2 U 93/09 – Paniktürverschluss

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1520

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 25. November 2010, Az. 2 U 93/09

Vorinstanz: 4b O 91/08

Auf die Berufung wird das am 23.07.2009 verkündete Urteil der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen ihrer Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents DE 103 60 ZZZ B4 und des auch in Deutschland in Kraft stehenden, in deutscher Verfahrenssprache abgefassten europäischen Patents EP 1 544 ZXZ B1 (Klagepatente), die beide eine Vorrichtung zum Betätigen eines Paniktürverschlusses betreffen und deren Beschreibung und Ansprüche identisch sind. Die Offenlegung des deutschen Patents erfolgte am 21.07.2005. Die Veröffentlichung und Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung des europäischen Patents erfolgte im Patentblatt am 05.03.2008.

Die vorliegend allein streitgegenständlichen Patentansprüche 1 lauten übereinstimmend:
„Vorrichtung zum Betätigen eines Paniktürverschlusses mit einer U-förmigen Grundstange, daran schwenkbar gelagerten Führungshebeln für eine U-förmige Druckstange, deren U-Schenkel zwischen die U-Schenkel der Grundstange einfassen, und mit einer an der Grundstange verschieblich gelagerten, mit einem Paniktürschloss verbindbaren Betätigungsstange, die von den Führungshebeln gegen Federwirkung verschiebbar ist,
dadurch gekennzeichnet,
dass zwischen den U-Schenkeln (7) der Druckstange (6) und den U-Schenkeln (2) der Grundstange (1) jeweils an den Führungshebeln (5) gelagerte Abdeckstangen (8) angeordnet sind.“

Die nachfolgend eingeblendeten Figuren der Klagepatentschrift zeigen bevorzugte Ausführungsformen, Figur 1 eine perspektivische Ansicht einer Vorrichtung zum Betätigen eines Paniktürverschlusses bei teilweiser entfernter Druckstange, Abdeckstange und Druckstange, Figur 2 einen Querschnitt durch den Gegenstand der Figur 1 in unbetätigter Funktionsstellung, Figur 3 einen Gegenstand nach Figur 2 in betätigter Funktionsstellung:

Die Beklagte vertreibt unter der Bezeichnung „Druckstange Y“ eine Vorrichtung zur Betätigung eines Paniktürverschlusses (angegriffene Ausführungsform). Aufbau und Mechanik der angegriffenen Ausführungsform, von der ein Exemplar zur Gerichtakte gereicht wurde, ergeben sich aus der Montageanleitung (Anlage K 7) sowie den von der Beklagten übereichten, auf der nachfolgenden Seite eingeblendeten Zeichnungen (Anlage BK 4), die den Stand der Technik (Figur 1), eine bevorzugte Ausführungsform der Klagepatente (Figur 2) und die angegriffene Ausführungsform (Figur 3) vergleichend im jeweiligen Querschnitt zeigen:

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die angegriffene Ausführungsform mache von der technischen Lehre der Klagepatente wortsinngemäß Gebrauch, da diese auch die Existenz einer Mehrzahl von Führungshebeln – von ihr in Führungshebel erster und zweiter Art unterteilt – zulasse, welche in ihrer Gesamtheit sowohl die Druckstange als auch die Abdeckstange führen, wie es bei der angegriffenen Ausführungsform der Fall sei. Jedenfalls sei aber eine äquivalente Benutzung gegeben, was hilfsweise geltend gemacht werde. Die angegriffene Ausführungsform erziele ebenso wie die streitgegenständliche Erfindung den Vorteil einer Erhöhung des Hubweges durch Einkürzung der Schenkel ohne Überschreitung des von der DIN vorgegebenen Flachüberstandes. Die Aufteilung eines multifunktionalen Führungshebels in zwei monofunktionale Führungshebel sei für den Fachmann auch eine triviale konstruktive Maßnahme und daher naheliegend. Schließlich sei die abgewandelte Lösung für den Fachmann auch anhand des Sinngehalts der Patentansprüche auffindbar und damit gleichwertig gewesen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich nach Rücknahme der Klage in geringem Umfang beantragt, wie folgt zu erkennen:

