2 U 124/98 – Kettenpfandschloss für Einkaufswagen

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 24

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 10. Mai 2001, Az. 2 U 124/98

Die Berufung der Klägerin gegen das am 4. August 1998 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 40.000,00 abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheiten dürfen auch durch die selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland geschäftsansässigen und als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder öffentlichen Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des u.a. für die Bundesrepublik Deutschland erteilten und in Kraft stehenden europäischen Patentes 0 286 460 (Anlage 1/dt. Übersetzung Anlage 2; nachfolgend: Klagepatent), welches in der französischen Verfahrenssprache abgefasst ist. Die dem Klagepatent zugrundeliegende Anmeldung ist am 29. Februar 1988 unter Inanspruchnahme einer französischen Priorität vom 11. März 1987 eingereicht und am 12. Oktober 1988 veröffentlicht worden. Der Hinweis auf die Patenterteilung ist am 7. August 1991 im Patentblatt bekannt gemacht worden.

Der Patentanspruch 1 des Klagepatents lautet wie folgt:

In der deutschen Fassung der in der Klagepatentschrift wiedergegebenen Patentansprüche lautet dieser Anspruch wie folgt:

Kettenpfandschloß für Einkaufswagen, enthaltend einen Schlüssel (2`), der an einem Ende einer Kette angebracht ist, deren anderes Ende fest mit einem Wagen verbunden ist, wobei der genannte Schlüssel mit einem Münzautomatenschloß eines anderen Wagens zusammenwirkt, um ein darin enthaltenes Pfandstück (7) (Münze) durch Verriegelung der beiden Wagen miteinander freizugeben, wobei die Entriegelung durch Einführung eines Pfandstücks (7) bewirkt wird, welches das genannte Schloß öffnet und darin verbleibt, dadurch gekennzeichnet, daß das Pfandschloß zwei jeweils um eine Zwischenachse schwenkbare Hebel enthält, daß ein Ende jedes Hebels (6) mit am Schlüssel (2´) vorgesehenen Kerben zusammenwirkt und das jedem Hebel (6) gegenüberliegende Ende mit dem Pfandstück (7) zusammenwirkt, während die Hebel (6) der Einwirkung einer Verriegelungsfahne ausgesetzt sind, die durch eine Feder (4) zurückgeholt wird und mit dem Schlüssel (2`) so zusammenwirkt, daß der Schlüssel (2´) im verriegelten Zustand von den Enden jedes Hebels (6) festgehalten wird und daß das Pfandstück (7) im entriegelten Zustand zwischen den gegenüberliegenden Enden der Hebel (6) festgehalten wird.

Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1 bis 3 der Klagepatentschrift zeigen ein Ausführungsbeispiel der Erfindung. Figur 1 ist eine Längsschnittansicht eines Pfandschlosses nach einem Ausführungsbeispiel der Erfindung in verriegeltem Zustand an einem anderen, identischen Pfandschloss. Figur 2 entspricht der Figur für die entriegelte Position. Figur 3 ist eine Querschnittsansicht des Pfandschlosses gemäß den Figuren 1 und 2, wobei der obere Teil die verriegelte Stellung und der untere Teil die entriegelte Stellung darstellt.

Die Beklagte stellt her und vertreibt Kettenpfandschlösser gemäß Anlage 8. Wegen der Ausgestaltung dieses Schlosses wird auf diese Anlage sowie auf das von der Beklagten überreichte Musterstück gemäß Anlage B 2 und auf die bildlichen Darstellungen in den Anlagen 9 a, 9 b und Ax 3 Bezug genommen. Die nachstehend wiedergegebenen – dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen entnommenen Abbildungen – verdeutlichen diese Kettenpfandschlösser der Beklagten.

Die Klägerin, die in der Herstellung und dem Vertrieb dieser Kettenpfandschlösser der Beklagten eine Verletzung ihrer Rechte aus dem Klagepatent sieht, nimmt die Beklagte aus dem Klagepatent auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Vernichtung und Feststellung ihrer Verpflichtung zur Leistung einer angemessenen Entschädigung und zum Schadenersatz in Anspruch.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das mit der Klage angegriffene Kettenpfandschloss der Beklagten von der technischen Lehre des Patentanspruches 1 des Klagepatents keinen Gebrauch mache. Bei ihm komme der Schlüssel mit den zugeordneten Hebelenden nicht unmittelbar – wie es die Lehre des Klagepatents erfordere – in Berührung, sondern er werde im verriegelten Zustand von einem auf der Oberfläche der Verriegelungswalze angeordneten Greifhaken festgehalten. Die Hebelenden hielten den Schlüssel nur indirekt fest. Sie sperrten die Verriegelungswalze und verhinderten deren Drehbarkeit, weshalb der Greifhaken den Schlüssel festhalte. Insoweit verwirkliche die angegriffene Ausführungsform die technische Lehre auch nicht mit äquivalenten Mitteln. Die Zwischenschaltung der Verriegelungswalze als den Schlüssel festhaltendes Element sei für den Fachmann aus den Patentansprüchen nicht herleitbar.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. In der Berufungsinstanz wiederholen die Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen und ergänzen es.

