2 U 138/02 – Testkit zur chemischen Analyse

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 288

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 12. Februar 2004, Az. 2 U 138/02

1.
Die Berufung der Beklagten gegen das am 13. August 2002 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

2.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung von 511.300,– € abwenden, wenn nicht die Klägerin ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 511.300,– €.

Entscheidungsgründe:

I.

Die durch Umwandlung der Dr. H entstandene Klägerin ist eingetragene Inhaberin des in der Verfahrenssprache Deutsch abgefassten und u.a. für den Vertragsstaat Deutschland erteilten europäischen Patents 0 663 239 (im Folgenden: Klagepatent), das auf einer am 11. Januar 1995 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 12. Januar 1994 eingegangenen und am 19. Juli 1995 veröffentlichten Anmeldung beruht. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents ist am 30. Juli 1997 im Patentblatt bekannt gemacht worden. Die Ansprüche 1 und 10 des Klagepatents haben folgenden Wortlaut:

1.
Testkit zur chemischen Analyse von gasförmigen oder in die Gasform
überführbaren Probeninhaltsstoffen,

a)
mit zwei separaten einzelnen Behältern (4, 5), von denen der erste (4) der Aufnahme der Probe und der zweite (5) der Aufnahme der aus der Probe freigesetzten Gase dient,

wobei

b)
der zweite Behälter (5) ein gassensitives Reagenz enthält, das durch Kontakt mit dem in dem ersten Behälter (4) erzeugten Gas eine optische Änderung erfährt,

c)
der zweite Behälter (5) so ausgestaltet ist, dass er in ein optisches Messgerät als Messvorlage einsetzbar ist,

d)
die Behälter (4, 5) jeweils mit einem Verschluss (7) versehen sind, und

e)
der Testkit weiterhin einen Adapter (6) umfasst, durch den die Behälter (4, 5) nach Abnahme der Verschlüsse (7) gasdicht miteinander verbindbar sind.

. . .

10.
Verwendung des Testkits nach einem der Ansprüche 1. bis 9. zur chemischen Bestimmung des biologischen Sauerstoffbedarfs (BSB), von gebundenem Kohlenstoff (TC), von anorganisch gebundenen Kohlenstoff (TIC), von organisch gebundenen Kohlenstoff (TOC), von gelöstem organischen Kohlenstoff (DOC), von flüchtigem organisch gebundenen Kohlenstoff (VOC), von ausblasbarem organisch gebundenen Kohlenstoff (POC), von adsorbierbaren organischen Halogenverbindungen (AOX), von gebundenen organischen Halogenverbindungen (TOX), von ausblasbaren organischen Halogenverbindungen (POX), von gelösten organischen Halogenverbindungen (DOX), von extrahierbaren organischen Halogenverbindungen (EOX), von schwerflüchtigen Halogenkohlenwasserstoffen (SHKW), von leichtflüchtigen Halogenkohlenwasserstoffen (LHKW), von gebundenem Stickstoff, von Cyanid, von Schwefel, von Phosphor, von Arsen, von Antimon, von Quecksilber, von Phenolen und von anderen flüchtigen organischen Verbindungen.

Die nachfolgend wiedergegebene Figur 2 der Klagepatentschrift zeigt ein Ausführungsbeispiel der Erfindung.

Die Beklagte stellt her und vertreibt unter der Bezeichnung „NANOCOLOR“ einen Testkit zur Bestimmung des Gehalts an organisch gebundenem Kohlenstoff (TOC) in Wasserproben, den sie mit Prospekten gemäß Anlagen K 6 und B 2 bewirbt.
Der Testkit entspricht der Lehre des deutschen Patents 100 18 784 (Anlage B 4), das einem Schwesterunternehmen der Beklagten, der KL2 GmbH & Co. Handelsgesellschaft, aufgrund einer Anmeldung vom 15. April 2000 vom Deutschen Patent- und Markenamt erteilt und das im Anschluss an einen Einspruch der Klägerin vom Bundespatentgericht mit Beschluss vom 19. Mai 2003 (Anlage ROP 2) widerrufen worden ist.

Die nachstehend wiedergegebenen Figuren 2 bis 6 der genannten Patentschrift zeigen die Ausgestaltung des dort geschützten Testkits:

Der von der Beklagten vertriebene und im vorliegenden Rechtsstreit angegriffene Testkit ist so beschaffen, wie es die rechte in einem Kreis dargestellte Abbildung bei Figur 4 zeigt. Die mit einem gassensitiven Reagenz („Indikatorlösung“) gefüllte Rundküvette (= nach der Terminologie des Klagepatents der „zweite Behälter“) weist an ihrem einen Ende einen Schraubverschluss und an ihrem entgegengesetzten Ende eine weitere Öffnung (13) auf, die mit einem Gummiseptum (16) verschlossen ist.

Nach dem Inhalt der Gebrauchsanleitung, die die Beklagte ihrem Testkit beifügt, ist dieser wie folgt zu verwenden:

Zunächst wird in einem Erlenmeyerkolben eine Menge von 10 ml Probelösung (d.h. das zu analysierende Wasser) zusammen mit 0,5 ml einer bestimmten Aufschlusslösung 5 Min. lang auf höchster Stufe gerührt, wodurch der in der Probe enthaltene anorganisch gebundene Kohlenstoff (TIC) ausgetrieben wird. Anschließend wird eine erste Rundküvette (in der oben wiedergegebenen Figur 2 mit der Bezugsziffer 2 bezeichnet) geöffnet, mit 4 ml der ausgerührten Probelösung sowie einer bestimmten Menge einer mitgelieferten weiteren Aufschlusslösung gefüllt und wieder verschlossen; der Inhalt der Küvette wird gemischt. An der zweiten Rundküvette (7), die mit blauer Indikatorlösung gefüllt ist, wird der Schraubverschluss durch einen Adapter (10) – in der Gebrauchsanleitung als „Schraubkupplung“ bezeichnet – ersetzt, welcher so aufgeschraubt wird, dass eine darin enthaltene Membran, die zwar gas-, aber nicht flüssigkeitsdurchlässig ist, in Richtung der Rundküvette (7) liegt. Danach wird durch das am entgegengesetzten Ende befindliche Gummiseptum eine Kanüle (21) gestochen, die nach den Angaben in der Patentschrift 100 18 784 einen Innendurchmesser von 0,45 mm hat. Sodann wird die erste Rundküvette wieder geöffnet und in der aus der oben wiedergegebenen Figur 6 (rechte, im Kreis befindliche Abbildung) ersichtlichen Weise über den Adapter („Schraubkupplung“) mit der anderen Rundküvette verbunden. Die Rundküvette mit der Probenlösung wird (vgl. Figur 6) in einen Thermoblock eingesetzt, der auf 100 º Celsius eingestellt wird. Bei der daraufhin bewirkten Erwärmung der Probenlösung wird der darin enthaltene organisch gebundene Kohlenstoff in CO2 umgesetzt, wobei außerdem überschüssiger Sauerstoff (O2) entsteht. Beide Gase gelangen durch die Membran im Adapter hindurch in die obere Küvette; dort wird das CO2 von der Indikatorlösung absorbiert, die sich dabei entsprechend der Menge des absorbierten CO2 verfärbt; das überschüssige O2 kann durch die Kanüle entweichen. Nach einer Stunde wird die Küvettenkombination aus dem Thermoblock herausgenommen; nach dem Abkühlen wird die Kanüle aus der Rundküvette (7) herausgezogen; diese wird in ein Photometer eingesetzt, welches anhand der Farbe der Indikatorlösung die Menge an TOC anzeigt.

Die Klägerin vertritt die Ansicht, mit der Herstellung und dem Vertrieb des angegriffenen Testkits verletze die Beklagte das Klagepatent, und nimmt sie auf Unterlassung, Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch, während die Beklagte geltend macht, eine Patentverletzung liege nicht vor, weil der angegriffene Testkit entgegen der Lehre des Klagepatents nicht (vollständig) gasdicht sei und bei einem der Behälter, nämlich der Rundküvette (7), mehr als nur ein Verschluss (wie es das Klagepatent lehre) vorhanden sei.

Das Landgericht hat antragsgemäß

I.

die Beklagte verurteilt,

1.
es bei Meidung der (näher bezeichneten) gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,

a)
Testkits zur chemischen Analyse von gasförmigen oder in die Gasform
überführbaren Probeninhaltsstoffen

aa)
mit zwei separaten einzelnen Behältern, von denen der erste der Aufnahme der Probe und der zweite der Aufnahme der aus der Probe freigesetzten Gase dient,

wobei

bb)
der zweite Behälter ein gassensitives Reagenz enthält, das durch Kontakt mit dem in dem ersten Behälter erzeugten Gas eine optische Änderung erfährt,

cc)
der zweite Behälter so ausgestaltet ist, dass er in ein optisches Messgerät als Messvorlage einsetzbar ist,

dd)
die Behälter jeweils mit einem Verschluss versehen sind,

ee)
der Testkit weiterhin einen Adapter umfasst, durch den die Behälter nach Abnahme der Verschlüsse gasdicht miteinander verbindbar sind,

herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

b)
sinnfällig zur chemischen Bestimmung von organisch gebundenem Kohlenstoff (TOC) hergerichtete Testkits zur chemischen Analyse von gasförmigen oder in die Gasform überführbaren Probeninhaltsstoffen

aa)
mit zwei separaten einzelnen Behältern, von denen der erste der Aufnahme der Probe und der zweite der Aufnahme der aus der Probe freigesetzten Gase dient,

wobei

bb)
der zweite Behälter ein gassensitives Reagenz enthält, das durch Kontakt mit dem in dem ersten Behälter erzeugten Gas eine optische Änderung erfährt,

cc)
der zweite Behälter so ausgestaltet ist, dass er in ein optisches Messgerät als Messvorlage einsetzbar ist,

dd)
die Behälter jeweils mit einem Verschluss versehen sind,

ee)
der Testkit weiterhin einen Adapter umfasst, durch den die Behälter nach Abnahme der Verschlüsse gasdicht miteinander verbindbar sind,

anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen;

2.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziff. 1 bezeichneten Handlungen seit dem 30. August 1997 begangen habe, und zwar unter Angabe

a)
der Herstellungsmengen und –zeiten,

b)
der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,

c)
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,

d)
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e)
der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns.

Außerdem hat das Landgericht

II.

festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unter I. 1. bezeichneten, seit dem
30. August 1997 begangenen Handlungen entstanden sei und noch entstehen werde.

Auf das Urteil vom 13. August 2002 wird Bezug genommen.

Die Beklagte hat Berufung eingelegt, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt, während die Klägerin um Zurückweisung des Rechtsmittels bittet.

Die Parteien wiederholen und ergänzen ihr bisheriges Vorbringen. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, soweit sie Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

II.

Die Berufung ist nicht begründet, weil das Landgericht die Beklagte mit Recht wegen Verletzung der Ansprüche 1 und 10 des Klagepatents verurteilt hat.

1.
Das Klagepatent betrifft einen Testkit zur chemischen Analyse gasförmiger oder in die Gasform überführbarer Probeninhaltsstoffe.

Wie die Klagepatentschrift einleitend ausführt, sind in der analytischen Chemie, insbesondere bei der Wasseranalytik, solche Methoden von besonderer Bedeutung, bei denen der zu bestimmende Parameter durch Überführung in die Gasform selektiv aus dem Probengemisch abgetrennt wird und bei denen dann neben der Möglichkeit einer direkten Bestimmung (z.B. mittels Gaschromatographie u.a.) auch die einer indirekten Bestimmung, u.a. durch Photometrie, besteht. Ein derartiger Analysevorgang besteht aus der chemischen Umsetzung der Probe zur Bildung gasförmiger oder gasförmig austreibbarer Produkte, der Austreibung des Gases, seines Transports in ein Absorptionsgefäß, seiner Absorption und der anschließenden Analyse der Absorptionsvorlage.

Die Klagepatentschrift (S. 2, Zeilen 11 bis 19) erwähnt eine aus der US-A- 5 320 807 (Anlage K 3) bekannte Testvorrichtung, mit welcher der Zustand und der Prozessverlauf in Kompostanlagen überwacht werden können; dazu wird eine Probe des Kompostes in ein geschlossenes Gefäß gebracht und dort einige Stunden lang belassen. Im Gasraum des Gefäßes aufgehängte Reagenzien absorbieren z.B. das aus dem Kompost austretende CO2 und verfärben sich dabei. Eine Betrachtung des verfärbten Reagenzes durch eine Bedienungsperson lässt dann Rückschlüsse auf den Zustand des Kompostes zu. Die Klagepatentschrift bezeichnet es als nachteilig, dass diese Vorrichtung keine quantitativen Messungen erlaube und bei ihrer Befüllung sowohl der Proben- als auch der Nachweisraum zu öffnen seien.

Nachdem die Klagepatentschrift (S. 2, Zeilen 20 bis 26) eine weitere, aus der US-A- 4 315 890 (Anlage K 2) bekannte Vorrichtung zur Bestimmung der flüchtigen Bestandteile aus Proben, vor allem Körperflüssigkeiten, genannt hat, führt sie (S. 2, Zeile 55 bis S. 3, Zeile 3) aus, es seien zwar Geräte entwickelt worden, welche alle Schritte des eingangs genannten Analysevorgangs auch bei der Wasseranalytik automatisiert durchführen könnten, an diesen sei aber nachteilig, dass sie kostenaufwendig seien und außerdem eine hohe fachliche Qualifikation des Personals erforderten; darüber hinaus seien diese Systeme regelmäßig nur für einen speziellen Anwendungsfall, ausnahmsweise auch für einen zweiten und dritten, geeignet. Sie erfüllten daher nicht die Anforderungen an Analyseverfahren zur Eigenüberwachung von Abwasserbehandlungsanlagen durch Betriebspersonal; solche Verfahren müssten nämlich einfach und schnell vor Ort (z.B. direkt an der Kläranlage) durch chemisch nicht oder nur wenig vorgebildetes Personal durchführbar sowie in der Anschaffung und im betrieblichen Einsatz wirtschaftlich sein. Dem Betriebspersonal z.B. von Kläranlagen stehe im Allgemeinen nur die Mindestausstattung eines Labors zur Verfügung, welche eine Basiskomponente umfasse, bestehend in der Regel aus einem Photometer und einem Heizblock-Thermostat, die mit variablen Komponenten, z.B. Testkits zur Analyse bestimmter Probeninhaltsstoffe, zusammen verwendet werden könnten.

Die Klagepatentschrift (S. 3, Zeilen 35 bis 40) bezeichnet es dann als Aufgabe der Erfindung, einen Testkit für die Bestimmung von gasförmigen oder in die Gasform überführbaren Probeninhaltsstoffen zur Verfügung zu stellen, der vorzugsweise mit den am Markt befindlichen universellen Analysesystemen eingesetzt werden könne, insbesondere – aber nicht ausschließlich – solchen, die ein Photometer (als Auswerteeinheit) in Kombination mit einem Trockenthermostat nutzten.

Das so bezeichnete technische Problem soll gemäß Anspruch 1 des Klagepatents gelöst werden durch einen Testkit mit folgenden Merkmalen:

1.
Testkit zur chemischen Analyse von gasförmigen oder in die Gasform
überführbaren Probeninhaltsstoffen;

2.
der Testkit weist zwei separate einzelne Behälter auf, von denen der erste der Aufnahme der Probe und der zweite der Aufnahme der aus der Probe freigesetzten Gase dient;

3.
der zweite Behälter enthält ein gassensitives Reagenz, das durch Kontakt mit dem in dem ersten Behälter erzeugten Gas eine optische Änderung erfährt;

4.
der zweite Behälter ist so ausgestaltet, dass er in ein optisches Messgerät als Messvorlage einsetzbar ist;

5.
die Behälter sind jeweils mit einem Verschluss versehen;

6.
der Testkit umfasst weiterhin einen Adapter, durch den die Behälter nach Abnahme der Verschlüsse gasdicht miteinander verbindbar sind.

Angesichts des Streites der Parteien bedürfen die Merkmale 5 und 6 dieser Merkmalsgliederung näherer Erörterung.

a)
Dem vom Klagepatent angesprochenen Durchschnittsfachmann ist ohne weiteres klar, dass insbesondere bei der Bestimmung des Gesamtkohlenstoffgehaltes (TC) sowie des Gehaltes an anorganisch gebundenem Kohlenstoff (TIC) und an organisch gebundenem Kohlenstoff (TOC) in einer Abwasserprobe mit dem erfindungsgemäßen Testkit – so wie dies im Beispiel 2 der Klagepatentschrift (S. 7, Z. 51 bis S. 8, Z. 44) beschrieben wird – der Inhalt der beiden Behälter, vor allem das im zweiten Behälter angeordnete gassensitive Reagenz, nicht dem Zutritt von Außenluft ausgesetzt sein darf. Dies würde nämlich wegen des CO2-Gehaltes der Luft gerade bei der TOC-Bestimmung zu Verfälschungen und damit zu unrichtigen Ergebnissen führen. Merkmal 6 lehrt daher, dass, um dies zu verhindern, die beiden an sich separaten Behälter des Testkits, deren einer der Aufnahme der Probe dient und deren anderer das gassensitive Reagenz enthält, gasdicht miteinander verbindbar sind, und zwar mittels des in dem genannten Merkmal angesprochenen Adapters. Im allgemeinen Beschreibungsteil (S. 3, Z. 53 bis S. 4, Z. 3) wird demgemäß dargestellt, der Testkit bilde ein aus zwei Behältern und dem Adapter bestehendes verschließbares Behältnis; die Koppelung durch den Adapter verbinde die beiden Behälter und schließe sie gleichzeitig gasdicht gegen den Außenraum ab.

Nach dem Verständnis des Durchschnittsfachmanns bedeutet diese gasdichte Verbindung gegen den Außenraum – die in der Beschreibung noch mehrfach erwähnt wird, vgl. z.B. auch S. 4, Z. 13 und Z. 54,55 – zweierlei: zum einen
dürfen die in dem ersten Behälter aus der Probe freigesetzten Gase nicht nach außen entweichen, sie müssen vielmehr in vollem Umfang, also zur Gänze, das gassensitive Reagenz erreichen. Zum anderen darf die Außenluft keinen freien
Zutritt haben, und zwar aus den soeben bereits genannten Gründen. Die Klagepatentschrift beschreibt diesen Sachverhalt plastisch mit den Worten (vgl. S. 3, Z. 57), „die Reaktionszone“ sei „mit der Detektionszone nur über den Gasraum chemisch verbunden“.

Auch und gerade in einem gegen den Außenraum gasdicht abgeschlossenen Raum kann das, was mit dem Testkit erreicht werden soll, nämlich ein Verbringen des Analytgases von der sog. Reaktionszone (im ersten Behälter) in die sog. Detektionszone (im zweiten Behälter), in welcher sich das gassensitive Reagenz befindet, problematisch sein und unter Umständen sehr viel Zeit in Anspruch nehmen, wie dem Durchschnittsfachmann nicht nur ohne weiteres klar sein dürfte, sondern worauf ihn die Klagepatentschrift auf S. 5, Z. 3 ff. auch noch besonders hinweist. Sie schlägt a.a.O. vor, zur Lösung dieses Problems ein Druckgefälle einzusetzen, um den Gastransport aus der Reaktions- in die Detektionszone zu beschleunigen und zu unterstützen. Dieses Druckgefälle kann nach den Ausführungen in der Klagepatentschrift (a.a.O.) z.B. durch die Erzeugung eines verminderten Gasdruckes im zweiten – das gassensitive Reagenz enthaltenden – Behälter aufrechterhalten werden, indem das Gas dort absorbiert wird. Als weiteres Beispiel nennt die Klagepatentschrift die Erzeugung eines höheren Gasdruckes im ersten Behälter. Ein solcher erhöhter Gasdruck kann z.B., wie der Durchschnittsfachmann der Beschreibung der Klagepatentschrift (z.B. S. 5, Z. 51 ff. und S. 7, Z. 51 ff. – Beispiel 2) entnimmt, erreicht werden, wenn das Analytgas unter Verwendung eines Trockenthermostaten erzeugt wird, mit dem die Probe auf 100 º Celsius erhitzt wird (vgl. S. 8, Z. 10, 11), wobei neben dem (eigentlichen) Analytgas auch ein Trägergas entsteht (vgl. S. 5, Z. 7). Ein solches Trägergas kann etwa Wasserdampf sein oder auch Sauerstoff, der beim Einsatz von Oxidationsmitteln zur Überführung von gebundenem Kohlenstoff in Kohlendioxid im Überschuss anfallen kann (vgl. S. 5, Z. 29, sowie Beispiel 2). Der Durchschnittsfachmann erkennt ohne weiteres, dass auch in einem solchen Falle für einen Druckausgleich bzw. ein Druckgefälle gesorgt werden muss. Die Klagepatentschrift (S. 5, Z. 8 f.) nennt insoweit die Zehrung eines Gases (durch dessen Absorption) in der Detektionszone nur als Beispiel für eine Möglichkeit, eine Druckentlastung zu erreichen bzw. ein Druckgefälle aufrechtzuerhalten, schließt aber andere Möglichkeiten, die dem Belieben des Durchschnittsfachmanns überlassen werden, nicht aus. Der
Durchschnittsfachmann wird gerade dann, wenn er den Einsatz eines Trägergasstromes von der Reaktions- zur Detektionszone – den die Klagepatentschrift ausdrücklich vorsieht – in Erwägung zieht, zwangsläufig zu der Überlegung gelangen, dass zur Aufrechterhaltung des Transports des Analytgases und zur Vermeidung eines unerwünschten Überdruckes das Trägergas (das ja selbst nicht analysiert werden soll) nach außen geleitet werden muss.

Insoweit stehen ihm Ventile und ventilähnliche Vorrichtungen zur Verfügung, mit denen sich erreichen lässt, dass das nicht zu analysierende Trägergas nach außen entweichen kann, ohne dass ein zu Verfälschungen des Messergebnisses führender Luftzutritt zu dem gassensitiven Reagenz möglich ist. Eine derartige Ableitung des Trägergases ist insbesondere in dem – ebenfalls von der Klagepatentschrift behandelten, vgl. etwa S. 3, Z. 59 bis S. 4, Z. 6 sowie Z. 40 f. – Beispielsfall unproblematisch, bei dem das gassensitive Reagenz aus einer Flüssigkeit besteht, die im zweiten Behälter auf einer flüssigkeitsdichten, aber gasdurchlässigen Membran ansteht. Bei einer solchen Ausgestaltung wird das Analytgas nach dem Durchtritt durch die Membran vom Reagenz aufgenommen, während das Trägergas durch die Reagenzflüssigkeit hindurch geht und dann so nach außen abgeleitet werden kann, dass die Außenluft keine Möglichkeit hat, zu dem gassensitiven Reagenz zu gelangen.

Auch in einem solchen Fall wird der Durchschnittsfachmann die aus zwei durch einen Adapter verbundenen Behältern bestehende Einheit als im Sinne des Merkmals 6 gasdicht gegen den Außenraum abgeschlossen ansehen.

Dass Merkmal 6 keinen in jeder Hinsicht hermetischen Abschluss gegen den Außenraum verlangt, wird der Durchschnittsfachmann auch dem Umstand entnehmen, dass das Klagepatent nur in einem Unteranspruch, nämlich dem Anspruch 4, eine in den Adapter integrierte Gaspumpe vorsieht, die, wie sich aus dem Ausführungsbeispiel gem. Figur 6 der Klagepatentschrift und der dazugehörigen Beschreibung auf S. 6, Z. 50 bis 57 ergibt, nur erforderlich ist, wenn man einen geschlossenen Gaskreislauf erreichen will. Daraus, dass in der Klagepatentschrift nur bei diesem besonderen Ausführungsbeispiel auf die dort vorhandene Geschlossenheit hingewiesen wird, wird der Durchschnittsfachmann den Umkehrschluss ziehen, dass es z.B. bei Anspruch 1 auf eine solche vollständige Abgeschlossenheit nicht ankommt, wenn der Testkit nur in der oben erörterten Art und Weise ausgestaltet ist.

In seiner vorstehend wiedergegebenen Auslegung des Merkmals 6 sieht sich der Senat zusätzlich durch die Ausführungen zur Lehre des Klagepatents bestätigt, die sich in dem Beschluss des mit sachkundigen Mitgliedern besetzten Senates des Bundespatentgerichts vom 19. Mai 2003 (Anlage ROP 2, dort S. 11, Abs. 2 bis 4, und vor allem S. 13, Abs. 2 und 3) finden, mit dem dieser das deutsche Patent 100 18 784 widerrufen hat.

b)
Merkmal 5, wonach die Behälter jeweils mit einem Verschluss versehen sind, ist im Zusammenhang mit Merkmal 6 zu sehen.

Anspruch 1 des Klagepatents befasst sich allein mit den Behälterverschlüssen in dem von Merkmal 6 erfassten Bereich. Ob einer der Behälter noch einen weiteren Verschluss an einer anderen als der Verbindungsstelle (gemäß Merkmal 6) aufweist, ist ohne Relevanz, sofern dadurch nicht die Gasdichtigkeit in dem im Zusammenhang mit Merkmal 6 erläuterten Sinn in Frage gestellt wird.

2.

Die angegriffene Ausführungsform macht von allen Merkmalen des Anspruchs 1 des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch.

Wie oben unter 1. dargelegt, verlangt Anspruch 1 des Klagepatents nicht, der erfindungsgemäße Testkit müsse bei der Analyse der jeweils zu bestimmenden Probeninhaltsstoffe vollständig gegenüber der Außenluft abgeschlossen sein.

Angesichts dessen kann kein Zweifel daran bestehen, dass der angegriffene Testkit auch dann dem Merkmal 1 entspricht, wenn er, wie die Beklagte geltend macht, sich nur in der Weise bestimmungsgemäß einsetzen lässt, dass er über die in das Gummiseptum eingestochene Kanüle eine Verbindung zur Außenluft hat.

Offensichtlich wortsinngemäß verwirklicht sind des weiteren die Merkmale 2 bis 4, wie auch die Beklagte nicht in Zweifel zieht, so dass es insoweit keiner weiteren Erörterung bedarf.

Dem Wortsinne nach erfüllt sind schließlich auch die Merkmale 5 und 6 mit ihrem oben dargelegten Inhalt.

Dass wegen des Einstechens der Kanüle in das Gummiseptum des zweiten Behälters unmittelbar vor Beginn des Analysevorgangs Luft und damit auch CO2 in die Indikatorflüssigkeit gelangen könne (was zu einer Verfälschung des Messergebnisses führen würde), behauptet die Beklagte selbst nicht. Von dem Augenblick an, in welchem aus dem ersten Behälter Analytgas und Trägergas (Sauerstoff) in den zweiten Behälter gelangen, wirkt die Kanüle wie ein Ventil; sie lässt das überschüssige Trägergas austreten, und weil dieses die Kanüle vollständig ausfüllt, kann keine Außenluft in den Behälter eintreten.

Ob die spezielle Ausgestaltung des angegriffenen Testkits, bei dem als „Ventil“ gerade eine Kanüle benutzt wird, gegenüber dem Klagepatent erfinderisch ist
– was das Bundespatentgericht allerdings verneint hat (vgl. seinen Beschluss vom 19. Mai 2003, Anlage ROP 2) -, kann dahingestellt bleiben, weil es nichts daran ändert, dass die angegriffene Ausführungsform von allen Merkmalen des Anspruchs 1 des Klagepatents, insbesondere auch von Merkmal 6, Gebrauch macht.

Da die Beklagte ihren Testkit ausdrücklich – vgl. vor allem die mitgelieferte Gebrauchsanleitung – zum Zwecke der Verwendung als Testkit zur Bestimmung des in Anspruch 10 des Klagepatents u.a. genannten TOC herrichtet und vertreibt, verletzt sie damit nicht nur den (Vorrichtungs-)Anspruch 1 des Klagepatents, sondern, und zwar unmittelbar, auch den dort enthaltenen Verwendungsanspruch 10 (vgl. dazu BGH, GRUR 1990, 505 ff. – geschlitzte Abdeckfolie).

Dass und warum die Klägerin angesichts dessen von der Beklagten in dem vom Landgericht ausgeurteilten Umfang Unterlassung, Rechnungslegung und die Feststellung der Schadensersatzpflicht verlangen kann, hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt; darauf kann der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen verweisen.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Zu einer Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) besteht kein Anlass, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht vorliegen: Weder hat die vorliegende Sache – als reine Einzelfallentscheidung – grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

R1 R2 Dr. C2