2 U 115/08 – Herzklappenprothese

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1259

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 11. Februar 2010, Az. 2 U 115/08

Vorinstanz: 4a O 119/07

I.
Die Berufung der Klägerin gegen das im Oktober 2008 verkündete Urteil der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

II.
Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III.
Das Urteil ist für die Beklagte wegen ihrer Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zwangsweise durchzusetzenden Betrages abzuwenden, falls nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.

G r ü n d e
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte – sich auf eine ausschließliche Lizenz an dem Gegenstand des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten und in englischer Verfahrenssprache veröffentlichten europäischen Patentes 0 592 xxx (Klagepatent, Anlage K 1 [deutsche Übersetzung Anlage K 2] betreffend u.a. eine Herzklappenprothese) stützend – im Berufungsverfahren auf Unterlassung, Rechnungslegung, Schadenersatz, Vernichtung der angegriffenen Erzeugnisse, deren Rückruf und Erlaubnis der öffentlichen Bekanntmachung eines obsiegenden Urteils in Anspruch.
Die dem Klagepatent zugrundeliegende Anmeldung ist im Mai 1991 unter Inanspruchnahme der Priorität der dänischen Patentanmeldung 1246/qq vom Mai 19qq eingereicht, der Hinweis auf die Patenterteilung im Oktober 1995 bekannt gemacht worden. Anspruch 1 des Klagepatentes lautet wie folgt:
A valve prosthesis (9), preferably a cardiac valve prosthesis, for implantation in the body and comprising a collapsible elastical valve (6) which is mounted on an elastical stent (1) wherein the commissural points (5) of the elastical collapsible valve (6) are mounted on the cylinder surface of the elastical stent (1), characterized in that the stent is made from a radially collapsible and re-expandable cylindrical support means (7, 8, 24) for folding and expanding together with the collapsible valve for implantation in the body by means of a technique of catheteriziation.
Die in der Klagepatentschrift mitgeteilte deutsche Übersetzung lautet übereinstimmend mit der vom Deutschen Patentamt unter dem Aktenzeichen 691 13 yyy veröffentlichten Übersetzung (Anlage K 2) wie folgt:
Klappenprothese (9), vorzugsweise eine Herzklappenprothese, zur Implantation im Körper, die eine zusammendrückbare elastische Klappe (6) umfasst, welche auf einem elastischen Stent (1) angebracht ist, bei der die Kommissurpunkte (5) der elastischen zusammendrückbaren Klappe (6) auf der Zylinderoberfläche des elastischen Stent (1) angebracht sind, dadurch gekennzeichnet, dass der Stent zum Zusammenfalten und Aufweiten zusammen mit der zusammendrückbaren Klappe für eine Implantation im Körper mittels einer Katheterisierungstechnik aus einer in radialer Richtung zusammendrückbaren und wiederaufweitbaren zylindrischen Haltevorrichtung (7, 8, 24) besteht.
Die nachstehend wiedergegebenen Figurendarstellungen aus der Klagepatentschrift zeigen bevorzugte Ausführungsbeispiele der Erfindung, und zwar Figur 1 eine perspektivische Ansicht des Stents ohne Klappe, Figur 2 die erfindungsgemäße Klappenprothese bestehend aus dem in Figur 1 gezeigten Stent mit darauf angebrachter Klappe, die Figuren 5 bis 7 das Einführen und die Implantation der erfindungsgemäßen Klappenprothese in der Aorta und die Figuren 8 bis 10 drei mögliche Positionen der Herzklappenprothese.

Die Beklagte führt in der Bundesrepublik Deutschland klinische Versuche mit Herzklappenprothesen durch, welche aus einem im nicht komprimierten Zustand hyperboloid-, sektkorken- bzw. kelchförmigen Stent und daran befestigter Herzklappe bestehen und in dem im Verhandlungstermin von der Klägerin überreichten Muster, in den Abbildungen gemäß Anlagen K 22, K 23, auf S. 32 der Berufungsbegründung der Klägerin vom 9. Februar 2009 (Bl. 320 d.A.), Anlage ROKH 17, S. 25 der Berufungserwiderung der Beklagten vom 29. Mai 2009 (Bl. 375 d.A.) und in der internationalen Patentanmeldung WO 2006/127zzz (Anlage B 2) dargestellt sind; von diesen Abbildungen ist nachstehend diejenige gemäß Anlage ROKH 17 wiedergegeben.

Die Herzklappenprothese der Beklagten ersetzt die Aortenklappe, die sich in der als Annulus bezeichneten Verbindung zwischen der linken Herzkammer und der Aorta befindet; wie die nachstehend wiedergegebene Abbildung zeigt, überbrückt der Stent nach der Implantation in den Annulus den oberhalb liegenden Mündungsbereich der Koronararterien und reicht mit seinem aufgeweiteten oberen Abschnitt bis in die aufsteigende Aorta.

