2 U 11/10 – Blutgefäßschließer

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1397

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 15. Juli 2010, Az. 2 U 11/10

1. Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das am 18. Dezember 2009 verkündete Urteil der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

2. Die Verfügungsbeklagten haben auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt 500.000,– Euro.

G r ü n d e :

I.

Die Berufung der Verfügungsbeklagten ist zulässig, aber in der Sache unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht dem Verfügungsantrag entsprochen und der Verfügungsbeklagten untersagt, den nunmehr angegriffenen und mit der Bezeichnung „A“ versehenen Occluder in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen. Der angegriffene Occluder verwirklicht die im Verfügungspatent – dem auch in der Bundesrepublik Deutschland Schutz beanspruchenden europäischen Patent 0 808 XXX – niedergelegte technische Lehre zum Teil wortsinngemäß und im übrigen mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug und macht sie sich in vollem Umfang zu eigen.

1.
Das Verfügungspatent betrifft intravaskuläre Vorrichtungen, mit denen Blutgefäße eines Patienten verschlossen werden können, etwa um den Blutstrom zu einem Tumor oder einer anderen Schädigung zu unterbinden. Allgemein werden hierzu nach den Ausführungen der Klagepatentschrift Embolisationsagentia wie Verschlusspartikel oder kurze Abschnitte von Schraubenfedern in das Blutgefäß eingeführt, wo sie sich festsetzen sollen. Häufig fließen die Verschlusspartikel jedoch vom Ort ihrer Einführung mit dem Blutstrom etwas abwärts, bevor sie das Gefäß verschließen (Verfügungspatentschrift, Übersetzung Abs. [0003]).

Als Alternative vorgeschlagene, in ihrem Inneren mit einem aushärtenden Harz versehene Ballonkatheter, die nach ihrem Verbringen zum Einsatzort vom Ende des Katheters abgelöst und an der vorgesehenen Verschlussstelle zurückgelassen werden, können Sicherheitsprobleme mit sich bringen. Ist der Ballon nicht ausreichend aufgefüllt, findet er keinen festen Sitz im Gefäß und kann stromabwärts an eine nicht vorgesehene Stelle des Gefäßes treiben; ist er übermäßig gefüllt, kann er reißen und das Harz in den Blutstrom des Patienten gelangen. Mechanische Embolisationsvorrichtungen, Filter und Fallen werden als vergleichsweise kostspielig kritisiert (vgl. Verfüungspatentschrift, Übersetzung Abs. [0004] bis [0006]).

Vor dem Hintergrund dieses Standes der Technik gibt die Verfügungspatentschrift als Aufgabe (technisches Problem) der Erfindung an, eine zuverlässige Embolisationsvorrichtung zu schaffen, die sowohl ohne Schwierigkeiten entfaltet als auch präzise in einem Gefäß eingesetzt werden kann (Übers. Abs. [0007]).

Zur Lösung dieser Problemstellung sehen die nebengeordneten Ansprüche 1 und 16 die Kombination folgender Merkmale vor:

Anspruch 1:

1. Kollabierbare medizinische Vorrichtung (60), die ein Metallgewebe umfasst.
2. Das Metallgewebe ist aus geflochtenen Metalllitzen gebildet.
3. Die Vorrichtung hat
a) eine kollabierte Konfiguration durch einen Kanal in einem Patienten und
b) eine allgemein hantelförmige entfaltete Konfiguration.
4. Die allgemein hantelförmige (entfaltete) Konfiguration hat
a) zwei Teile mit erweitertem Durchmesser (64), die
b) durch einen Teil mit reduziertem Durchmesser (62) getrennt sind, der zwischen entgegen gesetzten Enden der Vorrichtung gebildet ist.
5. Klemmen (15) zum Festklemmen der Litzen sind an den entgegen gesetzten Enden der Vorrichtung ausgeführt.
Anspruch 16:

