2 U 37/10 – IV-Katheter

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1515

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 28. Oktober 2010, Az. 2 U 37/10

I.
Die Berufung der Antragstellerin gegen das am 11. Februar 2010 verkündete Urteil der 4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

II.
Die Antragstellerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

G r ü n d e :

I.

Von einer Darstellung des Sachverhaltes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz , 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.
Die Berufung der Antragstellerin ist zulässig, aber unbegründet. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung liegen nicht vor. Der Senat vermag im Rahmen des vorliegenden Verfügungsverfahrens schon nicht festzustellen, dass die Antragsgegnerin mit den angegriffenen Ausführungsformen von der technischen Lehre des Verfügungspatents Gebrauch macht und der Antragstellerin deshalb ein Verfügungsanspruch aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1, 9 Satz 2 Nr. 1 PatG gegen die Antragsgegnerin zusteht. Jedenfalls ist der Rechtsbestand des Verfügungspatents nicht hinreichend gesichert, weshalb es an einem Verfügungsgrund fehlt.

A.
Das Verfügungspatent – das am 18. August 1998 unter Inanspruchnahme zweier US-Prioritäten vom 20. August 1997 und 12. Juni 1998 angemeldete, auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilte und am 7. Oktober 2009 in englischer Verfahrenssprache veröffentlichte europäischen Patents 1 911 XXX(Anlage AST 11, deutsche Übersetzung Anlage Ast 11 a) – betrifft einen intravenösen (IV) Katheter.

Wie die Verfügungspatentschrift in ihrer Einleitung erläutert, werden IV-Katheter in erster Linie dazu verwendet werden, Fluide, welche manchmal Medizin enthalten, direkt in das Gefäßsystem eines Patienten zu leiten. Der Katheter wird von dem Benutzer (z. B. Arzt oder Pflegepersonal) in eine Vene eines Patienten unter Verwendung einer von der Hand gehaltenen Platzierungseinrichtung eingesetzt, welche eine Nadel mit geschärfter Spitze enthält. Die Nadel wird in dem inneren hohlen Teil des Katheters positioniert, wobei sich ihre Spitze geringfügig hinter die Kante des Katheters erstreckt. Das Ende der Vorrichtung gegenüber der Nadelspitze wird durch die Nadel gebildet, welche an einem Nadelansatz angeschlossen ist, welcher so ausgebildet ist, das er während des Einsetzvorganges von dem Benutzer gehalten werden kann (vgl. Anlage AST 11, Abs. [0003]).

Der Einsetzvorgang umfasst vier grundlegende Schritte (vgl. Anlage AST 11, Abs. [0004]): Zuerst setzt der Benutzer die Nadel und den Katheter zusammen in die Vene des Patienten ein (Schritt 1). Nach dem Einsetzen in die Vene mit der Nadelspitze bzw. dem Nadelpunkt wird der Katheter dadurch in die Vene des Patienten vorwärts bewegt, dass der Benutzer den Katheter mit seinem Finger schiebt (Schritt 2). Danach zieht der Benutzer die Nadel durch Greifen des Endes des Ansatzes (gegenüber dem spitzen Ende) zurück, während er gleichzeitig Druck auf die Haut des Patienten an der Einsatzstelle mit seiner freien Hand ausübt (Schritt 3). Schließlich befestigt der Benutzer den nun eingesetzten Katheter mittels Klebeband an der Haut des Patienten und schließt das exponierte Ende des Katheters, den so genannten Katheteransatz, an eine Quelle des Fluids an, welches in die Vene des Patienten einzuleiten ist (Schritt 4).

Im Rahmen des Einsatzvorgangs stellt sich das Problem, dass der Benutzer nach dem Zurückziehen der Nadel aus der Vene des Patienten einerseits die freiliegende Nadelspitze an einen nahe gelegenen Ort platzieren und sich andererseits den für das Erzielen des Nadelrückziehens erforderlichen Aufgaben zuwenden muss. Zu diesem Zeitpunkt beinhaltet die freiliegende Nadelspitze die Gefahr eines zufälligen Nadelstichs, welcher zu einer Übertragung von verschiedenen, über Blut übertragbaren Krankheitserregern (z. B. AIDS oder Hepatitis) führen kann (vgl. Anlage AST 11, Abs. [0005]). Diese Gefahr hat gemäß den Angaben der Verfügungspatentschrift einen Bedarf für die Entwicklung eines sicheren IV-Katheters ausgelöst, bei welchem das Auftreten solcher zufälliger Nadelstiche verhindert wird (vgl. Anlage AST 11, Abs. [0006]).

Zum Stand der Technik führt die Verfügungspatentschrift in ihrer Einleitung aus, dass aus der EP-A 0 554 841 (Anlage AST 20; „A“/„B“) ein Sicherheits-IV-Katheter bekannt ist. Dieser bekannte Katheter umfasse einen Katheteransatz, der an dem proximalen Ende eines rohrförmigen Katheters angebracht sei, wobei die Nadel aus einer Bereitschaftsstellung, in der sich die Nadelspitze außerhalb des Katheters befinde, in eine zurückgezogene blockierende Stellung bewegbar sei, in der sich die Nadelspitze innerhalb eines Nadelschutzes befinde, der einen proximalen Arm zum Eingreifen in einen „Wulst“ [„bulge“] in dem Nadelschaft umfasse, um die Entfernung der Nadel von dem Nadelschutz zu verhindern, und der einen distalen Arm umfasse, in den der Nadelschaft eingreife, wenn sich die Nadel in der Bereitschaftsstellung befinde, wobei ein „transversales Segment“ [„transverse segment“] des Nadelschutzes den proximalen mit dem distalen Arm verbinde. Der distale Arm erstrecke sich von dem „transversalen Segment“ aus und greife in die Nadel mit Abstand zur Nadelspitze ein, wenn die Nadel in der Bereitschaftsstellung sei. Der Nadelschutz sei mittels eines gebogenen Abschnitts des proximalen Arms in einem Schutzgehäuse gehalten, wobei dieser Abschnitt in einer Öffnung des Schutzgehäuses geklemmt sei, wobei der distale Abschnitt in einer Öffnung des Schutzgehäuses geklemmt sei, wobei dieser Abschnitt in einer Öffnung des Schutzgehäuses geklemmt sei, wobei der distale Arm die Nadelspitze in der blockierenden Stellung innerhalb des Schutzgehäuses blockiere. Das Schutzgehäuse greife lösbar in den Katheteransatz ein, wobei der Nadelschutz und das Hauptteil des Schutzgehäuses sich außerhalb des Ansatzes befinden (vgl. Anlage AST 11, Abs. [0004]).

Zur Verdeutlichung dieses Standes der Technik wird nachfolgend die Figur 5a der EP-A 0 554 841 wiedergegeben.

Wie die Verfügungspatentschrift einleitend ferner ausführt, sind im Stand der Technik verschiedene weitere Sicherheits-Katheter, d. h. Katheter mit Nadelschutz, bekannt (vgl. Anlage AST 11, Abs. [0006]). Diese seien jedoch – so die Verfügungspatentschrift – alle mit einem oder mehreren Nachteilen behaftet (vgl. Anlage AST 11, Abs. [0007]). Als Beispiel erwähnt die Verfügungspatentschrift (Anlage AST 11, Abs. [0006]) in diesem Zusammenhang u. a. das US-Abänderungspatent Re. 34 416 (Anlage AG 4; deutsche Übersetzung Anlage 4a; „C“), dessen Figur 3 nachfolgend eingeblendet wird.

An diesem Stand der Technik kritisiert die Verfügungspatentschrift als nachteilig, dass die zum Ineingriffbringen des Schlitzes (50) der Nadel (12) mit dem Flansch (34) des Nadelschutzes (30) erforderliche Kraft relativ hoch sei und das Entfernen der Nadel störe. Ein Reduzieren der Kraft auf ein akzeptables Niveau sei nicht möglich, weil dann die Gefahr bestünde, dass der Nadelschutz in dem Katheter verbleibe, nachdem die Nadel aus dem Katheter entfernt worden sei (vgl. Anlage AST 11, Abs. [0007]).

Die Verfügungspatentschrift (Anlage AST 11, Abs. [0006]) erwähnt ferner das
US-Patent 4 978 344 („D“). An diesem Stand der Technik bemängelt sie, dass der Benutzer ähnlich wie bei dem zuvor behandelten Stand der Technik eine beträchtliche Kraft ausüben müsse, um die Schutzkappe von dem Katheteransatz zu entfernen, wenn die Kappe in eine Nadel eingreife. Auch sei dieser bekannte Sicherheits-Katheter wegen seines Einschließens eines flexiblen Flansches und eines Haltebandes in der Herstellung relativ teuer (vgl. Anlage AST 11, Abs. [0008]).

Als weiteren Stand der Technik führt die Verfügungspatentschrift (Anlage AST 11, Abs. [0006]) das US-Patent 5 135 504 (Anlage AG 5; deutsche Übersetzung Anlage AG 5a; „McLees“) an, dessen Figur 3 nachstehend wiedergegeben wird.

Der aus dieser Druckschrift bekannte Sicherheits-Katheter umfasst einen zylindrischen Nadelschutz (6), der ein geteiltes Ende mit Endkappen aufweist. Die vorstehend eingeblendete Figur 3 zeigt den Nadelschutz (6) in seiner Position vor dem Herausziehen der Nadel (5) aus der Vene (sog. Bereit-Stellung). Wie aus der Zeichnung zu ersehen ist, ist bei diesem Stand der Technik ein Haltering (Rückhaltering; 8) vorgesehen, der durch eine Presspassung in dem Katheteransatz (3) festgehalten wird. Der Außendurchmesser des Nadelschutzes (6) ist kleiner als der Innendurchmesser dieses Halteringes (8), so dass der Nadelschutz (8) normalerweise leicht durch den Haltering (8) hindurch gleiten kann. Der Nadelschaft weitet das Ende des Nadelschutzes (6) auf, wodurch die Endkappen nach außen in den Abschnitt mit größeren Innendurchmesser des Katheteransatzes (3) aufgeweitet werden. Durch den Haltering (6) wird verhindert, dass sich der Nadelschutz (6) bewegt, wenn die Nadel (5) herausgezogen wird. Das distale Ende der Nadel (5) ist aufgeweitet und weist einen etwas größeren Durchmesser als der Innendurchmesser des Nadelschutzes (6) auf. Wenn die Nadel (5) herausgezogen ist und die Spitze in das Innere des Nadelschutzes (6) hineingeht, sind die Endkappen des Nadelschutzes frei, um sich zu schließen. Die aufgeweitete Nadelspitzenschulter (9) zieht den Nadelschutz durch den Haltering (8), wodurch das aufgeweitete Ende des Nadelschutzes (6) zugedrückt wird (vgl. Anlage AG 5a, Seite 5, Zeilen 4 bis 19).

Die Verfügungspatentschrift kritisiert an diesem Stand der Technik als nachteilig, dass eine lästige zusätzliche Zugarbeit oder ein Ziehen des Nadelschutzes durch den Haltering erforderlich sei, um die geschützte Nadel von dem Katheteransatz zu entfernen. Außerdem bemängelt sie, dass die Einrichtung nach dem US-Patent
5 135 504 den Zusammenbau von zwei separaten Komponenten erfordere, weshalb sie relativ kostenintensiv in der Herstellung sei (vgl. Anlage AST 11, Abs. [0009]). Darüber hinaus beanstandet die Verfügungspatentschrift als nachteilig, dass die Nadel – zum Zwecke der Mitnahme des Nadelschutzes beim Herausziehen – in der Nähe und bei der Nadelspitze einen größeren Durchmesser als der übrige Nadelschaft hat (größerer Durchmesser in der Nähe und bei der Nadelspitze, kleinerer Durchmesser im Übrigen). Dass der Rest des Nadelschaftes einen kleineren Durchmesser aufweise, habe nämlich die nachteilige Wirkung, dass das Strömen des Blutes durch die Nadel abgebremst werde („slowing the blod flaschback“).

Vor diesem Hintergrund hat es sich das Verfügungspatent zur Aufgabe gemacht, einen Sicherheits-IV-Katheter bereitzustellen,

• der auf zuverlässige und automatische Weise eine unbeabsichtigte, versehentliche Berührung mit der Nadelspitze nach dem Gebrauch verhindert (Anlage AST 11, Abs. [0010]),
• der der dem Benutzer einen zuverlässigen Schutz gegen Nadelstiche bietet, ohne dass dieser seinen Umgang mit dem Sicherheits-IV-Katheter in irgendeiner Art ändern muss (Anlage AST 11, Abs. [0011]),
• der relativ einfach und kostengünstig in der Herstellung (Anlage AST 11, Abs. [0012]) und
• bei dem die Entfernung der Nadel aus dem Nadelschutzes nach dem Gebrauch verhindert wird (Anlage AST 11, Abs. [0006]).

Zur Lösung dieser Problemstellung schlägt das Verfügungspatent in seinem einzigen Anspruch einen IV-Katheter mit folgenden Merkmalen vor:

(1) IV-Katheter, umfassend

(1.1) einen rohrförmigen Katheter (24),
(1.2) eine Nadel (16),
(1.3) einen Katheteransatz (26) und
(1.4) einen Nadelschutz (96, 40).

(2) Der Katheteransatz (26)

(2.1) ist an dem proximalen Ende des rohrförmigen Katheters (24) angebracht und
(2.2) weist einen inneren Hohlraum [„hollow interor“] auf, der von einer Innenwand (36) umschlossen ist.

(3) Die Nadel (16),

(3.1) hat einen Nadelschaft und eine Spitze (18),
(3.2) ist in der Bereit-Stellung innerhalb des rohrförmigen Katheters (24) aufgenommen,
(3.3) weist eine Ausbeulung [„bulge“] (61) an ihrem Schaft auf und
(3.4) ist von der Bereit-Stellung, in der sich die Spitze (18) außerhalb des Katheteransatzes (26) befindet, in eine zurückgezogene Blockier-Stellung bewegbar, in welcher sich die Spitze innerhalb des Hohlraums des Katheteransatzes (26) befindet.

(4) Der Nadelschutz (96, 40) umfasst

(4.1) einen proximalen, vertikalen Arm (54, 106),
(4.2) einen distalen Arm (42, 112) und
(4.3) ein „transversales Segment“ [„transverse segment“] (50, 98).

(5) Der proximale, vertikale Arm (54, 106) des Nadelschutzes (96, 40) tritt mit der Ausbeulung [„bulge“] (61) am Nadelschaft in Eingriff, um ein Herausziehen aus dem Nadelschutz (96, 40) zu verhindern.

(6) Der distale Arm (42, 112) des Nadelschutzes (96, 40)

(6.1) erstreckt sich von dem „transversalen Segment“ [„transverse segment“] (50, 98),
(6.2) steht mit dem Nadelschaft in Eingriff, wenn die Nadel (16) in der Bereit-Stellung ist,
(6.3) steht in einem Abstand von der Nadelspitze mit der Nadel (16) in Eingriff, wenn die Nadel in der Bereit-Stellung ist, und
(6.4) ist innerhalb des Hohlraumes des Katheteransatzes (26) in die Blockier-Stellung distal von der Nadelspitze bewegbar, wenn sich die Nadel in ihrer zurückgezogenen Stellung befindet.

(7) Das „transverse Segment“ [„transverse segment“] (50, 98) des Nadelschutzes (96, 40)

(7.1) verbindet den proximalen Arm (54, 106) und den distalen Arm (42, 112),

(7.2) wird von dem Nadelschaft in eine Haltebeziehung innerhalb des Katheteransatzes (26) gedrückt, wenn sich die Nadel (16) in der Bereit-Stellung befindet;

(7.3) weist einen Abschnitt (46) auf,

(7.3.1) der ein gebogener Abschnitt [„curved section“] ist,
(7.3.2) der mit der Innenwand (36) des Katheteransatzes (26) in Haltekontakt steht, um den Eingriff des Nadelschutzes (96, 40) beim Übergang von der Bereit-Stellung in die Blockier-Stellung bei einer festen Längsposition innerhalb des Katheteransatzes zu bewerkstelligen.

(8) Sowohl der Eingriff der Nadel (16) als auch das Drücken des Abschnitts (46) des „transversalen Segmentes“ [„transverse segment“] (50, 98) in eine Haltebeziehung [„retaining relation“] mit dem Katheteransatz (26) in der Bereit-Stellung werden durch den Eingriff des distalen Armes (42, 112) des Nadelschutzes mit dem Nadelschaft erreicht.

Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1A und 1B der Verfügungspatentschrift zeigen ein Ausführungsbeispiel der Erfindung.

Der gezeigte Sicherheits-IV-Katheter (10) umfasst einen Nadelschutz (40) in der Form eines einheitlichen Feder-Clips [„unitary spring clip“], welcher in der in Figur 1A dargestellten Bereit-Stellung (= Bereitschaftsstellung) innerhalb einer Austrittskammer (36) des Ansatzabschnittes (30) des Katheteransatzes (26) angeordnet ist. Der Feder-Clip weist einen distalen Arm (42) auf, welcher an seinem oberen Ende in einer gekrümmten Lippe (44) endet und an seinem unteren Ende in einem spitzen Ende (46), welches innerhalb einer passenden Nut (48) aufgenommen wird (vgl. Anlage AST 11, Abs. [0021]). Der Feder-Clip-Nadelschutz (40) weist ferner ein „transversales Segment“ [„transverse segment“] (50) auf, das sich nach oben und in proximaler Richtung von dem unteren spitzen Ende (46) erstreckt und an einem U-förmigen oberen Ende (52) endet. In der Bereit-Stellung (Figur 1A) liegt das obere Ende (52) gegen die obere innere Wand des Katheteransatzabschnitts (30) an. Der Feder-Clip-Nadelschutz (40) weist des Weiteren einen vertikalen Arm (54) auf, welcher sich nach unten von dem U-förmigen oberen Ende (52) erstreckt und oberhalb der unteren Wand des Katheteransatzabschnitts (30) endet. Das „transversale Segment“ (50) und der proximale vertikale Arm (54) weisen jeweils axial ausgerichtete Öffnungen (56, 58) auf, durch welche sich der Nadelschaft (16) frei hindurch erstrecken und in axialer Richtung bewegen kann (vgl. Anlage AST 11, Abs. [0022]).

In der Bereit-Stellung des Katheters vor dem Zurückziehen der Nadel greift der Schaft der Nadel (16) in die gekrümmte Lippe (44) des Feder-Clip-Nadelschutzes (40), wodurch der Nadelschaft eine im Wesentlichen nach unten gerichtete auf den elastischen Feder-Clip ausübt. Diese Kraft bewirkt, dass das untere Ende (46) des Feder-Clips sicher in der Nut (48) bei dem Punkt b sitzt. Diese Berührung hält den Feder-Clip-Nadelschutz zusätzlich zu dem Anlegen des oberen Endes (52) des Feder-Clips an der oberen inneren Wand an dem Katheteransatz bei Punkt b (40) sicher in der Bereitschaftsstellung des Katheteransatzes (Anlage AST 11, Abs. [0023]).

Wird die Nadel (16) nach dem Einsetzen des Katheters in die Vene zurückgezogen, bewegt sich die distale Spitze der Nadel (16) proximal über die gekrümmte Lippe (44) des Feder-CIip-Nadelschutzes (40) bei Punkt c hinaus, wodurch die nach unten gerichtete Kraft, welche zuvor durch den Nadelschaft auf den Feder-Clip ausgeübt wurde, freigegeben wird (Anlage AST 11, Abs. [0024]). Das hat zur Folge, dass der Feder-CIip-Nadelschutz (40) sich entgegen dem Uhrzeigersinn zu der in Figur 1B gezeigten zurückgezogenen Stellung gelenkig dreht oder einschnappt (vgl. Anlage AST 11, Abs. [0025]). Der distale Arm (42) des Nadelschutzes (40) blockiert beim Zurückziehen der Nadel den distalen Weg der Nadel (vgl. Anlage AST 11, Abs. [0025]). Hierzu ist in dem Nadelschaft ein „Wulst“ bzw. eine „Ausbeulung“ [„bulge“] (61) vorgesehen, deren Durchmesser größer als der Durchmesser der Öffnung (58) in dem vertikalen Arm (54) ist. Die „Ausbeulung“ [„bulge“] (61) greift in die Wand [„wall“] (54) ein und kann somit nicht durch die in dem vertikalen Arm (54) vorhandene Öffnung (58) hindurch treten, wodurch eine weitere proximale Bewegung der Nadel und das Entfernen der Nadel von dem Nadelschutz verhindert werden (Anlage AST 11, Abs. [0026]).

Die Patentbeschreibung hebt hervor, dass beim Herausziehen der Nadel ein schützender Nadelschutz (40), welcher innerhalb der Ansatzkammer (36) angeordnet ist, automatisch in eine Rückzugstellung schnappt, in welcher er den Zugriff zu der distalen Nadelspitze blockiert und eine weitere distale Bewegung der Nadelspitze verhindert, wodurch eine unbeabsichtigte Berührung der Nadelspitze durch den Benutzer verhindert wird (Anlage AST 11, Abs. [0026]).

B.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. InstGE 9, 140 – Olanzapin; InstGE 12, 114 – Harnkatheter), dass der Erlass einer einstweiligen Verfügung insbesondere auf Unterlassung nur in Betracht kommt, wenn sowohl die Frage der Patentverletzung als auch der Bestand des Verfügungspatents im Ergebnis so eindeutig zugunsten des Antragstellers zu beantworten sind, dass eine fehlerhafte, in einem etwa nachfolgenden Hauptsacheverfahren zu revidierende Entscheidung nicht ernstlich zu erwarten ist (ebenso: OLG Karlsruhe, InstGE 11, 143 – VA-LVD-Fernseher). Das ist hier nicht der Fall, weshalb dem Verfügungsbegehren der Antragstellerin nicht entsprochen werden kann.

1.
Der Senat kann im Rahmen des vorliegenden Verfügungsverfahrens – mit den in diesem Verfahren in Betracht kommenden Beweismitteln – schon nicht feststellen, dass die angegriffenen Sicherheits-IV-Katheter der Antragsgegnerin von der technischen Lehre des Verfügungspatents Gebrauch machen. Er kann sich nämlich nicht die Überzeugung bilden, dass unter den Begriff „transverse segment“ auch ein Segment fällt, dass parallel zur Längsrichtung der Nadel verläuft, wie dies bei den angegriffenen Ausführungsformen der Fall. Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand erachtet der Senat vielmehr die Auffassung des Landgerichts für zutreffend, dass Patentanspruch 1 mit „transverse segment“ ein Segment meint, das schräg zur Längsrichtung der Nadel verläuft und den Nadelschaft kreuzt. Ist der Begriff „transverse segment“ in diesem Sinne zu verstehen, verwirklichen die angegriffenen Ausführungsformen das Merkmal (4.3) der vorstehenden Merkmalsgliederung nicht.

a)
Gemäß Merkmal (4) umfasst der Nadelschutz des erfindungsgemäßen IV-Katheters

• einen proximalen, vertikalen Arm (54, 106),
• einen distalen Arm (42, 112) und
• ein „transversales Segment“ [„transverse segment“] (50, 98).

Das „transversale Segment“ (50, 98), von dem sich der distale Arm (42, 112) erstreckt (Merkmal (6.1)), verbindet den proximalen Arm und den distalen Arm (Merkmal (7.1)).