Die Klägerin meint, die vorstehend abgebildete Vorrichtung verwirkliche die technische Lehre aus Anspruch 1 des Klagepatentes wortsinngemäß, zumindest jedoch mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln. Insbesondere sei die Außenoberfläche des Stents ungeachtet ihres in Axialrichtung wechselnden Durchmessers zylindrisch. Dieser Begriff sei nicht streng geometrisch zu verstehen, entscheidend sei vielmehr, dass der Stent eine Form aufweise, die flexibel sei und sich der inneren zylindrisch geformten Wand der ihn aufnehmenden Gefäße anpasse.
Die Beklagte ist dem entgegen getreten und hat eingewandt, sie bestreite die Stellung der Klägerin als ausschließlicher Lizenznehmerin mit Nichtwissen. Im Übrigen sei die angegriffene Vorrichtung mit Blick auf ihre wechselnden Querschnitte nicht zylindrisch im Sinne des Klagepatentes.
Mit Urteil vom Oktober 2008 hat das Landgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der angegriffene Gegenstand verwirkliche die Lehre des Klagepatentanspruches 1 weder wortsinngemäß noch in äquivalenter Form. Die Oberfläche des Stents sei entgegen der Lehre des Klagepatents nicht zylindrisch. Diese sich auf den Zustand vor der Implantation beziehende Vorgabe lehne sich an den in der Klagepatentschrift beschriebenen Stand der Technik an, der sämtlich geometrisch zylinderförmige Stents zeige. Diese Form korrespondiere mit der typischerweise zylindrischen Ausgestaltung des Gefäßes, in welches die Klappenprothese implantiert werden solle. Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlich erfolglos geltend gemachten Ansprüche weiter, richtet ihre Klage nunmehr aber erstmals auch gegen das Herstellen der angegriffenen Vorrichtung und verlangt zusätzlich deren Rückruf und die Erteilung einer Befugnis, ein obsiegendes Urteil öffentlich bekannt zu machen. Sie meint, das Landgericht habe verkannt, dass der unter Schutz gestellte Stent
– gleich ob vor oder nach der Implantation – kein mathematisch-geometrisch exakter Zylinder sein müsse, sondern das Klagepatent den Ausdruck „zylindrisch“ für eine ungefähr röhrenförmige Ausbildung gebrauche, deren Durchmesser im axialen Verlauf wechseln könne. Das Klagepatent verwende den Begriff „Stent“ auch nicht wie heute üblich als Synonym für eine Gefäßstütze, sondern bezeichne eine Vorrichtung, die an ihrer Oberfläche die Herzklappe hält und mit ihrer äußeren Oberfläche an der Wand des Gefäßlumens angreift, um die Herzklappe auch geschlossen am Implantationsort zu halten. Für eine Implantation in den Annulus und eine Verankerung auch im aufsteigenden Bereich der Aorta oberhalb der Koronararterien sei eine geometrisch zylindrische Ausbildung der Prothese ungeeignet. Bei einem an die Weite des Annulus angepassten Durchmesser leiste der Stent im Bereich der Koronararterien keinen Gegendruck nach dem Aufweiten, und bei einer Anpassung an den Bereich oberhalb des Annulus verschließe die Prothese den Einmündungsbereich der Koronararterien. Wegen der großen und unüberbrückbaren Gefäßlumen-Differenzen von Annulus und aufsteigender Aorta sei es auch nicht möglich, einen zylindrischen Stent herzustellen, der sich gleichzeitig auf beide Lumina aufweiten lasse. Der Annulusbereich gebe den Durchmesser des Stents im Klappenbereich vor; dort könne kein beliebig überdimensionierter Durchmesser gewählt werden, ohne die Funktionstüchtigkeit der Klappe zu gefährden. Der in der Klagepatentschrift erörterte Stand der Technik zeige gerade keine geometrisch exakte Zylinderform. In ihrem Schriftsatz vom 23. Dezember 2009 hat die Klägerin erstmals geäußert, der zylindrische Zustand der Vorrichtung müsse zusammengedrückt im Katheter vorliegen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sie ausgeführt, maßgeblich für die Zylinderform sei der noch nicht vollständig komprimierte Zwischenzustand unmittelbar vor der Katheterisierung; dann sei der Stent nämlich (weiter) zusammendrück- und wieder aufweitbar.
Die angegriffene Vorrichtung sei im unteren und mittleren bis zu den Kommissurpunkten sich erstreckenden Bereich zylinderförmig; jedenfalls dort seien die Durchmesseränderungen unbedeutend und fielen nicht ins Gewicht. Mit diesem Abschnitt erfolge die sichere Verankerung im Annulus. Der darüber liegende deutlich erweiterte Bereich sei eine insoweit bedeutungslose Zutat und diene nur „der Orientierung des Systems primär zum Blutstrom und einer Optimierung der Verankerung“, die weiter unten im Bereich des Annulus stattfinde. Letztlich habe der angegriffene Gegenstand aber auch über seine gesamte axiale Erstreckung die Form eines – wenn auch gestuften – Zylinders; dementsprechend hätten Fachleute ihn schon 2006 vor Beginn des Rechtsstreits als „non-uniform cylindrical shape“ bezeichnet.
Dass die Beklagte die angegriffene Ausführungsform in Deutschland herstelle, ergebe sich daraus, dass sie das Metallgerüst im Inland bei der G GmbH als verlängerter Werkbank nach ihren Vorgaben individuell fertigen lasse.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und
I.
die Beklagte zu verurteilen,
es bei Meidung der gesetzlichen (im Antrag näher bezeichneten) Ordnungsmittel zu unterlassen,
eine Klappenprothese, vorzugsweise eine Herzklappenprothese, zur Implantation im Körper, die eine zusammendrückbare elastische Klappe umfasst, welche auf einem elastischen Stent angebracht ist, bei der die Kommissurpunkte der elastischen zusammendrückbaren Klappe auf der Zylinderoberfläche des elastischen Stents angebracht sind,
im Geltungsbereich des deutschen Teils des europäischen Patentes 0 592 xxx herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
wobei der Stent zum Zusammenfalten und Auffalten zusammen mit der zusammendrückbaren Klappe für eine Implantation im Körper mittels einer Katheterisierungstechnik aus einer in radialer Richtung zusammendrückbaren und wieder aufweitbaren zylindrischen Haltevorrichtung besteht;
1.a) hilfsweise,
es bei Meidung der vorbezeichneten Ordnungsmittel zu unterlassen,
eine Klappenprothese der im zweiten Absatz des vorstehenden Absatzes 1. beschriebenen Art, bei der die Kommissurpunkte der elastischen zusammendrückbaren Klappe auf der röhrenförmigen Oberfläche des elastischen Stents angebracht sind,
im Geltungsbereich des deutschen Teils des europäischen Patentes 0 592 xxx herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
wobei der Stent zum Zusammenfalten und Aufweiten zusammen mit der zusammendrückbaren Klappe für eine Implantation im Körper mittels einer Katherisierungstechnik aus einer in radialer Richtung zusammendrückbaren und wieder aufweitbaren röhrenförmigen Haltevorrichtung besteht, die in axialer Richtung unterschiedliche Durchmesser hat;
hilfsweise zu beiden vorstehenden Ziffern,
insbesondere wenn
die Klappe im Stent angebracht ist,
und/oder
der Stent selbst-aufweitend ist
und/oder
der Stent zusammengedrückt und in eine Einführ- oder Schutzkappe eingesetzt ist,
und/oder
die Haltevorrichtung gitterförmig ausgebildet ist,
und/oder
der Stent eine Höhe hat, die eine Fixation der Prothese an einer Stelle hinter der
Einmündung der Koronararterien gestattet, so dass sich die Klappe selbst in der Po-
sition zwischen den Koronararterien und dem linken Ventrikel befindet,
2.
der Klägerin über den Umfang der in vorstehender Ziff. I. 1., hilfsweise I. 1.a) – bezeichneten Handlungen für die Zeit seit dem 21. Dezember 2000 Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, und zwar unter Vorlage eines Verzeichnisses mit folgenden Angaben:
a)
die Herstellungsmengen und –zeiten, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen,
b)
die Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
c)
der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und
–preisen sowie die Namen und Anschriften der Abnehmer,
d)
die einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen sowie Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
e)
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
f)
die nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und den erzielten Gewinn;
3.
die in ihrem unmittelbaren und/oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum befindlichen, vorstehend unter Ziff. I. – hilfsweise I. 1.a) – beschriebenen Erzeugnisse auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von der Klägerin zu benennenden oder zu beauftragenden Gerichtsvollzieher zum Zweck der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;
4.
die vorstehend unter Ziff. I. 1. – hilfsweise I. 1.a) – bezeichneten, im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass der Senat mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatentes EP 0 592 xxx erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird,