1. Verfahren zum Herstellen einer medizinischen Vorrichtung mit den vorstehenden Merkmalen 1 bis 5 des Patentanspruches 1.
2. Das Verfahren umfasst folgende Schritte:
a) Bereitstellen eines Metallgewebes, das aus einer Mehrzahl geflochtener Litzen gebildet ist, wobei die Litzen aus einem Metall hergestellt werden, das wärmebehandelt werden kann, um im wesentlichen eine gewünschte Form festzulegen;
b) Verformung des Metallgewebes, damit es allgemein einer inneren Wandfläche eines Formelementes (20) entspricht;
c) Wärmebehandeln des Metallgewebes im Kontakt mit der Oberfläche des Formelementes bei einer erhöhten Temperatur, wobei die Temperatur und die Dauer der Wärmebehandlung ausreichen, um die Form des Gewebes in seinem verformten Zustand im wesentlichen festzulegen;
d) Entfernen des Metallgewebes aus dem Kontakt mit dem Formelement;
e) Festklemmen der entgegengesetzten Litzen der Vorrichtung (60) mit Klemmen (15).

Die erfindungsgemäße Vorrichtung erlaubt es, sie in der kollabierten zusammengefalteten Form – etwa mit Hilfe eines Katheters – in das Gefäß eines Patienten einzuführen; wird sie aus dem distalen Ende des Katheters entlassen, kann sie eine definiert entfaltete Form annehmen, die gewährleistet, dass die Vorrichtung sich nicht unbeabsichtigt vom Ort ihres therapeutischen Einsatzes entfernen kann. Im Zusammenhang mit der beispielhaft genannten Verwendung als vaskuläre Verschlussvorrichtung führt die Verfügungspatentschrift zu diesem letztgenannten Gesichtspunkt aus, die Vorrichtung werde innerhalb des zu verschließenden Blutgefäßes so positioniert, dass ihre Achse generell mit derjenigen des Blutgefäßes übereinstimme. Die besondere Hantelform der entfalteten Konfiguration begrenze dabei die Möglichkeit, dass sich die vaskuläre Verschlussvorrichtung gegenüber dieser Gefäßachse im Winkel verdrehe, so dass gewährleistet sei, dass die Vorrichtung im wesentlichen in derjenigen Position verbleibe, in die der Arzt sie im Gefäß eingesetzt habe (Übersetzung Abs. [0058]).

2.
Auch der im vorliegenden Verfahren angegriffene Gegenstand, nämlich der von der Verfügungsbeklagten zu 1. unter der Bezeichnung „A“ in den Verkehr gebrachte Occluder, dessen gebündelte Drahtenden wie aus der nachstehend wiedergegebenen Abbildung aus der als Anlage ASt 8b vorgelegten Broschüre ersichtlich miteinander verschweißt sind, ohne dass eine zusätzliche Hülse aufgesetzt wird, verwirklicht die unter Schutz gestellte technische Lehre.

a)
Der angegriffene Occluder umfasst ein Metallgewebe im Sinne der Merkmale 1 und 2 des Vorrichtungsanspruchs 1 und der Merkmalsgruppe 2 des Verfahrensanspruches 16. Dieses Gewebe muss nicht, wie schon das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, wie herkömmlicherweise textile Gewebe aus rechtwinklig sich kreuzenden Kett- und Schussfäden gebildet werden, sondern kann auch ein Metallgeflecht sein. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Merkmals 2, welcher vorsieht, das Gewebe aus geflochtenen Metalllitzen zu bilden. Das bedeutet – worauf noch näher einzugehen sein wird – nicht, dass die als Ausgangsmaterial für das Gewebe verwendeten Litzen aus mehreren Filamenten geflochten sein müssten, vielmehr soll das Gewebe selbst gefertigt werden, indem man einzelne Litzen mit einander verflicht und die Metalllitzen hierzu regelmäßig ineinander verschlingt. Dementsprechend bezeichnet die Verfügungspatentschrift das in Figur 1 A dargestellte Ausführungsbeispiel als Flechtschlauch bzw. schlauchförmiges Flechtgewebe (siehe z.B. Übersetzung Absätze [0022], [0028] bis [0031] und [0041] bis [0047]), und stellt gewirkte oder gestrickte Konfigurationen ausdrücklich einem Gewebe aus wie Kette und Schuss rechtwinklig verlaufenden Litzen gleich (Abs. [0023]). Alle diese Ausgestaltungen sind Gewebe im Sinne des Verfügungspatentanspruches 1.

