2 U 63/14 – Sommergerste (4) (Sortenschutz)

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 2374

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 12. Februar 2015, Az. 2 U 63/14

Vorinstanz: 4b O 94/13

I. Auf die Berufung wird das am 2. September 2014 verkündete Urteil der 4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf einschließlich des dem Urteil zugrunde liegenden Verfahrens aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Berufungsverfahrens – an das Landgericht zurückverwiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

III. Streitwert und Beschwer der Parteien: 7.500,- €.

GRÜNDE

I.

Von einer Darstellung des Sachverhaltes wird gemäß § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen, weil die Berufung nicht zugelassen wird (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und die für eine Nichtzulassungsbeschwerde notwendige Beschwer von mehr als 20.000,- € (§ 544 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO) nicht gegeben ist, so dass das vorliegende Urteil mit seiner Verkündung unanfechtbar ist.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache (vorläufigen) Erfolg.

Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben, weil das Landgericht seine richterliche Aufklärungspflicht (§ 139 ZPO) verletzt hat und die Zurückverweisung Gelegenheit gibt, die gebotene umfangreiche Aufklärung nachzuholen.

1.
Die Klage ist allerdings zulässig.

Die Klägerin kann die Rechte der B GmbH in gewillkürter Prozessstandschaft (soweit der Unterlassungsanspruch in Rede steht) bzw. aus behauptetem abgetretenen Recht (soweit es um Ansprüche auf Auskunft und Schadenersatz geht) geltend machen.

Mit Erklärung vom 10.08.2007 (Anlage K 1) ist die Klägerin von der B GmbH wirksam zur Geltendmachung ihrer Ansprüche als angeblich ausschließliche Lizenznehmerin an der Klagesorte C ermächtigt worden. Die erteilte Ermächtigung bezieht sich auf sämtliche Rechte und Ansprüche, die der B GmbH in Bezug auf die Vermehrung, den Vertrieb sowie die Aufbereitung der Klagesorte zustehen, und umfasst, wie sich aus Ziffer 2 der Ermächtigungserklärung ergibt, die Befugnis, Auskunfts-, Rechnungslegungs- sowie Schadenersatz- und Unterlassungsansprüche geltend zu machen. Die Ermächtigung ist, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, von einem vertretungsberechtigten Geschäftsführer unterzeichnet worden. Die Klägerin hat insoweit durch den Handelsregisterauszug des Amtsgerichts Kleve (Anlage K 14) nachgewiesen, dass D, der die Ermächtigungserklärung für die B GmbH unterzeichnet hat, seit dem 25.10.2002 deren einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer war. Dass die Vertretungsberechtigung am 15.09.2008 noch fortbestand, als eine Sitzverlegung der B GmbH nach E erfolgte, lässt sich dem als Anlage K 8 vorgelegten Handelsregisterauszug des Amtsgerichts Lemgo entnehmen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Geschäftsführerstellung von D zwischenzeitlich vorübergehend erloschen gewesen ist und am 10.08.2007 (bei Abgabe der fraglichen Ermächtigungserklärung) nicht mehr gegeben war.

Der Sache nach beinhaltet die Ermächtigungserklärung in Bezug auf den als solchen nicht abtretbaren Unterlassungsanspruch die Befugnis zur klageweisen Durchsetzung im eignen Namen. Die Klägerin hat auch das für eine gewillkürte Prozessstandschaft erforderliche wirtschaftliche Interesse an der Verfolgung des Anspruchs, da die B GmbH Gesellschafterin der Klägerin ist, so dass die Klägerin im Rechtsstreit Ansprüche ihrer Gesellschafterin geltend macht (BGH, GRUR 2004, 763, 764 – Nachbauvergütung). Ihre Stellung als Gesellschafterin der Klägerin hat die B GmbH durch die in den Anlagen K 2 und K 9 vorgelegten Gesellschafterlisten nachgewiesen. Die Ansprüche auf Auskunft und Schadenersatz sind isoliert abtretbar, weswegen für sie die Rechtsfigur der gewillkürten Prozessstandschaft nicht zur Verfügung steht. Bei sinngemäßem Verständnis ist die Ermächtigung zur Rechtsverfolgung daher als Abtretungserklärung aufzufassen, welche von der Klägerin spätestens mit der Klageerhebung angenommen hat.

2.
Die Auffassung des Landgerichts, das Klagebegehren sei unbegründet, beruht jedoch auf einem wesentlichen Verfahrensmangel.

a)
Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Klägerin Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz gemäß Art. 94 Abs. 1, 2 der Verordnung (EG) 2100/94 nur zustehen können, wenn der B GmbH, von der die Klägerin ihre Klageberechtigung und Aktivlegitimation ableitet, seitens der B Ltd. als Sortenschutzinhaberin und Lizenzgeberin rechtswirksam eine ausschließliche Lizenz an der Sorte C eingeräumt worden ist. Wie das Landgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat, steht es dabei nach allgemeinen Grundsätzen zur Darlegungslast der Klägerin als Anspruchstellerin, denjenigen Sachvortrag zu halten, der bei Anwendung des einschlägigen Rechts ergibt, dass F berechtigt war, die B Ltd. bei Vergabe der Lizenz im Rechtsverkehr allein zu vertreten. Die Annahme des Landgerichts, die Klägerin habe ihrer Vortragslast nicht genügt, ist jedoch verfahrensfehlerhaft zu Stande gekommen, weil das Landgericht seiner Hinweispflicht aus § 139 ZPO nicht hinreichend nachgekommen ist.

aa)
F hatte bei Unterzeichnung der Lizenzvereinbarung gemäß Anlage K 4 am 18.03./25.03.2008 die Stellung eines additional director der B Ltd. inne. Dies ergibt sich aus dem als Anlage K 15 vorgelegten Protokoll einer Gesellschafterversammlung der B Ltd. vom 27. Juni 2003, ausweislich dem F zu diesem Zeitpunkt bei der B Ltd. zum additional director ernannt worden ist. Weiter ergibt sich aus der als Anlage K 16 vorgelegten Jahreserklärung, dass er die besagte Position auch im Jahr 2008 innehatte. Es existieren keine Anhaltspunkte dafür, dass F im März 2008 vorübergehend nicht die Stellung eines additional director bekleidet hätte.

bb)
Die organschaftliche Vertretungsmacht einer englischen Ltd. richtet nach dem Gesellschaftsstatut, so dass vorliegend englisches Gesellschaftsrecht anzuwenden ist.

Gemäß § 293 ZPO ermittelt der Tatrichter das einschlägige ausländische Recht, wobei die Art und Weise der Ermittlung im Ermessen des Gerichts liegt. Die Grenzen der Ermessensausübung werden durch die jeweiligen Umstände des Einzelfalls gezogen. An die Ermittlungspflicht sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je komplexer das anzuwendende Recht ist. Von Einfluss auf das Ermittlungsermessen ist dabei auch der Parteivortrag. Haben die Parteien zu den Erkenntnisquellen einer ausländischen Rechtsordnung unschwer Zugang, wird man von ihnen in der Regel erwarten können, dass sie das ausländische Recht konkret darstellen (BGH, NJW 1992, 2026, 2029).

Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Umfang der Vertretungsmacht des einzelnen directors innerhalb eines board of directors gesetzlich nicht festgelegt sei. In erster Linie regele deshalb die Satzung („articles of association“) der Ltd. die Ausgestaltung der Vertretungsmacht. Diese bestimme auch, ob mehrere directors einzeln oder gemeinschaftlich zur Vertretung berechtigt sind. Hat die Ltd. mehrere directors, so bildeten sie gemeinsam das board of directors. Die articles könnten dem einzelnen director eine generelle Einzelvertretungsbefugnis einräumen. Möglich sei aber auch die Erteilung von Vertretungsmacht an einen einzelnen director durch Einzelbeschluss der Gesellschaft. Fehle es an einer solchen Regelung in den articles und werde dem director die Einzelvertretungsmacht auch nicht durch Einzelbeschluss eingeräumt, so würden die directors gemeinsam vertreten. Damit einem einzelnen director Einzelvertretungsmacht zukomme, er also als agent der Gesellschaft tätig werden könne, bedürfe es mithin einer entsprechenden Erklärung der vertretenen Gesellschaft. Diese Ausführungen werden gestützt durch folgende Literauturstellen: Gower/Davies, Principles of Modern Company Law, 9th ed. 2012, S. 163, 165 f., 177, 181; Eidenmüller/Rehm, Ausländische Kapitalgesellschaften, 2004, § 10 Rn. 57.

cc)
Gemessen an diesen vom Landgericht zu Grunde gelegten Anforderungen hat die Klägerin in der ersten Instanz nicht dargetan, dass F zum Zeitpunkt der Lizenzvertragsunterzeichnung alleinvertretungsberechtigt für die B Ltd. war. Da die Einzelheiten der gesellschaftsrechtlichen Organisation bei der B Ltd. nicht den Bereich eigener Wahrnehmungen der Beklagten betreffen, war ihnen ein Bestreiten mit Nichtwissen gestattet (§ 138 Abs. 4 ZPO). Weil dem so ist und weil die Stellung als director keine hinreichende Bedingung für das Bestehen einer Alleinvertretungsmacht darstellt, hätte die Klägerin, um einen schlüssigen Vortrag zu halten, zu den näheren Umständen (Satzungsinhalt, Beschlussfassung der Gesellschaft) vortragen müssen, aus denen die Einzelvertretungsmacht von F hätte abgeleitet werden können. Mit der Berufungsbegründung hat die Klägerin entsprechende Unterlagen vorgelegt, nämlich einen Auszug aus ihrer Satzung (Anlage BK 3) sowie das Protokoll über eine Sitzung des board of directors vom 14.10.2005 (Anlage BK 4), die den Anforderungen der landgerichtlichen Entscheidung genügen können.

dd)
Dass die Klägerin sich nicht schon im erstinstanzlichen Verfahren auf die betreffenden Unterlagen bezogen hat, findet ausweislich des Akteninhalts seinen Grund darin, dass die Klägerin über die vom Landgericht seiner Entscheidung zu Grunde gelegte ausländische Rechtslage im Unklaren war. Tatsächlich sind die vom Landgericht in seinen Entscheidungsgründen abgehandelten Vertretungsgrundsätze und Literaturstellen vorher zwischen den Parteien nicht diskutiert worden. Mit Beschluss vom 08.07.2014 hat das Landgericht zwar – unter anderem – darauf hingewiesen, dass die Vertretungsmacht der die Lizenzvereinbarung unterzeichnenden Personen zur Beweislast der Klägerin stehe und der bisherige Zeugenbeweis mangels substantiierten Tatsachenvortrages unzureichend sei. Ohne dies ausdrücklich zu sagen, war damit möglicherweise das Erfordernis einer Satzungsbestimmung bzw. eines Gesellschafterbeschlusses gemeint, die einem einzelnen director Alleinvertretungsmacht verschaffen können. Wie der im Anschluss gehaltene Sachvortrag beider Parteien belegt, ist der in dieser Hinsicht pauschal gehaltene Hinweis des Landgerichts jedoch nicht verstanden worden, was es – allemal, nachdem es sich um beiden Parteien im Zweifel nicht geläufiges ausländisches Recht handelte – erforderlich gemacht hätte, dass das Landgericht entweder konkret die Notwendigkeit einer Satzungsregelung bzw. eines Gesellschafterbeschlusses angesprochen oder auf die von ihm in diesem Sinne verwertete Literatur hingewiesen hätte, damit die Parteien die Möglichkeit erhalten abzusehen, aufgrund welcher Rechtslage das Landgericht welchen Sachvortrag vermisst. Dass im Verhandlungstermin vom 31.07.2014 weitergehende Hinweise solchen Inhalts erteilt worden sind, ergeben weder die Sitzungsniederschrift noch das angefochtene Urteil. In Letzterem (Umdruck Seite 10) ist lediglich davon die Rede, dass in der mündlichen Verhandlung ein erneuter Hinweis an die Klägerin ergangen sei, was nicht deutlich macht, ob der Hinweis sachlich über den vorhergehenden unzureichenden schriftlichen Hinweis hinausgegangen ist.

Hätte das Landgericht die Parteien nicht im Unklaren darüber gelassen, aufgrund welcher Rechtslage es die Wirksamkeit der Lizenzvereinbarung zu beurteilen gedenkt, hätte die Klägerin die jetzt präsentierten Auszüge aus ihrer Satzung und das erwähnte Sitzungsprotokoll bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorlegen können.

b)
Die vom Landgericht unterlassenen Hinweise stellen einen wesentlichen Verfahrensfehler dar, der die Aufhebung des angefochtenen Urteils und des ihm zu Grunde liegenden Verfahrens sowie die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht gebieten (§ 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die Klägerin hat den hierzu notwendigen Antrag gestellt; die erforderliche Sachaufklärung ist auch komplex und umfangreich. Ob die Anlagen BK 3 und BK 4 für ein Alleinvertretungsrecht genügen, wird sich voraussichtlich nur durch Einholung eines Rechtsgutachtens klären lassen, was gegebenenfalls eine mündliche Anhörung des Sachverständigen einschließen kann. Für den Fall, dass danach von der Wirksamkeit der Lizenzerteilung auszugehen sein sollte, wird das Landgericht die weiteren zwischen den Parteien streitigen Punkte (Passivlegitimation einzelner Beklagter, Verjährung) zu entscheiden haben. Es erscheint dem Senat nicht angemessen, den Beklagten dadurch, dass er selbst die Sache im Berufungsrechtszug weiterbehandelt, insoweit eine Instanz zu nehmen.

III.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, mit der der Bundesgerichtshof auch nicht im Interesse einer Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung befasst werden muss (§ 543 Abs. 2 ZPO).