II.
auszusprechen, dass die Klägerin befugt ist, das Urteil auf Kosten der Beklagten öffentlich bekannt zu machen, wobei die Klägerin wählen kann, den Urteilstenor sowie die Grundzüge des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe vollständig oder in Zitatform oder in freier Zusammenfassung des Inhalts der Entscheidung für die Dauer von 3 Monaten auf der Webseite der Beklagten in englischer Sprache zu veröffentlichen und die Bezeichnung der patentverletzenden Produkte zu benennen;

III.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr seit dem 21. Dezember 2000 bis heute durch die in Ziff. I. 1. – hilfsweise I. 1.a) – bezeichneten Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

Soweit sie in der Berufung zusätzlich die Verurteilung der Beklagten zur Entfernung der angegriffenen Gegenstände aus den Vertriebswegen und zur Veranlassung ihrer Vernichtung beim Besitzer verlangt hatte, hat sie die Klage in der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2010 mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen,
hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur Entscheidung über die den deutschen Teil des Klagepatentes betreffende Nichtigkeitsklage auszusetzen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt dem Vorbringen der Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrages entgegen. Ergänzend führt sie aus, zutreffend habe das Landgericht den angegriffenen GegenStand nicht als zylindrisch im Sinne des Klageschutzrechtes beurteilt; das stimme mit der Bewertung durch den London High Court of Justice, dessen Urteil den britischen Teil des Klagepatentes betreffe, überein. Darüber hinaus befänden sich die Kommissurpunkte des angegriffenen Gegenstandes nicht auf der Stentoberfläche, sondern „weiter innen in gewissem Abstand vom Gerüst“.
Mit dem Zukauf lediglich des patentfreien Metallgerüstes werde der angegriffene Gegenstand in der Bundesrepublik Deutschland nicht hergestellt. Da Patienten, für die nur die angegriffene Prothese und nicht die Ausführungsform der Klägerin geeignet sei, ohne erstere entweder am offenen Herzen operiert werden müssten oder sogar ihr Leben bedroht sei, seien die erhobenen Rückruf- und Vernichtungsansprüche unverhältnismäßig.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.