Sämtliche vorbeschriebenen Ausführungsmöglichkeiten werden dem mit der Vorgabe eines Metallgewebes aus geflochtenen Metalllitzen verfolgten Sinn und Zweck gerecht, der darin besteht, ein kollabierbares und nach dem Einsetzen und Entfalten durchlässiges Flächengebilde aus mehreren sich kreuzenden Drähten mit etwa maschenförmigen Durchlässen zu erzeugen, das nach dem Entfalten im Gefäß des Patienten eine Struktur bildet, an der sich zum Verschluss des Gefäßdefektes ein Thrombus bilden kann, und das gleichzeitig mit seinen erweiterten Abschnitten in der Lage ist, die Vorrichtung am Behandlungsort im Gefäß des Patienten zu fixieren. Im Rahmen dieser Funktion macht es für den Durchschnittsfachmann keinen Unterschied, ob ein herkömmliches Gewebe oder ein Geflecht verwendet wird.

Dass auch die in der Verfügungspatentschrift (Abs. [0009]) als Stand der Technik erwähnte PCT-Anmeldung WO-A-94/12 136 ein im herkömmlichen Sinn gebildetes Gewebe offenbart, besagt – entgegen der von den Verfügungsbeklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Ansicht – nichts darüber, dass das Verfügungspatent die Vorgabe „Gewebe“ in einem engeren Sinne als vorstehend dargelegt versteht und die unter Schutz gestellte technische Lehre auf Okklusionsvorrichtungen aus klassisch gebildeten Geweben beschränkt. Die genannten Aussagen in der Beschreibung zur Ausführung der Erfindung sind eindeutig und hinterlassen beim angesprochenen Durchschnittsfachmann keine Zweifel.

b)
Dieses Metallgewebe ist aus Metalllitzen gebildet. Philologisch betrachtet sind allerdings die bei der angegriffenen Ausführungsform verwendeten Einzeldrähte keine Metalllitzen, denn das setzt nach allgemeinem Sprachgebrauch voraus, dass mehrere Filamente miteinander verdrillt werden und dann zusammen eine Litze bilden. Indessen kommt es auf den allgemeinen Sprachgebrauch nicht an, wenn die Klagepatentschrift – wie hier – erkennen lässt, dass sie von diesem allgemeinen Sprachgebrauch abweicht.
Die Vorgabe geflochtene Metalllitzen in Merkmal 2 bezieht sich – wie bereits erwähnt – nicht auf das Erzeugen der Litzen vor ihrer Verarbeitung zu einem Metallgewebe, sondern auf die Herstellung des Metallgewebes selbst, das gefertigt werden soll, indem die Metalllitzen wie vorbeschrieben miteinander verflochten werden. In der Patentbeschreibung (Übersetzung Abs. [0027]) werden solche – dort als „Kabel“ bezeichnete – Metalllitzen aus miteinander zu einem „Faden“ verdrillten Filamenten als eine von mehreren Möglichkeiten zugelassen; ihnen wird der Vorteil zugeschrieben, sie seien „weicher“ als Monofilamentdrähte und besäßen eine größere wirksame Oberfläche, was die Thrombusbildung zum beabsichtigten Schließen eines Gefäßes fördere. Als andere ausdrücklich zugelassene Möglichkeit zur Bildung der Litzen nennt die Beschreibung am angegebenen Ort die Verwendung von Monofilamentdrähten. Bei dieser Ausführungsform besteht die Litze nur aus einem einzigen Draht. Die Beschreibung weist zwar darauf hin, solche Litzen seien weniger weich als solche aus einer Mehrzahl dünnerer verdrillter Drähte gleichen Durchmessers und ihre zur Thrombusbildung wirksame Oberfläche sei kleiner. Durch ihre ausdrückliche Erwähnung wird sie aber in der Verfügungspatentschrift als Alternative zum „Kabel“ zur Bildung einer Metalllitze im Sinne des Merkmals 2 anerkannt.

Hierzu besagt die maßgebliche englische Fassung der Verfügungspatentbeschreibung nichts anderes. Die im Englischen für diese Elemente verwendete Vokabel „strand“ kann sowohl mit Einzeldraht als auch mit Litze bzw. Strang übersetzt werden.