Die Klägerin macht insbesondere geltend, dass der Witz des Klagepatents in einer konsequenten Vereinfachung des Aufbaues des Kettenpfandschlosses sowie einer Reduzierung der Teile, insbesondere der beweglichen Teile, auf ein absolutes Minimum, nämlich auf Schlüssel, Pfandstück/Münze, zwei jeweils um eine Zwischenachse schwenkbare Hebel und ein Verriegelungsplättchen/Verriegelungsfahne („paillette de verrouillage“), bestehe. Es gelinge mit diesen wenigen Teilen auszukommen, weil, was im Stand der Technik kein Vorbild habe, zwei symmetrisch angeordnete, schwenkbare Hebel vorgesehen seien, die jeweils beidseitig, d. h. an jedem Hebelarm, so gestaltet seien, dass sie wirksam mit anderen Bauteilen in Eingriff kommen könnten. Außerdem bestehe ein weiterer wesentlicher Kern des Klagepatents darin, die Münze unmittelbar, d.h. ohne Zwischenschaltung weiterer Bauteile, mit den Hebelenden in Eingriff zu bringen, so dass die Münze die Lage der Hebel unmittelbar steuere. Die angegriffene Ausführungsform sei in gleicher Weise wie der Erfindungsgegenstand nur durch wenige Bauteile gekennzeichnet, nämlich Schlüssel, zwei Hebel, Pfandstück/Münze und ein Verriegelungsteil. Die angegriffene Ausführungsform habe in Form einer Walze eine erfindungsgemäße „paillette de verrouillage“. Die Walze werde zur Steuerung der Hebel verschwenkt. Zum anderen wirkten Walze und Schlüssel in der Art zusammen, dass der an der Walze angebrachte Haken im Verriegelungszustand in eine entsprechende Kerbe des Schlüssels eingreife. Die Walze erfülle alle Wirkungen der patentgemäßen „paillette de verrouillage“ und stelle, da das Klagepatent dem Fachmann die nähere Ausgestaltung dieses Teiles überlasse, eben eine „paillette de verrouillage“ dar. Soweit die technische Lehre des Klagepatents dahin gehe, dass das eine Ende jedes Hebels mit am Schlüssel vorgesehenen Kerben derart zusammenwirke, dass der Schlüssel im verriegelten Zustand von den Enden jedes Hebels festgehalten werde, werde diese Lehre zwar nicht wortsinngemäß verwirklicht, weil abweichend davon bei der angegriffenen Ausführungsform das Verriegelungsglied (Walze), das dabei mit dem einen Ende jeden Hebels zusammenwirke, mit einem an ihm vorgesehenen Haken mit einer Ausnehmung am Schlüssel zusammenwirke. Dies sei jedoch der erfindungsgemäßen Lösung gleichwirkend und dem Fachmann auf der Grundlage der Lehre des Klagepatents auch ohne weiteres als gleichwirkend nahegelegt, so dass die Voraussetzungen patentrechtlicher Äquivalenz insoweit gegeben seien. Durch die im Patentanspruch enthaltene Anweisung, die Hebel der Einwirkung einer Verriegelungsfahne auszusetzen, die durch eine Feder zurückgeholt werde und mit dem Schlüssel zusammenwirke, sei dem Fachmann ein Zusammenwirken zwischen Schlüssel einerseits und Verriegelungsfahne/Verriegelungsteil andererseits ohnehin schon nahegelegt. Von da aus sei der Schritt, die Verriegelungsfahne/das Verriegelungsteil auch zur Verriegelung des Schlüssels selbst einzusetzen, für den Fachmann überaus naheliegend. Es sei überdies naheliegend, ein Element, welches als „Verriegelungs“-element bezeichnet werde, als Verriegelungsteil für den Schlüssel selbst einzusetzen. – Im übrigen hielten bei der angegriffenen Ausführungsform auch die Hebel, wenn auch mittelbar durch ihr Einwirken auf das Verriegelungsglied, den Schlüssel fest. Dem Klagepatent gehe es nicht darum, ein unmittelbares Festhalten des Schlüssels durch die Hebel zu gewährleisten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 4. August 1998 abzuändern und

I. die Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel zu unterlassen,

in der Bundesrepublik Deutschland Kettenpfandschlösser für Einkaufswagen, enthaltend einen Schlüssel, der an einem Ende einer Kette angebracht ist, deren anderes Ende fest mit einem Wagen verbunden ist, wobei der genannte Schlüssel mit einem Münz-automatenschloss eines anderen Wagens zusammenwirkt, um ein darin enthaltenes Pfandstück durch Verriegelung der beiden Wagen miteinander freizugeben, wobei die Entriegelung durch Einführung eines Pfandstücks bewirkt wird, welches das genannte Schloss öffnet und darin verbleibt,

herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu besitzen,

bei denen das Pfandschloss zwei jeweils um eine Zwischenachse schwenkbare Hebel enthält, wobei ein Ende jedes Hebels mit einer am genannten Schlüssel vorgesehenen Aussparung über ein Verriegelungsteil zusammenwirkt und das jedem Hebel gegenüberliegende Ende mit dem genannten Pfandstück zusammenwirkt, während die genannten Hebel der Einwirkung des Verriegelungsteils ausgesetzt sind, das durch eine Feder zurückgeholt wird und mit dem genannten Schlüssel so zusammenwirkt, dass der Schlüssel im verriegelten Zustand von den genannten Enden jedes Hebels über das Verriegelungsteil festgehalten wird und daß das Pfandstück im entriegelten Zustand zwischen den gegenüberliegenden Enden der Hebel festgehalten wird,

2. ihr für die Zeit ab dem 7. September 1991 Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der unter vorstehend zu I,1 beschriebenen Erzeugnisse zu erteilen, insbesondere unter Angabe der Namen und Anschriften der Hersteller, der Lieferanten und deren Vorbesitzer, der gewerblichen Abnehmer oder Auftraggeber sowie unter Angabe der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse,

3. ihr über den Umfang der vorstehend zu I,1 bezeichneten und seit dem 12. November 1988 begangenen Handlungen Rechnung zu legen, und zwar unter Vorlage eines Verzeichnisses mit der Angabe der Herstellungsmengen und Herstellungszeiten sowie der einzelnen Lieferungen unter Nennung

a) der Liefermengen, Typenbezeichnungen, Artikel-Nummern, Lieferzeiten, Lieferpreise und Namen und Anschriften der Abnehmer,

b) der Gestehungskosten unter Angabe der einzelnen Kostenfaktoren sowie des erzielten Gewinns, unter der Angabe der einzelnen Angebote und der Werbung,

c) der Angebotsmengen, Typenbezeichnungen, Artikel-Nummern, Angebotszeiten und Angebotspreise sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der einzelnen Werbeträger, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

wobei

der Beklagten vorbehalten bleiben möge, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger und der nicht gewerblichen Abnehmer statt ihr, der Klägerin, unter den üblichen Voraussetzungen einem vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen,

die Beklagte die Angaben vorstehend zu b) erst für die Zeit seit dem 7. September 1991 zu machen hat,

und wobei sich ferner die Verpflichtung zur Rechnungslegung für die vor dem 1. Mai 1992 begangenen Handlungen auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in den bis zum 2. Oktober 1990 bestehenden Grenzen einschließlich West-Berlin beschränkt;

4. die im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder im Eigentum der Beklagten befindlichen Erzeugnisse entsprechend vorstehend I, 1 an einen von ihr zu beauftragenden Gerichsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;

II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet
ist,

1. ihr eine angemessene Entschädigung für die vorstehend zu I,1 bezeichneten und in der Zeit vom 12. November 1988 bis 6. September 1991 begangenen Handlungen zu zahlen;

2. ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I, 1 bezeichneten und seit dem 7. September 1991 begangenen Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das am 4. August 1998 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf zurückzuweisen,

für den Fall einer ihr ungünstigen Entscheidung ihr nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung (Bankbürgschaft) ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden.

