2.
Nach dem Wortlaut des Anspruchs 1 des Klagepatents ist das Mittel, das zur Herstellung eines Arzneimittels verwendet werden soll, „Q“. Patentanspruch 1 spricht in Bezug auf den zur Herstellung des Arzneimittels zu verwendenden Stoff weder von „Pemetrexed“ noch von „Pemetrexed einschließlich seiner pharmazeutisch verträglichen Salze“, sondern von „Q“. Der Anspruchswortlaut ist eindeutig. Er verlangt die Verwendung einer ganz bestimmten Salzform (Dinatrium) eines ganz bestimmten Antifolats (Pemetrexed). Die insoweit vorgenommene Festlegung wiegt schon deshalb schwer, weil es sich bei Q um eine definierte chemische Verbindung handelt, die sich in objektiver Hinsicht von anderen Formen (auch Salzformen) desselben Wirkstoffs klar unterscheidet. Bei Q handelt es sich um einen eindeutigen chemischen Begriff, der eine spezifische chemische Verbindung bezeichnet. Der Begriff „Pemetrexed“ bezeichnet dagegen eine andere spezifische chemische Verbindung. Pemetrexed hat die Summenformel C20H21N5O6 und ist die freie Säureform des Wirkstoffes. Im Gegensatz dazu ist Q ein – aus einem Pemetrexed-Anion und zwei Natrium-Kationen bestehendes – Salz von Pemetrexed und hat die Summenformel T (vgl. Gutachten, Seite 6). Beide chemischen Verbindungen haben auch unterschiedliche molare Massen: Pemetrexed hat eine molare Masse von 427,41 g·mol−1, wohingegen Q ein solche von 471,37 g·mol−1 hat (vgl. Wikipedia Stichwort „Pemetrexed“). Es handelt sich damit um zwei verschiedene chemische Verbindungen, denen – was der Fachmann weiß – auch verschiedene CAS-Nummer zugeordnet worden sind (Gutachten, Seite 6). Die sog. CAS-Nummer (auch CAS-Registrierungsnummer und CAS-Registriernummer; engl. CAS Registry Number; CAS = Chemical Abstract Service) ist ein internationaler Bezeichnungsstandard für chemische Stoffe. Für jeden in der CAS-Datenbank registrierten chemischen Stoff existiert eine eindeutige CAS-Nummer (vgl. Wikipedia Stichwort „CAS-Nummer). Q trägt die CAS-Nummer 150399-23-8, wohingegen Pemetrexed die CAS-Nummer 137281-23-3 trägt (Gutachten, Seite 6; Bescheid des Prüfers des EPA vom 17.05.2005, Seite 1). Bei der im Patentanspruch 1 mit „Q“ bezeichneten Substanz, die zur Herstellung eines Antifolatarzneimittels verwendet werden soll, handelt es sich, da das Klagepatent den Begriff nicht spezifisch anderweitig in Bezug auf die Erfindung definiert, um die chemische Verbindung Q.

a)
Aus der Klagepatentschrift ergeben sich für den Fachmann – als solcher ist hier ein Team anzusehen, dem ein auf dem Gebiet der Onkologie tätiger Mediziner und ein Pharmakologe angehören, die jeweils mit der Verwendung von Antifolatarzneimitteln vertraut sind und über eine langjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Krebstherapie bzw. in der Entwicklung von onkologischen Arzneimitteln verfügen – entgegen der Auffassung der Klägerin nicht der geringste Anhaltspunkte dafür, dass sich die Anmelderin bei der Abfassung der Klagepatentschrift nicht dem allgemeinen technischen Sprachgebrauch bedient und mit dem Begriff „Q“ allgemein Pemetrexed oder Pemetrexed einschließlich seiner pharmazeutisch verträglichen Salze gemeint hat.

aa)
In Absatz [0022] definiert die Klagepatentschrift, was sie unter den Begriffen „Antifolat“ und „Antifolatarzneimittel“ versteht, und gibt sodann an, welches Antifolat das erfindungsgemäße ist. Dort heißt es (Hervorhebungen hinzugefügt):

„Die Ausdrücke „Antifolat“ und „Antifolatarzneimittel“ beziehen sich allgemein auf eine chemische Verbindung, die zumindest ein Folat-benötigendes Schlüsselenzym der Thymidin- und Purinbiosynthesewege, vorzugsweise Thymidylatsynthase („TS“), Dihydrofolatreduktase („DHFR“) oder Glycinamidribonukleotidformyltransferase („GARFT“), indem sie mit reduziertem Folat um die Bindung dieser Enzyme konkurriert. Das „Antifolat“ oder „Antifolatarzneimittel“ zur Verwendung in der Erfindung ist Q (C), wie es von R & Co. hergestellt wird.“

Das erfindungsgemäß zu verwendende Antifolat wird hiermit verbindlich definiert. In Übereinstimmung mit dem Anspruchswortlaut handelt es sich bei diesem um „Q“, nicht hingegen (allgemein) um „Pemetrexed“. Aus der in Rede stehenden Beschreibungsstelle ergibt sich eindeutig, dass das Klagepatent Q als das zur Herstellung des gewünschten Arzneimittels zu verwendende Antifolat ansieht. Diese chemische Verbindung wird vom Klagepatent insgesamt – und nicht nur im Hinblick auf ihren Wirkstoff Pemetrexed – als das Antifolat zur Verwendung in der Erfindung angesehen.

bb)
In der übrigen Klagepatentbeschreibung ist – mit einer Ausnahme (Abs. [0004]; dazu sogleich) – ebenfalls durchweg von „Q“ und nicht von „Pemetrexed“ die Rede (Abs. [0002], [0010] bis [0016], [0021], [0031], [0032], [0034], [0035], [0037] bis [0040], [0046], [0048] bis [0050], [0056], [0057]). In Bezug auf das erfindungsgemäße Antifolat bzw. Antifolatarzneimittel spricht das Klagepatent in seiner Beschreibung überdies – im Einklang mit der Festlegung des erfindungsgemäßen Antifolats in Absatz [0022] – ausdrücklich von dem „Antifolat Q“ (Abs. [0010] bis [0015], [0021], [0031], [0032], [0034]) bzw. dem „Antifolatarzneimittel Q“ (Abs. [0021]), nicht aber von dem „Antifolat Pemetrexed“ oder „Antifolatarzneimittel Pemetrexed“.

cc)
Dass es sich bei dem erfindungsgemäß eingesetzten Antifolat um die chemische Verbindung Q und nicht um Pemetrexed handelt, ergibt sich ferner gerade daraus, dass der Begriff „Q“ in der Klagepatentbeschreibung durch den Hinweis auf das Arzneimittel „F“ konkretisiert wird. Wie bereits erwähnt, weist die Klagepatentschrift in Absatz [0022] darauf hin, dass das Antifolat zur Verwendung in der Erfindung „Q (C), wie es von R & Co. hergestellt wird“, ist. Außerdem findet sich in diversen Stellen der Patentbeschreibung hinter dem Begriff „Q“ der Klammerzusatz „C“ (vgl. Abs. [0034], [0035], [0037] bis [0040], [0046], [0048] bis [0050], [0056], [0057]). Bei „F“ handelt es sich um das von der Klagepatentschrift in ihrer Einleitung (Abs. [0002]) im Rahmen der Darstellung des Standes der Technik erwähnte „Q (R and Company, IN)“. Die Klagepatentschrift bringt damit zum Ausdruck, dass das erfindungsgemäß zur Herstellung eines Arzneimittels zu verwendende Antifolat „Q“ dem von der Klägerin unter der Bezeichnung „F“ hergestellten Antifolatarzneimittel entspricht. Dieses enthält unstreitig Q, nicht aber die freie Säureform Pemetrexed oder andere Salzformen von Pemetrexed.