Auch der Umstand, dass die maßgebliche englische Fassung der Verfügungspatentschrift in diesem Zusammenhang den Ausdruck „comprise“ und nicht die Wendung „can be“ verwendet (Abs. [0022], entspricht Abs. [0027] der deutschen Übersetzung,) besagt nichts Gegenteiliges. Das Wort „comprise“ soll hier, wie der auch in der englischen Fassung unstreitig zugelassene Einsatz von Litzen aus Monofilamentdrähten zeigt, zum Ausdruck bringen, dass die Drahtlitzen aus einem Standardmonofilament bestehen, also auch lediglich ein (einziges) solches Standardmonofilament „umfassen“ können, wie es die deutsche Übersetzung formuliert hat.

c)
Erfolglos bleibt auch der Einwand der Verfügungsbeklagten, die angegriffene Vorrichtung führe die Drähte nur an einem statt wie in den Ansprüchen 1 und 16 beschrieben zwei gegenüberliegenden Enden der Vorrichtung zusammen. Das Landgericht hat bereits im Vorverfahren 4b O 297/06 betreffend den Occluder „B FPO“ zu Recht ausgeführt, auch derartige Konfiguration entsprächen noch dem technischen Wortsinn der Merkmale 5 und 2 a), denn der in der Verfügungspatentbeschreibung (Übers. Abs. [0028] bis [0030], [0032] und [0040]) hervorgehobene erfindungsgemäß durch das Vorsehen von Klemmen angestrebte Schutz der Litzen gegen ein Ausfasern der gebündelten Drahtenden und gegen ein Zurückkehren in die ungeflochtene Position unter Auflösung des Metallgewebes erscheint nur dort sinnvoll und notwendig, wo ein abgeschnittenes freies Ende vorliegt, welches ausfasern kann. In Abs. [0032] und [0033] beschreibt die Verfügungspatentschrift, dass auch aus flachen Geweben entsprechend Figur 1B erfindungsgemäße Verschlussvorrichtungen hergestellt werden können, indem man die vier Enden des dort gezeigten Gewebestückes nach oben umschlägt; die sich nach dem Festklemmen bildende leere Tasche braucht dann nur am oberen „Rand“ zusammengeklammert zu werden.

Dies greift die Berufung vergeblich an. Zwar ist den Beklagten einzuräumen, dass die Ansprüche 1 und 16 des Klagepatentes bei philologischer Betrachtung mehrere Klemmen (Plural) lehren und darüber hinaus vorschreiben, mit diesen Klemmen die Litzen an den entgegengesetzten Enden der Vorrichtung festzuklemmen. Das beschreibt Konfigurationen, bei denen sowohl am proximalen als auch am entgegengesetzten – distalen – Ende jeweils eine Klemme vorhanden ist. Bei diesem rein sprachlichen Verständnis bleibt der Durchschnittsfachmann jedoch nicht stehen. Er sieht, dass mit Hilfe der Klemmen die Enden der Litzen gebündelt und dauerhaft zusammengehalten werden sollen, weshalb das Merkmal 2 e) des Anspruches 16 auch auf ein Festklemmen der entgegengesetzten Enden der Litzen und nicht derjenigen der Vorrichtung abstellt, und zwar unabhängig davon, ob die Litzen in gestrecktem Zustand belassen oder ihre Enden durch Umbiegen übereinander gelegt wurden, denn durch das Übereinanderlegen hören die beiden Enden der Litzen nicht auf zu existieren. Da das dort beschriebene Verfahren einen Gegenstand u.a. der in Anspruch 1 geschützten Art hervorbringen soll, wird der Fachmann den technischen Sinngehalt des Anspruches 1 auch auf Ausführungen beziehen, bei denen beide Litzenenden übereinander gelegt und nur an einem axialen Ende der Vorrichtung gebündelt werden. Dass das Verfügungspatent auch solche Gestaltungen erfasst, zeigt die Patentschrift in dem vom Landgericht zu Recht herangezogenen Abs. [0032] in Verbindung mit Figur 1B, wo die Herstellung eines Occluders aus einem flachen Gewebe beschrieben wird, das nach dem Umschlagen als Zwischenprodukt eine leere Tasche bildet. Die Funktion, die die Klemmen erfindungsgemäß haben sollen, verlangen nicht zwingend eine gestreckte Ausführung mit zwei Klemmen, wie sie Figur 5A der Verfügungspatentschrift für ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel zeigt. In erster Linie sollen die Klemmen die Enden der Drahtlitzen zusammen halten und gegen ein Ausfasern sichern; dass an ihnen auch der Katheter zum Verabreichen der Vorrichtung befestigt werden kann, ist erst Gegenstand des Unteranspruches 2 und wird auch dort nur für eine der Klemmen verlangt, und die in der Beschreibung zusätzlich angesprochene Möglichkeit, die Klemmen von Hand auseinander zu ziehen und die Vorrichtung so in eine kollabierte Form zu bringen (Übersetzung Abs. [0073]), wird ausdrücklich nur als Beispiel dafür genannt, wie die Vorrichtung in den Katheter eingeführt werden kann. In der Ausführungsvariante nach Absatz [0032] der Patentbeschreibung macht es mit Rücksicht auf die Funktion des Festklemmens zum Verhindern eines Ausfaserns der Litzenenden nur einen technischen Sinn, Klemmen dort anzubringen, wo überhaupt freie Litzenenden vorhanden sind. Da dies lediglich auf einer Seite der Vorrichtung der Fall ist und beide Litzenenden auf einmal mit einer einzigen Klemme erfasst werden können, bedarf es auch nur einer und nicht mehrerer Klemmen. Der im Anspruch verwendete Plural „Klemmen“ steht dem nicht entgegen. Der Fachmann entnimmt der Formulierung nicht, dass in jedem Fall mehrere Klemmen zum Einsatz kommen sollen; er begreift die Formulierung „Klemmen“ vor dem Hintergrund des im Abs. [0032] erläuterten Ausführungsbeispiels vielmehr als Gattungsbezeichnung, die eine Aussage darüber trifft, welche Art von Vorrichtung – eben Klemmen – verwendet werden sollen, um ein Ausfasern der Litzenenden zu verhindern. Das Landgericht hat deshalb zu Recht angenommen, dass der Fachmann die Mekrmale 5 und 2e technisch sinnvoll dahin versteht, dass im Einzellfall so viele Klemmen – eine oder mehrere – anzubringen sind, wie dies bei der gewählten Grundkonstruktion notwendig und sinnvoll ist.

Dem steht auch nicht entgegen, dass Merkmal 4 ebenfalls auf die entgegengesetzten Enden der Vorrichtung Bezug nimmt und an dieser Stelle eindeutig das proximale und das distale Ende der Vorrichtung selbst (und nicht die Enden der Drahtlitzen) gemeint sind. Denn dort geht es, wie das Landgericht zutreffend ausführt, um die Bestimmung der Lage des „mittleren“ Teils mit reduziertem Durchmesser, der zwischen den beiden Teilen erweiterten Durchmessers liegt und die Hantelform bildet. Dieser Abschnitt kann selbstverständlich nur zwischen den beiden axial entgegengesetzten Enden der Vorrichtung in ihrem in den Verkehr gelangten Zustand liegen, während es bei Merkmal 5 um das Befestigen der freien Enden der Litzen geht, die im verkehrsfertigen Zustand auch übereinander liegen und an einem axialen Ende der Vorrichtung zusammengefasst sein können.

Auch aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Auslegung von Zahlen- und Maßangaben eines Patentanspruches lässt sich nicht herleiten, das Klagepatent verlange zwingend Klemmen an beiden Enden der Vorrichtung. Nach den dort entwickelten Grundsätzen ist jeweils im Einzelfall im Wege der Auslegung aus dem Inhalt der Patentbeschreibung und der Zeichnungen zu ermitteln, wie genau solche im Patentanspruch enthaltenen Angaben nach der jeweils unter Schutz gestellten technischen Lehre eingehalten werden müssen, und auch dort ist anerkannt, dass die Formulierung eines Patentanspruches gewisse Unschärfen aufweisen kann und aus der Sicht des Fachmanns insoweit auch Abweichungen mit dem technischen Sinngehalt der Zahlenangabe vereinbar sein können (BGH GRUR 2002, 511, 513 – Kunststoffrohrteil; Schulte/Kühnen, Patentgesetz mit EPÜ, 8. Auflage, § 14, Rdnr. 31; Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 6. Auflage, § 14 Rdnr. 68; Benkard/Scharen, Patentgesetz Gebrauchsmustergesetz, !0. Auflage, § 14 PatG Rdnr. 67).

