2 U 81/09 – Hinterradnabe

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1516

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 28. Oktober 2010, Az. 2 U 81/09

Vorinstanz: 4b O 90/08

I.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 09.06.2009 – Az.: 4b O 90/08 – wird zurückgewiesen.

II.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen ihrer Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.

V.
Der Streitwert wird für die erste und die zweite Instanz auf 3.800.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin ist seit dem 30.08.2007 eingetragene Inhaberin des am 15.12.2000 in englischer Verfahrenssprache angemeldeten europäischen Patents EP 1 240 XXXB1 (Anlage TW 1; Klagepatent), das in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft steht. Es betrifft eine Vorrichtung zur Änderung der Geschwindigkeit von Fahrrädern, insbesondere eine Schaltung, die die Geschwindigkeit von Fahrrädern mittels Zahnrädern ändert, welche im Inneren der Hinterradnabe angeordnet sind. Seine Erteilung wurde am 26.09.2007 vom Europäischen Patentamt (EPA) veröffentlicht, der Hinweis hierauf vom Deutschen Patent- und Markenamt am 08.11.2007 bekannt gemacht. Der von der Beklagten eingereichte Einspruch gegen das Klagepatent wurde vom EPA in der mündlichen Verhandlung vom 13.07.2010 zurückgewiesen.

Die vorliegend streitgegenständlichen Ansprüche 1, 6 und 11 des Klagepatents lauten nach der beim DPMA eingereichten und inzwischen veröffentlichten deutschen Übersetzung (TW 1a):

1.
Vorrichtung zur Änderung der Geschwindigkeit von Fahrrädern, umfassend:

ein angetriebenes Kettenrad (100), welches die Antriebskraft eines antreibenden Kettenrades aufnimmt; einen Geschwindigkeitsregelabschnitt, umfassend:

einen auf einer Seite des angetriebenen Kettenrades (100) befestigten Träger (210), eine Vielzahl von an dem Träger angebrachten Planetengetrieben (220), wobei die Planetengetriebe jeweils wenigstens einen ersten Zahnabschnitt und einen zweiten Zahnabschnitt aufweisen; wenigstens zwei Sonnenräder (231, 232), an denen jeweils Sperrzähne am Innenumfang ausgebildet sind, wobei eines der Sonnenräder mit dem ersten Zahnabschnitt jedes Planetengetriebes eingreift und ein zweites der Sonnengetriebe mit dem zweiten Zahnabschnitt an jedem der Planetengetriebe eingreift; und

ein Hohlrad (240), welches mit den Planetengetrieben (220) eingreift;

einen Ausgangsabschnitt, umfassend:

ein Nabengehäuse (310), welches mittels des Trägers (210) und des Hohlrades (240) die Antriebskraft an das Hinterrad eines Fahrrades überträgt; und

zwischen dem Träger (210) und dem Nabengehäuse (310) sowie dem Hohlrad (240) und dem Nabengehäuse (310) angebrachte Kupplungsmittel (320) für eine gezielte Übertragung der Antriebskraft;

und einen Abschnitt zur Regelung der Geschwindigkeitsänderung, umfassend:

eine Nabenwelle (410) mit einem Sperrklinkenpositionierabschnitt (411); wenigstens zwei Sperrklinkensätze (421, (422), welche wirksam sind, um mit den Sperrzähnen (231a), 232a) der wenigstens zwei Sonnenräder (231), (232) einzugreifen; einen um die Nabenwelle (410) verlaufenden Sperrklinkensteuerungsring (430), welcher wirksam ist, um die Stellung der wenigstens zwei Sperrklinkensätze (421), (422) zu steuern;

eine Übersetzungsscheibe (450), an deren Außenumfang entlang eine Rille vorgesehen ist und die einen Hakenabschnitt an dem Außenumfang aufweist, wobei die Übersetzungsscheibe wirksam ist, um die Stellung des Sperrklinkensteuerungsrings (430) über einen vermittelnden Abschnitt zu übersetzen:

eine Feder (460) zum Zurückführen der Stellung der Übersetzungsscheibe in ihre ursprüngliche Stellung; und

einen Beabstandungsabschnitt (470), welcher eine freie Drehbewegung der Übersetzungsscheibe relativ zu dem Nabengehäuse ermöglicht.

6.
Vorrichtung zur Änderung der Geschwindigkeit von Fahrrädern nach Anspruch 1, wobei die Sperrklinken (421), (422) Folgendes umfassen:

einen Nasenabschnitt (421a), (422a), welcher im Inneren des Sperrklinkensteuerungsrings (430) positioniert ist;
und
einen Verschlussabschnitt (421b), (422b), welcher mit den am Innenumfang des Sonnengetriebes (231), (232) ausgebildeten Sperrzähnen (231a, 232a) in Eingriff oder außer Eingriff gelangt.

11.
Vorrichtung zur Änderung der Geschwindigkeit von Fahrrädern nach Anspruch 1, umfassend mehr als zwei Sperrklinkensätze (421), (422), wobei eine Vielzahl von Sperrklinkensteuerungsringen (430) jeweils zwischen den Sperrklinkensätzen (421), (422) angebracht ist.

Die nachfolgend eingeblendeten Figuren zeigen die Erfindung anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele, Figur 3 als Schnittansicht, Figur 4 als Schnittansicht entlang der Linie A-A` aus der Figur 3, Figur 5 als Schnittansicht des Geschwindigkeitsänderungsregelabschnitts, Figur 6 als perspektivische Ansicht des Geschwindigkeitsregelungsabschnitts und Figur 7 als perspektivische Einzelteildarstellung des Geschwindigkeitsregelabschnitts:

Die Beklagte ist die deutsche Generalvertretung des japanischen Fahrradkomponentenherstellers A Inc. Als solche bietet sie auf ihrer Internetseite diverse Produkte von A an, welche sie an den Fachhandel liefert. Zu diesen Produkten zählen auch die Hinterradnaben SG-8XXX/22, SG-8YYY/22, SG-8YXY/27, SG-8YXY/27-VS und SG-XS00 (angegriffene Ausführungsformen), von denen ein Exemplar der angegriffenen Ausführungsform SG-8YSX als Anlage TW 9 zur Gerichtsakte gereicht ist. Alle Naben unterscheiden sich in verschiedenen Details, nicht aber in der grundsätzlichen Mechanik der Gangschaltung, die – soweit vorliegend von Interesse – der im von A gehaltenen Europäischen Patent EP 1 323 XCXB1 (Anlage L 2, Übersetzung DE 602 18 1ZZZ T2 Anlage L3) beschriebenen entspricht und wie in der nachfolgend eingeblendeten Figur aus der genannten Patentschrift dargestellt aufgebaut ist:

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die angegriffenen Ausführungsformen das Klageschutzrecht verletzen, weshalb sie die Beklagte vor dem Landgericht auf Unterlassung, Schadensersatz und Rechnungslegung in Anspruch genommen hat. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, es sei zur Patentverletzung ausreichend, dass zwischen dem Träger, auf dem sich die Planetenräder befinden, und dem angetriebenen Kettenrad ein Kraftfluss stattfinde. Eine drehfeste Fixierung beider Teile sei ebenso wenig erforderlich wie eine räumliche Nähe derselben. Auch sehe das Klagepatent nicht vor, dass jedes Sonnenrad mit mindestens zwei Sperrklinken arretiert werde. Vielmehr verwende das Klageschutzrecht den Begriff des Sperrklinkensatzes zur Zusammenfassung der verschiedenen Komponenten, aus denen eine Sperrklinke bestehe (Nasenabschnitt, Verschlussabschnitt, Feder u.s.w.). Jedenfalls, so die Klägerin, sei das entsprechende Merkmal (Merkmal 6b) der unten wiedergegebenen Merkmalsanalyse) äquivalent verwirklicht, was sie hilfsweise geltend macht. Schließlich hält die Klägerin die bei den angegriffenen Ausführungsformen in Halbkreisform ausgebildete Sperrklinkensteuerung für klagepatentgemäß, da auch eine solche Ausformung die erfindungsgemäße Funktion eines Sperrklinkensteuerungsrings erfülle und ein Ring ohnehin nicht vollständig geschlossen sein müsse.

Die Beklagte hat demgegenüber in allen vorgenannten Punkten eine Verletzung des Klageschutzrechts in Abrede gestellt und – im Hinblick auf den zum damaligen Zeitpunkt noch nicht beschiedenen Einspruch gegen das Klagepatent – hilfsweise die Aussetzung des Verfahrens beantragt. Sie hat im Wesentlichen die Ansicht vertreten, das Merkmal der Befestigung des Trägers auf einer Seite des Kettenrades erfordere eine unmittelbare und drehfeste Verbindung der beiden Teile. Ein Satz von Sperrklinken müsse aus mindestens zwei Sperrklinken bestehen und ein halbkreisförmiges Steuerungselement sei kein Steuerungsring, da ein Ring begrifflich ein „kreisförmiges Band“ bezeichne.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die angegriffenen Ausführungsformen verletzten das Klagepatent schon deshalb nicht, da sie keine zwei Sperrklinkensätze pro Sonnenrad aufwiesen. Das Klagepatent verwende den Begriff des Sperrklinkensatzes zur Bezeichnung des Vorhandenseins einer Mehrzahl von Sperrklinken, wie sich aus der Patentbeschreibung ergebe. Daher müssten mindestens zwei Sperrklinken pro Sonnenrad vorhanden sein, was bei den angegriffenen Ausführungsformen unstreitig nicht der Fall ist. Eine äquivalente Verwirklichung dieses Merkmals scheitere am Fehlen der Gleichwertigkeit. Der Fachmann werde durch die Klagepatentschrift nicht dahingehend angeleitet, anstelle von zwei Sperrklinken pro Sonnenrad nur eine zu verwenden.

Hiergegen wendet sich die Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens mit der Berufung. Sie meint, das Landgericht habe bei der Auslegung des Merkmals der wenigstens zwei Sperrklinkensätze die technische Lehre der Erfindung verkannt und den Begriff zu eng ausgelegt. Jedenfalls müsse aber von einer entsprechenden äquivalenten Verwirklichung ausgegangen werden, da mit nur einer Sperrklinke dieselbe Wirkung erzielt werde wie mit zweien, nämlich die Arretierung des Sonnenrades. Im Hinblick auf den Stand der Technik, wie er sich z.B. aus der bereits erstinstanzlich vorgelegten Offenlegungsschrift DE 197 20 794 A1 (Anlage TW 14) ergebe, habe die Verwendung nur einer Sperrklinke auch nahegelegen. Schließlich ziehe der Fachmann bei Lektüre des Klagepatents die Verwendung nur einer Sperrklinke pro Sonnenrad auch als gleichwertig in Betracht.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 09.06.2009 – Az.: 4b O 90/08 – abzuändern und

