2 U 141/02 – Tintenbehälter

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 291

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 1. April 2004, Az. 2 U 141/02

1.
Die Berufung der Beklagten gegen das am 5. September 2002 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

2.
Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Voll-streckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung von 343.000,– € abwenden, wenn nicht die Klägerin ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 343.000,– €.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des in englischer Sprache abgefassten und u.a. auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 605 388 (im Folgenden: Klagepatent), das auf einer am 9. Oktober 1984 unter Inanspruchnahme zweier japanischer Prioritäten vom 22. Mai 1984 eingegangenen und am 6. Juli 1994 bekannt gemachten Anmeldung beruht. Die Erteilung des Klagepatents ist am 14. März 2001 veröffentlicht worden.

Die Muttergesellschaft der Beklagten zu 1) und 3), die BE (International) AG in Egg (Schweiz), hat gegen das Klagepatent Einspruch eingelegt und seinen Widerruf mit der Begründung beantragt, das Patent beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts hat den Einspruch im Anschluss an eine von ihr anberaumte mündliche Verhandlung vom 4. November 2003 zurückgewiesen.

Anspruch 1 des Klagepatents lautet in der in der Klagepatentschrift enthaltenen deutschen Übersetzung:

Tintenbehälter für die Zufuhr einer benötigten geeigneten Menge Tinte zu einem Rasterdruckerkopf, wobei der Tintenbehälter (2) einen Deckel, eine rechteckige untere Wand und Wände, die sich zwischen diesen er-strecken, aufweist und einen Tintenzufuhranschluss (41) für die Zufuhr von Tinte aufweist und ein tintenaufnehmendes Mittel enthält, das mindestens ein poröses Element (60‘‘, 61, 62) umfasst und dessen Poren in einer Richtung des Tintenzufuhranschlusses (41) fortschreitend kleiner werden, wobei der Tintenzufuhranschluss (41) in der unteren Wand (40 a) nahe einer schmalen Seite der rechtwinkligen unteren Wand (40 a) angeordnet ist und wobei eine Vielzahl von Rillen (45 a, 45 b, 45 c), die mit dem Tintenzufuhranschluss in Verbindung stehen, im Inneren der unteren Wand vorgesehen ist.

Die nachfolgend wiedergegebene Figur 2 aus der Klagepatentschrift zeigt ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel der Erfindung.

Die u.a. unter der Geschäftsführung des Beklagten zu 2) stehende Beklagte zu 1) sowie die Beklagte zu 3), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 4) ist, vertreiben in Deutschland Tintenbehälter für verschiedene Druckertypen der Marke „M“ gemäß der nachfolgend wiedergegebenen Übersicht:

Alle diese Tintenbehälter, die in Egg/Schweiz hergestellt werden, weisen ein Element aus schwammartigem Schaumstoffmaterial (in der nachfolgend wiedergegebenen „explosionsartigen“ Darstellung gemäß Anlage K 2 der Klägerin mit der Bezugszahl 61 bezeichnet) sowie unterhalb dieses Elements und oberhalb der a.a.O. mit „41“ bezeichneten Öffnung zur Weiterleitung der Tinte an den Druckerkopf
(= „Tintenzufuhranschluss“ im Sinne des Klagepatents) ein dünnes a.a.O. mit „62“ bezeichnetes Blatt auf, welches durchlässig ist und eine Porengröße von etwa 7 µm hat, während die Poren des schwammartigen Elements deutlich größer sind. Die Beklagten haben als Anlage B 4 Musterexemplare des schwammartigen Elements und des genannten Blattes vorgelegt.

Die Klägerin hat geltend gemacht, alle 21 angegriffenen Ausführungsformen machten von der Lehre des Anspruchs 1 des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch.