Auch der Grundsatz, dass die Beschreibung einen durch den Wortlaut des Patentanspruches festgelegten Gegenstand weder beschränken noch erweitern darf (vgl. BGH, GRUR 2004, 1023 – bodenseitige Vereinzelungseinrichtung; 2007, 778 – Ziehmaschinenzugeinheit), führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn bevor sich eine solche Diskrepanz zwischen Beschreibung und Anspruch feststellen lässt, muss geprüft werden, ob die Auslegung nicht beides in Einklang bringen kann.

d)
Zu Recht ist das Landgericht auch zu dem Ergebnis gekommen, das zum Zusammenhalten der Drähte vorgenommene Verschweißen verwirkliche die in den Patentansprüchen zu diesem Zweck gelehrten Klemmen in patentrechtlich äquivalenter Form.Die vom Landgericht (Urteilsumdruck Seiten 22 ff.) seiner Beurteilung zutreffend zugrundegelegten Voraussetzungen für eine Einbeziehung einer jenseits des Wortsinns des Patentanspruches liegenden Abwandlung in den Schutzbereich aufgestellten Voraussetzungen liegen hier vor.

Dass der angegriffene Okkluder das Erfordernis der objektiven Gleichwirkung erfüllt, hat das Landgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt und lässt sich nicht ernsthaft in Abrede stellen. Die durch Verschweißen ersetzte Klemme soll erfindungsgemäß nicht nur die einzelnen Filamente geflochtener Litzen zusammenhalten und gegen ein Ausfasern schützen, sondern sie soll auch die das Gewebe bildenden Litzen als Bündel zusammenhalten. Bei einem solchen Bündel können nicht nur die Filamente der einzelnen Drähte ausfasern, sondern auch die Litzen selbst; diese unterliegen der Gefahr des Ausfaserns auch unabhängig davon, ob Litzen im herkömmlichen Sinne oder Einzeldrähte als Gewebestränge verwendet werden. Der durch das Klagepatent geforderte Zusammenhalt des Bündels an den Enden der Vorrichtung kann auch durch Verschweißen anstelle eines Verklemmens erreicht werden; darauf weist die Klagepatentschrift den Fachmann ausdrücklich hin (Übersetzung Absatz [0031]).

Aus diesen Ausführungen in der Beschreibung ergibt sich zugleich die Auffindbarkeit der bei der angegriffenen Vorrichtung verwendeten Abwandlung für den Fachmann mit dem Kenntnisstand des Prioritätstages. Auch das hat das Landgericht zutreffend ausgeführt. Dass sich die Beschreibung dort mit dem Herstellungsstadium vor dem Zuschneiden des Flechtgewebes befasst, ändert daran nichts. Wie der Zusammenhang mit dem vorausgehenden Absatz [0030] zeigt, wird hier ein Herstellungsverfahren beschrieben, bei dem das Flechtgewebe zunächst an zwei Stellen gebündelt und dann erst abgeschnitten wird, so dass mit diesem Bündeln und dem anschließenden Aufsetzen der Klemmen auch der endgültige Zusammenhalt der Gewebestränge erzielt wird. Das in Absatz [0031] als Alternative beschriebene Löten oder Schweißen zur Fixierung des Drahtbündels dient daher keinen anderen Zwecken als das im Wortsinn der Patentansprüche gelehrte Klemmen an den entgegengesetzten Enden.

Da die Klagepatentschrift in der Beschreibung als Alternative zum im Wortsinn gelehrten Festklemmen der Enden auch deren Verschweißen lehrt, ist auch das Erfordernis der Gleichwertigkeit gegeben, denn dasjenige, was die Klagepatentschrift als ebenso gut zur Ausführung der Erfindung geeignet beschreibt wie das im Wortsinn gelehrte Mittel, zieht der Fachmann ohne weiteres auch als der im Wortsinn beschriebenen Lösung gleichwertiges Mittel in Betracht. Auch insoweit kann zur näheren Begründung auf das angefochtene Urteil verwiesen werden.

Fehl geht auch der Einwand der Beklagten, der Patentanmelder habe durch eine mehrfache Beschränkung des Anspruches 1 im Erteilungsverfahren auf Patentschutz für Ausführungsformen der hier in Rede stehenden Art verzichtet, Abs. [0032] der Beschreibung und Figur 1B hätten aus der Klagepatentschrift gestrichen werden müssen und dürften zur Ermittlung des technischen Sinngehaltes der unter Schutz gestellten Lehre nicht mehr herangezogen werden. Die Erteilungsakten eines Patentes bilden, weil sie in § 14 PatG und Artikel 69 EPÜ nicht erwähnt und auch nicht allgemein veröffentlicht sind, grundsätzlich kein zulässiges Auslegungsmaterial (BGH GRUR 2002, 511, 513 f. – Kunststoffrohrteil). Umstände, die in den Akten, aber nicht in der Patentschrift Niederschlag gefunden haben, wie etwa der Inhalt der ursprünglichen Unterlagen, können deshalb zur Auslegung nicht mit herangezogen werden (vgl. BGH GRUR 1982, 291 – Polyesteramide; Schulte/Kühnen, a.a.O., § 14, Rdnrn. 43, 46; Benkard/Scharen, a.a.O., §14 PatG Rdnrn. 69, 70; Busse/Keukenschrijver, a.a.O., § 14 Rdnr. 71, 74). Dem Fachmann steht zur Erfassung der geschützten technischen Lehre nur die Klagepatentschrift in der veröffentlichten Fassung zur Verfügung; bei seiner Suche nach Verständnishilfen wird er sämtliche Teile der Beschreibung heranziehen und hierbei auch die Abschnitte nicht ausblenden, die nach Ansicht der Beklagten infolge der Änderung des Patentanspruches 1 aus der Beschreibung hätten entfernt werden müssen. Da sich ihm dieser Hintergrund aus dem Inhalt der Patentschrift nicht erschließt, liest er diese so, wie sie sich ihm darstellt, und er wird deshalb die betreffenden Textpassagen auch als Erläuterung des in den Ansprüchen 1 und 16 unter Schutz gestellten Gegenstandes verstehen. Bevor er Ausführungen aus der Beschreibung als im Widerspruch zu der beanspruchten Lehre stehend außer Betracht lässt, wird er zunächst versuchen, die entsprechenden Textstellen in einen sinnvollen Gesamtzusammenhang zu bringen, bei dem sich Widersprüche nicht ergeben.

Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten wird diese Beurteilung auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass ein Vergleich der Klagepatentschrift mit der – ebenfalls öffentlich zugänglichen – Offenlegungsschrift erkennen lässt, an welchen Stellen der ursprünglich angemeldete Patentanspruch 1 im Laufe des Erteilungsverfahrens Änderung erfahren hat. Es bedarf an dieser Stelle keiner abschließenden Entscheidung der Frage, ob die offengelegte Patentanmeldung als Mittel zur Auslegung der später erteilten und veröffentlichten technischen Lehre zugelassen werden muss. Selbst wenn man zugunsten der Verfügungsbeklagten letzteres annimmt, führt das zu keinem für sie günstigeren Ergebnis. Der Vergleich beider Schriften zeigt dem Fachmann zwar, dass die erteilte Fassung des Anspruches 1 gegenüber der ursprünglich angemeldeten Fassung zusätzliche Vorgaben enthält, aber er erschließt ihm nicht, aus welchem Grund die Änderungen in den Patentanspruch 1 aufgenommen worden sind; dieser Grund ergibt sich weiterhin nur aus den zur Auslegung nicht heranzuziehenden Erteilungsakten. Er wird daher der Offenlegungsschrift keine zusätzlichen aus der Patentbeschreibung nicht hervorgehenden Erkenntnisse darüber entnehmen können, welchen technischen Sinngehalt die Änderungen des Anspruches 1 im Zusammenhang mit der zu ihrer Auslegung heranzuziehenden Patentbeschreibung nebst Zeichnungen haben.

3.
Dass die Gerichte in London und Den Haag zum gegenteiligen Ergebnis gekommen sind und für die dort streitgegenständliche Ausführungsform eine Verletzung des dortigen Anteils des Antragsschutzrechtes verneint haben, gebietet im hiesigen Verfahren ebenfalls keine andere Betrachtungsweise. Aus der von den Verfügungsbeklagten als Anlage BB 1 vorgelegten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15. April 2010 (Xa ZB 10/09) lässt sich keine Verpflichtung des erkennenden Senats ableiten, den Ausführungen der dortigen Gerichte zu folgen. Zwar hat der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung ausgesprochen, dass sich das Patentgericht vor einer Entscheidung in einem Einspruchs-, Löschungs- oder Nichtigkeitsverfahren mit den Ausführungen der Einspruchsabteilung oder der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes gedanklich auseinandersetzen muss, wenn diese Stellen bereits über die Schutzfähigkeit eines inhaltlich gleichen Gegenstandes befunden haben (Anlage BB 1 Tz. 13 und 14), woraus sich sinngemäß im Patentverletzungsverfahren eine Verpflichtung des Verletzungsgerichtes ergibt, die Entscheidungen ausländischer Gerichte zu berücksichtigen, die eine Verletzung des dortigen nationalen Anteils des Antragsschutzrechtes zum Gegenstand haben. Die Verpflichtung zur gedanklichen Auseinandersetzung bedeutet jedoch nicht, dass der Senat sich den dortigen Argumenten anschließen muss, sondern besagt nur, dass er die dortigen Erwägungen bei seiner Entscheidung in Erwägung ziehen und würdigen muss.

Die Entscheidung der Gerichte in London und Den Haag hätten im vorliegenden Fall allenfalls dann die bereits im Vorverfahren zum Ausdruck gekommene Auffassung des Senats in Frage stellen können, wenn sie sich mit seinen Argumenten im einzelnen auseinandergesetzt und gute Gründe dafür angegeben hätten, aus denen sie sich nicht in der Lage sahen, den Ausführungen des Senats zuzustimmen. Dies haben beide Gerichte jedoch nicht getan.

Das Urteil der Rechtbank in Den Haag vom 29. Oktober 2008 ermittelt den Sinngehalt der geltend gemachten Patentansprüche nur philologisch und stellt nicht auf den hinter den Anspruchsmerkmalen stehenden technischen Sinngehalt ab; darüber hinaus begründet es seine Entscheidung mit der Erteilungsakte (Übersetzung Anlage AG 5a, S. 17 ff., Ziffern 4.2 – 4.9), deren Berücksichtigung nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland nicht zulässig ist. Den – auch im Vorverfahren erhobenen und abschlägig beschiedenen, in den Niederlanden aber gebilligten (vgl. Anlage AG 5a, S. 21 ff. Ziffern 4.10 – 4.23) – Einwand, das Klagepatent erfasse keine Septumsverschlüsse, haben die Verfügungsbeklagten im hiesigen Verfahren – zu Recht – nicht wiederholt.

Die Urteile des High Court of Justice in London vom 31. Juli 2009 und des Court of Appeal vom 22, Juni 2010 verneinen zu Recht das Vorliegen einer Klemme im Wortsinn (Übersetzung Anlage G 6, Tz. 47 ff. und Anlage ROKH 2, Tz. 15, 17, 21, 23, 34, 39 f. und 42 – 44); dass sie dann bei einer Wortsinnprüfung stehenbleiben und die Verwirklichung der geschützten technischen Lehre mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln nicht prüfen, geht auf die britische Rechtspraxis zurück, die keine Äquivalenzlehre kennt und nur geringfügige Abweichungen vom Wortlaut im Wege einer zweckbezogenen Auslegung noch als vom Anspruch erfasst ansieht (vgl. Court of Appeal, Anl. ROKH 2, Tz. 23), was vor allem bei der anschließenden Auslegung des Merkmals „an den entgegengesetzten Enden der Vorrichtung“ durch den Court of Justice (Anlage AG 6, Tz. 68 ff. 76) und derjenigen des Merkmals „Klemmen“ durch den Court of Appeal (Anlage ROKH 2, a.a.O.) deutlich wird. Die Erwägungen der ausländischen Gerichte zu beiden Merkmalen enthalten keine Gesichtspunkte, die das Landgericht und der Senat in ihren bisherigen Entscheidungen noch nicht berücksichtigt haben.

II.

Zum Verfügungsgrund haben die Verfügungsbeklagten nichts mehr vorgetragen, so dass auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts insoweit verwiesen werden kann. Wiederholt haben die Beklagten lediglich ihren Einwand, eine einstweilige Verfügung habe nicht ergehen dürfen, weil die Fragen der Äquivalenz in einem Hauptsacheverfahren durch ein Sachverständigengutachten hätten geklärt werden müssen. Zur Einholung eines Gutachtens besteht in einem Hauptsacheverfahren angesichts der klaren Aussagen in der Klagepatentbeschreibung keine Veranlassung.

III.

Da die Berufung der Verfügungsbeklagten keinen Erfolg hatte, haben sie nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.