I. die Beklagte zu verurteilen
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen Geschäftsführer zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
Vorrichtungen zur Änderung der Geschwindigkeit von Fahrrädern, umfassend: ein angetriebenes Kettenrad, welches die Antriebskraft eines antreibenden Kettenrades aufnimmt; einen geschwindigkeitsregelabschnitt, umfassend: einen auf einer Seite des angetriebenen Kettenrades befestigten Träger, eine Vielzahl von an dem Träger angebrachten Planetenrädern, wobei die Planetenräder jeweils wenigstens einen ersten Zahnabschnitt und einen zweiten Zahnabschnitt aufweisen; wenigstens zwei Sonnenräder, an denen jeweils Sperrzähne am Innenumfang ausgebildet sind, wobei eines der Sonnenräder mit dem ersten Zahnabschnitt jedes Planetengetriebes eingreift und ein zweites der Sonnenräder mit dem zweiten Zahnabschnitt an jedem der Planetengetriebe eingreift; und ein Hohlrad, welches mit den Planetenrädern eingreift; einen Ausgangsabschnitt, umfassen: ein Nabengehäuse, welches mittels des Trägers und des Hohlrades die Antriebskraft an das Hinterrad des Fahrrades überträgt; und zwischen dem Träger und dem Nabengehäuse sowie dem Hohlrad und dem Nabengehäuse angebrachte Kupplungsmittel für eine gezielte Übertragung der Antriebskraft; und einen Abschnitt zur Regelung der Geschwindigkeitsänderung, umfassend: eine Nabenwelle mit einem Sperrklinkenpositionierabschnitt; wenigstens zwei Sperrklinkensätze, welche wirksam sind, um mit den Sperrzähnen der wenigstens zwei Sonnenräder einzugreifen; einen um die Nabenwelle verlaufenden Sperrklinkensteuerungsring, welcher wirksam ist, um die Stellung der wenigstens zwei Sperrklinkensätze zu steuern; eine Übersetzungsscheibe, an deren Außenumfang eine Vorrichtung vorgesehen ist, um mit einem Schaltzug einzugreifen, wobei die Übersetzungsscheibe wirksam ist, um die Stellung des Sperrklinkensteuerungsrings über einen vermittelnden Abschnitt zu übersetzen; eine Feder zum Zurückführen der Stellung der Übersetzungsscheibe in ihre ursprüngliche Stellung; und einen Beabstandungsabschnitt, welcher eine freie Drehbewegung der Übersetzungsscheibe relativ zu dem Nabengehäuse ermöglicht,

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

insbesondere wenn

die Sperrklinken folgendes umfassen: einen Nasenabschnitt, welcher im Inneren des Sperrklinkensteuerungsrings positioniert ist und einen Verschlussabschnitt, welcher mit den am Innenumfang des Sonnenrades ausgebildeten Sperrzähnen in Eingriff oder außer Eingriff gelangt,

und/oder

die Vorrichtung zur Änderung der Geschwindigkeit von Fahrrädern mehr als zwei Sperrklinkensätze umfassen, wobei eine Vielzahl von Sperrklinkensteuerungsringen jeweils zwischen den Sperrklinkensätzen angebracht ist;

2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 26. Oktober 2007 begangen hat, und zwar durch Vorlage eines Verzeichnisses, aus dem ersichtlich sind
a. die einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen nebst Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
b. die einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
c. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d. die nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und der erzielte Gewinn;

II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 26. Oktober 2007 entstanden ist oder noch entstehen wird.

Hilfsweise zum Antrag Ziffer I. 1. beantragt die Klägerin,
… die Beklagte zu verurteilen,
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen Geschäftsführer zu vollstrecken ist, zu unterlassen,

Vorrichtungen zur Änderung der Geschwindigkeit von Fahrrädern, umfassend: ein angetriebenes Kettenrad, welches die Antriebskraft eines antreibenden Kettenrades aufnimmt; einen geschwindigkeitsregelabschnitt, umfassend: einen auf einer Seite des angetriebenen Kettenrades befestigten Träger, eine Vielzahl von an dem Träger angebrachten Planetenrädern, wobei die Planetenräder jeweils wenigstens einen ersten Zahnabschnitt und einen zweiten Zahnabschnitt aufweisen; wenigstens zwei Sonnenräder, an denen jeweils Sperrzähne am Innenumfang ausgebildet sind, wobei eines der Sonnenräder mit dem ersten Zahnabschnitt jedes Planetengetriebes eingreift und ein zweites der Sonnenräder mit dem zweiten Zahnabschnitt an jedem der Planetengetriebe eingreift; und ein Hohlrad, welches mit den Planetenrädern eingreift; einen Ausgangsabschnitt, umfassen: ein Nabengehäuse, welches mittels des Trägers und des Hohlrades die Antriebskraft an das Hinterrad des Fahrrades überträgt; und zwischen dem Träger und dem Nabengehäuse sowie dem Hohlrad und dem Nabengehäuse angebrachte Kupplungsmittel für eine gezielte Übertragung der Antriebskraft; und einen Abschnitt zur Regelung der Geschwindigkeitsänderung, umfassend: eine Nabenwelle mit einem Sperrklinkenpositionierabschnitt; wenigstens zwei Sperrklinken, welche wirksam sind, um mit den Sperrzähnen der wenigstens zwei Sonnenräder einzugreifen; eine um die Nabenwelle verlaufende halbkreisförmige Sperrklinkensteuerungsvorrichtung, welche wirksam ist, um die Stellung der wenigstens zwei Sperrklinken zu steuern; eine Übersetzungsscheibe, an deren Außenumfang eine Vorrichtung vorgesehen ist, um mit einem Schaltzug einzugreifen, wobei die Übersetzungsscheibe wirksam ist, um die Stellung der halbkreisförmigen Sperrklinkensteuerungsvorrichtung über einen vermittelnden Abschnitt zu übersetzen; eine Feder zum Zurückführen der Stellung der Übersetzungsscheibe in ihre ursprüngliche Stellung; und einen Beabstandungsabschnitt, welcher eine freie Drehbewegung der Übersetzungsscheibe relativ zu dem Nabengehäuse ermöglicht,

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

insbesondere wenn

die Sperrklinken folgendes umfassen: einen Nasenabschnitt, welcher im Inneren des Sperrklinkensteuerungsrings positioniert ist und einen Verschlussabschnitt, welcher mit den am Innenumfang des Sonnenrades ausgebildeten Sperrzähnen in Eingriff oder außer Eingriff gelangt,

und/oder

die Vorrichtung zur Änderung der Geschwindigkeit von Fahrrädern mehr als zwei Sperrklinkensätze umfassen, wobei eine Vielzahl von Sperrklinkensteuerungsringen jeweils zwischen den Sperrklinkensätzen angebracht ist;)

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und macht unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens unter anderem geltend, eine äquivalente Verwirklichung des Merkmals der wenigstens zwei Sperrklinkensätze sei auch deshalb zu verneinen, da es an der Gleichwirkung fehle. Bei Verwendung nur einer Sperrklinke pro Sonnenrad seien weitere Modifikationen notwendig, um sichere Schaltvorgänge zu ermöglichen. Werde das jeweilige Sonnenrad durch nur eine Sperrklinke arretiert, bestehe die Gefahr, dass das Sonnenrad infolge ungleichmäßiger Belastung aus dem Lot der Mittelachse geschoben werde. Beim oben genannten A-Patent werde dem durch einen Sonnenradführungsring entgegen gewirkt. Bei der Verwendung von zweien oder mehr Sperrklinken sei eine Verschiebung durch die gleichmäßige Verteilung der Kräfte ausgeschlossen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Klage ist unbegründet, da die angegriffenen Ausführungsformen das Klagepatent weder wortsinngemäß noch in äquivalenter Weise verletzen.

1.
Nach der einleitenden Erläuterung der Klagepatentschrift (insofern wird im Folgenden allein auf die Übersetzung TW 1a Bezug genommen, deren Richtigkeit nicht streitig ist) betrifft die Erfindung eine Vorrichtung zur Veränderung der Geschwindigkeit von Fahrrädern (Gangschaltung), welche in die Hinterradnabe eingebaut wird.
Im Stand der Technik waren zum einen Gangschaltungen bekannt, die eine Umsetzung der Antriebskraft über am Mittelrahmen und am Hinterrad angebrachte, miteinander gekoppelte Kettenräder ermöglichen. Bei derartigen Vorrichtungen treten jedoch während der Geschwindigkeitsänderung Geräusche und Stöße auf, was das Klagepatent als nachteilig bezeichnet.
Bekannt waren weiterhin Schaltungen, die in die Hinterradnabe eingebaut werden. Hier basiert die Übersetzung der Antriebskraft auf der Verzahnung mehrerer, in der Hinterradnabe eingebauter Innenzahnräder, wobei die Übersetzung über eine in der Hinterradnabe angebrachte Steuerung erfolgt. Das Klagepatent führt als Beispiel einer Übersetzung vom Innenradverzahnungstyp eine Übersetzungsnabe für Fahrräder aus der japanischen Offenlegungsschrift Nr. Hei7-10069 an, die im Klagepatent in den nachfolgend eingeblendeten Figuren 1 und 2 illustriert wird:

Diese Hinterradnabenschaltung erlaubt eine Übersetzung der Antriebskraft in drei unterschiedlichen Geschwindigkeitszuständen, dem sog. Niedrigkeitsgeschwindigkeitszustand sowie dem ersten und dem zweiten Hochgeschwindigkeitszustand. Die durch den Fahrer aufgebrachte Antriebskraft wird mittels einer Kette an das am Hinterrad positionierte Kettenrad (2a) geleitet. Im Niedrigkeitsgeschwindigkeitszustand erfolgt die Umsetzung der Antriebskraft über das Zahnrad (2a), den damit verbundenen Träger (2) und eine lösbare Kupplung (7) auf die Nabe (1). Eine Übersetzung findet nicht statt. Vielmehr wird die Antriebskraft „1 zu 1“ an das Hinterrad übertragen, Zahnrad (2a) und Nabe (1) drehen sich mit der gleichen Geschwindigkeit. Zum Wechsel in einen der Hochgeschwindigkeitszustände wird die Kupplung (7) gelöst und damit der direkte Eingriff des Trägers (2) in das Nabengehäuse (1) unterbrochen. In beiden Hochgeschwindigkeitszuständen erfolgt die Antriebskraft sodann über ein am Träger (2) angebrachtes Planetengetriebe. Eines der beiden Sonnenräder (12, 13), die beide frei um die nicht drehbare Hinterradachse (6) rotieren können, wird mittels an den Sonnenrädern angebrachter Sperrklinken (12a, 13a) auf der Hinterradachse (6) arretiert. Die Sperrklinken sind dabei derart ausgestaltet, dass sie in ausgerücktem Zustand gegen Vorsprünge stoßen, die an der Nabenwelle ausgebildet sind. Durch selektives Ausrücken der Sperrklinken kann jeweils das eine oder das andere Sonnenrad an der Hinterradachse fixiert und dadurch an der Rotation gehindert werden. Jedes der Sonnenräder steht mit Planetenrädern (11) in Eingriff, die ihrerseits mit einem Hohlrad (1c) in Eingriff stehen, welches durch eine Kupplung mit der Hinterradnabe (1) verbunden ist. Im Hochgeschwindigkeitszustand wird die Antriebskraft über den Träger (2) an die Planetenräder (11) übertragen, die über das jeweils arretierte Sonnenrad abrollen und hierdurch die Antriebskraft an das Hohlrad und damit die Hinterradnabe übertragen. Die erhöhte Geschwindigkeit wird dadurch erreicht, dass die Sonnenräder mehr Zähne aufweisen als die Planetenräder, so dass eine Umdrehung um das Sonnenrad in eine Vielzahl von Umdrehungen des Hohlrades übersetzt wird. Verschiedene Hochgeschwindigkeitszustände stellen sich dadurch ein, dass die Sonnenräder in unterschiedliche Zahnabschnitte der Planetenräder eingreifen und damit unterschiedliche Verhältnisse der Verzahnung zwischen Sonnenrad und Planetenrad (= unterschiedliche Übersetzungen) ermöglichen.

Das Klagepatent bemängelt an den Schaltungen des Innenverzahnungstyps aus dem Stand der Technik zum einen die Verzögerung der Wirkung des Schaltvorgangs, die darauf beruht, dass eine der beiden Sperrklinken, die auf sich gegenüber liegenden Seiten angebracht sind, eingreifen muss, so dass die Verzögerung bis zu einer halben Umdrehung des Sonnenrades dauern kann. Dem kann zwar durch eine Erhöhung der Sperrklinkenanzahl begegnet werden, jedoch ist die Möglichkeit, die Anzahl von Sperrklinken zu erhöhen, aus technischen Gründen begrenzt. Zum anderen kritisiert das Klagepatent die Ausgestaltung der Steuerungsvorrichtung der Sperrklinken, welche die Umschaltung zwischen den einzelnen Sonnenrädern herbeiführt. Die im Stand der Technik bekannten Vorrichtungen beschreiben eine Steuerung mittels einer um die Hinterradachse ausgebildeten Steuerungshülse (26). Diese Steuerungshülse weist mehrere Fensterausschnitte auf, die ein Ausrücken der gewünschten Sperrklinke erlauben. Hieran erachtet das Klagepatent als nachteilig, dass nicht ausgerückte Sperrklinken während der Fahrt stets über die Steuerhülse rotieren, wodurch sowohl unerwünschte Geräusche als auch ein vermehrter Verschleiß der Bauteile auftreten.

Das Klagepatent betrachtet es daher als seine Aufgabe, eine Hinterradnabenschaltung bereit zu stellen, die die Geschwindigkeit von Fahrrädern mittels Innenzahnrädern ändert, die im Inneren einer Hinterradnabe angeordnet sind, und die die Innenzahnräder mit auf einer Nabenwelle angebrachten Steuerungen steuert, so dass das Fahrrad eine ansprechende Erscheinungsform aufweist, die Betätigung der Geschwindigkeitsänderung komfortabel ist, wobei die Wirkung der Betätigung nach einem Betrieb stattfindet, geringe Geräusche auftreten, wenn die Geschwindigkeit von Fahrrädern geändert wird und die Stufen der Geschwindigkeit leicht erweiterbar sind.

Es löst diese Aufgabe durch eine Vorrichtung gemäß Anspruch 1. Die dort beschriebene Steuerungsvorrichtung (Figur 7, oben eingeblendet) umfasst Sperrklinken, die an der Nabenwelle (der Hinterradachse) anliegen und in ausgerücktem Zustand in die Innenverzahnung der Sonnenräder eingreifen. Die Sperrklinken setzen sich unter anderem zusammen aus einem Verschlussabschnitt (421b, 422b), der mit der Innenverzahnung des jeweiligen Sonnenrades in Eingriff stehen kann, und aus einem Nasenabschnitt (421a, 422a), der in einem Steuerungsring (430) positioniert ist. Der Steuerungsring (430) erstreckt sich um die Nabenwelle herum und steuert, wenn er gedreht wird, die Ausrückposition der Sperrklinken. Auf diese Weise kommt die erfindungsgemäße Steuerung der Sperrklinken ohne Verwendung einer Steuerhülse aus und ermöglicht einen stoßfreien Wechsel der Umsetzung über die einzelnen Sonnenräder ohne unnötige Geräusche und Verschleiß einer Steuerhülse.

In seinem Hauptanspruch sieht das Klagepatent demgemäß die Kombination folgender Merkmale vor:

Vorrichtung zur Änderung der Geschwindigkeit von Fahrrädern, umfassend:

(1) ein angetriebenes Kettenrad (100), welches die Antriebskraft eines antreibenden Kettenrades aufnimmt;

(2) einen Geschwindigkeitsregelabschnitt, umfassend:

(2a) einen Träger (210), der auf einer Seite des angetriebenen Kettenrades (100) befestigt ist,

(2b) eine Vielzahl von Planetenrädern (220), die an dem Träger angebracht sind;

(2c) die Planetenräder weisen jeweils wenigstens einen ersten Zahnabschnitt und einen zweiten Zahnabschnitt auf;

(2d) wenigstens zwei Sonnenräder (231, 232), an denen jeweils Sperrzähne am Innenumfang ausgebildet sind;

(2d1) eines der Sonnenräder greift mit dem ersten Zahnabschnitt jedes Planetenrades ein;

(2d2) das zweite der Sonnenräder greift mit dem zweiten Zahnabschnitt an jedem der Planetenräder ein;

(3) ein Hohlrad (240), das mit den Planetenrädern (220) eingreift;

(4) einen Ausgangsabschnitt, umfassend: ein Nabengehäuse (310), das die Antriebskraft an das Hinterrad des Fahrrades überträgt;

(4a) die Antriebskraft wird mittels des Trägers (210) und des Hohlrades übertragen;

(5) Kupplungsmittel (320) für eine gezielte Übertragung der Antriebskraft;

(5a) die Kupplungsmittel sind zwischen dem Träger (210) und dem Nabengehäuse (310) sowie

(5b) zwischen dem Hohlrad und dem Nabengehäuse (310) angebrachte Kupplungsmittel (320) angebracht;

(6) ein Abschnitt zur Regelung der Geschwindigkeitsänderung, umfassend:

(6a) eine Nabenwelle (410) mit einem Sperrklinkenpositionierabschnitt (411);

(6b) wenigstens zwei Sperrklinkensätze (421, 422), die wirksam sind, um mit den Sperrzähnen (231a, 232a) der wenigstens zwei Sonnenräder (231, 232) einzugreifen;

(6c) einen Sperrklinkensteuerungsring (430), der

(6c1) um die Nabenwelle (410) verläuft und

(6c2) wirksam ist, um die Stellung der wenigstens zwei Sperrklinkensätze (421, 422) zu steuern;

(6d) eine Übersetzungsscheibe (450),

(6d1) an deren Außenumfang entlang eine Rille vorgesehen ist, und die einen Hakenabschnitt an dem Außenumfang aufweist,

(6d2) und die wirksam ist, um die Stellung des Sperrklinkensteuerungsrings (430) über einen vermittelnden Abschnitt zu übersetzen;

(6e) eine Feder (460), die zum Zurückführen der Stellung der Übersetzungsscheibe in ihre ursprüngliche Stellung dient;

(6f) einen Beabstandungsabschnitt (470), der eine freie Drehbewegung der Übersetzungsscheibe relativ zu dem Nabengehäuse ermöglicht.

Näherer Erörterung bedarf im Hinblick auf den Streit der Parteien das Merkmal (6b), welches vorsieht, dass der Abschnitt zur Regelung der Geschwindigkeitsänderung wenigstens 2 Sätze von Sperrklinken umfasst.

a) Die zahlenmäßige Festlegung auf mindestens „2“ Sperrklinkensätze trägt – wie die Klägerin selber einräumt – dem Umstand Rechnung, dass die Sperrklinkensätze mit den Sperrzähnen der Sonnenräder eingreifen sollen und anspruchsgemäß (Merkmal (2d)) wenigstens 2 Sonnenräder vorgesehen sind. Insoweit korrespondiert die (Mindest-)Anzahl der Sperrklinkensätze mit der (Mindest-)Anzahl der Sonnenräder, was im Übrigen auch einer technischen Notwendigkeit entspricht. Mit Hilfe der Sperrklinkensätze sollen die Sonnenräder einzeln arretiert werden, was verlangt, dass für jedes in der Schaltung vorhandene Sonnenrad ein seiner Fixierung dienender Sperrklinkensatz vorhanden ist.

b) Nach der Fassung des Patentanspruchs korrespondiert zu jedem Sonnenrad nicht „eine Sperrklinke“, die mit den Sperrzähnen des Sonnenrades eingreift, sondern „ein Sperrklinkensatz“, nämlich ein Satz von Sperrklinken. Merkmal (6b) fordert nämlich nicht „wenigstens 2 Sperrklinken“, die mit den Sperrzähnen der (wenigstens 2) Sonnenräder eingreifen, sondern „wenigstens 2 Sätze von Sperrklinken“, die mit den Sperrzähnen der (wenigstens 2) Sonnenräder zusammenwirken.
Schon rein sprachlich kann mit einem „Satz von Sperrklinken“ nicht bloß 1 einzelne Sperrklinke gemeint sein. Bei einem solchen Verständnis wären die Worte „Satz von“ ebenso überflüssig und sinnlos wie der Plural „Sperrklinken“. In Betracht kommen nur 2 mögliche Deutungen für den Zusatz „Satz von“:

 Gefordert sind mehrere, nämlich mindestens 2 Sperrklinken je Sonnenrad;
 das Wort „Satz“ bezeichnet den Bausatz, d.h. die Gesamtvorrichtung, die eine funktionstüchtige Sperrklinke einschließlich ihrer Antriebsmittel ausmacht.

Ernsthaft in Betracht zu ziehen ist mit dem Landgericht nur die erstgenannte Alternative:

(a) Für das Verständnis des Klagepatents haben von vorneherein die EP 0 383 350, DE 297 16 586, US 4 838 122 und – vor allem – die DE 197 20 794 außer Betracht zu bleiben. Sie sind im Erteilungsverfahren nicht berücksichtigt worden. Für sie wird auch nicht behauptet, dass es sich um dem Fachmann allgemein geläufigen Stand der Technik handelt.

(b) Gattungsbildender – im Klagepatent (Figuren 1 – 2) abgebildeter – Stand der Technik ist die japanische Offenlegungsschrift 7-10069. Zu ihr, als dem Entwicklungsstand, den es mit dem Klagepatent weiterzuentwickeln gilt, führt die Klagepatentschrift aus, dass an den Seiten der beiden Sonnenräder (12, 13) Sperrklinken (12a, 13a) angebracht sind, um die Sonnenräder einzeln auf der Nabe zu arretieren. Aus den Figuren 1A – 2C der Klagepatentschrift, die eben diesen Stand der Technik dokumentieren, erschließt sich, dass jedem der beiden Sonnenräder (12, 13) jeweils 2 Sperrklinken (12a, 13a) zugeordnet sind. Die Patentschrift greift diesen Gesichtspunkt auch im Beschreibungstext (S. 4 Z. 16 – 33) ausdrücklich auf, wo es heißt:
„Allerdings gibt es bei einem solchen obigen Geschwindigkeitsregeltyp einen Nachteil, da zwei Sperrklinken 12a, 13a auf sich gegenüberliegenden Seiten angebracht sind. Das heißt, wenn ein Fahrer einen Hebel zur Änderung der Geschwindigkeit eines Fahrrades betätigt, wird die Wirkung der Betätigung verzögert, bis eine der Sperrklinken 12a, 13a Wirkung zeigt. Meistens tritt die Wirkung der Betätigung ein, nachdem das Rad eine halbe Umdrehung durchgeführt hat.
Während die oben genannten Nachteile durch das Vorhandensein mehrerer Sperrklinken verringert werden können, ist es notwendig, dass die Form der Regelbuchse 21 geändert werden muss. Da es aber auch notwendig ist, dass die Form des Vorsprungs zur Fixierung der Zahnräder 6a verändert werden muss, ist eine (gemeint: weitere) Erhöhung der Anzahl von Sperrklinken begrenzt.
Selbst wenn die Sperrklinken nicht in Betrieb sind, findet immer Reibung zwischen den Sperrklinken 12a, 13a und der Regelbuchse 21 statt. Die Reibung verursacht ebenfalls Geräusche und Verschleiß, was auch ein Schwachpunkt ist.“

Diesen Stand will das Klagepatent verbessern. Im Betrieb der Nabenschaltung sollen nur noch geringe Geräusche sowie eine verminderte Reibung der Sperrklinken auftreten. Außerdem soll die Schaltung leicht auf weitere Geschwindigkeitsstufen erweiterbar sein.
Zur Lösung geht das Klagepatent von dem Konzept einer die Nabe umgebenden Steuerhülse und darauf radial von außen einwirkenden Sperrklinken ab und steuert die Sperrklinken stattdessen von der Seite her. Auf die Zahl der Sperrklinken pro Sonnenrad kommt es dabei nicht an, weswegen die Annahme nahe liegt, dass das Klagepatent mit dem gesteuerten „Satz von Sperrklinken“ je Sonnenrad diejenige Konstruktion meint und beibehalten will, die es im gattungsbildenden Stand der Technik vorgefunden hat und der sich dadurch auszeichnet, dass pro Sonnenrad 2 Sperrklinken (eben ein „Satz von Sperrklinken“) vorgesehen sind.
Gestützt wird dieses Verständnis durch die Ausführungsbeispiele des Klagepatents. Die Figuren 4, 5, 7 verdeutlichen, dass jeder der im Beschreibungstext (S. 8 Z. 20, 24) angesprochenen Sperrklinkensätze (421) und (422) jeweils 2 mit demselben Bezugszeichen – (421) bzw. (422) – gekennzeichnete Sperrklinken aufweist. Dasselbe Verständnis (dass jeder Sperrklinkensatz mindestens 2 Sperrklinken umfasst) liegt der Bemerkung auf S. 9Z. 20 – 24 zugrunde, wonach bei der Ausführungsvariante nach Figur 5 bei Betätigung des Sperrklinkensteuerungsrings nur ein Satz von Sperrklinken wahlweise gesteuert wird. Mit dem „Satz von Sperrklinken“ können nur die beiden, demselben Sonnenrad zugeordneten Sperrklinken gemeint sein, die übereinstimmend das Bezugszeichen (421) bzw. (422) tragen. Hätte das Klagepatent mit dem Begriff „Sperrklinkensatz“ tatsächlich den Bausatz, also die Gesamtvorrichtung einer Sperrklinke, gemeint, hätte es hier heißen müssen, dass wahlweise jeweils 2 Sätze von Sperrklinken gesteuert werden.

In der Patentschrift findet sich zwar verschiedentlich die Bezugnahme auf „die zweite Sperrklinke (422)“ – S.9 Z. 31; S.10 Z. 2; S. 110 Z. 7; S. 12 Z. 30; S. 14 Z. 14, 16; S. 14 Z. 28; S. 16 Z. 15, 20; gleiches gilt für die „erste Sperrklinke (421)“ – S. 10 Z. 4; S. 11 Z. 30; S. 12 Z. 26, 28; S. 13 Z. 11; S. 14 Z. 12; S. 16 Z. 3, 8; und für die „dritte Sperrklinke“ – S. 16 Z. 22, 29 f. An den angegebenen Orten finden sich jedoch Erläuterungen zum Aufbau, zur Funktions- und zur Wirkungsweise der jeweiligen Sperrklinkentypen, die inhaltlich auf beide Sperrklinken desselben Typs in gleicher Weise zutreffen. Mit der „ersten Sperrklinke“, der „zweiten Sperrklinke“ und der „dritten Sperrklinke“ sind deshalb immer beide baugleichen Sperrklinken des betroffenen Klinkensatzes gemeint. Dass die mindestens 2 Sperrklinken desselben Satzes gleich und nicht verschieden sind, folgt für den Fachmann aus dem geforderten Sperrklinkensatz, der sich von Natur aus durch eine Mehrzahl gleichartiger Gegenstände auszeichnet.
Es mag sein, dass jede Sperrklinke einen Antrieb benötigt, so dass sich die Sperrklinke als Gesamtheit („Bausatz“) mehrerer Vorrichtungsteile begreifen lässt. Dass der Begriff „Satz von Sperrklinken“ auf diesen Sachverhalt anspielt und einen „Bausatz einer Sperrklinke“ meint, findet jedoch in der gesamten Patentschrift nach dem Gesagten keinerlei Stütze.

2.
Von der technischen Lehre des Klagepatents machen die angegriffenen Ausführungsformen, die unstreitig nur über jeweils 1 Sperrklinke pro Sonnenrad verfügen, keinen Gebrauch.

a)
Für eine wortsinngemäße Verwirklichung fehlt es jedenfalls am Merkmal (6b).

b)
Dieses wird auch nicht mit äquivalenten Mitteln umgesetzt.
Zwar erstreckt sich der Schutzbereich eines Patents auch auf vom Wortsinn abweichende Ausführungen, wenn der Fachmann aufgrund von Überlegungen, die am Sinngehalt der Ansprüche, d.h. an der darin beschriebenen Erfindung anknüpfen, die bei der angegriffenen Ausführungsform eingesetzten abgewandelten Mittel mit Hilfe seiner Fachkenntnisse zur Lösung des der Erfindung zugrunde liegenden Problems als gleichwirkend auffinden konnte (vgl. BGH GRUR 1986, 803 – Formstein; 1988, 896 – Ionenanalyse; 1989, 903 – Batteriekastenschnur; 2002, 511 (512) – Kunststoffrohrteil). Eine äquivalente Benutzung liegt damit aber nur vor, wenn in Bezug auf das Ersatzmittel kumulativ die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

a) Das Austauschmittel muss dieselbe technische Wirkung erzielen, die das im Patentanspruch beschriebene Lösungsmittel nach der Lehre des Klagepatents erreichen soll (Gleichwirkung);
b) der Durchschnittsfachmann mit dem Kenntnisstand des Prioritätstags muss ohne erfinderische Überlegungen in der Lage gewesen sein, das Austauschmittel als funktionsgleiches Lösungsmittel aufzufinden (Naheliegen);
c) der Fachmann muss die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als eine Lösung in Betracht gezogen haben, die zu der im Wortsinn des Patenanspruchs liegenden gegenständlichen Ausführungsform gleichwertig ist (Gleichwertigkeit).

Jedenfalls letzteres ist auch dann zu verneinen, wenn man mit der Klägerin davon ausgeht, dass mit nur einer Sperrklinke pro Sonnenrad der erfindungsgemäße Zweck erreicht wird und dass die betreffende Abwandlung für den Fachmann zum Prioritätszeitpunkt auch nahelag. Der Patentanspruch hält ihn ausdrücklich dazu an, mindestens 2 Sperrklinken pro Sonnenrad vorzusehen. Aus welchen technischen Gründen diese Festlegung erfolgt ist, obwohl die Arretierung des jeweiligen Sonnenrades auch durch nur 1 Sperrklinke möglich ist, wird in der Patentbeschreibung nicht erläutert. Der Fachmann ist deshalb gehalten, sich eng am Anspruchswortlaut zu orientieren, weil ihm der technische Hintergrund dafür fehlt, ob er die Sperrklinkenanzahl pro Sonnenrad reduzieren kann, ohne den Anspruchserfolg zu gefährden. Verlässt er die vorgegebene Zahl von mindestens 2 Sperrklinken pro Sonnenrad, so orientiert er sich dabei nicht an der im Patentanspruch geschützten Lehre; vielmehr muss er diese ignorieren und zu der (der geschützten Lehre zuwiderlaufenden) Erkenntnis kommen, dass es für den Erfindungserfolg auf eine bestimmte Anzahl von Sperrklinken pro Sonnenrad nicht ankommt. Damit wendet er sich von der Lehre des Patentanspruchs 1 ab und setzt seine bessere eigene Erkenntnis an die Stelle von der des Klagepatents.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, die keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen aufwirft, deren Beantwortung durch den Bundesgerichtshof zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf folgenden Erwägungen:

Bei Einreichung der Klage (01.04.2008) betrug die Restlaufzeit des Klagepatents (Ablauf 12/2020) 12 Jahre und 9 Monate. Ausgehend von einem Jahresumsatz der Beklagten von 3.000.000,- € ist – evtl. Steigerungen unberücksichtigt gelassen – für die Restlaufzeit ein Gesamtumsatz von 38.000.000,- € zugrunde zu legen. Der Vergleichsvorschlag der Klägerin vor Verkündung des erstinstanzlichen Urteils (Anlage L 26) lautete auf eine Lizenz für die Vergangenheit, d.h. vor 12/08, von 20 % und für die Zukunft von 15 %. Selbst wenn man einen geringeren Satz heranzieht und berücksichtigt, dass die Forderungen einen einkalkulierten Verhandlungsspielraum enthalten, ist ein Lizenzsatz von jedenfalls 10 % ernstzunehmen. Das führt zu einem Streitwert von 3.800.000,- € für beide Instanzen. Bzgl. der Berufung ist der Unterlassungsanspruch in einen wertgleichen Schadensersatzanspruch umgeschlagen.
Der Schriftsatz der Klägerin vom 06.10.2010 rechtfertigt keine andere Beurteilung. An die von ihr verlangten Linzenzsätze, die der Senat bereits um einen Abschlag bereinigt hat, ist sie gebunden.