Die Beklagte trägt vor, der Witz der erfindungsgemäßen Lehre bestehe in der Doppelfunktion der schwenkbaren Hebel, die wie eine Zange wirkten und mit dem einen Ende und im verriegelten Zustand unmittelbar den Schlüssel und im entriegelten Zustand mit ihren gegenüberliegenden Enden das Pfandstück/die Münze festhielten. Gerade diese Doppelfunktion ermögliche die angestrebte zuverlässige und einfache Ausgestaltung und sorge dafür, dass im verriegelten und entriegelten Zustand ein unmittelbarer, kraftschlüssiger Kontakt zwischen dem Schlüssel und den in die Kerben des Schlüssels eingreifenden Hebelenden und zwischen den Hebelenden und der Münze bestehe, so dass auf die Zwischenschaltung eines weiteren, in die unmittelbare Kraftschlussübertragung eingeschalteten Betätigungsorgans verzichet werden könne. Bei der angegriffenen Ausführungsform werde der Wortsinn der erfindungsgemäßen Lehre nicht nur im Hinblick auf das unmittelbare Zusammenwirken von Hebelende und Schlüssel verlassen, sondern auch im Hinblick auf das Vorsehen einer „paillette de verrouillage“. Die bei der angegriffenen Ausführungsform eingesetzte Walze sei nicht eine „paillette de verrouillage“. Soweit die angegriffene Ausführungsform vom Wortsinne der erfindungsgemäßen Lehre abweiche, mache sie von ihr aber auch mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln keinen Gebrauch. Es fehle schon an der objektiven Gleichwirkung. Im übrigen habe der Fachmann bei einer Orientierung an der erfindungsgemäßen Lehre aber auch nicht zu den angeblich gleichwirkenden Ersatzmitteln der angegriffenen Ausführungsform finden können. – Überdies würde einer Erstreckung des Schutzbereichs des Klagepatents im Wege der Äquivalenz auf die angegriffene Ausführungsform auch der Stand der Technik gemäß US-PS 4 637 507 (Anlage B 3) entgegenstehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat gemäß Beweisbeschluss vom 23. März 2000 (Bl. 191 – 198 GA) ein schriftliches Sachverständigengutachten eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das von dem gerichtlichen Sachverständigen, Prof. Dr.h.c. D1.-I1x.E.h. D1.-I1x. G2xxxxx P6xx, unter dem 20. November 2000 erstellte schriftliche Gutachten (Bl. 226 – 253 GA) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Auch nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens lässt sich nicht feststellen, dass das mit der Klage beanstandete Kettenpfandschloss der Beklagten von der technischen Lehre des Patentanspruches 1 des Klagepatents Gebrauch macht. Eine wortsinngemäße Verwirklichung liegt nicht vor. Im verriegelten Zustand wird bei der angegriffenen Ausführung der Schlüssel nicht (unmittelbar) von den Hebeln festgehalten, sondern von dem Haken einer Verriegelungswalze erfasst. Diese Verriegelungswalze ist dem Wortsinne nach keine „pailette de verrouillage“ und kann dieser im Sinne patentrechtlicher Äquivalenz auch nicht gleichgesetzt werden. Das Erfassen des Schlüssels durch die Enden der Hebel ist eine zentrale Idee des Klagepatents, welches keine Hinweise darauf gibt, von dieser zentralen Idee im Sinne der Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform abzuweichen.

I. Die technische Lehre des Klagepatents betrifft ein Kettenpfandschloss für Einkaufswagen. Mit dieser Lehre wendet sich, wie der gerichtliche Sachverständige auf Seite 27 seines Gutachtens (Bl. 251 GA) überzeugend und unbeanstandet von den Parteien ausgeführt hat, die Klagepatentschrift an einen Fachmann, der als ausgebildeter Fachhochschulabsolvent über solide Kenntnisse im Maschinenbau verfügt und der insbesondere Kenntnisse der Mechanik, der Kinematik und Werkstoffkunde sowohl in der Metall- als auch in der Kunststofftechnik aufweist. Seine praktischen Erfahrungen müssen so ausgeprägt sein, dass er störende Randbedingungen und nicht gewollte Einwirkungen einer von Laien benutzten Einrichtung vorhersehen und in seiner Konstruktion durch Einfachheit, Eindeutigkeit und eine zuverlässige Robustheit zu berücksichtigen vermag. Überdies muß der angesprochene Durchschnittsfachmann, da es hier um Gegenstände geht, die in größeren Stückzahlen zu geringen Kosten zu erstellen sind, auch über hinreichendes Verständnis für eine Massenfertigung mit möglichst einfachen und kostengünstig herzustellenden Teilen verfügen.

Die Klagepatentschrift verweist den Fachmann in Spalte 1, Zeilen 15 bis 22 darauf, dass Pfandschlösser für Transportwagen wegen der Vorteile, die sie böten, Anwendung in Geschäften, Bahnhöfen, Flughäfen usw. gefunden hätten. Die Vorteile bestünden in folgendem: Bildung von Wagenreihen, die den Benutzern mittels eines Pfandstücks zur Verfügung stehen, welches erstattet werde, Freihaltung der Verkehrswege, Parkplätze und Garagen sowie erhebliche Verminderung von Verlusten und Schäden an den Transportwagen.