dd)
Wenn die Klagepatentschrift hinsichtlich des erfindungsgemäßen Antifolats zwei Begriffe synonym gebraucht, sind dies – wie sich aus dem Vorstehenden ergibt – die Bezeichnungen „Q“ und „F“, nicht aber die Begriffe „Pemetrexed“ und „F“. In der heutigen täglichen Praxis mögen die Bezeichnungen „Pemetrexed“ und „F“ synonym in Bezug auf das von der Klägerin hergestellte Arzneimittel gebraucht werden (vgl. Anlage HL 27; Gutachten, Seite 1). Für die patentrechtliche Beurteilung ist dies nicht von Belang, und zwar selbst dann nicht, wenn es diese Übung schon am Prioritätstag des Klagepatents gegeben hätte. Patentanspruch 1 verlangt nicht die Verwendung von „Pemetrexed“ zur Herstellung eines Arzneimittels, sondern von „Q“. In Bezug auf diesen Begriff ist entscheidend, was das Klagepatent hierunter versteht. Denn die Klagepatentschrift ist – worauf die Klägerin selbst hinweist – aus sich selbst heraus auszulegen; sie bildet gewissermaßen ihr eigenes Lexikon; maßgeblich ist nur der sich aus der Patentschrift ersichtliche Begriffsinhalt. Dieser stimmt hier mit dem allgemeinen technischen Sprachgebrauch überein.

ee)
Daraus, dass die Klagepatentschrift in Absatz [0004] den Ausdruck „Pemetrexed“ benutzt, lässt sich – was die Klägerin auch nicht geltend macht – nicht herleiten, dass mit „Q“ allgemein Pemetrexed gemeint ist. Die Klagepatentschrift führt in dieser Beschreibungsstelle aus, dass von Worzalla et al. (Anticancer Research 18: 3235-3240 (1998)) die Rolle von Folsäure bei der Modulierung der Toxizität und der Wirksamkeit des mehrfach wirksamen „Antifolats LY 231514 (Pemetrexed)“ diskutiert wird. Der Begriff „Pemetrexed“ findet sich – wie das Landgericht in anderem Zusammenhang zutreffend festgestellt hat – nur in dieser einen Textstelle, bei der es sich weder um ein Beispiel der Erfindung noch um eine der Erläuterung der Erfindung dienende Beschreibungsstelle handelt. Die Benennung von „Pemetrexed“ erfolgt vielmehr allein im Zusammenhang mit der Darstellung einer aus dem Stand der Technik bekannten Untersuchung zu den Wirkungen von Folsäure bei der Toxizität und der Wirksamkeit eines Antifolats („Antifolat LY 231514 (Pemetrexed)“). In der die Erfindung betreffenden Patentbeschreibung wird hingegen ausschließlich der im Patentanspruch enthaltene Begriff „Q“ verwendet. Schon deshalb wird der Fachmann der in Rede stehenden Textstelle keine weitere Bedeutung in Bezug auf die Auslegung des Begriffs „Q“ beimessen. Überdies wird nach den von den Parteien nicht angegriffenen – auf den Bescheid des Prüfers des Europäischen Patentamtes vom 09.03.2004 (Anlage B 11a, Seite 3) gestützten – Feststellungen des Landgerichts mit „LY 231514“ ohnehin „F“ und damit Q bezeichnet (vgl. auch Bescheid des Prüfers des Europäischen Patentamtes vom 17.05.2005, Seite 2/3).

ff)
In dem sich aus dem Patentanspruch und der Patentbeschreibung ergebenden Verständnis, dass mit „Q“ die chemische Verbindung Q und nicht allgemein Pemetrexed (einschließlich seiner anderen Salze) gemeint ist, sieht sich der Fachmann im Übrigen durch die Erkenntnis bestätigt, dass das Klagepatent in anderem Zusammenhang durchaus von der Möglichkeit Gebrauch macht, einen erweiterten Schutz geltend zu machen (vgl. auch Gutachten, Seite 7; Gutachten, Rdnr. 5.2 f.). So sieht Patentanspruch 1 in Bezug auf das in Kombination mit dem Arzneimittel zu verabreichende Vitamin B12 vor, dass anstelle von Vitamin B12 auch „ein pharmazeutisches Derivat davon“ verwendet werden kann (Merkmal (3)), wobei die in Betracht kommenden Derivate im Anspruch ausdrücklich benannt werden (Merkmal (4); vgl. auch Absätze [0010] und [0025]). Ferner beansprucht Unteranspruch 2 des Klagepatents Schutz für eine bevorzugte Verwendung nach Anspruch 1, bei der das Arzneimittel nicht nur in Kombination mit Vitamin B12 (oder einem Derivat davon), sondern zusätzlich in Kombination mit einem FBP-Bindemittel verabreicht wird, das aus Folsäure, (6R)-5-Methyl-5,6,7,8-tetrahydrofolsäure und (6R)-5-Formyl-5-Methyl-5,6,7,8-tetrahydrofolsäure „oder einem physiologisch annehmbaren Salz oder Ester hiervon“ ausgewählt ist (vgl. auch Abs. [0011], [0028], [0029]). Hinsichtlich des ggf. zusätzlich zu verabreichenden FBP-Bindemittels gibt Unteranspruch 2 mithin ebenfalls explizit an, dass es sich auch um ein physiologisch annehmbares Salz handeln kann, wobei unter einem solchen Salz nach der Legaldefinition in Absatz [0029] der Patentbeschreibung ein „Kalium-, Natrium-, Lithium, Magnesium- oder vorzugsweise Calziumsalz des FBP-Bindemittels“ zu verstehen ist. Hinsichtlich des nach Patentanspruch 1 zur Herstellung eines Arzneimittels zu verwendenden Antifolats „Q“ macht das Klagepatent hingegen nicht von der Möglichkeit Gebrauch, einen erweiterten Schutz geltend zu machen. Das zur Herstellung des Arzneimittels zu verwendende Antifolat ist nach seinem Patentanspruch 1 ausschließlich Q. Da das Klagepatent somit hinsichtlich anderer Komponenten bestimmte Derivate oder Salze zulässt, solche hinsichtlich des zur Herstellung des Arzneimittels zu verwenden Antifolats aber nicht erwähnt, wird der Fachmann die Bezeichnung „Q“ nicht nur gemäß ihrem technischen Sprachgebrauch verstehen, sondern die alternativlose Benennung von Q im Patentanspruch auch ernst nehmen.

b)
Mit Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass vor diesem Hintergrund eine „funktionsorientierte Auslegung“ zu keinem anderen Ergebnis führen kann. Selbst wenn sich die Funktion der Verwendung von Q im Rahmen der Lehre des Klagepatents allein auf die Antifolat-Wirkung bzw. die Bereitstellung des für diese Wirkung verantwortlichen Pemetrexed-Anions beschränken sollte, rechtfertigt es dieser Umstand nicht, sich über den eindeutigen Anspruchswortlaut hinwegzusetzen, der die Verwendung von Q verlangt. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit zunächst vollinhaltlich auf die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts (Urteilsumdruck Seite 33), wonach die grundsätzlich gebotene funktionale Betrachtung bei räumlich-körperlich definierten Merkmalen nicht dazu führen darf, dass ihr Inhalt auf die bloße Funktion reduziert und das Merkmal in einem Sinne interpretiert wird, der mit der räumlich-körperlichen Ausgestaltung, wie sie dem Merkmal eigen ist, nicht mehr in Übereinstimmung steht, weil anderenfalls die Grenze zwischen wortsinngemäßer und äquivalenter (d.h. gleichwirkender) Benutzung aufgelöst würde (vgl. hierzu auch Senat, GRUR-RR 2014, 185, 188 – WC-Sitzgelenk). Die hiergegen gerichteten Angriffe der Klägerin rechtfertigen im Streitfall keine andere Beurteilung:

aa)
Aus dem Anspruchswortlaut ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin gerade kein Anhaltspunkt dafür, dass unter dem Begriff „Q“ allgemein Pemetrexed (einschließlich aller seiner pharmazeutisch verträglichen Salze) zu verstehen ist. Insbesondere lässt sich ein dahingehendes Verständnis nicht aus der Zweckangabe in Merkmal (2) herleiten, wonach das – aus Q herzustellende – Arzneimittel der Verwendung in einer Kombinationstherapie „zur Hemmung eines Tumorwachstums“ dient. Daraus, dass die angestrebte tummorhemmende Wirkung allein dem Pemetrexed(-Ion) zukommt, das über die sog. Folat-Transporter in die Zelle gelangt, dort polyglutamiert und so die Folat-benötigenden Schlüsselenzyme der Thymidin- und Purinbiosynthesewege hemmt (vgl. hierzu Gutachten, Seite 5 Rdnr. 18 ff.; Gutachten, Seite 4 f. und Seite 7; Gutachten, Seite 3 Rdnr. 14 f.; Ergänzungsgutachten, Seite 1; Gutachten, Seiten 4, 5, 6 und 7), mag der Fachmann schließen, dass es – obgleich Patentanspruch 1 auf die Herstellung eines Arzneimittels aus der im Anspruch benannten Substanz gerichtet ist – entscheidend auf die von dem Pemetrexed(-Ion) ausgehende Antifolat-Wirkung ankommt. Diese Erkenntnis rechtfertigt es aber nicht, das im Patentanspruch konkret angegebene Mittel (Q) zu verallgemeinern (Pemetrexed) und auf diese Weise den Inhalt des Patentanspruchs zu erweitern. Aus der beigegebenen Zweckangabe lässt sich der Anspruchswortlaut, der eben als Wirkstoff nicht „Pemetrexed“, sondern „Q“ verlangt, unter keinen Umständen umgehen. Die Verwendungsangabe relativiert nicht das einzusetzende Antifolat, sondern erläutert dem Fachmann lediglich den therapeutischen Einsatzzweck des für die Kombinationstherapie herzustellenden Antifolatarzneimittels.

bb)
Soweit die Klägerin – mit Blick auf die angegriffene Ausführungsform – geltend macht, bei Q und Pemetrexeddikalium handele es sich um ein und dasselbe Antifolat, ist hieran zutreffend, dass es sich bei beiden Verbindungen um Salzformen von Pemetrexed handelt. Das ändert aber nichts daran, dass nach dem eindeutigen Anspruchswortlaut (allein) eine bestimmte Salzform von Pemetrexed, nämlich Dinatrium, diejenige Substanz ist, die zur Herstellung eines Arzneimittels verwendet werden soll, und dass eben diese chemische Verbindung – worüber der Fachmann in der Patentbeschreibung (Abs. [0022]) explizit belehrt wird – „das Antifolat“ zur Verwendung in der Erfindung ist. Dass das Klagepatent alle Formen von Pemetrexed oder zumindest alle pharmazeutisch verträglichen Salze davon als „ein und dasselbe Antifolat“ im Sinne der Erfindung ansieht, lässt sich der Klagepatentschrift nicht ansatzweise entnehmen.

cc)
Fehl geht auch der Versuch der Klägerin, das von ihr gewünschte Auslegungsergebnis damit zu begründen, dass sie in der in Absatz [0022] der Patentbeschreibung gegebenen Definition des Begriffs „Antifolat“ den Ausdruck „Antifolat“ durch „Q“ ersetzt. Die dortige Definition ist klar und eindeutig: Zunächst wird erläutert, was das Klagepatent allgemein unter einem „Antifolat“ versteht, und im Anschluss hieran wird festgelegt, dass das erfindungsgemäß verwendete Antifolat „Q“ ist. Zur Vornahme irgendwelcher Ersetzungen oder Korrekturen in der Patentbeschreibung besteht insoweit für den Fachmann kein Anlass. Die von der Klägerin vorgenommene Ersetzung ergibt – worauf die Beklagte mit Recht hinweist – im Übrigen auch insofern keinen Sinn, als Q nicht zumindest ein Folat-benötigendes Schlüsselenzym, sondern alle drei in Absatz [0022] genannten Enzyme hemmt.

dd)
Daraus, dass sich die Gewichtsangaben in den Beispielen des Klagepatents auf den Gewichtsanteil von Pemetrexed und nicht auf die Menge von Q insgesamt beziehen, lässt sich – worauf bereits das Landgericht zutreffend hingewiesen hat – für das Verständnis des Begriffes „Q“ nichts herleiten. Der Fachmann mag dem ggf. entnehmen, dass es dem Klagepatent entscheidend auf die cytotoxische Wirkung des Wirkstoffes Pemetrexed ankommt. Daraus lässt sich aber nicht schlussfolgern, dass mit „Q“ allgemein „Pemetrexed“ gemeint ist.

c)
Dass mit „Q“ die chemische Verbindung „Q“ und nicht allgemein „Pemetrexed“ gemeint ist, wird bestätigt durch die Stellungnahme des Prüfers des Europäischen Patentamtes im Patenterteilungsverfahren und das Verhalten der Klägerin.

aa)
Nachdem der Prüfer die ursprünglich angemeldeten Patentansprüche, in denen, was die Ansprüche 1 und 2 anbelangt, nur von einem Antifolat die Rede war, mit Bescheid vom 09.03.2004 für nicht gewährbar erachtete, hat die Klägerin mit Eingabe vom 23.12.2004 neue Ansprüche eingereicht, wobei der neue Anspruch 1 – ebenso wie der neue Anspruch 2 – auf die Verwendung von „Pemetrexed“ zur Herstellung eines Arzneimittels gerichtet gewesen ist. Mit Bescheid vom 17.05.2005 (Anlage B 11/11a) hat der Prüfer auch die geänderten Ansprüche beanstandet, wobei er hierzu Folgendes ausgeführt hat (Unterstreichungen hinzugefügt):

„Der Gegenstand der derzeitigen Ansprüche 1, in dem es heißt „Verwendung von Pemetrexed …“, und 13, in dem es heißt, „ein Produkt, das Pemetrexed enthält …“, finden keine Grundlage in den Anmeldungsunterlagen wie eingereicht. Bei dem Begriff „Pemetrexed“ in dem Wortlaut dieser Ansprüche und den entsprechenden Abschnitten der geänderten Beschreibung handelt es sich zweifellos um eine eindeutige Verbindung (CAS Registriernummer 137281-23-3) von „Q“ (CAS Registriernummer 150399-23-8), wiedergegeben in der Beschreibung der ursprünglichen Unterlaugen auf Seite 2, Zeile 6 und Seite 6, Zeile 16. Die vorgenannte Änderung geht über den Inhalt der ursprünglichen Unterlagen hinaus … .“

Der fachkundige Prüfer ist damit offensichtlich davon ausgegangen, dass es sich bei dem in den Anmeldungsunterlagen erwähnten „Q“ nicht um „Pemetrexed“ handelt. Dieser Beurteilung ist die Klägerin im Erteilungsverfahren nicht entgegengetreten. Mit Eingabe vom 08.03.2006 hat sie vielmehr geänderte, nunmehr auf die Verwendung von „Q“ gerichtete Ansprüche eingereicht, die der Prüfer akzeptiert hat.

Die Berücksichtigung des Inhalts der Erteilungsakte dient hier, worauf vorsorglich hinzuweisen ist, nicht zur Auslegung des Patentanspruchs bzw. Bestimmung des Schutzbereichs des Klagepatents; die Stellungnahme des Prüfers wird vielmehr nur als Indiz dafür angeführt, dass der Fachmann den Begriff „Q“ nicht im Sinne der Klägerin versteht. Für die Bestimmung des Schutzbereichs eines Patents kommt es grundsätzlich nicht auf Vorgänge im Erteilungsverfahren an, die der Patenterteilung vorausgegangen sind. Die Erteilungsakten des Patents bilden, weil sie in Art. 69 EPÜ nicht erwähnt und auch nicht allgemein veröffentlicht sind, kein zulässiges Auslegungsmaterial (vgl. BGHZ 150, 161 = GRUR 2002, 511, 513 f. – Kunststoffrohrteil; Senat, GRUR-RR 2014, 185, 196 – WC-Sitzgelenk; Kühnen, a.a.O., Rdnr. 57; Kühnen, GRUR 2012, 664, 668 ff.; zur Frage einer Heranziehung der veröffentlichten Patentanmeldung siehe unten). Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Inhalt der Erteilungsakte vom Verletzungsgericht nicht berücksichtigt werden darf. Der Inhalt der Erteilungsakte – vergleichbar einem technischen Fachlexikon – kann vielmehr Anhaltspunkte dafür geben, was ein bestimmter Begriff der Patentschrift besagt. Insofern können Äußerungen des Patentinhabers während des Erteilungsverfahrens ein Indiz dafür sein, wie der Fachmann das betreffende Merkmal begreift (vgl. BGH, NJW 1997, 3377, 3380 – Weichvorrichtung II; Kühnen, a.a.O., Rdnr. 60). Entsprechendes gilt für Stellungnahmen des Prüfers, insbesondere, wenn der Anmelder diesen nicht entgegentritt. Eine derartige Berücksichtigung ist bedenkenlos, weil die Erteilungsakte hier bloß die Bedeutung eines Fachbuches oder dergleichen hat, das selbstverständlich zurate gezogen werden darf, um sich Gewissheit über den möglichen technischen Bedeutungsinhalt eines Anspruchsmerkmals zu verschaffen (Kühnen, a.a.O., Rdnr. 60).

bb)
Ein weiteres Indiz für die Richtigkeit des aufgezeigten Verständnisses des Begriffs „Q“ ist im Übrigen darin zu sehen, dass die fachkundige Klägerin zunächst selbst eine wortsinngemäße Verletzung des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform nicht in Erwägung gezogen hat. Mit ihrer Klage hat sie nämlich ursprünglich nur eine äquivalente Patentverletzung geltend gemacht (vgl. Klageschrift v. 30.06.2012, Seiten 11-14 und 15). Die Klägerin hat damit zu erkennen gegeben, dass es sich bei Pemetrexeddikalium auch aus ihrer Sicht nicht um Q im Sinne des Klagepatents handelt. Damit ist aber auch sie ursprünglich davon ausgegangen, dass mit „Q“ nicht allgemein Pemetrexed bzw. sämtliche Formen von Pemetrexed gemeint sind. Dass die fachkundige Klägerin insoweit einer Fehlbeurteilung unterlegen ist, liegt – auch im Hinblick auf den Verlauf des Erteilungsverfahrens – absolut fern (vgl. hierzu auch High Court of Justice, Urteil vom 15.05.2014, Anlage B 29/29a, Rdnr. 148).

d)
Schließlich ist auch den von der Klägerin vorgelegten Privatgutachten nicht zu entnehmen, dass die Privatgutachter der Klägerin den Begriff „Q“ in dem Sinne verstehen, dass hierunter – also unter den Wortsinn des Begriffs – sämtliche Formen oder doch zumindest sämtliche pharmazeutisch verträglichen Salze von Pemetrexed fallen. Prof. Dr. H führt in seinem Gutachten (Anlage H 26, Seite 5) zwar aus, dass der Fachmann „über die im Patentanspruch bezeichnete Form von Pemetrexed“ hinweglesen würde, weil die Form, in der Pemetrexed hergestellt worden sei, für die Erfindung keine Bedeutung habe. Auch er geht damit aber davon aus, dass der erteilte Patentanspruch 1 auf die Verwendung von Pemetrexed in einer bestimmten Form (Dinatriumform) gerichtet ist (vgl. auch Gutachten Seckl, Rdnr. 5.2). Seine Erwägung, der Fachmann sehe darüber hinweg, dass der Patentanspruch auf die Verwendung von Q gerichtet ist, kann allein unter Äquivalenzgesichtspunkten von Bedeutung sein.

C.
Von der oben erläuterten Lehre des Anspruchs 1 des Klagepatents macht die angegriffene Ausführungsform keinen Gebrauch.

1.
Eine wortsinngemäße Verletzung des Klagepatents scheidet aus, weil die Beklagte zu 1. nicht den Vertrieb von Q, sondern von Pemetrexeddikalium erwägt.

2.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist Pemetrexeddikalium aber auch kein äquivalentes Mittel für das im Wortlaut des Klagepatentanspruchs 1 gelehrte Q als Antifolat zur Herstellung eines Arzneimittels.

a)
Die Grundvoraussetzungen, unter denen ein angegriffenes Erzeugnis die in einem Patent unter Schutz gestellte Lehre mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln verwirklichen kann, hat das Landgericht in seinem Urteil zutreffend zusammengefasst (Urteilsumdruck Seite 34 letzter Absatz bis Seite 35 erster Absatz); auf diese Ausführungen kann zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden (vgl. hierzu ferner Senat, GRUR-RR 2014, 185, 192 – WC-Sitzgelenk). Die genannten Regeln sind – wovon das Landgericht mit Recht ausgegangen ist – auch auf Patente anzuwenden, die eine chemische Verbindung zum Gegenstand haben. Zwar mag sich der Fachmann bei chemischen Zusammensetzungen nicht selten durch unterschiedliche Eigenschaften auch verwandter Stoffe und Verbindungen daran gehindert sehen, eine bestimmte Komponente durch eine andere zu ersetzen (vgl. Senat, Urteil vom 19.01.2012 – I-2 U 111/10, BeckRS 2012, 08127; Urteil vom 13.09.2013 – I-2 U 25/13, BeckRS 2013, 18742). Das schließt Äquivalenzüberlegungen aber nicht von vornherein aus. Vielmehr kann auch bei derartigen Patenten aus dem Bereich der Chemie oder Pharmazie eine äquivalente Benutzung zu bejahen sein; es gelten insoweit die allgemeinen Regeln.

b)
Im Streitfall liegen die Voraussetzungen patentrechtlicher Äquivalenz entgegen der Auffassung des Landgerichts und der Klägerin jedoch nicht vor.

Dahinstehen kann, ob die objektive Gleichwirkung und das Naheliegen des Austauschmittels (Pemetrexeddikalium) zu bejahen ist. Es fehlt jedenfalls an der Gleichwertigkeit.

aa)
Wie das Landgericht im Ansatz zutreffend ausgeführt hat, ist nach dem Gleichwertigkeitserfordernis notwendig, dass diejenigen Überlegungen, die der Fachmann anzustellen hat, um zu der gleichwirkenden Abwandlung zu gelangen, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sein müssen, dass der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als der gegenständlichen Lehre gleichwertige Lösung in Betracht zieht. Es ist mithin nicht ausreichend, dass der Fachmann aufgrund seines Fachwissens eine Lehre als technisch sinnvoll und gleichwirkend zu der in den Patentansprüchen formulierten Lehre erkennt. Vielmehr müssen sich seine Überlegungen am Patentanspruch orientieren. „Orientierung am Patentanspruch“ setzt voraus, dass der Patentanspruch in allen seinen Merkmalen nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Überlegungen des Fachmanns bildet (BGHZ 150, 149 = GRUR 2002, 515, 517 – Schneidmesser I; BGH, GRUR 1989, 903, 904 – Batteriekastenschnur; GRUR 1993, 886, 889 – Weichvorrichtung I; GRUR 2002, 519, 521 – Schneidmesser II; GRUR 2002, 527, 528 – Custodiol II; BGHZ 172, 298 = GRUR 2007, 1059, 1062 – Zerfallszeitmessgerät; BGHZ 189, 330 = BGH, GRUR 2011, 701, 705 – Okklusionsvorrichtung; Senat, GRUR-RR 2014, 185, 193 – WC-Sitzgelenk). Die Gleichwer¬tigkeit darf nicht nur isoliert für das abgewandelte Mittel festgestellt werden; vielmehr muss die angegrif¬fene Ausführungsform in ihrer für die Merkmalsverwirklichung relevanten Gesamtheit eine auffindbar gleichwertige Lösung darstellen (BGH, GRUR 2007, 959 – Pumpen¬einrichtung). Bei allem ist der Patentinhaber an die technische Lehre gebunden, die er unter Schutz hat stellen lassen (BGHZ 150, 161 = GRUR 2002, 511, 512 – Kunststoffrohrteil). Die vom Patent gegebene technische Lehre muss von ihm als sinnhaft hingenommen und darf bei der Suche nach einem gleichwirkenden Ersatzmittel in ihrer sachlichen Berechtigung nicht infrage gestellt werden (Senat, Urteil vom 13.09.2013 – I-2 U 23/13, BeckRS 2013, 18749). Trifft der Patentanspruch eine Auswahl¬entscheidung zwischen verschiedenen Möglichkeiten, eine technische Wirkung zu erzielen, müssen die fachmännischen Überlegungen zu möglichen Abwandlungen gerade auch mit dieser Auswahlentscheidung im Einklang stehen (BGHZ 189, 330 = GRUR 2011, 701, 705 – Okklusionsvorrichtung). Offenbart die Beschreibung mehrere Möglichkeiten, wie eine bestimmte technische Wirkung herbeigeführt werden kann, ist jedoch nur eine dieser Möglichkeiten in den Patentanspruch aufgenommen worden, begründet die Benutzung einer der übrigen Möglichkeiten regelmäßig keine Verletzung des Patents mit äquivalenten Mitteln (BGHZ 189, 330 = GRUR 2011, 701, 705 – Okklusionsvorrichtung; BGH, GRUR 2012, 45, 47 – Diglycidverbindung). Eine Ausführungsform ist aus dem Schutzbereich des Patents ausgeschlossen, wenn sie zwar offenbart oder für den Fachmann jedenfalls auffindbar ist, der Leser der Patentschrift aber annehmen muss, dass sie – aus welchen Gründen auch immer – nicht unter Schutz gestellt werden sollte (BGHZ 189, 330 = GRUR 2011, 701, 705 – Okklusionsvorrichtung; BGH, GRUR 2012, 45, 47 – Diglycidverbindung).

bb)
Unter Beachtung dieser Rechtsgrundsätze ist im Streitfall die erforderliche Gleichwertigkeit zu verneinen.

(1)
Der allgemeine Beschreibungstext behandelt sowohl in der Schilderung der Problemstellung als auch bei der Darstellung der erfindungsgemäßen Vorteile die zur Tumortherapie bekannten Antifolate „als Klasse“. Zu der Gruppe der Antifolate, wie sie im Absatz [0022] der Patentbeschreibung legaliter definiert sind, erfährt der Fachmann, dass und warum die Wirkstoffklasse der Antifolate das Tumorwachstum hemmen kann und dass und warum ihr Einsatz in der Krebstherapie wegen der Nebenwirkungsgefahren limitiert ist. In der Beschreibung heißt es hierzu:

„[0001] Potenziell lebensbedrohende Toxizität bleibt eine hauptsächliche Limitierung bei der optimalen Verabreichung von Antifolaten. …

[0002] Die Antifolate stellen eine der am besten untersuchten Klassen von antineoplastischen Mitteln dar, … . … Antifolate hemmen ein oder mehrere Folat-benötigende Schlüsselenzyme der Thymidin- und Purinbiosynthese¬wege, …, indem sie mit reduziertem Folat um die Bindung dieser Enzyme kon¬kurrieren. … Mehrere Antifolatarzneimittel sind derzeit in Entwicklung“. (Es folgen Beispiele für Antifolate, die ein oder mehrere Folat-benötigende Enzyme hemmen).

„[0003] Eine Beschränkung der Entwicklung dieser Arzneimittel ist die cyto¬toxische Aktivität, und die anschließende Wirksamkeit der Antifolate kann mit einer substantiellen Toxizität für einige Patienten assoziiert sein. Zusätzlich sind Antifolate als Klasse mit einer sporadisch schweren Mylo¬suppression mit gastrointestinaler Toxizität assoziiert, die … ein hohes Mortalitätsrisiko trägt. Die Unfähigkeit, diese Toxizität hin zu kontrollieren, führt zum Ausschluss der klinischen Entwicklung von einigen Antifolaten und hat die klinische Entwicklung von anderen verkompliziert … .“

Soweit im Zusammenhang mit der Problemschilderung einzelne spezielle Antifolate zur Sprache kommen, geschieht dies lediglich zur weiteren Veranschaulichung und Verdeutlichung beispielhaft.

In völliger Übereinstimmung mit dem Problemaufriss, der alle Antifolate gleichermaßen betrifft und einschließt, weist der allgemeine Beschreibungstext den Fach¬mann auch im Rahmen der Darstellung des Erfindungsgedankens darauf hin, dass das mit der Gabe von Antifolaten verbundene Nebenwirkungsproblem – und zwar für alle Antifolate gleichermaßen – dadurch gelöst werden kann, dass mit dem Antifolat ein Vitamin B12 in Kombination verabreicht wird. Auch die insoweit einschlägigen Beschreibungsstellen unterscheiden nicht nach einzelnen Antifo-laten, sondern schreiben die erfindungsgemäßen Vorteile der Kombinationstherapie (Reduzierung der Nebenwirkungen bei gleichzeitigem Erhalt der therapeutischen Wirkungen des Antifolats) den Antifolaten „als Klasse“ zu, wenn es dort heißt (Hervorhebungen hinzugefügt):

„[0005] Überraschenderweise und unerwarteterweise wurde nun festgestellt, dass bestimmte toxische Effekte, wie Mortalität und nicht-hämatologische Ereignisse, wie Hautausschläge und Müdigkeit, die durch Antifolate als Klasse verursacht werden, signifikant in Gegenwart eines Methylmalonsäure verringernden Mittels reduziert werden können, wie Vitamin B12, ohne die therapeutische Wirksamkeit nachteilig zu beeinflussen. Die vorliegende Erfindung betrifft daher allgemein die Verwendung zur Herstellung eines Arzneimittels zur Verbesserung der therapeutischen Brauchbarkeit von Anti¬folat¬arzneimitteln durch die Verabreichung eines Methylmalonsäure verringernden Mittels, wie Vitamin B12, an den Wirt, der einer Behandlung unterzogen wird. Es wurde festgestellt, dass erhöhte Spiegel an Methylmalon¬säure ein Vorläufer von toxischen Ereignissen bei Patienten sind, die ein Antifolatarzneimittel erhalten, und dass die Behandlung der erhöhten Methyl¬malonsäure, wie die Behandlung mit Vitamin B12, die Mortalität und die nicht-hämatologischen Ereignisse verringert, … die vorher mit den Anti¬folat¬arzneimitteln assoziiert waren. Daher betrifft die Erfindung im allgemeinen die Verwendung zur Herstellung eines Arzneimittels zur Verringerung der Toxizität, die mit der Verabreichung von Antifolat an einen Säuger assoziiert ist, durch Verabreichung einer wirksamen Menge des Antifolats in Kombination mit einem Methylmalonsäure verringernden Mittel, wie Vitamin B12, an den Säuger.

[0007] Ferner betrifft die vorliegende Erfindung allgemein die Verwendung zur Herstellung eines Arzneimittels zur Hemmung des Tumorwachstums bei Säugern durch die Verabreichung einer wirksamen Menge eines Antifolats in Kombination mit einem Methylmalonsäure verringernden Mittel an diese Säuger.“

Soweit die chemische Verbindung Q erwähnt wird, geschieht dies unter ausdrücklichem Hinweis darauf, dass es sich um eine mögliche, spezielle Ausführungsform der Erfindung handelt. Denn in der Beschreibung heißt es (Hervorhebung hinzugefügt):

„[0010] Die Erfindung liefert speziell die Verwendung des Antifolats Q zur Herstellung eines Arzneimittels zur Verwendung in der Kombinationstherapie zur Hemmung des Tumorwachstums bei Säugern, worin das Arzneimittel in Kombination mit einem Methylmalonsäure verringernden Mittel verabreicht wird, das aus Vitamin B12 und pharmazeutischen Derivaten hiervon ausgewählt ist.“

Bei sinnvollem Verständnis kann der Fachmann der Klagepatentschrift als Ganzes nur die Botschaft entnehmen, dass sich die Erfindung erfolgreich mit jedem Antifolat (im Sinne der in Absatz [0022] gegebenen Legaldefinition dieses Begriffs) durchführen lässt, weil die kombinierte Zugabe des Vitamins B12 die Nebenwirkungen ohne Verlust an therapeutischem Nutzen herabsetzt. Der Beschreibungstext belegt somit, dass die Anmelderin erkannt hat, dass die Erfindung nicht nur mit einem einzelnen, ganz bestimmten, sondern prinzipiell mit jedem beliebigen Antifolat erfolgreich umgesetzt werden kann.

In den Patentanspruch aufgenommen ist – im klaren Gegensatz zum Inhalt des allgemeinen Beschreibungstextes – dagegen lediglich eine einzige chemische Verbindung, nämlich Q. Nicht anders, als wenn das bei der angegriffenen Ausführungsform konkret verwendete Austauschmittel (Peme¬trexed¬¬dikalium) in der Patentbeschreibung als taugliche Lösungsvariante erwähnt worden wäre, benennt die Patentschrift vorliegend nicht nur ein einzelnes brauchbares Lösungsmittel außerhalb des Anspruchswortlauts, sondern unter Ver¬wendung des entsprechenden Oberbegriffs (Antifolate) eine ganze Gattung geeigneter Austauschmittel als zur Lösung des der Erfindung zugrunde liegenden Problems geeignet. Die rechtlichen Wirkungen eines solchen Beschreibungsinhalts sind selbstverständlich dieselben, weil es keinen Unterschied machen kann, ob alternative Lösungsvarianten in einer detaillierten Liste notiert oder aber unter Verwendung von übergeordneten Gattungsbegriffen gleichsam gesammelt benannt werden. In Bezug auf die letztgenannte Variante ist eine Einschränkung lediglich insofern angebracht, als vom Äquivalenzschutz grundsätzlich nur diejenigen Austauschmittel der Gattung ausgenommen sind, die am Prioritätstag des Klagepatents bereits bekannt waren. Auf Pemetrexeddikalium trifft dies zu, weil es nach den zutreffenden Feststellungen des Landgerichts aus der EP 0 432 AAC grundsätzlich bekannt war, dass der Wirkstoff Pemetrexed auch in der Form eines Kaliumsalzes einsetzbar ist (Anlage HL 29a, Seite 3, Zeilen 12-26) und dass auch ein solches Salz von Pemetrexed zur Herstellung eines Arzneimittels verwendet werden kann (vgl. Anlage HL 29a, Seite 2, Zeilen 8-17; Seite 14, Zeilen 10-30; Unteransprüche 14 und 16).

(2)
Die Diskrepanz zwischen dem Beschreibungstext (der die erfindungsgemäßen Vorteile einer Kombinationstherapie mit Vitamin B12 für jedes Antifolat beschreibt) und dem Patentanspruch 1, der ausschließlich auf die Verwendung des speziellen Antifolats Q gerichtet ist, spiegelt den Gang des Erteilungsverfahrens (vgl. oben unter B. 2. c) wieder, in dem die Klägerin zunächst versucht hatte, einen Patentschutz für jedwedes Antifolat zu erhalten, ihr Patentbegehren, nachdem ihr dies vom Prüfer versagt worden ist, allgemein auf Pemetrexed und damit auf jede Form des Antifolats Pemetrexed reduziert hat, und schließlich, nachdem der Prüfer auch eine dahingehende eingeschränkte Patenterteilung verweigert hat, nur noch ein Patent für Q beansprucht hat. Es kommt hierbei im Streitfall nicht darauf an, ob es der Grundsatz, dass nicht auf Vorgänge im Erteilungsverfahren zurückgegriffen werden darf, die im Patent keinen Niederschlag gefunden haben, auch verbietet, auf die amtlich veröffentlichte Patentanmeldung zurückzugreifen (vgl. hierzu BGHZ 189, 330 = GRUR 2011, 701, 704 – Okklusionsvorrichtung; BGH, GRUR 2010, 602 – Gelenkanordnung; BGHZ 194, 107 = GRUR 2012, 1125, 1126 – Polymerschaum). Denn die Klagepatentschrift liefert hier für sich allein einen hinreichenden Beleg für den dargestellten Gang des Erteilungsverfahrens. Für jeden verständigen Leser lässt sich der offensichtliche Bruch zwischen dem weit gefasstem Beschreibungstext und dem engem Anspruchswortlaut nur dadurch vernünftig erklären, dass der Anmelder den Gegenstand des Patentschutzes im Laufe des Prüfungsverfahrens entsprechend eingeschränkt hat.

Es geht indessen nicht an, Schutzgegenstände, die der Anmelder im Prüfungsverfahren bewusst fallen gelassen hat, nachträglich im Verletzungsprozess wieder in den Patentschutz einzubeziehen. In einem solchen Fall kann nichts anderes gelten als im Falle einer im Einspruchsverfahren vorgenommenen Beschränkung des erteilten Patents (vgl. dazu Senat, Urteil vom 13.09.2013 – I-2 U 23/13, BeckRS 2013, 18740). Weil das Verletzungsgericht an den Erteilungsakt gebunden ist, darf auch eine im Erteilungsverfahren erfolgte Einschränkung, die sich aus der Patentschrift ergibt, durch Schutzbereichserwägungen nicht wieder rückgängig gemacht werden. Wird im Erteilungsverfahren ein Oberbegriff (hier: Antifolate) auf ein einzelnes Mitglied der Gattung (hier: Q) zurückgeführt, so liegt auch hierin eine Beschränkung, die ebenso wie eine entsprechende nachträgliche Beschränkung des erteilten Patents vom Verletzungsgericht bei seiner Schutzbereichsbestimmung zu beachten ist, sofern sie sich aus der Patentschrift ergibt. Dies kann grundsätzlich – wie im Falle einer nachträglichen Beschränkung des erteilten Patents – nur in der Weise geschehen, dass jede Auslegung der Anspruchsmerkmale und jede anderweitige Schutzbereichsbestimmung unterbleibt, die dazu führt, dass das Patent auf solche Lösungsvarianten erstreckt wird, die im Erteilungsverfahren aus dem Patentanspruch gestrichen worden sind.

Dabei kommt es – nicht anders als im Falle einer im Einspruchsverfahren vorgenommenen Beschränkung des Patentanspruchs (Senat, Urteil vom 13.09.2013 –
I-2 U 23/13) – nicht darauf an, aus welchem Grund ein ursprünglich weitgefasster Patentbegehren eingeschränkt worden ist; vielmehr ist bei der Schutzbereichsbestimmung dem Umstand der Beschränkung an sich Rechnung zu tragen. Weil die Beschränkung und deren Umfang als solche den Ausschlag geben, dürfen alle diejenigen Ausführungsformen nicht in den Schutzbereich des Patents einbezogen werden, die im Erteilungsverfahren – aus welchen Gründen auch immer – auf der Strecke geblieben sind. Dass dem so sein muss, folgt bereits aus dem Umstand, dass die Patentschrift regelmäßig keinen Aufschluss über die Gründe für die im Erteilungsverfahren erfolgte Beschränkung gibt und der Rechtsverkehr, der die Weite des Patentschutzes aus Gründen der Rechtssicherheit verlässlich beurteilen können muss, deswegen mit der schlichten Tatsache konfrontiert ist, dass das zunächst weitergehende Merkmal ausweislich des Inhalts der Patentschrift im Erteilungsverfahren offensichtlich auf eine einzige Variante zurückgeführt worden ist. Diesem sich aus der Patentschrift ergebenden Tatbestand darf berechtigterweise entnommen werden, dass alle übrigen, ursprünglich ebenfalls beanspruchten, aber aus dem ursprünglich angemeldeten Patentanspruch gestrichenen Ausführungsvarianten eben keinen Patentschutz mehr genießen sollen. Insoweit geht es nicht nur um den durch den Wortsinn umrissenen Schutzbereich des Patents, sondern um den Schutz des Wettbewerbs vor jedweder Inanspruchnahme aus dem Patent. Dieses darf deshalb auch unter Äquivalenzgesichtspunkten nicht auf etwas ausgedehnt werden, was im Erteilungsverfahren als nicht gewährbar nicht erteilt worden ist (im Ergebnis ebenso High Court of Justice, Urteil vom 15.05.2014, Anlage B 29/29a, vgl. insb. Rdnr. 148-149 sowie Rdnr. 104, 107, 111 bis 112), sofern sich dies – wie hier – aus der Patentschrift ergibt.

(3)
Jede andere Handhabung würde den Gesichtspunkt der Rechtssicherheit in unverantwortlicher Weise zurücktreten lassen (vgl. hierzu auch High Court of Justice, Urteil vom 15.05.2014, Anlage B29/29a, Rdnr. 149).

Das Gebot der Rechtssicherheit steht gleichgewichtig neben dem Gesichtspunkt eines angemessenen Schutzes der erfinderischen Leistung. Der Bundesgerichtshof leitet daraus in ständiger Rechtsprechung ab, dass der durch Auslegung zu ermittelnde Sinngehalt der Patentansprüche nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs bildet; diese hat sich an den Patentansprüchen auszurichten (BGHZ 106, 84 = GRUR 1989, 205 – Schwermetalloxidationskatalysator; BGHZ 150, 149 = GRUR 2002, 515 – Schneidmesser I; BGH, GRUR 1989, 903, 904 – Batteriekastenschnur; GRUR 1993, 886, 889 – Weichvorrichtung I; GRUR 2002, 519, 521 – Schneidmesser II; GRUR 2002, 527, 528 – Custodiol II; BGHZ 172, 298 = GRUR 2007, 1059, 1062 – Zerfallszeitmessgerät; BGHZ 189, 330 = GRUR 2011, 701, 705 – Okklusionsvorrichtung). Mit dem Gebot der Rechtssicherheit soll erreicht werden, dass der Schutzbereich eines Patentes für Außenstehende hinreichend sicher vorhersehbar ist; sie sollen sich darauf verlassen können, dass der im Patent unter Schutz gestellte Gegenstand mit den Merkmalen des Patentanspruches vollständig umschrieben ist (BGH, GRUR 1992, 594, 596 – Mechanische Betätigungsvorrichtung; GRUR 1992, 305, 307 – Heliumeinspeisung). Der Anmelder hat dafür zu sorgen, dass in den Patentansprüchen alles niedergelegt ist, wofür er Schutz begehrt (BGHZ 100, 249 = BGH, GRUR 1987, 626, 628 – Rundfunkübertragungssystem; BGH, GRUR 1989, 903, 905 – Batteriekastenschnur; GRUR 1992, 594, 596 – mechanische Betätigungsvorrichtung; BGHZ 150, 161 = GRUR 2002, 511, 512 – Kunststoffrohrteil; GRUR 2002, 519, 522 – Schneidmesser II; GRUR 2002, 527, 528 f. – Custodiol II); die Leser der Patentschrift müssen sich darauf verlassen können, dass das, was im Patent unter Schutz gestellt ist, im Patentanspruch hinreichend deutlich bezeichnet ist (BGH, GRUR 1987, 626, 628 – Rundfunkübertragungssystem). Unterlässt es der Anmelder, in den Patentansprüchen alles niederzulegen, wofür er Schutz begehrt, muss er sich mit einem entsprechend engeren Schutzbereich zufrieden geben. Er ist an die technische Lehre gebunden, die er unter Schutz hat stellen lassen (Senat, Urteil vom 21.03.2013 – I- 2 U 73/09, BeckRS 2013, 12504).

Das gilt auch und gerade im Streitfall. Die Verletzungsargumentation der Klägerin läuft nämlich darauf hinaus, den Wettbewerbern die Aufgabe und das Risiko zuzuschieben, den Schutzbereich des Klagepatents zutreffend zu umreißen, was der Klägerin selbst im Rahmen des Erteilungsverfahrens trotz vollständiger Kenntnis von der Reichweite ihrer Erfindung nicht gelungen ist. Die Verantwortung dafür, eine Patentanspruch zu formulieren, der den Schutzgegenstand zutreffend erfasst, liegt jedoch beim Anmelder, während sich jeder Dritte darauf verlassen kann, dass unter den Schutz des Patents nur dasjenige fällt, was vom Anmelder in den Patentanspruch aufgenommen worden ist. Wenn es die Klägerin nicht vermocht hat, ihr Patentbegehren auf jede Form des Antifolats Pemetrexed zu richten, und stattdessen lediglich eine einzige, ganz bestimmte Salzform in den Patentanspruch aufgenommen hat, so ist es nicht Sache des Konkurrenten, sich Gedanken darüber zu machen, ob und welche anderen Formen des betreffenden Antifolats sonst noch vom Patentschutz erfasst sein könnten. Die Klägerin, die ausweislich des allgemeinen Beschreibungstextes die Tauglichkeit jedes Antifolaten und damit auch jeder Form von Pemetrexed gesehen und erfasst hat, muss sich vielmehr daran festhalten lassen, dass jeder Dritte in seinem Vertrauen darauf geschützt wird, dass der Schutzbereich des Patents mit demjenigen, was Inhalt des Patentanspruchs geworden ist, abgesteckt ist.

(4)
Das gefundene Ergebnis ist für die Klägerin keineswegs unbillig. Sie hat – worauf auch der High Court of Justice in seiner Entscheidung vom 15.05.2014 (Anlage 29/29a, Rdnr. 149) hingewiesen hat – den Patentanspruch bewusst auf Q eingeschränkt. Trotz der für sie negativen Bescheide des Prüfers hätte sie weiterhin um die Erteilung breiter gefasster Ansprüche nachsuchen können, wenn sie nach ihrer Meinung dazu berechtigt war. Zumindest hätte sie aber, wenn sie die Beurteilung des Prüfers akzeptierte, auf eine Anpassung oder Streichung der nicht mehr zu den erteilten Patentansprüchen passenden allgemeinen Beschreibung bestehen können.

(5)
Die gegenteilige Beurteilung des Landgerichts ist aus den vorstehenden Gründen nicht haltbar. Sie berücksichtigt nicht, dass die Klagepatentschrift als Ganzes dem Fachmann vermittelt, dass sich die Anmelderin bewusst für die Verwendung von Q entschieden hat, obwohl sie ausweislich der Patentbeschreibung erkannt hat, dass die Erfindung nicht nur mit einem einzelnen, ganz bestimmten, sondern prinzipiell mit jedem Antifolat erfolgreich umgesetzt werden kann.

Entgegen der Auffassung der Klägerin meint die Klagepatentschrift, wenn sie von „Antifolaten als „Klasse“ spricht, keineswegs nur verschiedene Antifolate, sondern alle pharmazeutisch verträglichen Erscheinungsformen jedes Antifolats. Q grenzt sich insoweit nicht nur als Antifolat von anderen Antifolaten ab, wobei die Dinatriumform nur deshalb gewählt wurde, weil dieses das bereits erprobte kommerzielle Produkt mit eben dieser Darreichungsform war. Wenn die Patentschrift von „Antifolaten als Klasse“ spricht, sind damit vielmehr alle Formen der Antifolate gemeint. Denn die Klagepatentschrift differenziert, soweit sie Antifolate als Klasse anspricht, nicht nach bestimmten Darreichungs- bzw. Erscheinungsformen. Mit „Q“ benennt sie in ihrer einleitenden Beschreibung (Abs. [0002]) gerade eine bestimmte Form von Pemetrexed als ein Beispiel für ein „Antifolat“ bzw. „Antifolatarzneimittel“. Außerdem entnimmt der Fachmann den Erläuterungen in Absatz [0005] der Patentbeschreibung, dass es um die „therapeutische Wirksamkeit“ des jeweiligen Antifolats geht, was selbstverständlich eine verträgliche Darreichungsform verlangt. Wenn die Klagepatentschrift von Antifolaten als Klasse spricht, ist dem Fachmann deshalb klar, dass hiermit jeweils auch die pharmazeutisch verträglichen Erscheinungsformen der Antifolate angesprochen sind.

Auch wenn die Patentschrift dem Fachmann keine Erklärung dafür gibt, dass und warum die erfindungsgemäß angestrebten Wirkungen den Einsatz gerade von Q bedingen und andere Antifolate einschließlich anderer Formen von Pemetrexed, die die gleiche tumorhemmende Wirkung haben und deren Toxizität durch die zusätzliche Verabreichung von Vitamin B12 ebenfalls ohne nachteilige Beeinflussung ihrer therapeutischen Wirkung reduziert werden kann, dennoch nicht zur Anwendung im Rahmen der Erfindung in Betracht kommen und ihm eine wirklich zwingende Erklärung auch nicht selbst in den Sinn kommen mag, ändert das nichts daran, dass Anspruch 1 des Klagepatents aus der Klasse von Antifolaten Q ausgewählt und sich darauf festgelegt hat. Diese ausweislich der Anspruchsfassung und der Patentbeschreibung (Abs. [0022]) ganz bewusst vorgenommene Auswahl muss der Fachmann in dem Sinne verstehen, dass das Klagepatent andere Antifolate – warum auch immer – gerade nicht einsetzen will. Wird die im Patentanspruch 1 gegebene Lehre zum technischen Handeln ernst genommen, so gibt es deshalb keinen gleichwertigen Weg dahin, das in Anspruch 1 gelehrte Q durch Pemetrexeddikalium zu substituieren.

Soweit das Landgericht davon ausgegangen sein sollte, dass eine zur Verneinung der Gleichwertigkeit führende „Auswahlentscheidung“ nur dann vorliegen kann, wenn das bei der angegriffenen Ausführungsform konkret verwendete Austauschmittel in der Patentbeschreibung als taugliche Alternative zu dem im Patentanspruch genannten Lösungsmittel offenbart ist, kann dem nicht gefolgt werden. Wie bereits ausgeführt, kann nichts anderes gelten, wenn die Patentschrift nicht nur ein einzelnes brauchbares Lösungsmittel außerhalb des Anspruchswortlauts, sondern unter Ver¬wendung eines entsprechenden Oberbegriffs (hier: Antifolate im Sinne von Abs. [0022]) eine ganze Gattung geeigneter Austauschmittel als zur Lösung des der Erfindung zugrunde liegenden Problems geeignet benennt. Denn es kann für die patentrechtliche Beurteilung keinen Unterschied machen, ob alternative Lösungsvarianten in einer detaillierten Liste notiert oder aber unter Verwendung von übergeordneten Gattungsbegriffen gleichsam gesammelt benannt werden. Ohne Erfolg wendet die Klägerin in diesem Zusammenhang ein, dass der Begriff „Antifolat“ eine bestimmte Eigenschaft und nicht eine bestimmte chemische Struktur bezeichne, weshalb die „Klasse“ der Antifolate insofern nicht fest abgrenzbar sei. Gleichwohl hätte hier durchaus auch eine Liste der in Betracht kommenden Antifolate erstellt werden können, nämlich eine Liste mit den im Stand der Technik bekannten Antifolaten, die die in Absatz [0022] der Klagepatentschrift beschriebene Eigenschaft erfüllen, und zwar in allen ihren pharmazeutisch verträglichen Erscheinungsformen.

Auch der Bundesgerichtshof geht im Übrigen nicht davon aus, dass eine den Schutzbereich des Patents beschränkende „Auswahlentscheidung“ nur dann vorliegen kann, wenn das bei der angegriffenen Ausführungsform konkret verwendete Austauschmittel in der Patentbeschreibung (unmittelbar und eindeutig) offenbart ist. Vielmehr kann nach seiner Rechtsprechung eine Ausführungsform aus dem Schutzbereich des Patents auch dann ausgeschlossen sein, wenn sie für den Fachmann (bloß) „auffindbar“ ist, der Leser der Patentschrift aber annehmen muss, dass sie – aus welchen Gründen auch immer – nicht unter Schutz gestellt werden sollte (BGHZ 189, 330 = GRUR 2011, 701, 705 – Okklusionsvorrichtung; GRUR 2012, 45, 47 – Diglycidverbindung). So liegen die Dinge hier.

(6)
Damit fehlt es im Streitfall an der erforderlichen Gleichwertigkeit. Soweit die Privatgutachter der Klägerin demgegenüber zu dem Ergebnis gelangen, der Fachmann sehe Pemetrexeddikalium als „gleichwertig“ zu Q an (vgl. Gutachten, Seite 6 Rdnr. 25; Gutachten H, Seite 7; Gutachten, Seite 6), gibt dies zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlass. Zum einen handelt es sich bei der Gleichwertigkeit des abweichenden Mittels um eine Rechtsfrage (BGHZ 189, 330 = GRUR 2011, 701, 704 – Okklusionsvorrichtung), die vom angerufenen Gericht eigenständig geprüft und entschieden werden muss. Zum anderen haben sich die Privatgutachter der Klägerin bei der Beantwortung der an sie gerichteten Frage nicht mit den Kriterien patentrechtlicher Gleichwertigkeit auseinandergesetzt.

c)
Nach alle dem macht die Beklagte zu 1. mit der angegriffenen Ausführungsform von dem deutschen Teil des Klagepatents weder unmittelbar wortsinngemäß noch unmittelbar äquivalent Gebrauch. Der High Court of Justice (Urteil vom 15.05.2014, Anlage B 29/29a) hat dies in Bezug auf den englischen, den französischen, den italienischen und den spanischen Teil des Klagepatents genauso gesehen.

3.
Mit dem von ihr erwogenen Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform verletzt die Beklagte zu 1. das Klagepatent auch nicht mittelbar (Art. 64 EPÜ i.V. mit §§ 10, 9 Nr. 1 PatG).

Nach § 10 PatG ist es jedem Dritten verboten, ohne Zustimmung des Patentinhabers in der Bundesrepublik Deutschland anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder wenn es aufgrund der Umstände offensichtlich ist, dass diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Der Tatbestand der mittelbaren Patentverletzung setzt voraus, dass es sich bei dem Mittel um ein solches handelt, das geeignet ist, zur Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Das Mittel muss so ausgebildet sein, dass eine unmittelbare Benutzung der geschützten Lehre mit allen ihren Merkmalen durch die Abnehmer möglich ist (BGH, GRUR 2007, 773, 775 – Rohrschweißverfahren m. w. Nachw.). Das ist hier nicht der Fall.

Zwar wird die angegriffene Ausführungsform – ebenso wie das Arzneimittel „F“ der Klägerin – durch Infusion verabreicht. Hierzu wird aus dem pulverförmige Pemetrexeddikalium mittels einer Lösung zunächst eine Infusionslösung hergestellt. Bei der Herstellung der Infusionslösung dissoziieren die Pemetrexedsalze, d.h. die Ionen des Salzes trennen sich voneinander. In der Infusionslösung liegen dann neben den in der Lösung enthaltenen Ionen (im Falle einer üblichen Kochsalzlösung: Natrium-Ionen und Chlor-Ionen) Pemetrexed-Ionen und Kalium-Ionen vor. Es wird somit eine Lösung, die Pemetrexed-Ionen enthält, infundiert. Nach Infusion vermischen sich die Ionen der Infusionslösung im Blutkreislauf mit den dort vorhandenen Ionen. Nur die Pemetrexed-Anionen gelangen über die sog. Folat-Transporter durch die Zellmembranen in die Zellen, wo sie polyglutamiert werden. In dieser Form erfolgt die Inhibierung der Enzyme. Das ändert aber nichts daran, dass Patentanspruch 1 – wie ausgeführt – die Verwendung von Q zur Herstellung eines Arzneimittels voraussetzt. Die Beklagte zu 1. erwägt hingegen, Pemetrexeddikalium zu vertreiben, das sodann von ihren Abnehmern zur Herstellung einer Infusionslösung verwendet werden soll. Q wird somit weder von der Beklagten zu 1. noch von ihren Abnehmern zu irgendeinem Zeitpunkt zur Herstellung eines Arzneimittels verwendet, so dass auch eine mittelbare Patentverletzung ausscheidet (ebenso High Court of Justice, Urteil vom 15.05.2014, Anlage B 29/29a, Rdnr. 190 ff. (201)).

D.
Entsprechend dem Ergebnis des Berufungsverfahrens hat die Klägerin als unterlegene Partei nach §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO insgesamt die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu tragen.

Es bestand keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, weil die hierfür in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen ersichtlich nicht vorliegen. Als Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO noch erfordern die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.