II.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen, weil die angegriffene Vorrichtung der im Klagepatent unter Schutz gestellten technischen Lehre weder wortsinngemäß noch in patentrechtlich äquivalenter Form entspricht. Die nicht nachgelassenen und erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätze der Klägerin vom 15. Januar 2010 und der Beklagten vom 28. Januar 2010 rechtfertigen keine abweichende Entscheidung und veranlassen auch keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
Ob die Klägerin, die nicht als Inhaberin des Klageschutzrechtes im Patentregister eingetragen ist, eine ausschließliche Lizenz besitzt, die sie berechtigt, Ansprüche aus dem Klagepatent im eigenen Namen geltend zu machen, bedarf daher im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.
1.
Das Klagepatent betrifft eine Klappenprothese zur Implantation in den menschlichen Körper, die eine zusammendrückbare elastische Klappe umfasst, welche auf einem elastischen Stent angebracht ist, bei der die Kommissurpunkte der elastischen zusammendrückbaren Klappe auf der Zylinderoberfläche des elastischen Stents angebracht sind (Merkmale 1 bis 4 der nachstehenden Merkmalsgliederung).
Wie die Klagepatentschrift einleitend ausführt (da auch die Parteien entsprechend verfahren sind, beziehen sich die nachfolgenden Zitate auf die als Anlage K 2 vorgelegte deutsche Übersetzung), werden Prothesen dieser Art gewöhnlich in ein Blutgefäß implantiert, um eine natürliche Klappe zu ersetzen. Die Klagepatentbeschreibung erläutert die Erfindung zwar schwerpunktmäßig am Beispiel einer Herzklappenprothese zur Implantation in die Aorta, die unter Schutz gestellte Vorrichtung kann jedoch auch in andere Kanäle des Körpers eingesetzt werden, etwa in Venen, in die Speiseröhre, am Magen, in Harnleiter, Blase, in Gallengänge oder das Lymphsystem (Anlage K 2, S. 1 Zeilen 21 bis 33, S. 5 Zeile 14 bis S. 6 Zeile 1). Bei Verwendung als Herzklappenprothese in der Aorta kann der Gegenstand der Erfindung an drei Stellen angebracht werden, nämlich im absteigenden Teil der Aorta, an einer Stelle zwischen den Koronararterien und dem linken Ventrikel des Herzens oder im aufsteigenden Teil der Aorta an einer Stelle unmittelbar hinter der Einmündung der Koronararterien (Anlage K 2 S. 6, Zeilen 3 bis 8, S. 11, Zeilen 22 bis S. 12, Zeile 30).
Bisher wurden Klappenprothesen üblicherweise mittels einer chirurgischen Operation eingesetzt. Die Implantation einer Herzklappenprothese erforderte eine Operation am offenen Herzen, wobei der Brustraum geöffnet und der Patient an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen wurde. Wegen seiner hohen Belastung ist ein derartiger Eingriff etwa für alters- oder krankheitsbedingt geschwächte Patienten zu riskant; außerdem schränkt die Anzahl der im jeweiligen Krankenhaus verfügbaren Herz-Lungen-Maschinen die Anzahl der möglichen Operationen ein (Anlage K 2, Zeile 34 bis S. 2, Zeile 13).

Am Prioritätstag des Klagepatentes waren auch Herzklappenprothesen bekannt, die nicht durch einen offenen chirurgischen Eingriff, sondern mit Hilfe eines sie aufnehmenden Katheters über das Blutgefäßsystem an die vorgesehene Stelle verbracht wurden. Als Beispiel verweist die Klagepatentschrift auf die US-Patentschriften 3 671 979 (Anlage K 8) und 4 056 854 (Anlage K 9) und beanstandet an den betreffenden Vorrichtungen, wegen deren zur Oberfläche des Patienten führenden Einrichtungen zur anschließenden Aktivierung der Klappe, zur Reposition oder Entfernung sei es für den Patienten nicht möglich, anschließend wieder ein im Wesentlichen normales Leben zu führen (S. 2, Zeile 15 bis 28). Mit Blick auf das mit ihrer Verwendung verbundene deutliche Infektionsrisiko für den Patienten sind diese Herzklappen unstreitig nicht in der Praxis eingesetzt worden.

Aus der in der Klagepatentschrift weiterhin erwähnten US-Patentschrift 3 755 823 (Anlage K 10) ist ein eine Herzklappe tragender federelastischer Stent bekannt. Wie die nachstehend wiedergegebenen Figuren der älteren Druckschrift zeigen, besteht er aus einem ringförmigen Rahmen, von dem drei jeweils eine Öse aufweisende nach innen biegsame Abschnitte in axialer Richtung abstehen. Die Prothese wird nicht durch einen Katheter, sondern einen offenen chirurgischen Eingriff implantiert.

Die weiterhin erörterten US-Patentschriften 4 856 516 (Anlage K 11) und 4 733 665 (Anlage K 12) zeigen durch einen Ballonkatheter oder dergleichen radial nach außen aufweitbare Stents zur Verstärkung einer Gefäßwand, wenn die Gefahr besteht, dass das Gefäß geschlossen oder zusammengedrückt wird. Die US-Patentschrift 4 856 516, deren Figuren 1 und 2 nachstehend wiedergegeben sind, bezeichnet die Form des dort offenbarten Gegenstandes als zylindrisch (vgl. Anlage K 11, Spalte 4, Zeile 38 (Patentanspruch 1); Spalte 2, Zeilen 10 und 11).

Die in der US-Patentschrift 4 733 665 zeichnerisch dargestellte Vorrichtung ist, wie die nachstehende Abbildung zeigt, ebenfalls zylindrisch und weist eine Gitterstruktur auf.