Der fachkundige Leser der Klagepatentschrift erfährt aus ihr ferner, dass starre Geräte bekannt seien, bei denen Schlüssel und Münzautomatenschloß aus einem Stück bestünden. Diese Geräte, von denen es heißt, dass sie eine einfache Verwendung gestatteten, werden jedoch abgelehnt. Sie – so die Klagepatentschrift – seien im Hinblick auf die Sperrigkeit und die Schwierigkeit des Einbaus nachteilig und seien bei Gelände mit Gefälle schlecht geeignet (vgl. Spalte 1, Zeilen 23 bis 28).

Die Klagepatentschrift erwähnt ferner, dass aus der FR-A-596 099 (Anlage 5) ein Pfandschloß für die Verriegelung eines Steckelements bekannt sei. Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1 bis 7 dieser Patentschrift, wobei die Figur 1 eine Vorderansicht des Schlosses nach Entfernung des Deckels, die Figur 7 das Schloss mit dem Deckel und die Figur 5 Einzelheiten des Stiftes (=Steckelement/Schlüssel) zeigt, verdeutlichen dieses bekannte Schloss.

Man erkennt in Figur 1 zwei symmetrisch angeordnete, schwenkbare Hebel k mit Vorsprüngen k`. Bei der Einführung einer Münze d in das Gerät (vgl. Figur 7) werden die Hebel k so betätigt, dass die Vorsprünge k`aus der Auskehlung f1 des Stiftes f (= Steckelement bzw. Schlüssel; vgl. Figur 5) austreten und der Stift freigegeben wird, wobei sich die Münze über die Achsen l der Hebel k bewegt, um diese entgegen der Wirkung der beiden Federn m voneinander zu bewegen. Wenn sich die Hebel k weit genug voneinander entfernt haben, um den Stift f freizugeben, gelangt die Münze d in einen federbetätigten Verriegelungsmechanismus, der sie im Gerät festhält. Dieser Verriegelungsmechanismus umfaßt ein Organ n mit der Form eines U, dessen Schenkel in Öffnungen der Platten a (rückseitige Grundplatte) und j (Tragplatte, die im Gehäuse mittels Schrauben an a befestigt ist) gleiten und an der Münze eingreifen, um sie trotz der Wirkung der Hebel k festzuhalten. Eine vertikal hinter dem Gehäuse oder der rückseitigen Platte a angeordnete Feder o ist oben so umgebogen, dass sie am Verriegelungsorgan n eingreift, um es solange in der Verriegelungsposition zu halten, bis es durch die Einführung des Stiftes verschoben wird. Dabei erfolgt die Verschiebung des Organs n aus seiner Verriegelungsposition heraus durch die Verlängerung f2 des Stiftendes (vgl. Figur 5), die in ein Loch p der Platte a eingreift und die Feder o zurückschiebt.

Die Klagepatentschrift würdigt dieses bekannte Pfandschloss dahin, dass sich bei ihm zwei Hebel jeweils um eine Endachse drehten und das Steckelement mit Hilfe der zwischen diesen Hebeln liegenden Vorsprünge verriegelten. Ein Federverriegelungsmechanismus sei vorgesehen, um eine Pfandmünze festzuhalten, während das Steckelement verriegelt sei. Dieses Schloss sei von äußerst komplizierter, kostspieler, sperriger und empfindlicher Konstruktion (vgl. Spalte 1, Zeilen 38 – 48).

Die technische Lehre des Klagepatents geht demgegenüber ausweislich der einleitenden Beschreibung von einem Pfandschloss aus, wie es beispielsweise aus der EP-A-0 125 127 (Anlage 4) bekannt ist, soweit dieses folgende Merkmale aufweist:

1. Es handelt sich um ein Kettenpfandschloss für Einkaufswagen;

2. das Kettenpfandschloss enthält einen Schlüssel, der an einem Ende einer Kette angebracht ist, deren anderes Ende fest mit einem Wagen verbunden ist;

3. der Schlüssel wirkt mit dem Münzautomatenschloss eines anderen Wagens zusammen, um ein darin enthaltenes Pfandstück (Münze) durch Verriegelung der beiden Wagen miteinander freizugeben;

4. die Entriegelung wird durch Einführung eines Pfandstückes bewirkt, welches das genannte Schloss öffnet und darin verbleibt.

Zum Verständnis des in der Klagepatentschrift gewürdigten Pfandschlosses der EP-A-0 125 127 (Anlage 4) sind nachstehend die Figuren 1 bis 4 dieser Druckschrift wiedergegeben.

Die Figuren zeigen mit dem Bezugszeichen 4 ein Kettenpfandschloss für Einkaufswagen. Das Kettenpfandschloss enthält einen Schlüssel 6, der am Ende einer Kette angebracht ist, deren anderes Ende fest mit einem Wagen verbunden ist. Der Schlüssel 6 wirkt mit dem Münzautomatenschloss 4 eines anderen Wagens zusammen, um ein darin enthaltenes Pfandstück (Münze) durch eine später näher zu beschreibende Verriegelung der beiden Wagen miteinander freizugeben. Die Entriegelung wird durch Einführung eines Pfandstücks (Münze) in den Einführschlitz 12 bewirkt, welches das genannte Schloss öffnet und darin verbleibt. – Dieses Pfandschloss verwirklicht mithin in der Tat die vorgenannten Merkmale 1 bis 4.

Was nun die Verriegelung und Entriegelung bei diesem Pfandschloss angeht, ist den Figuren 2 – 4 zu entnehmen, dass das Schloss eine kreisrund-zylindrische Außenwand 11 mit einem durch diese hindurchgeführten Einführungsschlitz 12 aufweist, in den sich eine Geldmünze der erforderlichen Größe rechtwinklig zur Achse dieser Außenwand einlegen läßt. Wird eine Münze in den Schlitz 12 einglegt, so läßt sich der Schlüssel 6, der mit einem Griff 27 und einem Schlüsselbart 21 ausgestattet ist und in die Einführöffnung 20 eines koaxial in dem Schloss 4 befindlichen und unter dem Druck der Feder 15 stehenden Zylinderelements 14 einführbar ist, axial gegen die Münze drücken, so dass die Münze die in Figur 4 dargestellte Position einnimmt. Nachdem sich so das Zylinderelement 14 weit genug axial verschoben hat, läßt es sich dann um 90° drehen, so dass die Nuten 22 der Schlüsseleinführungsöffnung 20 mit den entsprechenden Teilen der Öffnung 23 des Zylinderelements fluchten, so dass sich der Schlüssel abziehen läßt. – Der Einkaufswagen kann wieder angekettet und die Münze herausgenommen werden, wenn man den Schlüssel einführt und das Zylinderelement 14 in seine vorherige Stellung zurückdreht.