Da der in englischer Verfahrenssprache abgefasste Patentanspruch nicht nur von „segment“, sondern von „transverse segment“ spricht, wird der Fachmann nicht davon ausgehen, dass es sich bei dem besagten Segment nur um einen irgendwie verlaufenden Abschnitt handelt, der den proximalen Arm und den distalen Arm des Nadelschutzes miteinander verbinden muss, wie dies ohnehin bereits von Merkmal (7.1) gefordert wird. Der Patentanspruch enthält vielmehr eine weitere Anweisung. Indem er das betreffende Segment ausdrücklich als „transverse segment“ bezeichnet, bringt er zum Ausdruck, dass das Segment eine bestimmte Ausrichtung hat. Dass der Patentanspruch eine konkrete Richtungsvorgabe für den Verlauf des Segments macht, räumt die Antragstellerin in zweiter Instanz auch selbst ein (vgl. Berufungsbegründung, Seiten 279 – 280 Rz. 40 [Bl. 279 – 280 GA]). Jede andere Auslegung würde im Ergebnis zu einer Negierung des Merkmals (4.3) führen. Hätte die Antragstellerin Schutz für einen Katheter mit einem Nadelschutz beanspruchen wollen, bei dem der Verlauf des Segments des Nadelschutzes beliebig ist und es nur auf die Verbindung der beiden Arme des Nadelschutzes ankommt, hätte sie dies durch eine entsprechende Anspruchsfassung zum Ausdruck bringen müssen. Der Anspruchswortlaut gibt damit eine bestimmte Ausrichtung des Segments (50, 98) vor, die er mit „transverse“ umschreibt.

Allgemein hat der englische Begriff „transverse“ der gemäß Art. 70 Abs. 1 EPÜ maßgeblichen englischen Verfahrenssprache die Bedeutung: „schräg, diagonal, Quer…, querlaufend“ (vgl. Anlage AG 7). Die in der Verfügungspatentschrift angegebene – nicht maßgebliche – deutsche Übersetzung des Begriffs „transverse segment“ lautet „transverses Segment“. Das Wort „transvers“ gibt es im Deutschen allerdings nicht, sondern lediglich das Wort „transversal“, weshalb der englische Begriff „transverse“ in der vorstehenden Merkmalsgliederung mit „transversal“ übersetzt worden ist. Der deutsche Begriff „transversal“ hat ebenfalls die Bedeutung: „quer verlaufend, senkrecht zur Ausbreitungsrichtung stehend, schräg“ (vgl. Anlagen AG 8) bzw. „(Biol.) quer zur Längsrichtung eines Organismus verlaufend, (Phys.) senkrecht zur Ausbreitungsrichtungen verlaufend …“ (vgl. Anlage AG 9). Nach allgemeinem Sprachgebrauch hat der Begriff „transverse“/“transversal“ damit die Bedeutung von quer, schräg oder senkrecht. Ein paralleler Verlauf zur Bezugsrichtung ist nach allgemeinem Sprachgebrauch ausgeschlossen.

Stellt sich der Fachmann die Frage, auf welche Bezugsrichtung der Patentanspruch abstellt, wird er bei unbefangener Lektüre des Patentanspruchs ohne weiteres davon ausgehen, dass die Längserstreckung der gesamten Vorrichtung und damit der Nadel die maßgebliche Bezugsrichtung ist.

Im Patentanspruch wird dem Fachmann zunächst gesagt, dass der Nadelschutz einen „proximalen vertikalen Arm“ umfasst (Merkmal (4.1)). Wenn der Patentanspruch im Zusammenhang mit dem proximalen Arm des Nadelschutzes den Begriff „vertikal“ einführt, wird der Fachmann unweigerlich davon ausgehen, dass sich die vertikale Ausrichtung des proximalen Arms auf die Längserstreckung der Vorrichtung und damit der Nadel bezieht und der Anspruch somit der Orientierung in den Figuren der Verfügungspatentschrift folgt, in denen die Längserstreckung der Nadel stets in horizontaler Richtung dargestellt ist. Dafür, dass sich die vertikale Ausrichtung des proximalen Arms auf die Längserstreckung der Nadel bezieht, spricht auch das Merkmal (5), wonach der proximale, vertikale Arm mit der Ausbeulung „am Nadelschaft“ in Eingriff treten soll, um ein Herausziehen aus dem Nadelschutz zu verhindern. Denn damit wird ein Bezug zum – in Längsrichtung verlaufenden – Nadelschaft hergestellt.

Dafür, dass die Längsrichtung der Nadel die maßgebliche Bezugsrichtung ist, spricht überdies die Verwendung der Begriffe „proximal“ und „distal“. Egal wie die Nadel eingestochen wird, ob in horizontaler, in vertikaler oder in schiefer Lage im Raum, ist immer die Nadelspitze „distal“ und der Nadelansatz „proximal“ anzusehen. Wenn aber der Patentanspruch auch für die beiden Arme des Nadelschutzes die Begriffe „proximal“ und „distal“ verwendet, kann sich dies nur auf die Längsrichtung der Nadel beziehen.

Ist hinsichtlich der Begriffe „proximal“, „distal“ und „vertikal“ die Längsrichtung der Nadel maßgeblich, gibt es an sich keinen Grund, hinsichtlich der („transversalen“) Ausrichtung des Nadelschutz-Segments (50, 98) eine andere Bezugsrichtung zu wählen. Denn es geht jeweils um ein- und dasselbe Bauteil, nämlich den Nadelschutz bestehend aus dem „transversalen Segment“, einem proximalen Arm und einem distalen Arm. Insoweit leuchtet es nicht ein, weshalb der Patentanspruch für ein- und dasselbe Bauteil der Vorrichtung plötzlich ein anderes Bezugsrichtungssystem verwenden sollte, wenn es um die „transversale“ Ausrichtung des Segments des Nadelschutzes geht.

Soweit die Antragstellerin dementgegen geltend macht, die beiden Arme des Nadelschutzes gäben die Bezugsrichtung vor, und sie zur Begründung anführt, dass der Nadelschutz separat hergestellt werde, vermag dies nicht zu überzeugen. Der Patentanspruch beansprucht Schutz für einen IV-Katheter, also für die gesamte Kathetervorrichtung mit Nadelschutz. Er stellt dabei erkennbar auf den eingebauten Zustand ab, was sich hinsichtlich des Nadelschutzes insbesondere aus den Merkmalen (5), (6.2), (6.4), (7.2), (7.3.2) und (8) ergibt. Sofern als Bezugsrichtung der Verlauf der Arme in Betracht zu ziehen wäre, müsste im Übrigen nach der Logik der Antragstellerin der proximale Arm „vertikal“ – d. h. in einem Winkel von 90o – zum Segment verlaufen. Dann würde aber kein einziges Ausführungsbeispiel unter den Patentanspruch fallen, weil bei diesen der proximale Arm (54, 106) nicht vertikal, sondern in einem spitzen Winkel von ca. 45o zum Segment (50, 98) verläuft.

Zieht der Fachmann zur Auslegung des Begriffs „transverse segment“ die in den Figuren der Verfügungspatentschrift dargestellten Ausführungsbeispiele heran, an denen er sich mangels einer allgemeinen Beschreibung der Geometrie des Nadelschutzes maßgeblich orientieren wird, erkennt er, dass alle Figuren Ausführungsformen zeigen, bei denen sich das „transversale Segment“ (50, 98) schräg zur Längsrichtung der Nadel erstreckt und hierbei den Nadelschaft kreuzt. Zur Verdeutlichung werden insoweit nachfolgend nochmals die Figuren 1A und 2A der Verfügungspatentschrift als Ausschnitte wiedergegeben:

Dass das „transversale Segment“ (50, 98) – wie in den Figuren gezeigt – den Nadelschaft kreuzt, kommt auch in der zugehörigen Patentbeschreibung zum Ausdruck. So heißt es in Bezug auf das in Figur 1A gezeigte Ausführungsbeispiel in Absatz [0022] der deutschen Übersetzung der Verfügungspatentschrift (Hervorhebungen hinzugefügt):

„Der Feder-Clip-Nadelschutz enthält weiter ein transversales Segment 50, welches sich von dem unteren spitzen Ende 46 nach oben und in proximaler Richtung [„proximally“] erstreckt und an einem U-förmigen oberen Ende 52 endet“.

