2 U 105/10 – Vakuumsauger

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  1828

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 8. März 2012, Az. I- 2 U 105/10

Vorinstanz: 4a O 175/09

I.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 27.07.2010 abgeändert und die Klage abgewiesen.

II.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten wegen ihrer Kosten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.

V.
Streitwert für die Berufungsinstanz: 100.000,- €

Gründe

I.

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des in deutscher Verfahrenssprache veröffentlichten europäischen Patents 1 457 XXX (Anlage HR 1; Klagepatent), das einen Vakuumsauger betrifft und in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft steht. Es nimmt eine deutsche Priorität vom 12.03.2003 in Anspruch und wurde am 06.02.2004 angemeldet. Der Hinweis auf seine Erteilung wurde am 07.05.2005 veröffentlicht.

Die vorliegend allein streitgegenständlichen Ansprüche 1 und 2 des Klagepatents lauten:

1. Vakuumsauger zur Befestigung von Gegenständen an glatten Flächen mit einem einen Hohlraum (3) aufweisenden Gehäuse (1) und einem den Hohlraum (3) begrenzenden plattenförmigen Saugfuß (2), welcher ein Betätigungselement (4) aufweist, mittels welchem der Saugfuß (2) in den Hohlraum (3) hinein gewölbt werden kann, wobei das Gehäuse (1) eine Hülse (5) aufweist zur Aufnahme von Befestigungsmitteln, und ein Federelement (7) vorhanden ist, welches zwischen dem Gehäuse (1) und dem Betätigungselement (4) derart angeordnet ist, dass es der Wölbung des Saugfußes (2) in den Hohlraum (3) hinein entgegenwirkt,
dadurch gekennzeichnet, dass
das Federelement (7) länglich ausgebildet ist und sich in die Hülse (5) hinein erstreckt.

2. Vakuumsauger nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, dass
das Betätigungselement (4) als Zapfen (4) ausgebildet ist und das Federelement (7) eine Spiralfeder (7) ist, welche auf den Zapfen (4) wirkt.

Die nachfolgend eingeblendeten, der Klagepatentschrift entnommenen Zeichnungen verdeutlichen den Gegenstand der Erfindung, einmal in Form einer seitlichen Draufsicht auf eine erfindungsgemäße Befestigungsvorrichtung (Figur 1) und einmal in Form eines Querschnitts durch dieselbe Vorrichtung (Figur 2):

Die Beklagte ist eine Handelsfirma, die auch Großhandel betreibt und Wiederverkäufer beliefert. Sie stand in der Vergangenheit u.a. zu der Firma A in geschäftlichem Kontakt, welche über Internet den P(ersonal) D(igital) A(ssistent)-Halter „Universalhalterung B“ (angegriffene Ausführungsform) anbot. Die nachfolgend eingeblendeten, als Anlagen HR 3 bis HR 5 zur Gerichtsakte gereichten Lichtbilder zeigen die angegriffene Ausführungsform:

Mit der Begründung, sie habe die Firma A mit der angegriffenen Ausführungsform beliefert, mahnte die Klägerin die Beklagte mit patentanwaltlichem Schreiben vom 21.07.2009 ab und forderte sie auf, bis zum 10.08.2009 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben sowie bis zum 25.08.2009 vorgerichtliche Patentanwaltskosten in Höhe von 1.780,20 € zu erstatten. Dies lehnte die Beklagte ab, weshalb die Klägerin sie erstinstanzlich auf Unterlassen, Auskunft und Rechnungslegung, Freistellung von einer patentanwaltlichen Gebührenforderung in Höhe von 1.780,20 € nebst hierauf entfallender Zinsen sowie Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht in Anspruch nahm.

Die Klägerin hat behauptet, die Firma A sei von der Beklagten im Dezember 2008 mit 100 Exemplaren der angegriffenen Ausführungsform beliefert worden. Die Klägerin hat vor diesem Hintergrund die Auffassung vertreten, die Beklagte habe von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch gemacht.

Die Beklagte hat eine Verletzung des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform nicht in Abrede gestellt, aber bestritten, die angegriffene Ausführungsform an die Firma A geliefert zu haben. In diesem Zusammenhang hat sie behauptet, ausschließlich PDA-Halterungen einer Firma C, deren Aufbau dem als Anlage B 2 zur Gerichtsakte gereichten Muster entspreche, an die Firma A geliefert zu haben. Die zuletzt genannten Halterungen sind unstreitig nicht klagepatentverletzend.