Die Klagepatentschrift lobt an diesem Pfandschloss, dass es wenig Raum beanspruche und am Griff des Wagens angebracht werden könne. Sie betrachtet es auch als vorteilhaft, dass dieses Pfandschloss sich gut für Wagen unterschiedlicher Abmessungen eignet und seine Flexibilität auch den Einsatz auf Gelände mit Gefälle gestattet. Als nachteilig kritisiert sie an diesem Pfandschloss jedoch, dass die Entriegelung durch eine genaue Positionierung des Pfandstückes, eine schwierige Einführung des Schlüssels und die zusätzliche Betätigung eines Betätigungsorgans, wobei wohl das Zylinderelement 14 gemeint ist, erschwert werde (vgl. Spalte 1, Zeilen 29 – 37).

Vor dem Hintergrund dieses Standes der Technik formuliert die Klagepatentschrift die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe dahin, ein neues Kettenpfandschloss zu schaffen, welches a) einfach und somit wirtschaftlich, b) leicht und c) raumsparend, d) zuverlässig und e) beständig ist (vgl. Spalte 1, Zeilen 49 – 51).

Zutreffend führt der gerichtliche Sachverständige auf Seite 5 seines Gutachtens (Bl. 230 GA) aus, dass die Aufgabenstellung des Klagepatents unter Beibehaltung der bekannten Vorteile des gattungsgemäßen Kettenpfandschlosses auf eine einfache, mit geringen Kosten herstellbare Gestaltung verweise, die außerdem geringes Gewicht und wenig Raumbedarf haben soll. Zudem müsse das Kettenpfandschloss in einem nicht gerade rücksichtvollen Betrieb zuverlässig und ohne Störungen seinen Dienst tun.

Zur Lösung dieser Aufgabe wird vorgeschlagen, ein Kettenpfandschloss mit den oben genannten Merkmalen 1 bis 4 so auszubilden, dass es zusätzlich die nachfolgend genannten Merkmale aufweist:

5. Das Pfandschloss enthält zwei jeweils um eine Zwischenachse schwenkbare Hebel;

6. das eine Ende jedes Hebels wirkt mit am Schlüssel vorgesehenen Kerben zusammen,

7. das jedem Hebel gegenüberliegende Ende wirkt mit dem Pfandstück zusammen;

8. die Hebel sind der Einwirkung einer Verriegelungsfahne („paillette de verrouillage“) ausgesetzt, die durch eine Feder zurückgeholt wird und mit dem Schlüssel zusammenwirkt;

9. die Zusammenwirkung erfolgt in der Art, dass der Schlüssel im verriegelten Zustand von den Enden jedes Hebels festgehalten wird und dass das Pfandstück im entriegelten Zustand zwischen den gegenüberliegenden Enden der Hebel festgehalten wird.

Mit dieser Lösung beschreibt der Patentanspruch 1 des Klagepatents ein Kettenpfandschloss für Einkaufswagen, bei welchem im verriegelten Zustand der Schlüssel von den Enden zweier symmetrisch angeordneter Hebel mittels Verhakung festgehalten wird. Die Entriegelung (Freigeben des Einkaufwagens) geschieht durch Einführen eines Pfand(münz)stücks, das mit den anderen Enden der gleichen Hebel zusammenwirkt. Zur Sicherung der Position der Hebel in den jeweiligen Zuständen wird eine Verriegelungseinrichtung benötigt, die aus einer „paillette de verrouillage“ und einer Feder besteht. Die „paillette de verrouillage“ ist nur im entriegelten Zustand wirksam. Im verriegelten Zustand wirkt nur die Feder. Der Schlüssel wirkt mit der „paillette des verrouillage“ insoweit zusammen, als er diese in eine unwirksame Position zurückschiebt, damit die Hebel in den Schlüssel eingreifen können und das Pfand(münz)-stück entnommen werden kann (vgl. Seite 2 Absatz 1 der Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen – Bl. 227 GA).

Wegen der Wirkungsweise dieser Lösung wird auf Spalte 2, Zeilen 45 ff der Klagepatentschrift sowie auf die zutreffenden und aus sich heraus verständlichen Ausführungen auf den Seiten 6 und 7 des Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen (Bl. 231/232 GA) verwiesen.

Der durch die Klagepatentschrift angesprochene Durchschnittsfachmann erkennt, dass das Wesen der Erfindung in der Verwendung von zwei symmetrisch angeordneten Hebeln besteht, die jeweils um eine senkrechte Achse schwenken, wobei jeweils die einen Enden der Hebel unmittelbar mit dem Schlüssel und die anderen Enden der Hebel mit dem Pfandstück zusammenwirken. Eine einfache Verriegelungsvorrichtung, die lediglich aus einer „paillette de verrouillage“ und einer Feder besteht, sorgt für die zuverlässige Einhaltung der Hebelpositionen jeweils im verriegelten als auch im entriegelten Zustand (vgl. auch Seite 8 Absatz 2 des Gutachtens des gerichtlichen Sachverstöndigen – Bl. 233 GA). Die „paillette de verrouillage“ hat im entriegelten Zustand die alleinige Aufgabe, die Hebel in ihrer nach außen gerichteten Position zu fixieren, um so das Festhalten des Pfand(münz)stücks zu sichern. Eine andere Aufgabe ist ihr im entriegelten Zustand nicht zugewiesen. Sie muss lediglich vom Schlüssel in eine unwirksame Position gebracht werden. Es ist lediglich die Feder wirksam, die die Hebel gegen den Schlüssel zum Eingriff in den Kerben drückt. Auf Grund der somit geringen Funktionalität der „paillette de verrouillage“ kann diese eine relativ dünne Platte sein, die sich in Vertikalebene bewegt und die Hebel nur im entriegelten Zustand sperrt und sonst keine weitere Funktion ausübt (vgl. Seite 18 die letzten beiden Absätze des Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen – Bl. 240 GA).

Der Fachmann sieht, dass es mit der zuvor beschriebenen Lösung bzw. technischen Lehre dem Klagepatent gelungen ist, eine einfache und wirtschaftliche, leichte und raumsparende sowie zuverlässige und in einem robusten Betrieb auch beständige Ausführung zur Verfügung zu stellen (vgl. Seite 8 Absatz 3 des Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen – Bl. 233 GA).

II. Von der sich so darstellenden technischen Lehre des Patentanspruches 1 des Klagepatents wird bei der angegriffenen Ausführungsform gemäß Anlagen 8 und B 2 kein Gebrauch gemacht.

Die angegriffene Ausführungsform stellt ein Kettenpfandschloss für Einkaufswagen dar, das entsprechend dem Wortsinne der erfindungsgemäßen Lehre zwei symmetrisch angeordnete Hebel enthält. Das eine Ende der Hebel wirkt wie beim Klagepatent mit dem Pfand(münz)stück zusammen. Die anderen Enden der Hebel wirken jedoch abweichend vom Wortlaut des Merkmals 6 nicht mit am Schlüssel vorgesehenen Kerben zusammen, sondern abweichend davon arbeiten sie mit einer Verriegelungsvorrichtung zusammen, indem im entriegelten Zustand die Hebel in ihrer das Pfand(münz)stück haltenden Position von den Stirnseiten einer Verriegelungswalze gehalten werden und im verriegelten Zustand die Hebel ihrerseits die Verriegelungswalze sperren. Die Verriegelungswalze selbst wirkt mit dem Schlüssel zusammen, da sie mit Hilfe eines Hakens den Schlüssel im verriegelten Zustand festhält. Der Schlüssel selbst wirkt auf die Verriegelungswalze ein, indem er die Verriegelungswalze zurückdreht, damit der Haken in den Schlüssel eingreifen und das Pfand(münz)stück entnommen werden kann (vgl. auch Seite 2 Absatz 2 des Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen – Bl. 227 GA).

Die Merkmale 1 bis 5 der obigen Merkmalsanalyse sind bei der angegriffenen Ausführungsform dem Wortsinne nach verwirklicht, wie auch der gerichtliche Sachverständige festgestellt hat (vgl. seine Ausführungen auf den Seiten 13 und 14 der Gutachtens – Bl. 237/238 GA).

Da jedoch, wie bereits ausgeführt, bei der angegriffenen Ausführung das eine Ende jeden Hebels mit einer Verriegelungswalze zusammenwirkt, die ihrerseits mit dem Schlüssel zusammenwirkt, ist das Merkmal 6 dem Wortsinne nach nicht verwirklicht, da dieses voraussetzt, dass die Enden der Hebel mit am Schlüssel vorgesehenen Kerben zusammenwirken (so auch der gerichtliche Sachverständige auf Seite 14 seines Gutachtens – Bl. 238 GA).

Das Merkmal 7 betreffend das Zusammenwirken der gegenüberliegenden Enden der Hebel mit dem Pfand(münz)stück ist wiederum dem Wortsinne nach verwirklicht.

Dagegen findet sich bei der angegriffenen Ausführungsform dem Wortsinne nach keine „paillette de verrouillage“, wie sie das Merkmal 8 vorsieht. Die erfindungsgemäße „paillette de verrouillage“ hat, wie oben bereits aufgezeigt, im verriegelten Zustand überhaupt keine Aufgabe und im entriegelten Zustand nur die Aufgabe, die Hebel in ihrer nach außen gerichteten Position zu fixieren, um so das Festhalten des Pfand(münz)-stücks zu sichern. Ein solches Element weist die angegriffene Ausführungsform jedoch nicht auf. Vielmehr besitzt sie mit der Verriegelungswalze ein Element, welches abgesehen davon, dass es nicht die Form einer „paillette“ hat, sich auch nicht auf die Funktion einer erfindungsgemäßen „paillette de verrouillage“ beschränkt. Vielmehr kommt der Verriegelungswalze anders als der „paillette des verrouillage“ der Erfindung im verriegelten Zustand eine wesentliche Funktion zu, nämlich die Funktion des Festhaltens des Schlüssels im verriegelten Zustand. Dazu muss der Schlüssel vom Haken der Verriegelungswalze erfasst und etwaige Schlüsselkräfte aufgenommen und an das Gehäuse bzw. den Einkaufswagen weitergeleitet werden. Bei der angegriffenen Ausführungsform führt das Verhaken des Schlüssels zu einer Drehbewegung des Verriegelungskörpers, die die Schlüsselkräfte aufzunehmen und über entsprechende Auflageflächen in das Gehäuse abzuleiten hat, was eine entsprechend stabile Ausführung des Elements „Verriegelungswalze mit Haken“ voraussetzt (vgl. Seite 19 unten des Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen – Bl. 243 GA).

Das Merkmal 9, welches die Art des Zusammenwirkens der „paillette de verrouillage“ und des Schlüssels betrifft, wird, wie sich aus den auch insoweit überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen ergibt (vgl. Seiten 15/16 seines Gutachtens – Bl. 239/240 GA), ebenfalls nicht vollständig wortsinngemäß verwirklicht.

Ziel des vorgenannten Zusammenwirkens ist nach Merkmal 9, dass der Schlüssel im verriegelten Zustand von den Enden jeden Hebels festgehalten wird und dass das Pfandstück im entriegelten Zustand zwischen den gegenüberliegenden Enden der Hebel gehalten wird. Bei der angegriffenen Ausführungsform wirkt jedoch im verriegelten Zustand der Schlüssel mit der Verriegelungswalze so zusammen, dass der Schlüssel vom Haken dieser Verriegelungswalze erfasst und festgehalten wird und nicht von den entsprechenden Enden der Hebel.

Mit der Feststellung, dass eine wortsinngemäße Verwirklichung des Patentanspruches 1 des Klagepatents nicht vorliegt, ist eine Patentverletzung jedoch noch nicht zu verneinen, da auch der Schutzbereich eines europäischen Patents – um ein solches handelt es sich bei dem Klagepatent – nicht nur den wortsinngemäßen (identischen) Gegenstand umfasst. Nach Art. 69 Abs. 1 EPÜ wird der Schutzbereich des Patents durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt, wobei die Beschreibung und die Zeichnungen zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen sind. Inhalt bedeutet nicht Wortlaut, sondern Sinngehalt. Maßgebend ist der Offenbarungsgehalt der Patentansprüche und ergänzend – im Sinne einer Auslegungshilfe – der Offenbarungsgehalt der Patentschrift, soweit dieser Niederschlag in den Ansprüchen gefunden hat (vgl. BGH GRUR 1999, 909 – Spannschraube). Da nach dem Auslegungsprotokoll zu Art. 69 EPÜ unter den Schutzbereich eines Patentes nicht nur das fällt, was sich aus dem genauen Wortlaut der Patentansprüche ergibt, ist der Weg für eine Bemessung des Schutzbereichs über den Anspruchswortlaut hinaus auf Abwandlungen der in den Patentansprüchen umschriebenen Erfindung offen (vgl. BGH GRUR 1986, 803, 805 li. Sp. – Formstein).

Nach den Grundsätzen, die der Bundesgerichtshof zum alten Recht herausgebildet hat, die jedoch nach der bereits zitierten Entscheidung „Spannschraube“ auch für den Schutzbereich eines europäischen Patents gelten, liegt Äquivalenz im patentrechtlichen Sinne zum einen nur dann vor, wenn bei den sich gegenüberstehenden Ausführungsformen Aufgabe und technischer Erfolg gleich, die zur Lösung der Aufgabe und damit zur Erzielung des gleichen Erfolges verwendeten Mittel aber verschieden sind. Erforderlich ist, dass das Ersatzmittel, welches bei der angegriffenen Ausführungsform anstelle des im Patent ausdrücklich empfohlenen Mittels benutzt wird, zur Erfüllung der im Patent gestellten konkreten Aufgabe dient und den vom Patent angestrebten Erfolg – zumindest im wesentlichen – erreicht. Der Schutzbereich eines europäischen Patents kann jedoch nicht auf Ausführungsformen erstreckt werden, die Ersatzmittel verwenden, die völlig oder bis zu einem praktisch nicht mehr erheblichem Umfang auf den mit dem Patent erstrebten Erfolg verzichten.

Die Annahme patentrechtlicher Äquivalenz setzt neben der Feststellung der Gleichwirkung überdies aber auch voraus, dass der Fachmann beim Studium der in den Patentansprüchen umschriebenen Erfindung die bei der angegriffenen Vorichtung eingesetzten abgewandelten und im Sinne der zuvor gemachten Ausführungen gleichwirkenden Mittel unter Einsatz seines Fachwissens auffinden konnte. Wenn der Durchschnittsfachmann durch die in den Patentansprüchen beschriebene Vorrichtung nicht auf den Gedanken gebracht wurde, dass er die dort beschriebene Vorrichtung auf Grund fachmännischer Überlegungen zur Erzielung der im wesentlichen gleichen Wirkungen abwandeln kann, wie dies hinsichtlich der angegriffenen Vorrichtung geschehen ist, scheidet eine Benutzung der im Klagepatent unter Schutz gestellten Erfindung aus (vgl. BGH GRUR 1988, 896 – Ionenanalyse).

Das Vorliegen der vorgenannten Voraussetzungen patentrechtlicher Äquivalenz betreffend die Merkmale 6, 8 und 9 läßt sich jedoch auch auf der Grundlage des zweitinstanzlich eingeholten Gutachtens nicht feststellen.

Hinsichtlich der Wirkungen ist zunächst festzustellen, dass die Ausgestaltung entsprechend dem Merkmal 6, d. h. das Zusammenwirken der Enden der Hebel mit am Schlüssel vorgesehenen Kerben, zu einer einfachen Bauart, zu einer eindeutigen Hebelposition ohne Zwischenglieder und zu günstigen Kraftleitungsverhältnissen führt (vgl. Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Seite 20 unten /21 oben – Bl. 244/245 GA).

Die davon abweichende Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform, bei der der Schlüssel über den an der Verriegelungswalze befindlichen Haken mit der Verriegelungseinrichtung im verriegelten Zustand zusammenwirkt, erzielt diese mit dem Merkmal 6 angestrebten und erreichten Wirkungen nicht. Es gehen vielmehr Zugkräfte am Schlüssel über den Haken in die querliegende Verriegelungswalze, die sich im Gehäuse abstützt. Dabei tritt ein Drehmoment auf, das versucht, die Verriegelungswalze in die entriegelte Stellung zu drehen. Um diese Drehung zu verhindern, die eine Entriegelung des Schlüssels zur Folge hätte, greifen die einen Enden der Hebel im Sinne einer Verriegelung in die Schlitze der querliegenden Verrriegleungswalze ein. Die Hebel werden dabei einer Biegebeanspruchung, insbesondere in ihren dünneren, abgeflachten Enden im Bereich geringerer Widerstandsmomente, unterworfen. Die Kraftleitung geht also über mehrere Elemente vonstatten und verzweigt sich in Abstützkräfte und Drehmomentenkräfte (vgl. Seite 20 Absatz 1 des Gutachtens – Bl. 244 GA).

Die „paillette de verrouillage“ des Merkmals 8 hat, wie bereits oben dargelegt und wie sich aus den eingehenden Ausführungen des Sachverständigen ergibt, erfindungsgemäß eine geringe Funktionalität. Sie soll im entriegelten Zustand lediglich verhindern, dass die Hebel sich unter der Wirkung der Feder zurückbewegen und dadurch das Pfandstück freigeben. Diese erfindungsgemäß vorgesehene geringe Funktionalität dieses Elements führt dazu, dass es als relativ dünne Platte ausgebildet sein kann, die sich nur in der Vertikalebene bewegt. Demgegenüber führt das Vorsehen einer Verriegelungswalze entsprechend der angegriffenen Ausführungsform, die auch im verriegelten Zustand eine wesentliche Funktion ausübt, nämlich das Festhalten des Schlüssels, zu einer nicht so einfachen Bauart, zu nicht so günstigen Kraftleitungsverhältnissen und zu dem Erfordernis einer stabilen Ausbildung des Verriegelungselementes (Verriegelungswalze mit Haken) (vgl. Seite 19 unten sowie Seiten 20 unten/21 oben des Gutachtens – Bl. 243 – 245 GA).

Die mit dem Merkmal 9 vorgegebenen Ziele des Zusammenwirkens der Verriegelungseinrichtung mit dem Schlüssel führen dazu, dass der Verriegelungseinrichtung im verriegelten Zustand nur die Aufgabe zukommt, mit Hilfe der Feder die Hebel in ihrer verhakenden Position mit dem Schlüssel zu sichern. Der Schlüssel wird von den Enden der Hebel festgehalten (vgl. Seite 26 Absatz 3 des Gutachtens – Bl. 250 GA). Dies wird bei der angegriffenen Ausführungsform insoweit, als sie vom Wortsinn des Merkmals abweicht, nicht erreicht. Bei ihr muß die Verriegelungseinrichtung im verriegelten Zustand den Schlüssel festhalten, die Verriegelungswalze an der Drehbewegung im verriegelten Zustand hindern und die Schlüsselkräfte in das Gehäuse leiten (vgl. Seite 26 Absatz 2 des Gutachtens – Bl. 250 GA).

Selbst wenn man jedoch das aufgezeigte Zurückbleiben in den Wirkungen als nicht so schwerwiegend beurteilen würde, um darauf die Feststellung zu gründen, dass keine hinreichende Gleichwirkung mehr zwischen den wortsinngemäßen Mitteln des Klagepatents und den bei der angegriffenen Ausführungsform eingesetzten abweichenden Ersatzmitteln gegeben sei, könnte die angegriffene Ausführungsform mit ihren von der Lehre des Klagepatents abweichenden Mitteln nicht in den Schutzbereich (Äquivalenzbereich) des Klagepatents einbezogen werden, da sich auch nach der Einholung sachverständigen Rates nicht feststellen läßt, dass der Durchschnittsfachmann durch die in den Patentansprüchen beschriebene Vorrichtung auf den Gedanken gebracht wurde, dass er die dort beschriebene Vorrichtung aufgrund fachmännischer Überlegungen so abwandeln kann, wie dies bei der angegriffenen Vorrichtung geschehen ist.

Der Fachmann hätte, um von der Lehre des Klagepatents kommend zur angegriffenen Ausführungsform mit ihren Abweichungen zu finden, zunächst einmal den zentralen Gedanken des Klagepatents (so auch der gerichtliche Sachverständige auf Seite 17 seines Gutachtens – Bl. 241 GA sowie auf Seite 22/Bl. 246 GA unten, wo er von Kernstück des Klagepatents spricht), mit den einen Hebelenden die Münze und mit den anderen Hebelenden den Schlüssel unmittelbar festzuhalten, aufgeben müssen. Das Klagepatent hätte ihm überdies den Gedanken vermitteln müssen, dem erfindungsgemäßen Verriegelungselement „paillette de verrouillage“ weitere Funktionen zuzuweisen, insbesondere die Funktion des Festhaltens des Schlüssels im verriegelten Zustand. Der gerichtliche Sachverständige führt insoweit auf Seite 21 seines Gutachtens (Bl. 245 GA) überzeugend aus:

„Das Klagepatent gibt keine Hinweise, dass die „paillette de verrouillage“ gleichzeitig noch die Haltefunktion für den Schlüssel übernehmen könnte oder sollte. Der Leser der Patentschrift wird von einer solchen Idee abgelenkt, weil es gerade die zentrale Idee des Klagepatents ist, die Enden der Hebel in den gekerbten Schlüssel eingreifen zu lassen. Die offenbarte Einfachheit und Eindeutigkeit der Lösung hält den Durchschnittsfachmann weiter davon ab, nach anderen Lösungen zu suchen.“

Den Gedanken, dem Bauteil „paillette de verrouillage“ weitere Funktionen zuzuweisen und als Festhaltemittel für den Schlüssel auszugestalten, kann der Fachmann auch nicht der von der Klägerin herangezogenen Passage in Spalte 2, Zeilen 9 bis 11 entnehmen, in der davon die Rede ist, dass die Hebel der Einwirkung der „paillette de verrouillage“ ausgesetzt seien, die durch eine Feder zurückgeholt werde und mit dem Schlüssel zusammenwirke. Das angesprochene „Zusammenwirken“ der „pail-lette de verrouillage“ mit dem Schlüssel hat, wie die vollständige Passage in Spalte 1, Zeile 52 bis Spalte 2, Zeile 15 (ein einziger Satz) deutlich macht, nicht das Festhalten des Schlüssels zum Gegenstand, sondern nur das Steuern der Hebel, die im verriegelten Zustand den Schlüssel mit ihren Enden festhalten sollen.

Dass es trotz des steuernden Zusammenwirkens des Schlüssels mit der „paillette de verrouillage“ für den Durchschnittsfachmann bei einer Orientierung an der Erfindung nicht nahegelegen hat, die „paillette de verrouillage“ in den Schlüssel zum Zwecke des Haltens eingreifen zu lassen, hat der Sachverständige zutreffend damit begründet, dass die „paillette de verrouillage“ im verriegelten Zustand grundsätzlich ohne haltenden Eingriff sei. Die insoweit anzustellenden, dem Fachmann durch die Erfindung nach dem Klagepatent nicht nahegelegten Überlegungen, die ihn erst zu einer Ausgestaltung entsprechend der angegriffenen Ausführungsform hätten führen können, hat der gerichtliche Sachverständige auf Seite 22 Absatz 1 (Bl. 246 GA) seines Gutachtens im einzelnen aufgezeigt, wobei er auf die Schwierigkeiten des Umsetzens eines solchen vom Klagepatent nicht angeregten oder unterstützten Weges zutreffend verwiesen hat. Auf diese Ausführungen, denen der Senat in vollem Umfang beipflichtet, wird Bezug genommen.

Nach alledem kann die angegriffene Ausführungsform nicht unter dem Gesichtspunkt patentrechtlicher Äquivalenz in den Schutzbereich des Klagepatents einbezogen werden.

III. Die Berufung der Klägerin war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 ZPO.