Als nächstkommenden Stand der Technik bezeichnet die Klagepatentschrift die britische Patentanmeldung 2 056 023 (Anlage ROKH 3), deren Figuren 1 bis 3 nachstehend wiedergegeben sind. Die dort gezeigte Vorrichtung weist einen metallenen Basisring (2; Bezugszeichen entsprechen nachstehender Abbildung) auf, von dem mit ihm über Stege (12, 13, 14) verbundene Schleifen im Wesentlichen in axialer Richtung abstehen, die durch Schenkel (3, 4 und 5) gebildet werden, wobei durch die leichte Konvexbiegung der Schenkel eine Tonnenform entsteht. Die Klagepatentschrift führt hierzu aus, der Stent umfasse eine elastische zusammendrückbare Klappe, welche auf der Zylinderoberfläche eines zylindrischen Stents angebracht werde; zur Implantation mittels Katheters sei die Vorrichtung jedoch ungeeignet und müsse durch einen offenen chirurgischen Eingriff implantiert werden (Anlage K 2, S. 3 Zeilen 10 bis 19).

Die Aufgabe (das technische Problem) der im Klagepatent unter Schutz gestellten Erfindung besteht darin, eine Klappenprothese der eingangs genannten Art bereitzustellen, die sich ohne chirurgischen Eingriff mit Hilfe eines Katheters implantieren lässt und dem Patienten ermöglicht, wieder ein im Wesentlichen normales Leben aufzunehmen (Anlage K 2, a.a.O. Zeilen 21 bis 27).

Zur Lösung der vorstehend beschriebenen Aufgabe soll die in Anspruch 1 des Klagepatentes beschriebene Vorrichtung folgende Merkmale miteinander kombinieren:

(1.)
Es handelt sich um eine Klappenprothese (9) zur Implantation im Körper.

(2.)
Die Klappenprothese umfasst

(a) eine zusammendrückbare elastische Klappe (6), die

(b) auf einem elastischen Stent (1) angebracht ist.

(3.)
Zum Zusammenfalten und Ausweiten zusammen mit der zusammendrückbaren Klappe besteht der Stent aus einer Haltevorrichtung (7, 8, 24).

(4.)
Die Haltevorrichtung ist

(a) zylindrisch und

(b) in radialer Richtung zusammendrück- und wieder aufweitbar.

(5.)
Die Kommissurpunkte (5) der elastischen zusammendrückbaren Klappe sind auf der
Zylinderoberfläche des elastischen Stents angebracht.

Als vom Klagepatent angesprochenen Durchschnittsfachmann hat die Beklagte zutreffend ein Team bezeichnet, das aus mit der Implantation von Stents und Herzklappenprothesen hinreichend erfahrenen Kardiologen und in der Entwicklung solcher Prothesen ebenso erfahrenen Ingenieuren besteht. Ausschließlich auf den Kardiologen, wie es die Klägerin für richtig hält, kann schon deshalb nicht abgestellt werden, weil er üblicherweise nur Patienten behandelt und dabei die hier in Rede stehenden Prothesen zwar verwendet, sie aber nicht eigenverantwortlich entwickelt. Für diesen Fachmann ist die gewählte Übersetzung des im Klagepatentanspruch 1 in der maßgeblichen englischen Fassung verwendeten Ausdruckes „is made from“ mit „bestehen aus“ zutreffend. Wörtlich übersetzt bedeutet der Ausdruck „made from“ zwar hergestellt aus; da es hier aber nicht um das bearbeitete Ausgangsmaterial geht, sondern um dasjenige, was den Stent der erfindungsgemäßen Prothese funktionell ausmacht, bedeutet der Ausdruck in dem hier gegebenen technischen Zusammenhang, dass der Stent aus der in Anspruch 1 näher beschriebenen Haltevorrichtung bestehen, diese Haltevorrichtung also verkörpern muss.

Im Kern besteht die in Anspruch 1 beschriebene Lösung darin, die in seinem Oberbegriff beschriebene Vorrichtung, an der die Kommissurpunkte der Herzklappe auf der Zylinderoberfläche des elastischen Stents angebracht sind, so weiter zu bilden, dass dieser aus einer radial kollabier- und wieder aufweitbaren zylindrischen Haltevorrichtung besteht, die es ermöglicht, ihn gemeinsam mit der ebenfalls zusammendrückbaren Klappe in einem Einführkatheter unterzubringen. Die zylindrische Haltevorrichtung soll erfindungsgemäß nicht nur die Herzklappe tragen, sondern auch die gesamte Prothese sicher im Gefäß verankert halten.

Nach den Vorgaben der Merkmale 4a) und 5 soll die Haltevorrichtung bzw. der aus ihr bestehende Stent zylindrisch sein. Entgegen der schriftsätzlich zuletzt vertretenen Auffassung der Klägerin bezieht sich diese Vorgabe nicht auf den Zustand des komprimierten Stents unmittelbar vor dem Einbringen in den Katheter, sondern auf denjenigen nach der Herstellung. Das entnimmt der angesprochene Durchschnittsfachmann schon dem Anspruchswortlaut der Merkmalsgruppe 4, nach der die Haltevorrichtung zylindrisch und radial zusammendrück- und wieder aufweitbar sein muss. Verlangt wird damit, dass der Stent aus der Zylinderform in radialer Richtung zusammendrück- und wieder aufweitbar ist. Die Zylinderform muss daher auch den in radialer Richtung zusammendrückbaren Zustand umfassen, und dem wird der Stent nur in entspanntem Zustand nach seiner Herstellung gerecht. Ein Abstellen auf den kollabierten Zustand verbietet sich auch deshalb, weil dann der Aufnahmehohlraum des Katheters, der dem zusammengefalteten Stent seine Form aufzwingt, entscheidend wäre und damit grundsätzlich jede beliebige Gestaltung des Stents erfasst würde, wenn sich nur nach dem Einführen in den Katheter eine Zylinderform ergibt. Welchen technischen Sinn eine so verstandene Lehre des Klageschutzrechtes haben sollte, ist nicht ersichtlich und wird auch von der Klägerin nicht dargelegt. Aus eben diesen Gründen geht es auch nicht an, auf ein Zwischenstadium abzustellen, in dem der Stent noch nicht vollständig zusammengelegt ist, wie es die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgetragen hat. Für den angesprochenen Fachmann ist vielmehr einsichtig, dass der entfaltete Stand so geformt sein muss, dass er sich am Behandlungsort an der Gefäßwand in einer Weise abstützt, dass die Prothese einerseits keine Schäden und Beeinträchtigungen hervorruft, andererseits aber einen ausreichenden Halt im Gefäß findet, so dass sie sich auch langfristig unter den Bedingungen ihres praktischen Einsatzes nicht verschiebt. Da die schon erwähnten in Betracht kommenden und in der Klagepatentschrift (Anlage K 2 S. 1, Zeilen 25-32) genannten Einsatzorte wie Venen, Speiseröhre, Harnleiter oder Gallengänge typischerweise im wesentlichen röhrenförmige Gefäße bilden, erschließt sich dem Fachmann ohne weiteres, dass mit der geforderten Zylinderform des die Klappe haltenden Stents eine Konfiguration gemeint ist, die den vor Ort zu erwartenden und regelmäßig anzutreffenden anatomischen Gegebenheiten bereits weitgehend Rechnung trägt.

Mit der Vorgabe einer „zylindrischen“ Haltevorrichtung meint das Klagepatent eine Konfiguration, die einen kreisrunden und über die gesamte Länge der Vorrichtung im wesentlichen gleichbleibenden Durchmesser aufweist, wobei eine hohlzylindrische Form gegeben sein muss, um die Klappenfunktion der Prothese zu ermöglichen. Angesichts des ohnehin nicht vollständig kreisrunden Lumens der Gefäße, in denen die erfindungsgemäße Prothese eingesetzt werden soll, ist für den Fachmann ohne weiteres einsichtig, dass es für die Zwecke der Erfindung nicht auf eine mathematisch-geometrisch exakte Zylinderform ankommt, sondern dass gewisse Abweichungen zulässig sind, sofern die Funktion der Zylinderform nicht beeinträchtigt wird. Bestätigt wird das durch die gattungsbildende britische Patentanmeldung 0 256 023, deren Stent die Klagepatentbeschreibung als „zylindrisch“ bezeichnet (Anlage K 2, S. 3, Zeile 15), obwohl die vom Basisring (2; Bezugsziffern entsprechen der oben stehenden Abbildung) nach oben abstehenden Schenkel 3, 4, 5) leicht nach innen zur Längsmittelachse gerichtet sind, so dass eine geometrisch exakte Zylinderform eindeutig nicht mehr gegeben ist.

Ähnlich sind auch die bevorzugten Ausführungsformen beschaffen, die die Klagepatentschrift näher erörtert, nämlich eine Fadenstruktur, die beispielsweise gitter-, schleifen- oder schraubenförmig sein kann und nur „im Wesentlichen“ zylindrisch sein muss (vgl. Unteranspruch 2 und Anlage K 2, S. 4, Zeilen 4 bis 6; S. 9, Zeilen 12 ff., insbesondere Zeilen 24 bis 28; S. 13, Zeilen 5 bis 10 und Figuren 1 bis 10), wobei axial überstehende Spitzen für die Kommissurpunkte vorgesehen sein können (Unteranspruch 3 und Anlage K 2, S. 9, Zeilen 24 bis 28 und insbesondere Figuren 1 und 2). Weiterhin werden zu einem geschlossenen Ring gebogene Schleifen beschrieben, von denen auch mehrere übereinander angeordnet sein können (Unteransprüche 5, 6 und 7 sowie Anlage K 2, S. 9, Zeilen 12 bis 28; S. 12, Zeilen 18 bis 27 und S. 13, Zeilen 1 bis 5 sowie Figuren 1 bis 10), und nicht zuletzt wird ein tubusförmiges Element mit geschlossener Zylinderoberfläche vorgeschlagen (Unteranspruch 8 und Anlage K 2 S. 7, Zeilen 4 bis 17; S. 13, Zeilen 17 bis 22 und Figuren 11 und 12). Auf solche Ausführungsformen ist der Gegenstand des Klagepatentes aber schon deshalb nicht beschränkt, weil sie nicht Gegenstand des Hauptanspruches 1 sind.

Das bedeutet aber nicht, dass der Begriff „zylindrisch“ – wie die Klägerin meint – nur „eine Röhrenform mit etwa rundem Querschnitt über eine gewisse Länge, wobei der Durchmesser in axialer Richtung nicht unbedingt gleich sein muss“, umschreibt. Eine solche Ausweitung machte die Vorgabe einer Zylinderform oder zylindrischen Haltevorrichtung überflüssig und wäre aus Gründen der Rechtssicherheit auch nicht zulässig. Schon die „Röhrenform“ passt innerhalb der von der Klägerin gegebenen Definition nicht zu den übrigen Anforderungen, die von der Gestalt einer „Röhre“ völlig abgehen, deren wesentliche Merkmale in aller Regel der über ihre Länge gleich bleibende Durchmesser und die gleich bleibende Querschnittsform sind. Unter den zweiten allein aussagekräftigen Teil der Definition fallen vielfältige Formgebungen, wie sie die Beklagte exemplarisch auf S. 2 ihrer Berufungsduplik vom 18. Dezember 2009 (Bl. 422 d.A.) zusammengestellt hat und zu denen auch Kegelformen oder sogar Schachfiguren gehören. Sie haben mit dem offensichtlichen Anliegen der Erfindung, dem Stent von vornherein eine an die anatomische Situation des Behandlungsortes angepasste Konfiguration zu geben, nichts zu tun. Jede Form mit kreisrundem Querschnitt wäre bei diesem Verständnis patentgemäß, völlig unabhängig davon, ob mit ihr in irgendeiner Hinsicht auf bestimmte Gegebenheiten des Einsatzortes für die Prothese Rücksicht genommen wird oder sogar das Gegenteil der Fall ist. Die vom Klagepatent unter Schutz gestellte technische Lehre gestattet nur solche Abweichungen von einer streng mathematisch-geometrischen Zylinderform, bei denen eine Zylinderform im wesentlichen noch erhalten geblieben ist. Solches kann zum einen im Hinblick auf einzelne in Längsrichtung des Stents überstehende Spitzen in Betracht kommen, wie sie in Figur 1 der Klagepatentschrift mit dem Bezugszeichen (4) gekennzeichnet wird. Die sich daraus ergebende Geometrie bezeichnet die Klagepatentschrift dementsprechend als „im wesentlichen zylindrische Fadenstruktur“ (Anlage K 2, S. 9, Zeilen 24 bis 28). Zum anderen sind Abweichungen dergestalt denkbar, dass sich der Durchmesser über die Länge geringfügig verändert, ohne dass bei unbefangener Betrachtung die allgemeine Röhrenform verloren geht. Beispiele sind die in der britischen Patentanmeldung 2 056 023 gezeigte Konfiguration oder bombierte Formen. Aus dem Beschreibungstext der Klagepatentschrift (Anlage K 2, S. 12, Zeilen 10 bis 25) und Unteranspruch 7 ergibt sich nichts anderes. Den dortigen Ausführungen kann der Fachmann nur entnehmen, dass bei einer nach Figur 8 implantierten Prothese, wenn der Stent relativ kurz ist, die Gefahr besteht, dass er nicht expandiert werden kann, bis er einen absolut sicheren Halt findet, weil auf die Koronararterien Rücksicht genommen werden muss. Um einem unbeabsichtigten Lösen des Stents von der Einsatzstelle entgegen zu wirken, wird deshalb vorgeschlagen, ihn länger auszubilden, so dass er in einen Bereich jenseits der Koronararterien ragt, wo er zur Gewährleistung eines sicheren Sitzes genügend expandiert werden kann. In der Klagepatentschrift weder erörtert noch zeichnerisch dargestellt ist die unstreitige Tatsache, dass die anatomischen Gegebenheiten bei dem in Figur 8 in Bezug genommenen Einsatzort eine Engstelle zwischen dem linken Ventrikel und der Einmündung der Koronararterien auszeichnet, wie sie in der Abbildung gemäß Anlage ROKH 9 gezeigt ist. Diese anatomischen Gegebenheiten waren auch dem Durchschnittsfachmann am Prioritätstag geläufig, wobei sich die Parteien darüber einig sind, dass die aufsteigende Aorta im Durchmesser um etwa 30 % größer ist als die Engstelle, der Annulus, und dass letzterer im Gegensatz zur Aorta ein starker Muskel ist, der auf den Stent und den Ballonkatheter wesentlich mehr Druck ausübt als die aufsteigende Aorta. Vor diesem Hintergrund ist dem Durchschnittsfachmann klar, dass ein einheitlicher Durchmesser des Stents verwendet werden kann, und Anspruch 1 deshalb auch entsprechend auszulegen ist, weil der Stent im jeweiligen Gefäßabschnitt so weit expandiert werden kann, wie dies für seine sichere Anlage im Aortabereich notwendig ist, weil die Dehnung im Annulus mit Blick auf die dort entgegenstehende Muskelkraft unschädlich ist. Dem hält die Klägerin ohne Erfolg entgegen, bei dem gegebenen Einsatzort müsse der obere Ring des Stents einen entsprechend größeren Durchmesser haben, weil dort der fehlende Gegendruck die Gefahr mit sich bringe, dass die Einmündungen der Koronararterien abgedeckt werden. Aus welchem Grund die Verwendung eines langen röhrenförmigen Stents, der expandiert wird, um im Bereich der aufsteigenden Aorta einen festen Sitz zu erhalten, notwendigerweise dazu führt, dass mit dieser Expansion auch die Eingänge der Koronararterien abgedeckt werden, hat die Klägerin nicht dargelegt.

Die vorstehende Auslegung des Klagepatentanspruches 1 stimmt überein mit den Ausführungen des London High Court vom Januar 2009 (Anlage ROKH 1 und 1a, Textziffer 56), vor dem die hier in Rede stehende Ausführungsform der Beklagten aus dem britischen Teil des Klagepatentes angegriffen wurde, und auch mit den Stellungnahmen der vor dem High Court angehörten Sachverständigen (vgl. Gutachten Prof. Martin Terry J, Anlage B 9/B 9a, Textziffern 87 ff.), Richard A. H (Anlagen B 10/B 10a, Textziffern 156 bis 158) und Dr. Nigel I (Anlagen B 11/B 11a, Textziffern 45 ff.).

2.
Von dieser Lehre macht die angegriffene Vorrichtung keinen Gebrauch.

a)
Ihr Stent weist keine Zylinderform im Sinne der Merkmale 3 und 5 auf, so dass es an einer wortsinngemäßen Übereinstimmung fehlt. In ihrer maßgeblichen gesamten Konfiguration, die sämtliche Abschnitte umfasst, ist ihre Außenkontur hyperboloid – bzw. sektkorkenförmig, und auf diese Gesamtkonfiguration hat zutreffend auch der London High Court in seinem vorerwähnten Urteil abgestellt (a.a.O., Textziffern 62 ff., der sich auch insoweit in Übereinstimmung mit den hinzugezogenen Sachverständigen befindet (Gutachten Prof. Martin Terry J, Übersetzung Anlage B 9a, Seiten 126 bis 128; Gutachten Richard A. H, Übersetzung Anlage B 10a, Textziffern 156 bis 158 und auch das Gutachten Dr. Nigel I stellt auf die Gesamtkonfiguration ab (Anlage B 11a, Textziffer 97, 98). Im nicht kollabierten Zustand lässt sich diese Gestaltung wegen ihrer sehr großen Durchmesserunterschiede nicht mehr als zylindrisch bezeichnen; im oberen aufgeweiteten Bereich ist der Durchmesser etwa doppelt so groß wie in den unteren Bereichen. Wollte man dies noch als zylindrisch im Sinne des Klagepatentes ansehen, wäre das Merkmal konturenlos, und auch die bereits erwähnten von der Beklagten auf S. 2 der Berufungsduplik (Bl. 422) gezeigten Figuren hätten dann eine im Wesentlichen zylindrische Form. Auch insoweit stimmt der Senat mit dem Urteil des London High Court und dem Gutachten der Sachverständigen J und H überein.

Die Klägerin argumentiert im Übrigen auch nicht einheitlich, weil sie teilweise zur Bestimmung der Zylinderform nur auf den unteren und mittleren Abschnitt abstellen und den oberen fortlassen möchte, ihn aber in anderem Zusammenhang mit einbezieht. Ersteres ist schon deshalb nicht möglich, weil die angegriffene Vorrichtung als Ganzes verwendet wird und der obere Teil auch nach dem Vorbringen der Klägerin nicht völlig bedeutungslos ist. Wie sie selbst ausführt, soll der obere aufgeweitete Abschnitt unter anderem einer Optimierung der Verankerung dienen (vgl. S. 35 der Berufungsbegründung, Bl. 323 d.A., Randziffer 67); insoweit hat sie sich die Ausführungen der Beklagten in der als Anlage ROKH 17 vorgelegten und am angegebenen Ort abgebildeten Grafik zu eigen gemacht. Optimierung der Verankerung bedeutet nichts anderes, als dass die Verankerung durch den oberen aufgeweiteten Bereich verbessert wird, und damit ist auch dieser Abschnitt an der Fixierung des Systems im Gefäß beteiligt. Dass in dieser Grafik zum unteren Abschnitt ausgeführt ist, dieser bewirke eine sichere Verankerung und Abdichtung, muss daher im Zusammenhang mit der Funktion des oberen Teils gesehen werden; für eine Vorrichtung, die diesen oberen aufgeweiteten Teil nicht enthielte, ließe sich Entsprechendes nicht ohne Weiteres sagen. Der obere erweiterte Abschnitt ist vielmehr ein integraler Bestandteil der angegriffenen Klappenprothese, welcher auch eine erfindungswesentliche Funktion, nämlich den Stent im Gefäß zu halten, ausübt; er kann gerade nicht hinweg gedacht werden, ohne dass die Funktionstauglichkeit der Vorrichtung verloren geht.

b)
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht die nicht wortsinngemäß erfüllte Vorgabe einer Zylinderform auch nicht mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln. Das ergibt sich für den angesprochenen Durchschnittsfachmann schon daraus, dass sich die Klagepatentbeschreibung durchweg mit der Zylinderform befasst und nur geringfügige Abweichungen zulässt, um bestimmten Gegebenheiten im Gefäß Rechnung zu tragen, aber bei der die Zylinderform im wesentlichen noch erhalten geblieben ist. Der Fachmann müsste sich, um zu der angegriffenen Ausführungsform zu gelangen, über sämtliche Ausführungen der Klagepatentschrift und auch die Fassung des Patentanspruches 1 hinwegsetzen und eine Ausbildung für den Stent wählen, auf die die Klagepatentschrift an keiner Stelle Hinweise enthält. Dass er sich möglicherweise aufgrund seines allgemeinen Fachwissens durch die Ausführungen der Klagepatentschrift an einer solchen Ausbildung nicht gehindert sieht, ist nicht entscheidend, maßgebend ist vielmehr, dass er mit Überlegungen, die sich am Sinngehalt der Patentansprüche und der zu ihrer Auslegung heranzuziehenden Beschreibung orientiert sind, die bei der angegriffenen Ausführungsform benutzte Abwandlung nicht als funktionsgleiches und der im Anspruch beschriebenen Zylinderform gleichwertiges Ersatzmittel auffinden konnte, weil ihm darin gerade die Zylinderform des Stents als erfindungswesentlich offenbart wird und er sich mit der Gestaltung der angegriffenen Ausführungsform über diese wesentliche Vorgabe hätte hinweg setzen müssen.

III.

Da die Berufung der Klägerin erfolglos geblieben ist, hat sie nach § 97 Abs. 1 die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen; soweit sie die Klage zurückgenommen hat, ergibt sich dieselbe Folge aus § 269 Abs. 3 ZPO. Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Es bestand keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Bei der Rechtssache handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, die auch keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen aufwirft, die zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine revisionsgerichtliche Entscheidung erfordern.