Das Landgericht hat die Beklagte nach Vernehmung diverser Zeugen überwiegend antragsgemäß verurteilt und die Klage lediglich hinsichtlich des Zinsfreistellungsbegehrens abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach der durchgeführten Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Beklagte die angegriffene Ausführungsform, die das Klagepatent verletze, angeboten und vertrieben habe. Der Zeuge D, Inhaber der Firma A, habe präzise, detailreich und in sich schlüssig ausgesagt, von der Beklagten 100 Universal-Halterungen mit der Produktbezeichnung „B“ erworben zu haben, und die als Anlagen HR 9 zur Gerichtsakte gereichten Halterungen als solche identifiziert. Ein eigenes Interesse des Zeugen am Ausgang des Rechtsstreits sei nicht zu erkennen. Demgegenüber seien die Aussagen der Zeugen E, F und G, die alle bei der Beklagten angestellt seien, wenig ergiebig.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Sie macht geltend, das Landgericht habe die Aussagen der vernommenen Zeugen unzutreffend gewürdigt. Richtigerweise habe es zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die Klägerin den Beweis für ihre Behauptung, sie – die Beklagte – habe die Firma A mit der angegriffenen Ausführungsform beliefert, nicht geführt habe. Auf die Aussage des Zeugen D habe sich das Landgericht schon deshalb nicht stützen dürfen, da dieser sehr wohl ein eigenes Interesse am Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits habe. Er nehme die Beklagte auf Erstattung ihm entstandener vorprozessualer Kosten in Anspruch und decke im Zweifel den tatsächlichen Lieferanten. Entgegen der Ansicht des Landgerichts seien auch die Aussagen der Zeugen E, F und G ergiebig gewesen. Diese Zeugen seien zudem glaubwürdig. Der Zeuge E habe sogar seine Aussage beeidet.

Die Beklagte beantragt,
die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens als richtig.

Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 06.07.2011 (Bl. 110 ff GA) durch Vernehmung der Zeugen H und J D, K und L, M, E, F, und G. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle vom 13.09.2011 (Bl. 160 ff GA) und vom 02.02.2012 (Bl. 186 ff GA) verwiesen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten keiner der geltend gemachten Ansprüche wegen Patentverletzung zu.

Dass die angegriffene Ausführungsform von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch macht, ist zwischen den Parteien zu Recht unstreitig, bedarf aber keiner näheren Ausführungen. Denn die Klägerin hat nicht zu beweisen vermocht, dass die Beklagte eine Benutzungshandlung im Sinne von Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 9 – 13 PatG begangen hat. Damit besteht kein Anspruch auf Schadensersatz (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG) sowie dies vorbereitend auf Auskunft und Schadensersatz (§§ 242, 259 BGB) und keine einen Unterlassungsanspruch begründende Begehungsgefahr (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m.
§ 139 Abs. 1 PatG), die – mangels sonstiger Umstände – als eine sich aus einer bereits erfolgten Patentverletzung ergebende Wiederholungsgefahr hätte vorliegen müssen.

Diese Feststellung war auf der Grundlage der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme zu treffen. Eine Bindung an die erstinstanzlichen Feststellungen bestand gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht, da konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der festgestellten Tatsachen begründeten. Soweit das Landgericht dem Zeugen D Glauben geschenkt und hierzu ausgeführt hat, ein eigenes Interesse des Zeugen am Ausgang des Rechtsstreits sei nicht zu erkennen, ist dies bereits deshalb bedenklich, weil es zunächst einmal der Zeuge D war, der aufgrund des Vertriebs der angegriffenen Ausführungsform als „der Patentverletzer“ im Focus stand. Durch Benennung der Beklagten als Lieferantin hat er sich „aus der Schusslinie gezogen“. In Betracht kam, ohne dass sich das Landgericht hiermit auseinandergesetzt hat, dass der Zeuge den wirklichen Lieferanten schützen will. Zudem ist jetzt ein Verfahren des Zeugen gegen die Beklagte auf Kostenerstattung anhängig, was ebenfalls ein eigenes Interesse des Zeugen am Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits begründet. Bzgl. des Zeugen E hat das Landgericht ausgeführt, er habe sich nicht mehr erinnern können, wohin die anderen Halterungen der Firma C geliefert worden seien. Der Zeuge E hatte in erster Instanz jedoch ausgesagt, die restlichen Halterungen seien an die Einzelhandelsläden der Beklagten abgegeben worden. Der Zeuge G konnte letzteres zwar nicht bestätigen, hat aber angegeben, die im Termin vorgelegte Halterung der Firma C sei aus einem Einzelhandelsgeschäft zurückgeholt worden, was indirekt für die Richtigkeit der diesbezüglichen Angaben Es spricht.