Sie hat beantragt,

die Beklagten zu verurteilen,

I.

es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,

in der Bundesrepublik Deutschland Tintenbehälter für die Zufuhr einer benötigten geeigneten Menge Tinte zu einem Rasterdruckerkopf anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, die folgende Merkmale aufweisen:

– der Tintenbehälter weist einen Deckel, eine rechteckige untere Wand
und Wände auf, die sich zwischen diesen erstrecken;

– der Tintenbehälter weist einen Tintenzufuhranschluss für die Zufuhr von
Tinte auf, der in der unteren Wand nahe einer schmalen Seite der recht-
winkligen unteren Wand angeordnet ist;

– der Tintenbehälter enthält ein tintenaufnehmendes Mittel, das
mindestens ein poröses Element umfasst, dessen Poren in eine Rich-
tung des Tintenzufuhranschlusses fortschreitend kleiner werden;

– eine Vielzahl von Rillen ist im Inneren der unteren Wand vorgesehen, die
mit dem Tintenzufuhranschluss in Verbindung stehen.

II.

ihr – der Klägerin – in einem geordneten Verzeichnis darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziff. I. aufgeführten Handlungen seit dem 14. April 2001 begangen hätten, und zwar unter Angabe

1.
der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und Vorbesitzer,

2.
der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten, Lieferpreisen, sowie der Typenbezeichnungen und der Namen und Anschriften der Abnehmer,

3.
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Angebotszeiten, Angebotspreisen, sowie der Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

4.
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

5.
der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungs- und Vertriebskosten und des erzielten Gewinns;

III.

die in ihrem – der Beklagten – unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen Erzeugnisse gemäß Ziff. I. zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihr – der Klägerin – zu bezeichnenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;

außerdem

IV.

festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus seit dem 14. April 2001 begangenen Handlungen gemäß Ziff. I. entstanden sei und noch entstehen werde.

Die Beklagten haben um Klageabweisung und hilfsweise darum gebeten, die Verhandlung des vorliegenden Rechtsstreits auszusetzen bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den von der BE (International) AG gegen das Klagepatent erhobenen Einspruch.

Sie haben bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht (am 13. August 2002) nicht in Abrede gestellt, dass die angegriffenen Tintenbehälter von der Lehre des Klagepatents Gebrauch machten, und sich nur damit verteidigt, das Klagepatent sei nicht rechtsbeständig. Erstmals mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 16. August 2002 haben sie geltend gemacht, das Blatt (62) sei lediglich ein Filterblatt; es könne nicht als „tintenaufnehmendes Mittel“ im Sinne des Klagepatents angesehen werden, weil es nur etwa 0,004 % desjenigen freien Volumens habe, welches das darüber befindliche schwammartige Element aufweise; das Filterblatt sei stets vollständig mit Tinte gefüllt, woraus resultiere, dass dort keine Kapillarkräfte aufträten, wie sie das Klagepatent den erfindungsgemäß vorgeschlagenen porösen Elementen zuschreibe.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf das Urteil vom 5. September 2002 wird Bezug genommen.

Die Beklagten haben Berufung eingelegt, mit der sie ihre bisherigen Anträge weiterverfolgen, hilfsweise um Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht bitten und außerdem beantragen, ihnen im Unterliegensfalle nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden.

Die Klägerin bittet um Zurückweisung der Anträge der Beklagten.

Die Parteien wiederholen und ergänzen ihr bisheriges Vorbringen, wobei die Beklagten sich u.a. darauf berufen, das Landgericht habe ihr Vorbringen zur Frage der Verletzung des Klagepatents zu Unrecht nicht berücksichtigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, soweit sie Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

II.

Die Berufung ist nicht begründet, weil das Landgericht der Klage mit Recht stattgegeben hat.

1.

Das Klagepatent betrifft einen Tintenbehälter zum Zuführen einer benötigten geeigneten Menge von Tinte zu einem Rasterdruckerkopf.

Die Klagepatentschrift (Abschnitt 0002) führt aus, aus der FR-A-2 229 320 (Anlage K 19) sei ein solcher Tintenbehälter bekannt, der außer einem Anschluss zum Zuführen von Tinte zu dem Druckerkopf ein tintenaufnehmendes Mittel aufweise, welches mindestens ein poröses Element umfasse, dessen Poren in einer Richtung zum Tintenzufuhranschluss progressiv kleiner würden. Der Tintenzufuhranschluss sei an der Vorderseite einer Tintenbehälterwand angeordnet, das tintenaufnehmende Mittel sei in der Nähe des Tintenzufuhranschlusses zusammengedrückt.

Die Klagepatentschrift weist weiter unten (Abschnitte 0018 – 0020) darauf hin, bei einer bekannten Tintenbehälterkonstruktion mit einem tintengetränkten porösen Material bestehe die Gefahr, dass der Weg der Tinte zum Tintenzufuhranschluss unterbrochen werde, so dass die fern von diesem Anschluss befindliche Tinte nicht mehr zugeführt werde. Auch bildeten sich in Tintenbehältern der bekannten Art häufig innerhalb des porösen Elements Luftblasen, die sich bei einem Ansteigen der Umgebungstemperatur oder einer Absenkung des atmosphärischen
Druckes ausdehnten; das könne zu unerwünschtem Austreten von Tinte und damit zum Verschmieren des Druckpapiers mit einem Tintenfleck oder zu Fehlfunktionen im Druckerkopfmechanismus führen.

In Abschnitt 0003 bezeichnet die Klagepatentschrift es als Aufgabe der Erfindung, einen qualitativ hochwertigen und hochgradig zuverlässigen Tintenbehälter für einen Rasterdruckerkopf bereitzustellen, der von einfacher Bauart und außerdem in der Lage sei, eine stabile und geeignete Menge Tinte zuzuführen, und der in geringerem Maße als frühere Konstruktionen durch Änderungen der Umgebungsbedingungen, wie etwa Temperaturschwankungen, beeinflusst werde.

Zur Lösung des so bezeichneten technischen Problems lehrt Anspruch 1 des Klagepatents die Kombination folgender Merkmale:

1.
Tintenbehälter (2) für die Zufuhr einer benötigten geeigneten Menge Tinte zu einem Rasterdruckerkopf.

2.
Der Tintenbehälter (2) weist auf:

a)
einen Deckel, eine rechteckige untere Wand und Wände, die sich zwischen diesen erstrecken;

b)
einen Tintenzufuhranschluss (41) für die Zufuhr von Tinte

und

c)
ein tintenaufnehmendes Mittel.

3.
Der Tintenzufuhranschluss (41) ist in der unteren Wand (40 a) nahe einer schmalen Seite der rechtwinkligen unteren Wand angeordnet.

4.
Das tintenaufnehmende Mittel umfasst mindestens ein poröses Element (60‘‘, 61, 62), und seine Poren werden in einer Richtung des Tintenzufuhranschlusses (41) fortschreitend kleiner.

5.
Im Inneren der unteren Wand (40 a) ist eine Vielzahl von Rillen (45 a,
45 b, 45 c) vorgesehen, die mit dem Tintenzufuhranschluss (41) in Verbindung stehen.

Durch die erfindungsgemäße Ausgestaltung des tintenaufnehmenden Mittels (mit seinen kleiner werdenden Poren) wird erreicht, dass die kapillare Anziehungskraft, welche auf die Tinte ausgeübt wird, in Richtung auf den Tintenzufuhranschluss zunimmt. Infolgedessen wird die Tinte während des Druckbetriebes gezielt in Richtung zum Tintenzufuhranschluss gefördert, ohne dass Tinte in den entfernt liegenden Poren des tintenaufnehmenden Mittels zurückbleibt bzw. Luftblasen gebildet werden, die das Fließen der Tinte in Richtung auf den Tintenzufuhranschluss behindern. Ein stabiler Tintenfluss ergibt sich des weiteren aufgrund der erfindungsgemäß vorgesehenen Rillen in der unteren Behälterwand. Auch durch sie wird gewährleistet, dass sich stets ausreichend Tinte im Zufuhranschluss befindet und das Entstehen von Luftblasen verhindert wird.