Ferner heißt es hinsichtlich des in Figur 2A gezeigten Ausführungsbeispiels in Absatz [0028] der Verfügungspatentschrift (Hervorhebungen hinzugefügt):

„Das gebogene Ende 104 liegt an die innere obere Wand des Katheteransatzes 26 bei dem Punkt b an und der gebogene Abschnitt 110 sitzt bei dem Punkt innerhalb der passenden Nut 48 a, die in der unteren inneren Wand des Katheteransatzes gebildet ist.“

Beschrieben wird damit jeweils – entsprechend der üblichen Bedeutung des Wortes „transversal“ – ein zur Längsrichtung der Nadel schräger Verlauf des Segments (50, 98), und zwar dergestalt, dass dieses den Nadelschaft kreuzt. Eine Ausführungsform, bei welcher das die Arme verbindende Nadelschutz-Segment parallel zum Nadelschaft verläuft, wird hingegen in der Verfügungspatentschrift weder beschrieben noch figürlich dargestellt.

Bei den in den Figuren gezeigten Ausführungsformen handelt es sich zwar, was der Senat nicht verkennt, bloß um Ausführungsbeispiele. Ausführungsbeispiele dienen grundsätzlich nur der Beschreibung von Möglichkeiten der Verwirklichung des Erfindungsgedankens. Sie erlauben daher regelmäßig keine einschränkende Auslegung eines die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs; aus ihnen darf dementsprechend nicht auf ein engeres Verständnis des Patentanspruchs geschlossen werden, als es dessen Wortlaut für sich genommen nahe legt. Hier legt der Wortlaut des Patentanspruchs aber gerade kein allgemeineres Verständnis des Begriffs „transverse segment“ nahe.

Dass der Begriff „transverse“ nicht einen parallelen Verlauf zur Längsrichtung der Nadel bezeichnet, wird grundsätzlich auch durch die Begriffsbildung der EP-A 0 554 841 (Anlage AST 20) bestätigt. Denn in dieser älteren Druckschrift, von der das Verfügungspatent ausgeht, wird das in der oben bereits wiedergegebenen Figur 5a EP-A 0 554 841 mit Bezugsziffer 63 gekennzeichnete Teil des dortigen Nadelschutzes, das quer zur Längsachse der Nadel verläuft, durchgehend als „transversaler Wandabschnitt“ [„tranverse wall portion“] bezeichnet, wohingegen das mit Bezugsziffer 62 gekennzeichnete Teil, bei dem es sich um das den distalen und den proximalen Arm verbindende Segment handelt, als länglicher Abschnitt (62) beschrieben wird, der sich entlang des Nadelschaftes erstreckt. So heißt es z. B. in Spalte 3, Zeile 40, bis Spalte 4, Zeile 6 der EP-A 0 554, dass die Blattfeder (58) einen flachen Körper umfasst, der ein Loch (59) in der flachen ersten Endwand (60) aufweist, die die Nadel umgibt. Die flache erste Endwand (60) erstrecke sich „generell senkrecht zu der Längsachse der Nadel“ [„… generally perpendicularly to the longitudinal axis of the needle“]. Ein länglicher Abschnitt (62) der Blattfeder erstrecke sich entlang dessen Nadelschafts [„An elongate portion 62 of the leaf spring extends along the needleshaft“]. Er sei in dem sich radial erstreckenden Flansch (48) an einem Ende benachbart und grenze an eine Endwand (64) des rohrförmigen Körpers (38) an dessen anderem Ende an. Ein sich nach innen erstreckender „transversaler Wandabschnitt“ [„transverse wall portion“] (63) der Feder mit einem generell L-förmigen Ende erstrecke sich von dem länglichen Abschnitt (62) zu der Längsachse der Nadel (16) hin. Der „transversale Wandabschnitt“ (63) sei mit einer Lippe (65) versehen. Der Abschnitt (63) werde elastisch zu der Längsachse hin gedrückt, wenn er gegen die Nadel wirke. Entsprechend dem üblichen Sprachgebrauch bezeichnet die EP-A 0 554 841 damit nicht den Verlauf des den proximalen Arm (60) und den distalen Arm (63) verbindenden Abschnitts 62, welcher sich bei Aktivierung parallel zum Nadelschaft erstreckt, als „transversal“, sondern die Ausrichtung des distalen Arms (63), der quer zum Nadelschaft angeordnet ist.

Das alles spricht dafür, dass das Verfügungspatent mit „transverse segment“ ein Segment meint, das – wie auch in den Ausführungsbeispielen gezeigt – schräg zur Nadellängsrichtung verläuft und den Nadelschaft kreuzt.

Für diese Maßnahme gibt es auch einen technischen Grund. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, erkennt der Fachmann bei Lektüre der Verfügungspatentschrift, dass der angestrebte automatische Übergang des Nadelschutzes von der Bereit- in die Blockier-Stellung beim Herausziehen der Nadel in einfacher und keine weiteren Maßnahmen erfordernder Weise dadurch erzielt wird, dass das „transversale Segment“ den Nadelschaft kreuzt. Über den Verlauf des „transversalen Segments“ quer zum Nadelschaft lässt sich eine Federspannung herstellen, um zuverlässig einen selbsttätigen Übergang des Nadelschutzes von der Bereit-Stellung in die Blockier-Stellung bei Herausziehen der Nadel aus dem Katheteransatz zu ermöglichen. Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang, ob der Fachmann bei Lektüre der Verfügungspatentschrift ohne erfinderisches Bemühen zu einer Ausführungsform gemäß dem von der Antragstellerin in zweiter Instanz überreichten Modell (vgl. hierzu Anlage B & B 13 und Schriftsatz v. 24.08.2010, S. 19 [Bl. 417 GA]) gelangen kann, bei dem das den proximalen und den distalen Arm verbindende Segment des Nadelschutzes den Nadelschaft nicht kreuzt und bei dem die Spannung am Übergang des proximalen, vertikalen Arms zum Segment aufgebaut wird. Ist der Begriff „transverse Segment“ aus den vorstehenden Gründen dahin auszulegen, dass hiermit ein Segment gemeint ist, das schräg zur Nadel verläuft, hat sich das Verfügungspatent in seinem maßgeblichen Patentanspruch auf eine solche Ausrichtung festgelegt, so dass ein parallel zur Nadel verlaufendes Segment nicht erfasst wird.

b)
Zu beachten ist allerdings, dass die Verfügungspatentschrift im Rahmen der Würdigung der EP-A 0 554 841, dass dort in der Längsachse der Nadel verlaufende Bauteil 63 als „transversales Segment“ bezeichnet. Denn in Absatz [0002] der deutschen Übersetzung der Verfügungspatentschrift heißt es – wie bereits erwähnt – zum Gegenstand der EP-A 0 554 841, dass ein „transversales Segment“ [„transverse segment“] des Nadelschutzes den proximalen mit den distalen Arm verbinde, wobei sich der distale Arm von dem „transversalen Segment“ aus erstrecke und in die Nadel mit Abstand zur Nadelspitze einreife, wenn die Nadel in der Bereitschaftsstellung sei. Bei dem angesprochenen distalen Arm handelt es sich um den in der Figur 5a der EP-A 0 554 841 mit dem Bezugszeichen 63 gekennzeichneten Wandabschnitt und bei dem proximalen Arm handelt es sich um die mit dem Bezugszeichen 60 gekennzeichnete Endwand. Den Abschnitt 62, der den proximalen Arm (60) und den distalen Arm (63) verbindet und der in der Blockierstellung ersichtlich parallel zum Nadelschaft verläuft und auch in der Bereit-Stellung den Nadelschaft nicht kreuzt, bezeichnet die Verfügungspatentschrift hingegen als „transversales Segment“.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob der Fachmann dieser Beschreibungsstelle entnimmt, dass dem Verfügungspatent in Bezug auf die Wendung „transverse segment“ ein vom allgemeinen Begriffsverständnis abweichender Sprachgebrauch zugrunde liegt. Er wäre maßgeblich, weil jede Patentschrift aus sich selbst heraus auszulegen ist und gewissermaßen ihr eigenes Lexikon für die in ihm gebrauchten Begriffe bildet (vgl. nur: BGH, GRUR 1999, 909, 912 – Spannschraube; GRUR 2005, 754 – werkstoffstückig; BGH, Urt. v. 02.03.2010 – X ZR 21/07, Umdr. Seite 16 Tz. 24 – Fräsverfahren).

Denkbar sind insoweit drei Konstellationen:

• Die Würdigung, die die EP-A 0 554 841 im Verfügungspatent erfahren hat, könnte zu der Annahme führen, dass mit dem Begriff „transversal“ kein quer zur Längsrichtung der Nadel verlaufendes Segment angesprochen ist, sondern ein parallel zur Längsachse der Nadel ausgerichtetes Segment gemeint ist.

Ein dahingehendes Verständnis wird der Fachmann allerdings schon deshalb verwerfen, weil die Ausführungsbeispiele der Verfügungspatentschrift, die allesamt ein quer den Nadelschaft kreuzendes Segment zeigen, nicht mehr unter den einzigen Patentanspruch fallen würden.

• Denkbar wäre des Weiteren, dass der Fachmann der Würdigung der EP-A
0 554 841 entnimmt, dass unter den Begriff „transvers segment“ auch ein Segment fällt, das parallel zur Nadellängsachse verläuft. Die Wendung „transversal“ würde alsdann sowohl einen den Nadelschaft kreuzenden als auch einen zum Nadelschaft parallelen Verlauf erfassen. Bei dieser Sichtweise hätte die Angabe „transversal“ weiterhin eine Bedeutung, wenn hiermit nur eine leichte Neigung ausgeschlossen wäre, bei der das Segment zwar leicht schräg zur Nadel verläuft, diese aber nicht kreuzt.

Dass der Fachmann, der grundsätzlich bestrebt ist, einem Patent einen sinnvollen Gehalt zu entnehmen (vgl. BGH, GRUR 2008, 887, 889 – Momentanpol II; GRUR 2009, 653, 654 – Straßenbaumaschine), den Patentanspruch 1 des Verfügungspatents in diesem Sinne interpretiert, kann jedoch kaum angenommen werden. Denn es ist nicht ersichtlich, was es technisch für einen Sinn machen sollte, einen parallelen Verlauf des Segments zur Nadellängsachse zuzulassen, einen nicht streng parallelen nicht kreuzenden Verlauf nicht einen nicht parallelen und den Nadelschaft kreuzenden Verlauf hingegen wohl. Einen plausiblen Grund für eine dahingehende Anweisung und Differenzierung hat auch die Antragstellerin im Verhandlungstermin nicht aufzuzeigen vermocht.

• Denkbar wäre schließlich, dass der Fachmann angesichts eines fehlenden technischen Grundes für den Ausschluss einer nur leichten Neigung auch eine solche Ausrichtung des Segments als erfasst ansieht.

Dagegen spricht jedoch, dass die im Patentanspruch enthaltene Angabe „transversal“ in diesem Falle nichtssagend wäre. Denn bei einer solchen Interpretation wäre letztlich keinerlei räumliche Ausrichtung mehr vorgegeben. Da der proximale und der distale Arm mittels des Segments verbunden sein sollen, die beiden Arme also voneinander beabstandet sind, kommen überhaupt nur Anordnungen in Betracht, bei denen das Segment, wenn es die beiden Arme verbindet, eben parallel zur Nadel oder irgendwie quer (geneigt) zur Nadel verläuft. Das Wort „transversal“ wäre damit inhaltsleer und überflüssig. Es erscheint dem Senat fern liegend, dass der Fachmann ein derartiges Verständnis ernstlich in Betracht ziehen wird.

Vielmehr neigt der Senat vor diesem Hintergrund zu der Annahme, dass der Fachmann die Angabe in Absatz [0002] der Verfügungspatentbeschreibung, wonach es sich bei dem Abschnitt (62) des Nadelschutzes der EP 0 554 841 um ein „transversales Segment“ handeln soll, als Versehen erkennt und dieser Textstelle deshalb keine Bedeutung beimisst. Dass dem nicht so ist und der Fachmann den Begriff „transverse segment“ dahin versteht, dass hierunter auch ein Segment fällt, das – wie bei den angegriffenen Ausführungsformen – parallel zur Längsrichtung der Nadel verläuft, vermag der Senat im Rahmen des vorliegenden Verfügungsverfahrens, in welchem die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht in Betracht kommt, jedenfalls nicht festzustellen.

2.
Auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstandes ist der Senat allerdings davon überzeugt, dass der Fachmann zu einem Verständnis des Begriffs „transverse segment“, wonach das Segment auch parallel zur Längsrichtung der Nadel verlaufen kann, nur auf Grund der Würdigung gelangen kann, die die EP-A 0 554 841 in der Verfügungspatentschrift erfahren hat. Unterstellt man insoweit zu Gunsten der Antragstellerin, dass der Begriff „transverse segment“ im Hinblick auf die angesprochene Stelle in der Verfügungspatentbeschreibung in diesem Sinne auszulegen ist und die angegriffenen Ausführungsformen damit entgegen der Beurteilung des Landgerichts ein „transversales Segment“ im Sinne des Verfügungspatents aufweisen, und unterstellt man ferner, dass auch die übrigen streitigen Merkmale des Verfügungspatents erfüllt sind, muss davon ausgegangen werden, dass das Verfügungspatent mit seinem erteilten einzigen Patentanspruch im anhängigen Einspruchsverfahren keinen Bestand haben wird, weil dann eine unzulässige Erweiterung (Art. 100 (c) i.V.m. Art. 123 Abs. 2 EPÜ) vorliegt.

a)
Art. 123 Abs. 2 EPÜ verbietet ausdrücklich Änderungen von Anmeldungen, die zur Folge haben, dass deren Gegenstand „über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht“. Maßgebend ist der Inhalt der Anmeldung, wie er sich am zuerkannten Anmeldetag darstellt. Inhalt der Anmeldung ist in diesem Sinne alles, was der Fachmann „unmittelbar und eindeutig“ der Gesamtheit der Anmeldungsunterlagen (Beschreibung, Patentansprüche und Zeichnungen, unter Ausschluss der Zusammenfassung und Prioritätsunterlagen) unter Berücksichtigung seines allgemeinen Fachwissens entnimmt. Nicht nur jede Berichtigung, sondern vor allem auch jede Änderung der die Offenbarung betreffenden Teile einer europäischen Patentanmeldungen nach Regel 88 Satz 2 darf nur im Rahmen dessen erfolgen, was der Fachmann der Gesamtheit dieser Unterlagen in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung unter Hinzuziehung des allgemeinen Fachwissens – objektiv und bezogen auf den Anmeldetag – unmittelbar und eindeutig entnehmen kann (vgl. Benkard/Schäfers, EPÜ, Art. 123 Rdnr. 32 m. w. Nachw.).

Je nach Lage des Einzelfalles sind zwar Ergänzungen des Offenbarungsteils zulässig, soweit der Offenbarungsgehalt nicht erweitert, die Informationsfunktion der Patentschrift aber verbessert wird. So kann die bloße Aufnahme eines Hinweises auf den Stand der Technik in der Beschreibung grundsätzlich nicht als unzulässige Erweiterung des Gegenstands im Sinne des Art. 123 Abs. 2 EPÜ ausgelegt werden. Ob ein Verstoß vorliegt, hängt allerdings stets von der verwendeten Formulierungen und den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. Benkard/Schäfers, EPÜ, Art. 123 Rdnr. 38 m. w. Nachw.).

Eine Passage in der Beschreibung, die nicht Inhalt der ursprünglichen Unterlagen gewesen ist, kann dann eine unzulässige Erweiterung begründen, wenn deren Berücksichtigung bei der Auslegung des Patentanspruchs des erteilten Patents zu einem veränderten Verständnis der darin verwendeten Begriffe oder des geschützten Gegenstandes führt (vgl. BGH, GRUR 2010, 513, 518 – Hubgliedtor II, zu §§ 22 Abs. 1, 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG; vgl. a. Benkard/Rogge, PatG/GebrMG, 10. Aufl., § 22 PatG Rdnr. 21 a. E.. zur Schutzbereichserweiterung nach § 22 Abs. 1 Alt. 2). Das gilt nicht nur im Rahmen von § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG, sondern auch im Rahmen des hier einschlägigen Art. 123 Abs. 2 EPÜ. Auch insoweit ist anerkannt, dass eine Änderung der Definition eines Merkmals des Patentanspruchs in der Beschreibung auch ohne Veränderung des Patentanspruchs eine unzulässige Erweiterung im Sinne dieser Vorschrift darstellen kann (Singer/Stauder/Blumer, 5. Aufl., EPÜ, Art. 123 Rdnr. 77 m. w. Nachw.).

b)
Genauso liegen die Dinge hier, wenn der im Anspruch des Verfügungspatents enthaltene Begriff „transverse segment“ im Hinblick auf die Beschreibungsstelle in Absatz [0002] der Verfügungspatentschrift dahin auszulegen sein sollte, dass das Segment auch parallel zur Längsrichtung der Nadel verlaufen kann. Denn dann geht der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 des Verfügungspatents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.

aa)
Das Verfügungspatent geht auf eine Teilungsanmeldung zurück, die letztendlich von der ursprünglichen Stammanmeldung PCT/EP98/05ZAZ (Veröffentlichungs-Nr. WO 99/08ZZX; Anlage AG 1, deutsche Übersetzung AG 1A) abgetrennt wurde. Bei Einreichung der Anmeldungsunterlagen zum Verfügungspatent wurden die ursprüngliche Beschreibung der Stammanmeldung sowie die ursprünglichen Figuren, nicht jedoch die Ansprüche der Stammanmeldung verwendet. Stattdessen wurde ein einziger Anspruch 1 eingereicht, der zu der Teilanmeldung neu formuliert wurde. Die Anmeldungsunterlagen setzen sich damit zusammen aus den Anmeldungsunterlagen der PCT-Anmeldung sowie einem nachträglich neu formulierten Anspruch.

bb)
Im Rahmen des Erteilungsverfahrens hat die Antragstellerin unstreitig mit einer Eingabe vom 15. April 2009 geänderte Unterlagen eingereicht, darunter eine geänderte Beschreibungsseite 1 mit der Würdigung des Standes der Technik gemäß der EP-A 0 554 841 gemäß dem nunmehrigen Absatz [0002] der Verfügungspatentschrift, der in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen nicht enthalten war.

cc)
Durch die nachträgliche Einfügung dieser Beschreibungsstelle, in welcher der längs des Nadelschafts verlaufende Abschnitt (62) des Nadelschaftes der EP-A
0 554 841 als „transversales Segment“ [„transverse segment“] bezeichnet wird, hat sich die Antragstellerin eine neue Interpretationsmöglichkeit des Begriffs „transversales Segment“ eröffnet, die über den ursprünglichen Offenbarungsgehalt der Anmeldungsunterlagen hinausgeht. Als „transversal“ [„transverse“] ist in der Stammanmeldung nämlich nur ein schräger, den Nadelschaft kreuzender Verlauf offenbart.

In der allgemeinen Beschreibung der WO-Schrift wird der Begriff „transverse segment“ weder erläutert noch gebraucht. Er wird erstmals in der besonderen Patentbeschreibung auf Seite 10, Zeilen 26 bis 29, der von der Antragsgegnerin als Anlage AG 1A vorgelegten deutschen Übersetzung der WO-Schrift verwendet, auf die nachfolgend Bezug genommen wird. Dort heißt es hinsichtlich der Figuren 1A und 1B, dass der Federklammer-Nadelschutz (40) ein „transversales Segment 50“ [„transverse segment 50“] enthält, welches sich nach oben und proximal von dem unteren spitz zulaufenden Ende (46) erstreckt und an einem U-förmigen oberen Ende (52) endet. Im Folgenden wird dann auf Seite 11, Zeilen 4 bis 7, ausgeführt, dass das „transversale Segment“ (50) und der proximale vertikale Arm (54) jeweils axial ausgerichtete Öffnungen (56, 58) enthalten, durch welche der Schaft der Nadel (16) frei hindurch treten und axial beweglich sein kann. Das bedeutet, dass das „transversale Segment“ (50) schräg zur Längsrichtung der Nadel verläuft und den Nadelschaft kreuzt, wie dies auch eindeutig aus den Figuren 1A und 1B der WO-Schrift hervorgeht.

Entsprechendes gilt für die Figuren 1C und 1D der WO-Schrift (= Figuren 1A und 1B der Verfügungspatentschrift). Wie aus Seite 12, Zeilen 26 bis 30, der deutschen Übersetzung der WO-Schrift hervorgeht, unterscheidet sich der in diesen Figuren dargestellte Katheter von der zuvor in den Figuren 1A und 1B dargestellten Ausführungsform lediglich dadurch, dass der Schlitz (60) in dem Nadelschaft des Katheters bei der Ausführungsform gemäß den Figuren 1C und 1D durch einen „Wulst“ (61) ersetzt ist. Auch bei dieser Ausführungsform verläuft das „transversale Segment“ (50) somit schräg zur Nadel und kreuzt den Nadelschaft, wie dies auch wiederum in den Figuren 1C und 1D gezeigt ist.

Die Figuren 2A und 2B der WO-Schrift zeigen ebenfalls ein „transversales Segment“ (50), das den Nadelschaft kreuzt, wobei in der zugehörigen Patentbeschreibung auf das „transversales Segment“ nicht eingegangen wird. Entsprechendes gilt für die Figuren 3A und 3B.

In der Beschreibung der WO-Schrift erwähnt wird das „transversale Segment“ wieder in der die Ausführungsform gemäß den Figuren 4A und 4B betreffenden Beschreibung. Nachfolgend wird hierzu die Figur 4A der WO-Schrift eingeblendet:

Zu dieser Ausführungsform wird dem Fachmann auf Seite 14, Zeilen 8 bis 14, der deutschen Übersetzung mitgeteilt:

„Ein „transversales Segment“ 69 mit einer zentralen Öffnung 70 erstreckt sich proximal und nach oben und endet bei einem oberen U-förmigen Teil 72. Eine proximale Endwand 74 mit einer Öffnung 76 hängt vertikal von dem Teil 72 ab und erstreckt sich dann distal in einem horizontalen unteren Segment 78, welches eine Öffnung 80 aufweist, durch welche sich in der Bereitschaftsstellung des Nadelschutzes die unteren Hälften des distalen Arms 65 und „transversalen Segments 69“ erstrecken. Das Segment 78 erstreckt sich an seinem distalen Ende nach oben an einer vorderen Wand 82, welche eine zentrale Öffnung 84 aufweist, die axial mit Öffnungen 70,76 ausgerichtet ist. An ihrem oberen Ende erstreckt sich die distale vordere Wand 82 in der proximalen Richtung in einem oberen Segment 86, welches, wie in Fig. 4A gezeigt ist, die obere innere Wand des Katheteransatzes im Wesentlichen entlang seiner gesamten Länge berührt.“

Aus dieser Beschreibungsstelle ergibt sich klar und eindeutig, dass das „transversales Segment 69“ [„transverse segment 69“] mit seiner Öffnung (70) schräg zur Längsrichtung der Nadel verläuft, wohingegen der untere Abschnitt (78) – im Unterschied hierzu – „horizontal“ verläuft. Es wird damit in den Anmeldungsunterlagen ausdrücklich zwischen einem „transversalen“ und einem „horizontalen“ Verlauf der betreffenden Teile unterschieden, und zwar jeweils bezogen auf die Längsrichtung der Nadel.

Die Beschreibung zu der Ausführungsform gemäß den Figuren 7A und 7C erwähnt einen „zentralen, transversalen Abschnitt 98“. Hierzu heißt es auf Seite 16, Zeilen 16 bis 28, der deutschen Übersetzung:

„Die Ausführungsform der Fig. 7A-C unterscheidet sich von den zuvor beschriebenen Ausführungsformen in erster Linie hinsichtlich des Aufbaus und der Arbeitsweise des Federklammer-Nadelschutzes 96. Wie in den Fig. 8 und 9 gezeigt ist, enthält die Federklammer 96 einen zentralen, „transversalen Abschnitt 98“, welcher einen zentralen Schlitz 100 enthält. Ein geneigter Abschnitt 102 erstreckt sich vom Abschnitt 98 in proximaler Richtung und endet an einem gekrümmten Ende 104, von welchem sich ein proximaler, vertikaler Arm 106 erstreckt. Der Arm 106 endet an seinem unteren Ende in einem U-förmigen Abschnitt 108. Das distale Ende des transversalen Abschnitts 98 endet in einem gekrümmten Abschnitt 110, von welchem sich ein vertikaler, proximaler Arm 112 erstreckt. Die distale Arm 112 endet an seinem oberen Ende in einem gekrümmten Arm 114.“

Den in Bezug genommenen Figuren 7A bis 7C entnimmt der Fachmann wiederum, dass die Federklammer (96) bzw. der die beiden Arme (106 und 112) verbindende Abschnitt der Federklammer schräg zur Längsrichtung der Nadel verläuft, wobei der Nadelschaft durch den Schlitz (100) des „zentralen, transversalen Abschnitts“ hindurch tritt, so dass der besagte Abschnitt den Nadelschaft kreuzt.

Der in den Figuren 7D und 7E (= Figuren 2A des und 2B der Verfügungspatentschrift) gezeigte Sicherheits-Katheter unterscheidet sich ausweislich der Beschreibung auf Seite 18, Zeilen 22 bis 26, der deutschen Übersetzung von der vorbehandelten Ausführungsform gemäß den Figuren 7A bis 7C nur dadurch, dass der Schlitz (60) in dem Nadelschaft durch einen „Wulst“ (61) ersetzt ist, dessen Durchmesser größer als der der Öffnung (58) in dem distalen Arm ist. Schaut der Fachmann in die betreffenden Figuren, erkennt er wiederum, dass der die beiden Arme (106 und 112) verbindende Abschnitt der Federklammer auch bei dieser Ausführungsform schräg zur Längsrichtung der Nadel verläuft und den Nadelschaft kreuzt.

Hinsichtlich der die in den Figuren 12, 13A und 13B gezeigten Ausführungsform heißt es schließlich auf Seite 21, Zeilen 10 bis 15, der deutschen Übersetzung der
WO-Schrift, dass der Federklammer-Schutz einen „transversalen Arm 150“ [„transverse arm 150“] enthält, welche an seinem distalen Ende bei einer distalen Endwand (152) endet, welcher an ihrem oberen Ende eine gekrümmte Lippe (154) und an ihrem unteren Ende ein gekrümmtes Ende (156) enthält, wobei in dem „transversalen Arm 150“ eine längliche rechteckige Öffnung oder ein Schlitz (158) vorgesehen ist. Wie den Figuren 13A und 13B zu entnehmen ist, erstreckt sich die Nadel in der Bereit-Stellung sowie in der Blockier-Stellung durch die Öffnung bzw. den Schlitz (158), so dass der quer verlaufende Arm (150) den Nadelschaft auch hier kreuzt.

Soweit in der Beschreibung der WO-Schrift der Begriff „transverse“ [„transversal“] verwandt wird, wird mit diesem Begriff somit immer ein Abschnitt angesprochen, der schräg zur Längsrichtung der Nadel verläuft und den Nadelschaft kreuzt. Für den Fachmann ergibt sich hieraus, dass nach dem Offenbarungsgehalt der Anmeldung ein „transverse segment“ ein Segment ist, das schräg zur Längsrichtung der Nadel verläuft und den Nadelschaft kreuzt.

Dass der Begriff „transversal“ bzw. „transversales Segment“ etwas anderes meint, insbesondere einen parallelen Verlauf zum Nadelschaft zulässt, ist der Beschreibung der WO-Schrift nicht zu entnehmen.

Die Antragstellerin vermag letztlich auch keine einzige Textstelle der WO-Schrift zu benennen, aus der sich für den Fachmann ergibt, dass ein „transversales Segment“ auch ein Segment ist, das nicht schräg zur Längsrichtung der Nadel verläuft und den Nadelschaft nicht kreuzt.

c)
Nimmt man an, dass der im Anspruch 1 des Verfügungspatents enthaltene Begriff „transverse segment“ im Hinblick auf die Beschreibungsstelle in Absatz [0002] der Verfügungspatentbeschreibung dahin auszulegen ist, dass unter diesen Begriff auch ein Segment fällt, das parallel zur Längsrichtung der Nadel verläuft, führt die Berücksichtigung dieser Beschreibungsstelle bei der Auslegung des Patentanspruchs damit zu einem geänderten, nämlich erweiterten Verständnis des darin verwendeten Begriffs, so das dann eine unzulässige Erweiterung vorliegt und mit einem Widerruf des Verfügungspatents in dem anhängigen Einspruchsverfahrens zu rechnen ist.

d)
Ein Hauptsacheverfahren wäre unter diesen Umständen bis zur Erledigung des Einspruchsverfahrens nach § 148 ZPO auszusetzen. Wenn der Schutzrechtsinhaber aber mittels Klage keine Titulierung eines Unterlassungsanspruchs erreichen kann, kann auch kein überwiegendes Interesse an einem dahingehenden vorläufigen sichernden Ausspruch gegeben sein. Da infolge des Eilcharakters eine Aussetzung des Verfügungsverfahrens nicht in Betracht kommt, ist in dieser Situation der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen (vgl. Senat, InstGE 7, 147, 148 – Kleinleistungsschalter).

3.
Scheidet der Erlass einer einstweiligen Verfügung schon aus den vorstehenden Gründen aus, kommt es auf die zwischen den Parteien ferner diskutierten Streitfragen nicht an. Es kann – was den Rechtsbestand des Verfügungspatents anbelangt – insbesondere dahinstehen, ob eine unzulässige Erweiterung darin zu sehen ist, dass der Anspruch des Verfügungspatents nur einen „needle guard“ (Nadelschutz) verlangt, wohingegen in der Beschreibung der
WO-Schrift nur von einer „spring clip“ (Federklammer) die Rede ist, und es kommt auch nicht darauf an, ob eine unzulässige Erweiterung darin begründet liegt, dass der Patentanspruch nur von einem „needle guard“ und nicht von einem „unitary needle guard“ spricht.

III.
Da die Berufung der Antragstellerin erfolglos geblieben ist, hat sie nach § 97 Abs. 1 ZPO auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Eines Ausspruches zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bedurfte es nicht, weil das vorliegende Urteil als zweitinstanzliche Entscheidung im Verfahren der einstweiligen Verfügung keinem Rechtsmittel mehr unterliegt (§ 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO) und ohne besonderen Ausspruch endgültig vollstreckbar ist.