Dies alles gebot, die erstinstanzliche Beweisaufnahme zu wiederholen und dabei auch die erstmals in zweiter Instanz benannten Zeugen zu vernehmen. Danach ist festzustellen, dass die Klägerin den Beweis für ihre Behauptung, die Beklagte habe die Firma A mit der angegriffenen Ausführungsform beliefert und diese damit angeboten und in den Verkehr gebracht, nicht geführt hat.
Zwar haben die Zeugen D, J D, M, K L und L ausgesagt, die Beklagte habe dem Zeugen D Handyhalterungen der patentverletzenden Sorte (angegriffene Ausführungsform) geliefert. Es habe sich um die Ware gehandelt, von der sich ein Exemplar als Anlage HR 9 bei der Gerichtsakte befindet. Hingegen haben die Zeugen E, G und F bekundet, Handyhalterungen nach Anlage HR 9 habe die Beklagte nie vertrieben. Im Sortiment der Beklagten hätten sich Handyhalterungen befunden, wie sie aus der Anlage B 2 ersichtlich sind. Gründe, den Zeugen D, M und N mehr Glauben zu schenken als den Zeugen E, G und F liegen nicht vor. Alle Aussagen sind in sich schlüssig und widerspruchsfrei, auch die der von der Beklagten benannten Zeugen. Der Zeuge E hat glaubhaft erklären können, wie es dazu gekommen sein kann, dass er die an den Zeugen D gelieferten Handyhalterungen, bei denen es sich nach seiner Aussage um der Anlage B 2 entsprechende gehandelt hat, unter der Bezeichnung „O“ in das Computersystem der Beklagten eingegeben hat, was auf erste Sicht verwundern könnte. Wie durch Inaugenscheinnahme der Anlage B 2 festgestellt wurde, befindet sich der Begriff „O“ auch auf der Vorderseite der Umverpackung der Anlage B 2. Bereits das macht ein entsprechendes Einpflegen dieses Produkts in das Computersystem der Beklagten verständlich. Der Zeuge G hat überzeugend erklärt, weshalb er keine Erinnerung mehr an den offensichtlich mit dem Zeugen D geführten email-Verehr hat. Dass angesichts der Vielzahl täglich bearbeiteter emails und Reklamationen auch eine so umfangreiche Korrespondenz wie vom Zeugen D vorgelegt als alltägliches Geschäft in Vergessenheit geraten kann, ist nachvollziehbar. Alle Zeugen sind gleich glaubwürdig. Bzgl. des Eigeninteresses des Zeugen D gilt das oben Gesagte. Alle übrigen Zeugen stehen einem der beiden „Lager“ in erheblicher Weise nahe. Die Zeugen L sind die Schwiegereltern des Zeugen D, der Zeuge J D ist sein Vater. Der Zeuge M ist ein langjähriger Freund des Zeugen D und absolviert zurzeit bei ihm eine Ausbildung. Dies alles wiegt nicht weniger schwer als das Näheverhältnis der Zeugen E, G und F zur Beklagten, die ihr Arbeitgeber ist. Der Zeuge E ist zudem noch mit dem Geschäftsführer der Beklagten verschwägert, hat andererseits aber in Bekräftigung seiner erstinstanzlichen Aussage diese beeidet. Alles in allem kann danach nur ein offenes Beweisergebnis, ein sog. „non liquet“, festgestellt werden. Ein solches geht zu Lasten der beweispflichtigen Partei. Beweispflichtig ist die Partei, für die die behauptete und bestrittene Tatsache günstig ist. Das ist vorliegend die Klägerin, da die von ihr behauptete Lieferung der angegriffenen Ausführungsform durch die Beklagte eine anspruchsbegründende Tatsache darstellt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, die keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen aufwirft, deren Beantwortung durch den Bundesgerichtshof zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre.