2 U 103/04 – Schwangerschaftstestgerät VI

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1255

Oberlandesgericht Düsseldorf
Teilurteil vom 14. Januar 2010, Az. 2 U 103/04

Die Berufung des Beklagten zu 2. gegen das im Oktober 2004 verkündete Urteil der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird als unzulässig verworfen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten zu 2. wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 200.000,– Euro abzuwenden, falls nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

G r ü n d e :

I.
Die Klägerin ist – aufgrund Rechtsnachfolge – eingetragene Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten und in englischer Verfahrenssprache veröffentlichten europäischen Patents 0 560 vvv (Anlage MBP 13, deutsche Übersetzung MBP 14; nachfolgend: Klagepatent), das einer im April 1988 unter Inanspruchnahme zweier britischer Prioritäten vom. April 1987 und Oktober 1987 eingereichten Anmeldung beruht. Die Veröffentlichung der Patenterteilung erfolgte im Juli 2000. Der deutsche Teil des Klagepatents wird beim deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen DE 38 56 xxx geführt.

Das Klagepatent betrifft spezifische Bindungstestverfahren. Wegen des Wortlauts des im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Patentanspruchs 1 wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.

Gegen die Erteilung des Klagepatents sind mehrere Einsprüche eingelegt worden, denen die Beklagte zu 1. beigetreten ist. Nachdem die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts das Klagepatent zunächst widerrufen hatte, hat die Technische Beschwerdekammer diese Entscheidung aufgehoben und den Fall an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen. Durch Entscheidung vom Dezember 2007 hat die Einspruchsabteilung die Einsprüche daraufhin zurückgewiesen.

Der Beklagte zu 2. ist Geschäftsführer der Beklagten zu 1., über deren Vermögen zwischenzeitlich durch Beschluss des Amtsgerichts vom November 2007 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist (Bl. 370 GA). Zum Insolvenzverwalter ist Rechtsanwalt Dr. A in B bestellt worden.

Die Beklagte zu 1. hat in der Bundesrepublik Deutschland unter der Bezeichnung „C“ Schwangerschaftstestgeräte, Ovulationstestgeräte sowie Menopausegeräte vertrieben, darunter die folgenden Schnelltests: „C D Stick Test“, „D Distrip Test“, „E StickTest“, „F Stick Test“, „Time E Stick-Test“, „Time E Distrip-Test“, „Time D Distrip-Test“ und „G Schwangerschaftsfrühtest“.

Die Klägerin hat im Angebot und Vertrieb der vorbezeichneten Testgeräte eine Verletzung des Klagepatents gesehen, weshalb sie die Beklagten auf Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunftserteilung, Vernichtung der als patentverletzend angegriffenen Gegenstände sowie Feststellung ihrer Verpflichtung zum Schadensersatz in Anspruch genommen hat.

Die Beklagten, die um Klageabweisung und hilfsweise um Aussetzung des Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem Einspruchsverfahren gegen das Klagepatent gebeten haben, haben eine Verletzung des Klagepatents in Abrede gestellt.

Durch Urteil vom Oktober 2004 hat das Landgericht dem Klagebegehren im Wesentlichen entsprochen. Es hat in der Sache wie folgt erkannt:

I.
Die Beklagten werden verurteilt,

1.
es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, in der Bundesrepublik Deutschland spezifische Bindungsassays

mit einem für einen Analyten spezifischen markierten Reagenz, das durch einen porösen Träger frei wandern kann, der durch Aufbringen einer vermutlich den Analyten enthaltenden wässrigen Probe befeuchtet wird,

wobei es auf dem porösen Träger eine Detektionszone gibt, in der ein unmarkiertes spezifisches Bindungsagens für den Analyten permanent immobilisiert und daher im feuchten Zustand nicht beweglich ist, wobei das unmarkierte spezifische Bindungsagens mit dem Analyten und dem markierten Reagenz an einer Sandwich-Reaktion teilnehmen kann und der poröse Träger einen Teil einer analytischen Testvorrichtung umfasst,

anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

bei denen die Markierung eine partikelförmige Direktmarkierung ist, und bei denen auf dem porösen Träger stromabwärts von der Detektionszone eine Kontrollzone vorhanden ist, wobei die Kontrollzone immobilisierten Antikörper enthält, der an das markierte Reagenz binden kann, oder wobei die Kontrollzone immobilisierten
Analyten enthält, der an das Reagenz binden kann, und

bei denen das markierte Reagenz aus dem trockenen Zustand in der analytischen Testvorrichtung durch die wässrige Probe aufgenommen wird und mit dieser durch die Detektionszone und Kontrollzone wandert, wodurch sich ein positives Assayergebnis durch sichtbares Binden desselben markierten Reagenz sowohl in der Detektionszone als auch der Kontrollzone zeigt, und sich ein negatives Assayergebnis durch sichtbares Binden des markierten Reagenzes nur in der Kontrollzone zeigt;

2.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagten) die zu I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 26. August 2000 begangen haben, und zwar unter Angabe

a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und
–preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer sowie der Vorbesitzer,

b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und
–preisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten, des Umsatzes und des erzielten Gewinns;

3.
die in der Bundesrepublik Deutschland in ihrem Besitz oder Eigentum befindlichen Bindungsassays, wie vorstehend unter 1. beschrieben, zu vernichten.

II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten, seit dem 26. August 2000 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Wegen der EinzeEeiten der Begründung wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses ihnen am 4. November 2004 zugestellte Urteil haben beide Beklagte am 6. Dezember 2004 Berufung eingelegt. Durch Verfügung vom 4. Januar 2005 ist den Beklagten die Berufungsbegründungsfrist bis zum 4. März 2005 verlängert worden. Vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist hat der Senat durch Beschluss vom März 2005 die mündliche Verhandlung bis zum rechtskräftigen Abschluss des das Klagepatent betreffenden Einspruchsverfahrens ausgesetzt.

Nachdem die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts die Einsprüche gegen das Klagepatent zurückgewiesen hat, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom
26. November 2008 darum gebeten, dem Verfahren Fortgang zu geben. Es ist darauf mit Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 11. Dezember 2008 Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt worden, wobei der Klägerin eine Frist bis zum 31. März 2009 und der Beklagten eine Frist bis zum 31. Juli 2009 gesetzt worden ist. Auf Antrag der Beklagten ist außerdem die Frist zur Begründung der Berufung durch Verfügung vom 9. März 2009 bis zum 6. April 2009 verlängert worden.

Der Beklagte zu 2. hat seine Berufung nicht begründet. Im Verhandlungstermin vom 14. Dezember 2009 ist er trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten zu 2. als unzulässig zu verwerfen,

hilfsweise die Berufung des Beklagten zu 2. im Wege des Versäumnisurteils zurückzuweisen.

Wegen weiterer EinzeEeiten des Sachstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.

II.
Die Berufung des Beklagten zu 2. ist unzulässig, weil sie entgegen § 520 ZPO nicht begründet worden ist. Der Beklagte zu 2. hat seine Berufung weder innerhalb der durch die Verfügung vom 9. März 2009 (Bl. 358 GA) bis zum 6. April 2009 verlängerten Berufungsbegründungsfrist noch bis zum Ablauf der zuvor durch die Verfügung vom 11. Dezember 2008 (Bl. 345 – 346 GA) bis zum 31. Juli 2009 gesetzten Stellungnahmefrist und auch hiernach nicht begründet.

Dass über das Vermögen der Beklagten zu 1. durch Beschluss des Amtsgerichts vom November 2007 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, hat auf den Lauf der Berufungsbegründungsfrist für den Beklagten zu 2. keinen Einfluss gehabt. Das Verfahren gegen den Beklagten zu 2. ist durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten zu 1. nicht nach § 240 ZPO unterbrochen worden. Wird über das Verfahren eines einfachen Streitgenossen (hier: Beklagte zu 1.) das Insolvenzverfahren eröffnet, so tritt eine Unterbrechung des Verfahrens nämlich nur gegenüber diesem ein. Das Verfahren gegen die übrigen Streitgenossen wird durch die Unterbrechung des Verfahrens gegen einen einfachen Streitgenossen hingegen nicht berührt (BGH, NJW-RR 2003, 1002, 1003; Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., § 240 Rdnr. 7).

Da die Berufung des Beklagten zu 2. damit entgegen § 520 ZPO nicht begründet worden ist, ist sie nach § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, und zwar durch kontradiktorisches Urteil („unechtes Versäumnisurteil“). Bleibt der Berufungskläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht säumig und erweist sich seine Berufung als unzulässig, so ist die Berufung nicht gemäß § 539 Abs. 1 ZPO durch (echtes) Versäumnisurteil zurückzuweisen, sondern gemäß § 522 Abs. 1 ZPO durch so genanntes unechtes Versäumnisurteil als unzulässig zu verwerfen; der Erlass eines Versäumnisurteils gemäß § 539 Abs. 1 ZPO setzt voraus, dass die Berufung zulässig ist (vgl. OLG Brandenburg, NJW-RR 1998, 1678, 1679; Zöller/Gummer/Heßler, a.a.O., § 539 Rdnr. 4 u. 11; Musielak,
7. Aufl., § 539 Rdnr. 2 m. w. Nachw.).

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.