Die Klagepatentschrift hebt hervor, das tintenaufnehmende Mittel könne in der Nähe des Tintenzufuhranschlusses zusammengedrückt sein (Abschnitt 0009); es könne auch eine Mehrzahl tintenaufnehmender Elemente umfassen, die so angeordnet seien, dass Tinte von einem zum anderen fließen könne, wobei vorteilhafterweise die Poren einen unterschiedlichen durchschnittlichen Durchmesser aufwiesen, und zwar derart, dass der durchschnittliche Durchmesser der Poren in Richtung des Tintenzufuhranschlusses kleiner werde (Abschnitt 0005).

Bei der Beschreibung des Ausführungsbeispiels gemäß Figur 2 führt die Klagepatentschrift (Abschnitte 0034 und 0035) aus: Die porösen Elemente 61, 62 wiesen hinsichtlich der Poren verschiedene durchschnittliche Lochgrößen auf; der durchschnittliche Lochdurchmesser bei dem im oberen Teil des Tintenbehälters angeordneten porösen Element 61 sei größer als der bei dem darunter, näher bei dem Tintenzufuhranschluss 41, befindlichen Element 62. Auf diese Weise werde die Kapillaranziehung entlang des Tintenweges allmählich größer.

Angesichts des Streites der Parteien bedarf Merkmal 4 der oben wiedergegebenen Merkmalsgliederung näherer Erörterung.

Wie sich nicht nur aus der Formulierung des Patentanspruchs 1, sondern auch aus der Beschreibung des Klagepatents (Abschnitte 0005 und 0009) ergibt, kann das „tintenaufnehmende Mittel“ aus einem einzigen porösen Element oder auch aus mehreren tintenaufnehmenden (porösen) Elementen bestehen. Zu „fortschreitend kleiner werdenden“ Poren, die das „tintenaufnehmende Mittel“ patentgemäß aufweisen soll, kann man entweder z.B. dadurch kommen, dass man ein einziges Element nimmt, dessen durchschnittliche Porengröße zunächst überall etwa gleich groß ist, dieses Element aber beim Einbau in der aus Figur 8 der Klagepatentschrift ersichtlichen Weise in dem zum Tintenzufuhranschluss hin gelegenen Abschnitt so zusammendrückt, dass die Poren allmählich zu dem genannten Anschluss hin immer kleiner werden, oder man kann z.B. eine Gestaltung wählen, wie sie in Figur 2 dargestellt ist, nämlich zwei poröse Elemente verwenden, deren Poren – jeweils für sich gesehen – etwa die gleiche durchschnittliche Größe haben, wobei diese durchschnittliche Größe aber bei dem näher am Tintenzufuhranschluss befindlichen Element kleiner ist als bei dem anderen. Dass bei einer solchen Ausgestaltung die beiden tintenaufnehmenden, porösen Elemente jeweils eine bestimmte Mindestgröße haben müssten, sagt das Klagepatent nicht; es lässt es daher durchaus zu, dass eines der beiden Elemente den weitaus größten Teil des „tintenaufnehmenden Mittels“ umfasst und sich in ihm daher auch der weitaus größte Teil der Tinte befindet, während das zweite Element wesentlich kleiner ist, so dass es demzufolge nur einen sehr kleinen Teil der Gesamttintenmenge aufnimmt.

2.

Alle 21 angegriffenen Tintenbehälter machen von der Lehre des Anspruchs 1 des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch.

Das ist hinsichtlich der Merkmale 1 bis 3 und 5 offensichtlich und wird auch von den Beklagten nicht in Zweifel gezogen, so dass es keiner weiteren Erörterung bedarf.

Als wortsinngemäß erfüllt anzusehen ist aber auch das Merkmal 4.

Die Klägerin hatte bereits in der Klageschrift unter Bezugnahme auf die gleichzeitig vorgelegte Explosionszeichnung gemäß Anlage K 2 vorgetragen, bei allen angegriffenen Ausführungsformen bestehe das tintenaufnehmende Mittel jeweils aus den beiden porösen Elementen 61 und 62, wobei das – auf S. 14 der Klageschrift (Bl. 14 GA) ausdrücklich ebenfalls als „tintenaufnehmend“ bezeichnete – Element 62 blattartig ausgebildet sei; die Klägerin hat für dieses Element auf S. 51/52 der Klageschrift (Bl. 51 f. GA) die Bezeichnung „Gewebe“ verwendet. Sie hat zugleich ausgeführt, das „Gewebe (62)“ besitze Poren kleineren Durchmessers als das schwammartige Schaumstoffmaterial des Elements 61.

Damit hatte die Klägerin zur Verwirklichung auch des Merkmals 4 bei der angegriffenen Ausführungsform hinreichend vorgetragen, zumal wenn man berücksichtigt, dass die Beklagten ihrerseits bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht nicht in Zweifel gezogen hatten, die angegriffenen Tintenbehälter machten von der Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch.

Wie oben ausgeführt, verlangt das Klagepatent nicht, bei einer Aufteilung des „tintenaufnehmenden Mittels“ auf mehrere, z.B. zwei, Elemente müsse jedes dieser Elemente eine bestimmte Mindestgröße aufweisen, so dass es in Übereinstimmung mit der Lehre des Klagepatents steht, ein zweites poröses Element zu wählen, das wesentlich kleiner ist als das erste und deshalb nur einen ganz kleinen Anteil der Gesamtmenge an Tinte aufnimmt.

Da die Beklagten bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht die Benutzung der Lehre des Klagepatents durch alle angegriffenen Tintenbehälter nicht in Abrede gestellt hatten, hatte die Klägerin im ersten Rechtszug zu näheren Darlegungen über die Menge an Tinte, die das „Gewebe (62)“ aufnimmt, ebensowenig Anlass wie zu näheren Ausführungen dazu, ob bei den angegriffenen Tintenbehältern, bei denen unstreitig das zweite – poröse – Element (62) kleinere Poren hat als das darüber befindliche, also weiter von dem Tintenzufuhranschluss entfernte schwammartige Element (61), auch die mit der patentgemäßen Lösung bezweckte Kapillarwirkung eintrete.

Es ist anerkannt, dass die Anforderungen an die Substantiierungslast der darlegungspflichtigen Partei auch vom Vorbringen der Gegenpartei abhängen, die darlegungspflichtige Partei sich daher mit einem unter Umständen recht knappen Vortrag zu den rechtlich erheblichen Tatsachen begnügen kann, solange die Gegenpartei sich dazu nicht ihrerseits konkret bestreitend äußert (vgl. dazu Zöller-Greger, ZPO, 24. Aufl., § 138 Rdnr. 8 m.w.N.; a.a.O., vor § 253 Rdnr. 24).

Nach dem Sach- und Streitstand am Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht war die Klage daher in vollem Umfang schlüssig, so dass ihr mangels Bestreitens rechtlich erheblicher Tatsachen durch die Beklagten stattzugeben war.

Den erstmals nach Schluss der mündlichen Verhandlung des ersten Rechtszuges gebrachten schriftsätzlichen Vortrag der Beklagten dazu, das „Gewebe (62)“ sei so dünn, dass es praktisch keine Tinte im Sinne des Klagepatents „aufnehmen“ könne, auch träten bei den angegriffenen Ausführungsformen keine Kapillarkräfte auf, hat das Landgericht mit Recht nicht berücksichtigt. Es handelte sich dabei um ein Vorbringen, das erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingeführt worden und daher gemäß § 296 a ZPO nicht zu beachten war. Da keinerlei Gründe dafür ersichtlich waren – und sind -, die die Beklagten an einer früheren Geltendmachung dieses Vorbringens gehindert hätten, bestand auch für das Landgericht zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO) kein Anlass.

Angesichts dessen kann das genannte Vorbringen der Beklagten auch im Berufungsverfahren nicht zugelassen werden (§ 531 Abs. 2 ZPO).

Das in Rede stehende Vorbringen der Beklagten betrifft keinen Gesichtspunkt, den das Landgericht erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hätte (§ 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO); denn das Landgericht hat auch das Merkmal 4 der obigen Merkmalsgliederung in Betracht gezogen und ausdrücklich als verwirklicht angesehen.

Irgendein Verfahrensfehler des Landgerichts, der die Ursache dafür gewesen wäre, dass die Beklagten ihr neues Vorbringen im ersten Rechtszug nicht (in prozessual erheblicher Weise) geltend gemacht haben (§ 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), ist nicht feststellbar.

Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, kann auch nicht angenommen werden, es liege ein Fall des § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO vor, die Beklagten hätten also ihr Vorbringen zur Frage der Patentverletzung aus anderen Gründen als aus Nachlässigkeit im ersten Rechtszug nicht in rechtlich beachtlicher Weise geltend gemacht.

Eine Zulassung des neuen Vorbringens kommt schließlich auch nicht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Betracht, und zwar auch dann nicht, wenn man entgegen der Ansicht von Gaier (NJW 2004, 110 ff.) annimmt, zu den in § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO genannten „vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen“ gehörten alle Tatsachen, die das erstinstanzliche Gericht seiner Entscheidung zugrundegelegt hat, und nicht nur die, welche es im technischen Sinne „festgestellt“ hat, hinsichtlich deren es also eine Entscheidung darüber getroffen hat, ob sie wahr oder unwahr seien. Denn jedenfalls könnte der Senat das neue Vorbringen der Beklagten, das – wie ausgeführt – nicht bereits nach § 531 ZPO zuzulassen ist, seiner Entscheidung allenfalls dann zugrundelegen, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen des Landgerichts begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten würden (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Dafür ist jedoch nichts ersichtlich: Wie sich aus den Darlegungen unter I. 1. dieses Urteils ergibt, ist die Ansicht des Landgerichts zur Auslegung des Merkmals 4 zutreffend. Zweifel an der Richtigkeit der weiteren – dem schlüssigen Klägervortrag entsprechenden – Annahme des Landgerichts, die kleinere Porengröße des „Gewebes (62)“ führe auch zu der patentgemäß erstrebten Kapillarwirkung beim Transport der Tinte aus dem Tintenbehälter in Richtung zu dem Druckerkopf, könnten allenfalls dann angenommen werden, wenn die Beklagten entweder konkret vorgetragen hätten, bei den angegriffenen Tintenbehältern sei ein ausreichender Transport der in ihnen befindlichen Tintenmenge (bis auf ganz geringe Reste, die immer zurückbleiben werden) in Richtung zum Druckerkopf nicht gewährleistet, oder, ein solcher Transport sei zwar gegeben, beruhe aber auf anderen – im einzelnen darzulegenden – Ursachen als auf einer Kapillarwirkung, welche durch die geringere Größe der Poren des „Gewebes (62)“ im Verhältnis zu denen des davor befindlichen schwammartigen Elementes (61) herbeigeführt werde.

Solcher Vortrag der Beklagten fehlt aber. Dass die angegriffenen Tintenbehälter nicht genügend zu entleeren seien, machen sie selbst nicht geltend. Um nachvollziehbar darzulegen, die – offenbar gegebene – genügende Entleerbarkeit dieser Behälter beruhe auf anderen Ursachen als der patentgemäß erstrebten Kapillarwirkung, reicht ihre Behauptung allein nicht aus, das „Gewebe (62)“ – das sich unmittelbar über dem Tintenzufuhranschluss befindet und nur eine ganz geringe Tintenmenge enthält – sei stets vollständig mit Tinte gefüllt; denn auch bei Tintenbehältern, die z.B. gemäß Figur 2 der Klagepatentschrift ausgestaltet sind, muss angenommen werden, dass sie bei einem bestimmungsgemäßen Gebrauch nicht vollständig entleert werden, sondern dass sich in ihnen dann, wenn sie keine Tinte mehr an den Druckerkopf abgeben, unmittelbar vor dem Tintenzufuhranschluss noch ein ganz geringer Rest an Tinte befindet.

Es muss deshalb bei der Annahme des Landgerichts bleiben, die Beklagten machten bei allen angegriffenen Tintenbehältern wortsinngemäß von der Lehre des Klagepatents Gebrauch. Sie verletzen daher dieses Schutzrecht, weil sie – wie sie selbst nicht in Abrede stellen – zu seiner Benutzung nicht berechtigt sind.

3.

Dass und warum die Beklagten angesichts dessen im Umfang der landgerichtlichen Verurteilung zur Unterlassung, Vernichtung, Rechnungslegung und zum Schadensersatz verpflichtet sind, wobei die Klägerin hinsichtlich der Schadensersatzverpflichtung zulässigerweise lediglich auf Feststellung geklagt hat, hat das Landgericht in seinem Urteil näher dargelegt; auf diese – zutreffenden – Ausführungen kann zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden.

4.

Zu einer Aussetzung der Verhandlung des vorliegenden Rechtsstreits bis zum rechtskräftigen Abschluss des gegen das Klagepatent anhängigen Einspruchsverfahrens (§ 148 ZPO) besteht kein Anlass.

Angesichts des Umstandes, dass ein Patent seinem Inhaber nur ein zeitlich begrenztes Ausschließlichkeitsrecht gewährt, dessen Durchsetzung durch eine Aussetzung der Verhandlung eines Verletzungsrechtsstreits – selbst dann, wenn bereits, wie hier, ein nur gegen Sicherheitsleistung des Patentinhabers vorläufig vollstreckbares erstinstanzliches Urteil vorliegt – jedenfalls erheblich erschwert würde, kommt eine Aussetzung nur in Betracht, wenn ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents in dem gegen dieses Recht anhängigen Verfahren nicht nur möglich, sondern überwiegend wahrscheinlich ist (vgl. dazu außer BGH, GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug – auch Senat, Mitt. 1997, 257 ff. – Steinknacker – sowie GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe). Dabei ist zwar, wie der Senat in seiner „Steinknacker“-Entscheidung ausgeführt hat, bei der Prüfung der Aussetzungsfrage im Berufungsverfahren dann ein weniger strenger Maßstab anzulegen, wenn der Schutzrechtsinhaber bereits – wie hier – über einen erstinstanzlichen Titel gegen seinen Prozessgegner verfügt, aus dem er – wenn auch nur gegen Sicherheitsleistung – vorläufig vollstrecken kann; eine hinreichende Erfolgsaussicht für den Angriff auf das Klageschutzrecht ist aber auch in derartigen Fällen erforderlich. Vorliegend fehlt es jedoch an einer solchen.

Bereits das Landgericht hat im Einzelnen dargelegt, warum die Entgegenhaltungen, auf die sich die BE (International) AG im Einspruchsverfahren gegen das Klagepatent beruft, voraussichtlich nicht zu einem Widerruf dieses Schutzrechts führen würden. Dem ist zuzustimmen, zumal für die Richtigkeit dieser Prognose des Landgerichts auch der Umstand spricht, dass inzwischen die mit sachkundigen Mitgliedern besetzte Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts den Einspruch gegen das Klagepatent zurückgewiesen hat, nachdem sie bereits in ihrer Stellungnahme vom 14. Mai 2003 (Anlage R 2 der Klägerin) näher dargelegt hatte, dass und warum nach ihrer Beurteilung das Klagepatent als rechtsbeständig anzusehen sei, weil es auch gegenüber den im Einspruchsverfahren geltend gemachten Entgegenhaltungen auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Dass diese Beurteilung durch die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts unzutreffend sei und dass ihr nicht gefolgt werden könne, ist für den Senat nicht ersichtlich.

5.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO. Dem Antrag der Beklagten, ihnen zu gestatten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden
(§ 712 Abs. 1 ZPO), konnte nicht stattgegeben werden, weil die Beklagten schon nicht dargelegt, geschweige denn glaubhaft gemacht (§ 714 Abs. 2 ZPO) haben, dass ihnen die Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde.

Eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) kam nicht in Betracht, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht gegeben sind: Die vorliegende Rechtssache, die einen reinen Einzelfall betrifft, hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

R1 R2 R4