I.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu 2 Jahre, wobei die Ordnungshaft an ihrem Geschäftsführer zu vollstrecken ist, zu unterlassen,

im Bereich der Bundesrepublik Deutschland Vorrichtungen zum Betätigen eines Paniktürverschlusses herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen und/oder zu gebrauchen und/oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen und/oder zu besitzen, mit folgenden Merkmalen:

Vorrichtung zum Betätigen eines Paniktürverschlusses mit einer U-förmigen Grundstange, daran schwenkbar gelagerten Führungshebeln für reine U-förmige Druckstange, deren U-Schenkel zwischen die U-Schenkel der Grundstange einfassen, und mit einer an der Grundstange verschieblich gelagerten, mit einem Paniktürschloss verbindbaren Betätigungsstange, die von den Führungshebeln gegen Federwirkung verschiebbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass zwischen den U-Schenkeln der Druckstange und den U-Schenkeln der Grundstange jeweils an den Führungshebeln gelagerte Abdeckstangen angeordnet sind.

II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin denjenigen Schaden zu ersetzen, welcher der Klägerin durch unter Ziffer I. genannte Handlungen seit dem 12.11.2006 entstanden ist oder in Zukunft noch entstehen wird.

III.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.761,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.04.2008 zu zahlen.

IV.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 21.07.2005 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) Der Herstellungsmengen und –zeiten, der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie im Hinblick auf erhaltene Lieferungen die Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und andere Vorbesitzer;
b) Der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie die Namen und Anschriften der Abnehmer;
c) Der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;
d) Der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

– wobei die Angaben zur Herkunft und zum Vertriebsweg für seit dem 21.07.005 und im Übrigen für seit dem 22.07.2005 begangene Handlungen zu machen sind,
– der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von ihr zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.

V.
Die Beklagte wird verurteilt, die ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen, unter Ziffer I. bezeichneten Erzeugnisse zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von der Klägerin zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben.

Wegen des Hilfsantrags zum Antrag Ziffer I wird auf den Antrag Ziffer I der Klageschrift Bezug genommen.

Die Beklagten, die um Klageabweisung gebeten haben, erachten die Klagepatente nicht für verletzt. Sie haben geltend gemacht, eine Aufteilung in Führungshebel verschiedener „Arten“ sehe die technische Lehre der Klagepatente nicht vor. Zudem stelle das als Kulisse geführte Schiebeelement der angegriffenen Ausführungsform keinen Führungs“hebel“ dar, da ein Hebel ein um eine Achse drehbarer Körper sei. Eine äquivalente Verletzung der Klagepatente komme nicht in Betracht, da die Ausgestaltung einer Kulisse, wie sie bei der angegriffenen Ausführungsform vorhanden ist, für den Fachmann weder naheliege noch gleichwertig sei.

Das Landgericht hat der Klage mit der Einschränkung stattgegeben, dass die Angaben zur Herkunft und zum Vertriebsweg für seit dem 21.07.2005, die übrigen Angaben aber nur für seit dem 22.07.2005 zu machen sind. Zur Begründung hat es ausgeführt, die angegriffene Ausführungsform verwirkliche die technische Lehre der Klagepatente. Auch das allein streitige Merkmal der Lagerung der Abdeckstangen an den Führungshebeln werde dort verwirklicht. Denn die Klagepatente ließen offen, ob die Lagerung, die nach allgemeinem technischem Verständnis eine funktionale Verbindung von Bewegungen übertragenden Maschinenteilen sei, unmittelbar oder mittelbar zu erfolgen habe. Während die Unteransprüche 5 bis 7 eine unmittelbare Lagerung beschrieben, enthalte der jeweilige Hauptanspruch 1 eine solche Einschränkung nicht. Sie ergebe sich auch nicht aufgrund eines zwingenden technischen Sinngehalts. Zwar stellten die Klagepatentschriften heraus, dass sämtliche Reibungs- und Federkräfte sowohl im Bereich des Paniktürschlosses als auch im Bereich der Vorrichtung überwunden werden müssten. Dass die Reibungs- und Federkräfte nur bei einer direkten Lagerung gering gehalten werden könnten, ergebe sich nicht. Bei der angegriffenen Ausführungsform sei der Kulissenstein dergestalt am Lagerbock des Führungshebels gelagert, dass bei einer Betätigung der Druckstange über den Führungshebel auch das Kulissengetriebe derartig bewegt werde, dass die Abdeckstange zwischen den U-Schenkeln der Druckstange und der Grundstange angeordnet sei.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Sie macht unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens geltend, dass nicht zwischen einer direkten und einer indirekten Lagerung unterschieden werden könne. Zudem habe das Landgericht die technische Funktion der erfindungswesentlichen Merkmale verkannt. Die beabsichtigte Gewährleistung einer leichten Öffnung des Schlosses sei nach der Einleitung der Beschreibung des Klagepatents nur dann gegeben, wenn die Betätigungskräfte nicht durch Reibung und Federkräfte über dasjenige hinausgingen, was im Stand der Technik aus der in Bezug genommenen Druckschrift bekannt und unvermeidlich sei. Wo mehr Betätigungskräfte aufträten als im Stand der Technik, könne eine Lösung nicht die erfindungsgemäßen Wirkungen erzielen. Außerdem müssten die Abdeckstangen „an“ den Führungshebeln gelagert sein, um sie zu führen, also im System zu halten. Der Kulissenstein der angegriffenen Ausführungsform sei ortsfest und damit nicht gelagert. Der Lagerbock wiederum sei unbeweglich mit der Grundstange verbunden und deshalb ein Bestandteil derselben, nicht des Führungshebels.

Die Beklagte beantragt,
die Klage unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 23.07.2009 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet das landgerichtliche Urteil für zutreffend und wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.
Die Klage ist unbegründet, da die angegriffene Ausführungsform die Klagepatente nicht verletzt. Sie macht von der technischen Lehre der Klageschutzrechte weder wortsinngemäß noch mit äquivalenten Mitteln Gebrauch.

1.)
Nach der einleitenden Erläuterung der Klagepatentschriften betrifft die Erfindung eine Vorrichtung zum Betätigen eines Paniktürverschlusses mit einer U-förmigen Grundstange, daran schwenkbar gelagerten Führungshebeln für eine U-förmige Druckstange, deren U-Schenkel zwischen die U-Schenkel der Grundstange einfassen, und mit einer an der Grundstange verschieblich gelagerten, mit einem Paniktürschloss verbindbaren Betätigungsstange, die von den Führungshebeln gegen Federwirkung verschiebbar ist.

Derartige Vorrichtungen waren im Stand der Technik aus der EP 1 106 758 A1 bekannt. Dort wird eine Druckstange an schwenkbaren Führungshebeln geführt und zum Öffnen der Tür linear nach unten, zwischen die Schenkel einer Grundstange gedrückt. Die Schenkel von Druckstange und Grundstange sind dergestalt lückenlos angeordnet, dass ein Fingereinklemmen nicht möglich ist. Außerdem sind sie in etwa gleich hoch, so dass der Betätigungshub der Druckstange etwa der Höhe der U-Schenkel entspricht. Wie die Klagepatente herausstellen, erweist sich dieser Umstand im Zusammenhang mit der notwendigen Einhaltung der einschlägigen Sicherheitsvorschriften als problematisch. Denn nach der DIN EN 11 25 darf der Abstand zwischen der Türoberfläche, auf der die Grundstange befestigt ist, und der Oberseite der Druckstange maximal 100 mm betragen. Außerdem muss sich die Paniktür mit einer Druckkraft von maximal 80 N (ohne 1000N Vorlast auf der Tür) und maximal 220N (mit 1000N Vorlast auf die Tür) auf die Druckstange öffnen lassen. Die nachfolgend eingeblendeten Figuren 4 und 5 des EP 1 106 758 verdeutlichen – mit Anmerkungen versehen – die Wirkungsweise der nach dem genannten Stand der Technik bekannten zweigliedrigen Vorrichtungen:

Als Aufgabe der Erfindung bezeichnen die Klagepatente es daher, den Betätigungshub der Druckstange zu vergrößern und dadurch ein leichteres Öffnen des Paniktürschlosses zu erreichen.

Diese Aufgabe wird patentgemäß dadurch gelöst, dass zwischen den U-Schenkeln der Druckstange und den U-Schenkeln der Grundstange jeweils an den Führungshebeln gelagerte Abdeckstangen angeordnet sind. Die Zwischenschaltung von Abdeckstangen und die teleskopische Anordnung der Abdeckstangen mit den U-Schenkeln der Druckstange und der Grundstange ermöglicht eine Verkürzung der U-Schenkel der Druckstange, damit eine Erhöhung deren Betätigungshubs und hierdurch ein leichteres Öffnen des Paniktürschlosses bei gleichzeitiger Einhaltung der von der DIN EN 11 25 geforderten Vorgaben. Das Zusammenspiel der Verkürzung der U-Schenkel der Druckstange und der hierdurch erreichten Erhöhung des Betätigungshubs durch die erfindungsgemäße dreigliedrige Vorrichtung wird durch die nachfolgenden Zeichnungen verdeutlicht, in denen der Betätigungshub durch einen Pfeil dargestellt wird:

In ihren Hauptansprüchen sehen die Klagepatente demgemäß die Kombination folgender Merkmale vor:

Vorrichtung zum Betätigen eines Paniktürverschlusses:

a) die Vorrichtung umfasst eine U-förmige Grundstange (1);

b) an der Grundstange (1) sind Führungshebel (5) schwenkbar gelagert;

c) die Führungshebel (5) führen eine U-förmige Druckstange (6);

d) die U-Schenkel (7) der Druckstange (6) fassen zwischen die U-Schenkel (2) der Grundstange (1) ein;

e) die Vorrichtung umfasst eine an der Grundstange (1) verschieblich gelagerte Betätigungsstange (16);

f) die Betätigungsstange (16) ist mit einem Paniktürschloss verbindbar;

g) die Betätigungsstange (16) ist von den Führungshebeln (5) gegen Federwirkung verschiebbar;

h) die Vorrichtung umfasst Abdeckstangen (8);

i) die Abdeckstangen (8) sind jeweils zwischen U-Schenkeln (7) der Druckstange (6) und den U-Schenkeln (2) der Grundstange (1) angeordnet;

k) die Abdeckstangen (8) sind an den Führungshebeln (5) gelagert.

2.)
Diese Merkmale werden bei der angegriffenen Ausführungsform nicht vollständig verwirklicht. Es fehlt an einer „Lagerung“ der Abdeckstangen „an“ den Führungshebeln (Merkmal k)).

a)
Im einschlägigen Bereich des Maschinenbaus bezeichnet „Lager“ gemeinhin ein Maschinenelement zum Tragen oder Führen relativ zueinander beweglicher Maschinenteile in Maschinen, Geräten oder Bauteilen, wobei es die auftretenden Kräfte aufnimmt und auf das Gehäuse, Bauteil oder Fundament ableitet (vgl. Brockhaus, Die Enzyklopädie, 20. Aufl., Stichwort: Lager, Unterstichwort: Maschinenbau, Anlage BB 3).

Erfindungsgemäß soll die Lagerfunktion für die Abdeckstangen von den „Führungshebeln“ übernommen werden, „an“ denen die Abdeckstangen gelagert sind. Was als „Führungshebel“ anzusprechen ist, erschließt sich dabei aus anderen Anspruchsmerkmalen, die bestimmen,
 dass die Führungshebel an der Grundstange schwenkbar gelagert sind (Merkmal b)),
 dass die Führungshebel eine U-förmige Druckstange führen (Merkmal c)),
 dass die Führungshebel die Betätigungsstange gegen Federwirkung verschieben (Merkmal g)).
„Führungshebel“ kann deswegen nur ein Bauteil sein, das – neben der Lagerfunktion für die Abdeckstangen – die vorbezeichneten Anforderungen erfüllt.

Mit Blick auf die angegriffene Ausführungsform treffen die oben aufgelisteten Eigenschaften und Wirkungen allein auf das in Anlage BK 4, Fig. 3 grün angelegte Bauteil zu. Es ist
 über den an der Grundstange ortsfest angebrachten Lagerbock schwenkbar an der Grundstange gelagert,
 führt mit seinem oberen Ende die U-förmige Druckstange und
 verschiebt mit seiner Nase die Betätigungsstange gegen Federwirkung.
Das blau unterlegte Kulissenblech stellt demgegenüber keinen Führungshebel im Sinne der Klagepatente dar, weil es jedenfalls an den beiden erstgenannten Funktionen vollständig fehlt.

Vor diesem Hintergrund ist die Feststellung unausweichlich, dass die Abdeckstangen der angegriffenen Ausführungsform nicht an den Führungshebeln gelagert sind, sondern an einem anderweitigen Bauteil – dem Kulissenblech (blau). Ob als weiteres Lager für die Abdeckstangen der angegriffenen Ausführungsform der am Lagerbock der Grundstange ausgebildete Kulissenstein (orange) in Betracht kommt, weil die Betätigungsstange, sobald sie von den Führungshebeln verschoben wird, das Kulissenblech mitnimmt, was eine der Führungskulisse entsprechende Schwenkbewegung veranlasst, die – mit dem Kulissenblech – auch die daran befestigten Abdeckstangen vollziehen, kann dahinstehen. Im Ergebnis haben jedenfalls die Führungshebel keine – auch keine mittelbare – Lagerfunktion für die Abdeckstangen. Deren Lager liegt vielmehr
 bei der Grundstange (genauer dem Kulissenstein des grundstangenseitigen Lagerbocks) und
 bei der Betätigungsstange (genauer deren Lagerbock).
Unzutreffend ist aufgrund dieser Mechanik die tatsächliche Feststellung des Landgerichts, bei der angegriffenen Ausführungsform sei der Kulissenstein dergestalt am Lagerbock des Führungshebels gelagert, dass bei einer Betätigung der Druckstange über den Führungshebel auch das Kulissengetriebe bewegt werde.

Dass die Bewegung der Abdeckstangen über die – durch das Kulissenblech weitergegebene – Bewegung der Betätigungsstange mittelbar durch die Bewegung der Führungshebel ausgelöst wird, führt zu keiner anderen Beurteilung des klagepatentgemäßen Wortsinns der „Lagerung an“. Zwar sind die Merkmale und Begriffe des Patentanspruchs grundsätzlich funktionsorientiert auszulegen. Die funktionale Betrachtung darf bei räumlich-körperlich definierten Merkmalen jedoch nicht dazu führen, dass ihr Inhalt auf die bloße Funktion reduziert und sie in einem Sinne interpretiert werden, der mit der räumlich-körperlichen Ausgestaltung, wie sie dem Merkmal eigen ist, nicht mehr in Übereinstimmung steht (vgl. Meier-Beck, GRUR 2003, 905 (907)). Vorliegend haben sich die Klagepatente für eine Lagerung der Abdeckstangen – räumlich-körperlich – „an“ den Führungshebeln entschieden, so dass die Lagerung „an“ der Betätigungsstange keine wortsinngemäße Verwirklichung der technischen Lehre der Erfindung darstellt.

b)
Merkmal k) wird bei der angegriffenen Ausführungsform auch nicht in äquivalenter Weise verwirklicht, was die Klägerin in erster Instanz ausdrücklich hilfsweise geltend gemacht hat und in der Berufung jedenfalls konkludent hilfsweise weiter verfolgt.

Zwar erstreckt sich der Schutzbereich eines Patents auch auf vom Wortsinn abweichende Ausführungen, wenn der Fachmann aufgrund von Überlegungen, die am Sinngehalt der Ansprüche, d.h. an der darin beschriebenen Erfindung anknüpfen, die bei der angegriffenen Ausführungsform eingesetzten abgewandelten Mittel mit Hilfe seiner Fachkenntnisse zur Lösung des der Erfindung zugrunde liegenden Problems als gleichwirkend auffinden konnte (vgl. BGH GRUR 1986, 803 – Formstein; 1988, 896 – Ionenanalyse; 1989, 903 – Batteriekastenschnur; 2002, 511 (512) – Kunststoffrohrteil). Eine äquivalente Benutzung liegt damit aber nur vor, wenn in Bezug auf das Ersatzmittel kumulativ die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

aa) Das Austauschmittel muss dieselbe technische Wirkung erzielen, die das im Patentanspruch beschriebene Lösungsmittel nach der Lehre des Klagepatents erreichen soll (Gleichwirkung);
bb) der Durchschnittsfachmann mit dem Kenntnisstand des Prioritätstags muss ohne erfinderische Überlegungen in der Lage gewesen sein, das Austauschmittel als funktionsgleiches Lösungsmittel aufzufinden (Naheliegen);
cc) der Fachmann muss die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als eine Lösung in Betracht gezogen haben, die zu der im Wortsinn des Patenanspruchs liegenden gegenständlichen Ausführungsform gleichwertig ist (Gleichwertigkeit).

Jedenfalls an der Gleichwertigkeit fehlt es vorliegend. Es ist nicht ausreichend, dass der Fachmann aufgrund seines Fachwissens eine Lehre als technisch sinnvoll und gleichwirkend zu der in den Patentansprüchen formulierten Lehre erkennt. Vielmehr müssen sich seine Überlegungen an der Patentschrift orientieren. Die Klagepatentschriften enthalten jedoch keinen Hinweis darauf, die Lagerung anstatt an den Führungshebeln an der Betätigungsstange vorzunehmen. Die Patentansprüche 1 geben den Ort der Lagerung der Abdeckstange konkret vor. Mit dieser Vorgabe verbindet der Fachmann zwangsläufig einen technischen Sinn. Denn die Aufnahme dieser Vorgabe in die Ansprüche zeigt, dass sie für die technische Nacharbeitbarkeit der Lehre von wesentlicher Bedeutung ist. Allein darauf abzustellen, dass überhaupt eine Lagerung der Abdeckstange vorhanden ist, wo auch immer innerhalb der Gesamtkonstruktion dies sein mag, wird dem nicht gerecht. Der von den Klageschutzrechten gelehrte Ort der Lagerung wäre dann ohne technische Bedeutung. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit ist eine solche Bedeutung einem in einen Patentanspruch aufgenommenen Merkmal auch dann zuzuweisen, wenn der Fachmann der Patentbeschreibung einen konkreten Vorteil in Bezug auf dieses Merkmal nicht entnehmen kann. Es kann daher offen bleiben, ob der Fachmann für die Lagerung der Abdeckstange an den Führungshebeln einen Vorteil, z.B. im Hinblick auf die auftretenden Reibungskräfte, erkennen kann oder nicht. Die Klageschutzrechte geben dem Fachmann keine Anregung, einen solchen Vorteil durch eine anderweitige Lagerung als an den Führungshebeln zu erhalten.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, die keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen aufwirft, deren Beantwortung durch den Bundesgerichtshof zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre.