2 U 187/99 – Schneidmesser II

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 35 

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 31. Mai 2001, Az. 2 U 187/99

1. Die Berufung der Klägerin und die Anschlußberufung der Beklagten gegen das am 24. August 1999 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf
werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung von 32x.02x DM abwenden,wenn nicht die Klägerin ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheiten können jeweils durch die Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Bank oder öffentlichen Sparkasse geleistet werden.

4. Die Beschwer der Klägerin und der Beklagten beträgt jeweils 32x.02x DM.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 72x.02x DM festgesetzt, wovon auf die Berufung und die Anschlußberufung je 32x.02x DM entfallen.

Tatbestand :

Die Klägerin ist seit dem 28. Februar 1998 ausschließliche Lizenznehmerin an dem deutschen Patent 37 19 721 (im folgenden: Klagepatent), das ein Schneidmesser für Rotationsschneidanlagen für Papier betrifft. Eingetragener Inhaber des Klagepatents ist der Vorstandsvorsitzende der Klägerin, der dieser seine Ansprüche abgetreten hat, die ihm aus Benutzungen des Gegenstandes des Klagepatents durch Dritte in der Zeit vor dem 28. Februar 1998 zugestanden haben.

Das Klagepatent beruht auf einer am 12. Juni 1987 eingegangenen und am 29. Dezember 1988 offengelegten Anmeldung. Veröffentlichungstag der Patenterteilung war der 18. April 1991.

Aufgrund von Einsprüchen Dritter ist das zunächst erteilte Patent durch Beschluß des Deutschen Patentamts vom 20. Oktober 1994 widerrufen worden; auf Beschwerde des Patentinhabers hat das Bundespatentgericht durch Beschluß vom 15. Februar 1996 das Klagepatent in beschränktem Umfang aufrechterhalten, wobei das Patent in seiner jetzt geltenden Fassung am 17. Oktober 1996 veröffentlicht worden ist.

Anspruch 1 des Klagepatents in seiner geltenden Fassung lautet:

Mit einem Gegenmesser zusammenwirkendes Schneidmesser (1) für Rotationsschneidanlagen für Papier, insbesondere mehrlagige vereinzelte Papierprodukte in Schuppenformation, mit einem runden, im wesentlichen kegelstumpfförmigen Grundkörper (4), dessen zur senkrecht zur Drehachse verlaufenden Schneidebene (6) konische Tragfläche Klingen (8) o. dergl. trägt,

dadurch gekennzeichnet,

daß die Klingen (8)

a) auf der kegelstumpfförmigen Rückfläche (3) des Grundkörpers (4) angeordnet sind und mit der Schneidebene (6) einen Winkel (5) von 10°-22°, vorzugsweise 16° einschließen,

b) in unterschiedlichen Schneidstellungen in Richtung auf die Schneidebene (6) in länglichen Aussparungen (18) des Grundkörpers (4) verschiebbar gelagert und in diesen arretierbar sind,

c) mit ihren Längsachsen einen spitzen Winkel zum jeweiligen Radius des Grundkörpers (4), der 9°-12° beträgt, einschließen,

– in Draufsicht rechteckig ausgebildet sind und

– in Zahnform die Schneidfläche (13) bilden.

Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1-3 aus der Klagepatentschrift zeigen ein Ausführungsbeispiel der Erfindung, und zwar Figur 1 eine Draufsicht auf das erfindungsgemäße Schneidmesser, Figur 2 einen Schnitt gemäß der Linie 2-2 in Figur 1 und Figur 3 eine Messerklinge in vergrößertem Maßstab in Draufsicht:

Die unter der Geschäftsführung des Beklagten zu 2) stehende Beklagte zu 1) produziert und vertreibt u.a. Schneidmesser für Rotationsschneidanlagen für Papier. Sie stellte auf ihrem Messestand auf der Messe „DRUPA ‘95“ in D3xxxxxxxx zwei Schneidmesser aus, wegen deren Ausgestaltung auf die von der Klägerin als Anl. K 9 (Ausführungsform 1) und Anl. K 12 (Ausführungsform 2) vorgelegten Lichtbilder verwiesen wird. Beide Ausführungsformen haben einen runden, etwa kegelstumpfförmigen Grundkörper, der auf seiner Rückseite (d.h. der Seite, die von der Schneidebene abgewandt ist) eine konisch verlaufende Tragfläche aufweist, die in länglichen Aussparungen verschiebbar gelagerte und arretierbare Klingen trägt.

Die Klägerin hat geltend gemacht: Beide Ausführungsformen machten von der Lehre des Klagepatents Gebrauch. Bei der Ausführungsform 1, die der nachstehend wiedergegebenen, aufgrund des Lichtbildes (Anl. K 9) angefertigten Zeichnung entspreche,

betrage der Winkel zwischen den Längsmittelachsen der Klingen und dem Radius des Grundkörpers 9° und – unstreitig – der Winkel zwischen den Klingen und der Schneidebene 16°. Damit seien alle Merkmale des Anspruchs 1 des Klagepatents wortlautgemäß verwirklicht. Das gelte auch dann, wenn man die Maße zugrundelege, die sich aus der von den Beklagten als Anl. B 1 vorgelegten Zeichnung ergäben, wobei der Winkel zwischen der Mittellängsachse der jeweiligen Klinge und der Geraden, die den Mittelpunkt der Grundkörperscheibe und den Punkt verbinde, auf dem die Mittellängsachse der Klinge die Schneidkante treffe, – unstreitig – 8,82° betrage. Die dann gegebene Abweichung zu 9° (0,18°) liege innerhalb der allgemein gültigen Toleranzen, so daß der Winkel nach dem Verständnis des vom Klagepatent angesprochenen Durchschnittsfachmanns als ein solcher von 9° anzusehen sei. Jedenfalls aber sei bei der Ausführungsform 1 das in Rede stehende Merkmal des Klagepatents äquivalent verwirklicht.

Bei der angegriffenen Ausführungsform 2, die der nachfolgend wiedergegebenen Zeichnung (Anl. K 14)

entspreche, seien zwar die Messerklingen so angebracht, daß ihre Mittellängsachsen zum Grundkörper eine genau radiale Richtung hätten, die abgeschrägten Schneidkanten der Klingen verliefen aber so, wie sie bei im Bereich der Schneidkante in Draufsicht rechteckig ausgebildeten Klingen verlaufen würden, wenn diese mit ihren Längsachsen in einem Winkel von 9,16° zu dem durch die Mitte der Schneidkante verlaufenden Radius des Grundkörpers stehen würden. Eine solche, mit den betreffenden Merkmalen des Klagepatents gleichwirkende Gestaltung könne der Durchschnittsfachmann, der sich an der Lehre des Klagepatents orientiere, ohne weiteres auffinden, so daß diese Gestaltung der Lehre des Klagepatents äquivalent sei.

Zwar sei bei der Ausführungsform 2 der Winkel zwischen den einzelnen Klingen und der Schneidebene mit 25° geringfügig größer als der größte im Patentanspruch 1 gelehrte Winkel (22°); diese Abweichung sei aber nur unwesentlich und könne vom Durchschnittsfachmann ohne weiteres aufgefunden werden, weil er erkenne, daß die erfindungsgemäße Lehre auch bei der Wahl eines Winkels von 25° verwirklicht werden könne, der auf die Schnittqualität keine negative Auswirkung habe. Auch das insoweit in Rede stehende Merkmal des Klagepatents sei daher bei der Ausführungsform 2 äquivalent verwirklicht.

Die Klägerin hat beantragt,

I.
die Beklagten zu verurteilen,

1. es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,

Schneidmesser für Rotationsschneidanlagen für Papier, die mit einem Gegenmesser zusammenwirken, mit einem runden, im wesentlichen kegelstumpfförmigen Grundkörper, dessen zur Schneidebene, die senkrecht zur Drehachse verläuft, konische Tragfläche Klingen trägt,

im Geltungsbereich des deutschen Patents 37 19 721 herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder
einzuführen oder zu besitzen, bei denen die Klingen in unterschiedlichen Schneid-
stellungen in Richtung auf die Schneidebene in länglichen Aussparungen des Grundkörpers verschiebbar gelagert und in diesen arretierbar sind und

a) auf der kegelstumpfförmigen Rückfläche des Grundkörpers angeordnet sind und mit der Schneidebene einen Winkel von 10°-22° einschließen, in Draufsicht rechteckig ausgebildet sind und in Zahnform die Schneidfläche bilden sowie mit ihren Längsachsen einen spitzen Winkel zum jeweiligen Radius des Grundkörpers, der 9°-12° beträgt, einschließen Verletzungsform 1),

und/oder

b) auf der kegelstumpfförmigen Rückfläche des Grundkörpers angeordnet sind und mit der Schneidebene einen Winkel von 25° einschließen sowie über eine Schneidkante verfügen, die in der Weise leicht abgeschrägt ist, daß die Längsachse einer fiktiven Klinge, die unter Einschluß der vorhandenen Schneidkante exakt rechteckig ausgebildet wäre, einen spitzen Winkel von 9°-12° zum jeweiligen Radius des Grundkörpers einnehmen würde (Verletzungsform 2);

2. ihr – der Klägerin – darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 29. Januar 1989 begangen hätten, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen nebst Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie Typenbezeichnungen,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei

– sich die Verpflichtung zur Rechnungslegung für die vor dem 1. Mai 1992 begangenen Handlungen auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in den bis zum 2. Oktober 1990 bestehenden Grenzen beschränke,

– vom Beklagten zu 2) sämtliche Angaben und von beiden Beklagten die Angaben zu e) nur für die Zeit seit dem 18. Mai 1991 zu machen seien und

– die Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer nur für die Zeit seit dem 1. Juli 1990 zu nennen
seien;

sowie

II.
festzustellen,

1. daß die Beklagte zu 1) verpflichtet sei, ihr – der Klägerin – für die zu I.1. bezeichneten, in der Zeit vom 29. Januar 1989 bis zum 17. Mai 1991 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;

2. daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, ihr – der Klägerin – allen Schaden zu ersetzen, der dem Patentinhaber durch die zu I.1. bezeichneten, in der Zeit vom 18. Mai 1991 bis zum 27. Februar 1998 und der ihr – der Klägerin – durch
Handlungen in der Zeit seit dem 28. Februar 1998 entstanden sei und noch entstehen werde, wobei sich die Verpflichtung zum Schadensersatz für die vor dem 1. Mai 1992 begangenen Handlungen auf Handlungen im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in den bis zum 2. Oktober 1990 bestehenden Grenzen beschränke.

Die Beklagten haben um Klageabweisung, hilfsweise um Aussetzung der Verhandlung des vorliegenden Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Entscheidung über eine von der Beklagten zu 1) Ende Mai 1999 gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage gebeten.

Sie haben eingewendet: Das Klagepatent selbst lasse nicht erkennen, was mit dem in seinem Anspruch 1 genannten „jewei-ligen Radius des Grundkörpers“ gemeint sei. Unter Zugrunde-legung der Ausführungen des Bundespatentgerichts in seinem Beschluß vom 15. Februar 1996, mit dem das Klagepatent beschränkt aufrechterhalten worden sei, müsse unter dem „jeweiligen Radius“ derjenige verstanden werden, der durch das radial innere Ende der Schneidkante verlaufe. Dann aber betrage der Winkel zwischen den Längsachsen der Klingen und dem „jeweiligen Radius des Grundkörpers“ bei der Ausführungsform 1 nur 5,6° und liege damit weit außerhalb des im Patentanspruch 1 angegebenen Bereiches. Sogar dann, wenn man – entgegen dem zutreffenden Verständnis von der Lehre des Klagepatents – auf den Winkel abstelle, der von der Mittellängsachse der Klingen und der Geraden gebildet werde, die zwischen dem Mittelpunkt der Grundkörperscheibe und der Mitte der Schneidkante verlaufe, liege der Winkel mit 8,82° außerhalb des Bereiches, den das Klagepatent lehre, so daß eine Patentverletzung auch dann ausscheide.

Die angegriffene Ausführungsform 2 verletze das Klagepatent schon deshalb nicht, weil bei ihr der Winkel zwischen den Klingen und der Schneidebene mit 25° weit außerhalb des vom Klagepatent angegebenen Bereiches (10°-22°) liege. Auch dann, wenn man statt auf die bei der Ausführungsform 2 tatsächlich vorhandenen nicht rechteckig ausgebildeten Klingen mit genau radial zum Grundkörper verlaufenden Längsachsen auf „fiktive“ Klingen abstellen wolle, deren Längsachse rechtwinklig zur Schneidkante stünde, ergebe sich dort zwischen der Längsachse und dem durch das radial innere Ende der Schneidkante verlaufenden „Radius“ ein Winkel von 5,97°, der weit außerhalb des vom Klagepatent gelehrten Bereiches liege.

Das Landgericht hat der Klage, soweit sie die Ausführungsform 1 betrifft, stattgegeben (wobei es die Bezeichnung des zweiten im Antrag genannten Winkels von „9°-12°“ geändert hat in „8,82°-12°“) und sie im übrigen abgewiesen. Auf das Urteil vom 24. August 1999 wird Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil haben die Klägerin Berufung und die Beklagten Anschlußberufung eingelegt, mit der sie ihre bisherigen Anträge weiterverfolgen, soweit das Landgericht ihnen nicht stattgegeben hat, während die jeweilige Gegenpartei um Zurückweisung des Rechtsmittels bittet. Die Parteien wiederholen und ergänzen ihr bisheriges Vorbringen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe :

Die Berufung und die Anschlußberufung sind unbegründet.

I.

Das Klagepatent betrifft ein mit einem Gegenmesser zusammenwirkendes Schneidmesser für Rotationsschneidanlagen für Papier, insbesondere mehrlagige vereinzelte Papierprodukte, mit einem runden Grundkörper, dessen Schneidebene senkrecht zu seiner Drehachse ausgebildet ist und der eine zur Schneidebene konisch verlaufende Tragfläche aufweist, welche Klingen oder dergleichen trägt.

Die Klagepatentschrift führt aus (Spalte 1 Zeilen 10-17), ein derartiges Schneidmesser sei aus der DE-OS 35 36 989 bekannt. Dort seien die einzelnen Klingen in Ausnehmungen in einer der Schneidebene zugekehrten konischen Vorderfläche untergebracht. Nach einer Abnutzung der Schneidflächen der einzelnen Klingen sei zwar ein Nachschleifen der letzteren möglich, jedoch verringere sich entsprechend der Durchmesser des Schneidmessers.

Der Durchschnittsfachmann, der daraufhin Einblick in die genannte Offenlegungsschrift nimmt, sieht, daß der Grundkörper des dort gezeigten Schneidmessers radial verlaufende Ausnehmungen aufweist, in welchen Schneidmesser festgelötet sind, deren Schneidkanten zur Längsachse der Klingen in einem Winkel zwischen 20° und 40° stehen, wobei die radial äußersten Enden der Schneidkanten jeweils als erste in das zu schneidende Papier eintauchen. Er entnimmt der Darstellung in den nachfolgend wiedergegebenen Figuren der genannten Offenlegungsschrift,

daß sich beim Nachschleifen der Klingen die schräge Schneidfläche immer mehr zur längeren Seite der Klingen hin verlagert und daß dann, wenn das äußerste Ende der Schneidkante die längere Seite ganz erreicht hat, bei einem weiteren Nachschleifen eine Verkürzung der Klinge eintritt.

Wenn auch die Beschreibung des Klagepatents an dem genannten Stand der Technik ausdrücklich keine weitere Kritik äußert, so erkennt der Durchschnittsfachmann doch – angesichts der Hervorhebung von Vorteilen der erfindungsgemäßen Lösung in Spalte 1 Zeilen 41-50 und Spalte 1 Zeile 60 bis Spalte 2
Zeile 4 der Klagepatentschrift – weitere Nachteile des Schneidmessers nach der DE-OS 35 36 989, die darin bestehen, daß die Ausnehmungen für die Klingen in der der Schneidebene zugekehrten Vorderfläche des Grundkörpers vorgesehen sind, so daß dort keine gerade und glatte Fläche besteht, sich also Rückstände ablagern können, daß außerdem die Klingen radial ziemlich weit nach außen über den Grundkörper vorstehen und darüber hinaus auch deutlich über die Vorderseite des Grundkörpers hinausragen, so daß die Schneidebene um ein nicht unbeträchtliches Maß von der Vorderfläche des Grundkörpers entfernt ist und die Enden der Klingen bei der schnellen Drehung des Grundkörpers ins Schwingen geraten können, was es notwendig macht, das Gegenmesser verhältnismäßig weit von der Ebene der Vorderfläche entfernt anzubringen, damit es beim Betrieb des Messers nicht zu Beschädigungen der Klingen und/oder des Gegenmessers kommt.

Durch die Lektüre der DE-OS 35 36 989 wird der Durchschnittsfachmann auch auf die dort erwähnte DE-OS 32 21 151 (den Stand der Technik, von dem jene Offenlegungsschrift ausgeht) hingewiesen, die im übrigen auch auf dem Deckblatt der Klagepatentschrift als in Betracht gezogene Druckschrift genannt wird.

Auch bei dem dort gezeigten Schneidmesser – vgl. die nachstehend wiedergegebenen Figuren dieser Offenlegungsschrift –

sind die Klingen (und zwar schräg zum Radius des Grundkörpers) in Ausnehmungen auf der Vorderfläche des Grundkörpers fest angebracht, wobei die Schneidkanten zur Längsachse der Klingen schräg verlaufen und – jedenfalls nach dem ersten Aufsetzen auf das zu schneidende Produkt – der radial äußerste Teil der Schneidkanten zuerst schneidet. Dieser Stand der Technik weist damit dieselben Nachteile wie das Schneidmesser gemäß der DE-OS 35 36 989 auf, und zwar in verstärktem Maße, da hier bereits das erste Nachschleifen der Klingen zu ihrer Verkürzung und damit zu einer Abnahme des Durchmessers des Schneidmessers führt.

Dem Klagepatent liegt angesichts dessen das technische Problem zugrunde, nicht nur, wie es in den Ausführungen zur „Aufgabe“ (Spalte 1 Zeilen 18-23 der Klagepatentschrift) heißt, die Lebensdauer von Schneidmessern der eingangs erwähnten Art zu erhöhen und gleichzeitig zu gewährleisten, daß der jeweils wirksame Radius der Schneidflächen auch nach einem etwaigen Nachschleifen unverändert bleiben kann, sondern auch die weiteren, oben erörterten Nachteile der bekannten Messer zu beseitigen, zu denen es auch gehört, daß bei ihnen der Schnitt, der jeweils zuerst von dem radial am weitesten vorstehenden Teil der Klingen ausgeführt wird, nicht besonders „sanft“ ist.

Dieses technische Problem soll patentgemäß (Anspruch 1 des Klagepatents) mit einem Schneidmesser gelöst werden, das folgende Merkmale aufweist:

1. Mit einem Gegenmesser zusammenwirkendes Schneid-
messer (1) für Rotationsschneidanlagen für Papier,
insbesondere mehrlagige vereinzelte Papierprodukte
in Schuppenformation;

2. das Schneidmesser hat einen Grundkörper (4), der

2.1 rund und im wesentlichen kegelstumpfförmig ist

2.2 sowie eine zur senkrecht zur Drehachse verlaufen-
den Schneidebene (6) konische Tragfläche auf-
weist, die Klingen (8) oder dergleichen trägt;

3. die Klingen (8)

3.1 sind auf der kegelstumpfförmigen Rückfläche (3)
des Grundkörpers (4) angeordnet,

3.2 schließen mit der Schneidebene (6) einen Winkel
(5) von 10°-22°, vorzugsweise 16°, ein,

3.3 sind in länglichen Aussparungen (18) des Grund-
körpers (4) gelagert, in denen sie

3.3.1 in unterschiedlichen Schneidstellungen in
Richtung auf die Schneidebene (6) ver-
schiebbar und

3.3.2 arretierbar sind,

3.4 schließen mit ihren Längsachsen einen spitzen
Winkel zum jeweiligen Radius des Grundkörpers
ein, der 9°-12° beträgt,

3.5 sind in Draufsicht rechteckig ausgebildet und

3.6 bilden in Zahnform die Schneidfläche (13).

Angesichts des Streites der Parteien bedarf vor allem das Merkmal 3.4 der Erörterung, wonach die Klingen mit ihren Längsachsen einen spitzen Winkel zum jeweiligen Radius des Grundkörpers einschließen sollen, welcher 9°-12° beträgt.

Unter der „Längsachse“ eines (länglichen) Gegenstandes wird üblicherweise die Längsmittelachse, also die Symmetrieachse verstanden, und es ist nicht nur nichts dafür ersichtlich, daß die Klagepatentschrift diesem Begriff einen anderen Inhalt beimessen wolle, sondern die Darstellung in Figur 1 der Klagepatentschrift spricht darüber hinaus eindeutig dafür, daß auch das Klagepatent unter der „Längsachse“ der Klingen deren Längsmittelachse versteht, weil nämlich die dargestellten Klingen gerade an dieser Stelle mit einer entsprechenden Linie versehen sind.

Der „Radius“ eines Kreises bezeichnet nach ganz einhelligem Sprachgebrauch eine (gerade) Strecke, die am Mittelpunkt des Kreises beginnt und an seiner Umfangslinie endet. Daß das Klagepatent unter „Radius“ etwas anderes verstehe, nämlich eine vom Mittelpunkt des Kreises in Richtung zur Umfangslinie verlaufende Gerade, die auch kürzer oder länger sein könne als der „Radius“, ist nicht ersichtlich, insbesondere ergibt sich etwas derartiges nicht daraus, daß sich in Figur 1 des Klagepatents mehrere Geraden finden, die vom Mittelpunkt der kreisförmigen Grundkörperfläche in Richtung zur Umfangslinie verlaufen und über diese hinaus weitergeführt sind. Denn nach dem eindeutigen Inhalt der Beschreibung (Spalte 3 Zeilen 7-10) handelt es sich bei den beiden Linien, zwischen denen die Bezugszahl 17 steht, nicht um den Radius des Grundkörpers, sondern um die Geraden, die den Winkel einschließen, der sich ergibt, wenn man vom Mittelpunkt der Grundkörperfläche Geraden durch die Mittelpunkte der Schnittflächen zweier benachbarter Klingen zieht, und der bei dem im Ausführungsbeispiel gezeigten Messer 9° betragen soll.

Bei der weiteren in Figur 1 der Klagepatentschrift dargestellten und u.a. mit der Bezugszahl 15 versehenen, durch den Mittelpunkt der Grundkörperfläche laufenden Linie handelt es sich gemäß Spalte 2 Zeile 41 der Klagepatentschrift um die „Linie 2-2“, entlang welcher der in Figur 2 dargestellte Schnitt verläuft. Zwar bezeichnet die Beschreibung der Klagepatentschrift in Spalte 3 Zeile 2 die Linie 15 auch mit dem Wort „Radius“; der weitere Text in Spalte 3 Zeilen 3-6 ergibt aber, daß der „etwaige Radius (15)“ lediglich eingezeichnet ist, um den Abstand (16) darzustellen, der zwischen den Mittelpunkten der Schneidflächen zweier benachbarter Klingen besteht und mit dem sich der Unteranspruch 4 des Klagepatents befaßt. Da der Abstand (16) im unmittelbaren Bereich der Umfangslinie des Grundkörpers genauso groß ist wie an der Stelle, an der er in Figur 1 – der besseren Übersichtlichkeit halber – dargestellt ist, sieht der Fachmann, daß die Klagepatentschrift mit der Linie (15) nicht den „Radius“ (und schon gar nicht den in Merkmal 3.4 des Anspruchs 1 genannten Radius) meint, sondern eine Gerade, die vom Mittelpunkt der Grundkörperfläche durch den Mittelpunkt der Schneidfläche einer Klinge läuft und auf deren Länge es nicht ankommt.

Haben damit die in Anspruch 1 des Klagepatents gebrauchten Begriffe „Längsachsen“ (der Klingen) und „Radius des Grundkörpers“ die dem allgemeinen Sprachgebrauch entsprechende Bedeutung, so kann mit dem spitzen Winkel zwischen den Längsachsen der Klingen und dem „jeweiligen Radius des Grundkörpers“ nur der Winkel im Schnittpunkt der Längsachse der jeweiligen Klinge mit der Umfangslinie des Grundkörpers gemeint sein, weil nämlich nur hier der Radius des Grundkörpers auf die Längsachse der jeweiligen Klinge trifft und mit dieser einen Winkel bildet.

Nur bei diesem, sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut des Klagepatents ergebenden Verständnis fällt auch das in der Klagepatentschrift dargestellte Ausführungsbeispiel unter den Patentanspruch 1. Denn dort beträgt der Winkel zwischen den Mittellängsachsen der Klingen und dem Radius des Grundkörpers in dessen jeweiligem Schnittpunkt mit den Längsachsen etwa 9°-10°, liegt also in dem in Merkmal 3.4 genannten Bereich, während der Winkel, der sich ergibt, wenn man die Längsachsen der Klingen an den radial am weitesten innen liegenden Teil der Schneidkante verschiebt und an ihrem Schnittpunkt mit dem (gegebenenfalls etwas verlängerten oder verkürzten) „Radius“ mißt, nur bei etwa 5°-6° liegt, also deutlich außerhalb des in Merkmal 3.4 angegebenen Bereiches.

Daß in Merkmal 3.4 gleichwohl der zuletzt genannte Winkel gemeint sei, ergibt sich auch nicht aus der Begründung des Beschlusses des Bundespatentgerichts vom 15. Februar 1996, denn dieser Beschluß enthält zu dem in Merkmal 3.4 genannten Winkel keine Ausführungen. Das ist offenbar darauf zurückzuführen, daß auch das Bundespatentgericht keinen Zweifel daran gehabt hat, daß das Klagepatent die dort verwendeten Begriffe im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs versteht.

Die in Anspruch 1 des Klagepatents umschriebene Lösung bietet mehrere Vorteile (vgl. dazu auch die Ausführungen der Klagepatentschrift in Spalte 1 Zeile 41 bis Spalte 2 Zeile 15 und Spalte 2 Zeile 64 bis Spalte 3 Zeile 2):

Weil die Klingen auf der Rückfläche des Grundkörpers angeordnet sind, ergibt sich auf der anderen Seite (der Schneid-ebene) eine im wesentlichen gerade und glatte Werkzeugfläche, an der sich keine Rückstände ablagern können. Man braucht die Klingen radial nur geringfügig über den Umfang des Grundkörpers vorstehen zu lassen, so daß ihre nachschleifbare Fläche, die die Schneidebene bestimmt, praktisch nicht über die Vorderfläche des Grundkörpers hinausragt. Das hat den Vorteil, daß die Klingen, weil sie fast vollständig in die auf der Rückfläche des Grundkörpers vorhandenen Aussparungen eingebettet sind, bei der Drehung des Grundkörpers nicht in Schwingungen geraten können, was eine hohe Laufruhe des Messers ermöglicht. Zum Nachschleifen braucht man die Klingen nur ein wenig weiter herauszuschieben und dann – nach einer erneuten Arretierung der Klingen – die nunmehr geringfügig über die Vorderfläche des Grundkörpers hinausragenden Klingen bis praktisch zur Ebene der Vorderfläche des Grundkörpers abzuschleifen, womit nicht nur die Schneidflächen wieder scharf sind, sondern zwangsläufig auch der Durchmesser des Schneidmessers wieder das ursprüngliche Maß erreicht. Weil die Schneidebene praktisch der Vorderfläche des Grundkörpers entspricht und die Klingen nicht in Schwingungen geraten, kann man das Gegenmesser bis unmittelbar an die Ebene der Vorderfläche des Grundkörpers heranführen, ohne Berührungen zwischen dem Gegenmesser und den Klingen befürchten zu müssen. Durch diesen ganz kurzen Abstand zwischen den Ebenen der zusammenarbeitenden Messer ergibt sich eine bessere Schnittqualität. Die in dem Merkmal 3.4 gelehrte Schrägstellung der Schneidkanten der Klingen führt zu einer insgesamt etwa zahnförmigen Schneidfläche, wobei die Klingen zuerst mit ihrem radial kürzeren Teil in das Papier einschneiden, so daß sich ein „sanfter“ Schnitt ergibt.

II.

Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, macht nur die Ausführungsform 1 von der Lehre des Klagepatents Gebrauch, nicht auch die Ausführungsform 2.

1. Wie unstreitig ist, so daß es keiner weiteren Erörterung bedarf, handelt es sich bei der Ausführungsform 1 um ein mit einem Gegenmesser zusammenwirkendes Schneidmesser für Rotationsschneidanlagen für Papier, insbesondere für mehrlagige vereinzelte Papierprodukte in Schuppenformation (Merkmal 1), welches einen runden und im wesentlichen kegelstumpfförmigen Grundkörper hat (Merkmale 2, 2.1); dieser hat eine zu seiner Drehachse senkrecht stehende Schneidebene und eine zu dieser konisch verlaufende Tragfläche, welche Klingen trägt (Merk-mal 2.2). Die Klingen sind auf der kegelstumpfförmigen Rückfläche des Grundkörpers angeordnet (Merkmal 3, 3.1) und schließen mit der Schneidebene einen Winkel von 16° ein, so daß auch das Merkmal 3.2 verwirklicht ist. Die Klingen sind in länglichen Aussparungen des Grundkörpers gelagert, und zwar in unterschiedlichen Schneidstellungen in Richtung auf die Schneidebene verschiebbar und dort arretierbar (Merk-male 3.3, 3.3.1 und 3.3.2). Auch sind sie gemäß Merkmal 3.5 in Draufsicht rechteckig ausgebildet und bilden (Merkmal 3.6) in Zahnform die Schneidfläche.

Die Ausführungsform 1 macht darüber hinaus auch von Merkmal 3.4 Gebrauch. Wie oben ausgeführt, ist insoweit maßgebend der Winkel an dem Punkt, an welchem sich die Längsachse der jeweiligen Klinge und der Radius des Grundkörpers schneiden, also an einem Punkt auf der Umfangslinie des Grundkörpers. Der an diesem Punkt gebildete Winkel ist noch etwas größer als der Winkel im Schnittpunkt zwischen der Längsachse einer Klinge und der den Radius bis zum Mittelpunkt der (über die Umfangslinie des Grundkörpers hinausragenden) Schneidfläche der Klinge verlängernden Geraden. Wie die Klägerin auf Seite 4 ihres Schriftsatzes an das Landgericht vom 5. Juli 1999 (Bl. 60 GA) unwidersprochen vorgetragen hat, beträgt der Winkel im Schnittpunkt der Längsachse der jeweiligen Klinge mit dem Radius des Grundkörpers 8,89°, liegt also noch näher an dem in Merkmal 3.4 genannten unteren Wert von 9° als der vom Landgericht für maßgeblich gehaltene Winkel von 8,82°.

Auch wenn man nicht annimmt, bei dem Verständnis der im
Klagepatent enthaltenen Winkelmaße seien die in der DIN ISO 2768 T1 angegebenen zulässigen Toleranzen mit zu berücksichtigen, so daß ein tatsächlicher Winkel von 8,89° oder auch – wovon das Landgericht ausgegangen ist – von 8,82° einem dem Merkmal 3.4 entsprechenden Winkel von 9° gleichstünde mit der Folge, daß bei der Ausführungsform 1 das Merkmal 3.4 sogar wortlautgemäß erfüllt wäre, macht die Ausführungsform 1 von diesem Merkmal jedenfalls in äquivalenter Weise Gebrauch. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, so daß der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen darauf verweisen kann, ist Merkmal 3.4 des Klagepatents nicht dahin zu verstehen, daß jede auch noch so geringfügige Über- oder Unterschreitung des angegebenen Winkelbereiches vermieden werden müsse, so daß unwesentliche Über- oder Unterschreitungen, die sich auf die patentgemäß erstrebte Wirkung offensichtlich nicht auswirken, nicht aus dem Schutzbereich des Klagepatents herausführen, und liegt hier eine absolut geringfügige Abweichung vor, die für die Verwirklichung der patentgemäßen Lehre ohne jede Relevanz ist, wie der Durchschnittsfachmann ohne weiteres erkennt, so daß er die angegriffene Gestaltung bei einer Orientierung an der Lehre des Klagepatents auffinden konnte.

2. Daß und warum die Beklagten der Klägerin bei dieser Sachlage nicht nur in dem geltend gemachten Umfang zur Unterlassung, sondern auch zur Rechnungslegung, zur Leistung einer angemessenen Entschädigung und zum Schadensersatz verpflichtet sind, wobei die Klägerin hinsichtlich der letzten beiden Ansprüche zulässigerweise auf bloße Feststellung klagen kann, hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt, ohne daß die Beklagten das besonders angegriffen haben. Der Senat kann daher zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit auf das landgerichtliche Urteil Bezug nehmen.

3. Mit der Ausführungsform 2 verletzen die Beklagten dagegen das Klagepatent nicht. Denn unabhängig von der Frage einer Verwirklichung der übrigen Merkmale des Patentanspruchs 1 des Klagepatents ist bei der Ausführungsform 2 jedenfalls das Merkmal 3.2 weder wortlautgemäß noch äquivalent verwirklicht.

Gemäß Merkmal 3.2 soll der Winkel (5), den die Klingen mit der Schneidebene (6) einschließen, zwischen 10° und 22° liegen und vorzugsweise 16° betragen, während dieser Winkel bei der Ausführungsform 2 25° beträgt.

Bereits der Wortlaut des Patentanspruchs 1 spricht dafür, daß das Klagepatent einen Winkel von 16° als optimal ansieht und Abweichungen davon nur bis zu Winkeln von 10° oder 22° zulassen will. Die Klagepatentschrift weist in Spalte 1 Zeilen 49-59 darauf hin, die Wahl des von ihr vorgeschlagenen Winkels sei so getroffen worden, daß zum einen eine hinreichend dünne Messerklinge im Bereich der Schneidkante bzw. Schneidfläche erzielt werde (dazu muß der Winkel ziemlich spitz sein), andererseits aber an dieser kritischen Stelle eine Materialdicke bestehen bleibe, die für eine stabile Schneidkantenqualität sorge (das bedeutet, daß der Winkel auch nicht zu spitz sein darf). Nach den weiteren Ausführungen der Klagepatentschrift sind bei der Winkelwahl die Temperatureinflüsse, die unterschiedliche Papierqualität, Arbeitsgeschwindigkeit und Materialeigenschaft der Klingen in ein optimales Verhältnis zueinander gesetzt worden. Der Durchschnittsfachmann wird durch diese Angaben u.a. darauf hingewiesen, ein zu großer Winkel bringe die Gefahr mit sich, daß man entweder von vornherein keine hinreichend scharfe Schneidkante erhalte oder daß doch die Klingen bereits nach dem Schneiden einer verhältnismäßig kleinen Anzahl von Papierprodukten stumpf werden, also in recht kurzen Abständen nachgeschliffen werden müssen. Ihm ist im übrigen bekannt, daß ein zu großer Winkel, in welchem die Klingen zur Schneidebene stehen, dazu führt, daß keine befriedigende Schnittqualität erreicht wird, weil z.B. die Seiten ausfransen oder einreißen. Derartiges hat sich z.B. anläßlich der von der Klägerin durchgeführten und in der von ihr vorgelegten Anlage BD 5 zu ihrem Schriftsatz vom 18. Juli 2000 beschriebenen Versuche bei einem Winkel von 35° ergeben.

Der Durchschnittsfachmann entnimmt der Angabe eines Winkelbereiches von 10°-22° im Patentanspruch zusammen mit den genannten Stellen der Beschreibung zwar, daß er je nachdem, welche Papierqualitäten mit welchen Geschwindigkeiten und bei welchen Temperaturen mit der konkreten Rotationsschneidanlage bearbeitet werden sollen und welches genaue Material er für die Messerklingen wählt, durch Experimentieren den gerade für seinen konkreten Fall optimalen Winkel ermitteln solle – wobei allerdings schon die Nennung eines „vorzugsweise“ zu wählenden Winkels von 16° (der genau in der Mitte zwischen dem größten und dem kleinsten angegebenen Winkel liegt) dafür spricht, daß das Optimum in der Regel etwa hier liege -, er wird aber durch die Angabe eines bestimmten Winkelbereiches davon abgehalten, diesen Winkelbereich zu verlassen, weil er annehmen muß, dann werde sich eine der oben genannten Gefahren realisieren. Es spricht nichts dafür, daß das Klagepatent mit den angegebenen Ober- und Untergrenzen etwa nur grobe Anhaltswerte nennen wolle, von denen man, ohne den erfindungsgemäß angestrebten Erfolg zu gefährden, auch deutlich (und nicht etwa nur um bis zu etwa 0,2° oder dergleichen) abweichen könne.

Über das Ausmaß der danach noch hinzunehmenden Abweichungen geht die Ausführungsform 2 mit einem Winkel von 25° (d.h. mit einer Abweichung, die 25 % des ganzen im Patentanspruch genannten Bereiches ausmacht) deutlich hinaus.

Abgesehen davon, daß es schon mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit kaum zu vereinbaren wäre, wenn man es zulassen wollte, daß ein Patentinhaber, der – wie es beim Klagepatent der Fall ist – einen ganz bestimmten Größenbereich als erfindungswesentliches Merkmal in einen Patentanspruch aufnimmt, auch Ausführungsformen, die in einem so großen Maße wie die Ausführungsform 2 davon abweichen, in den Schutzbereich des Klagepatents einbeziehen könnte, ist es vorliegend auch bereits fraglich, ob die Ausführungsform 2 mit einem Messerwinkel von 25° der vom Patent gelehrten Gestaltung (höchstens 22°) gleichwirkend ist. Zwar mag diese Ausführungsform zunächst, d.h. mit neuen und scharfen Klingen, ausreichend gute Schnittergebnisse erzielen, wie es die von der Klägerin durchgeführten Versuche (bei denen jeweils nur etwa zehn Exemplare beschnitten worden sind) ergeben haben sollen. Ob aber bei einem Winkel von 25° die Schneidkanten der Klingen auch nach dem Schneiden von wesentlich größeren Mengen etwa so lange scharf bleiben, wie es bei einem Winkel von höchstens 22° der Fall ist, ist nicht sicher.

Selbst wenn man aber zugunsten der Klägerin eine hinreichende Gleichwirkung bejahen wollte, so scheitert die Annahme einer äquivalenten Benutzung der Lehre des Klagepatents doch jedenfalls daran, daß der Durchschnittsfachmann, der sich an der im Anspruch des Klagepatents umschriebenen und in der Beschreibung erläuterten Erfindung orientiert, davon abgehalten wird, in einem so starken Maße über den höchsten Wert des vom Patentanspruch gelehrten Bereiches hinauszugehen, die angegriffene Gestaltung also bei einer Orientierung am Klagepatent nicht auffinden kann.

III.

Zu einer Aussetzung der Verhandlung des vorliegenden Rechtsstreits bis zu einer auch nur erstinstanzlichen Entscheidung über die von der Beklagten zu 1) gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage (§ 148 ZPO) besteht kein Anlaß.

Wie das Landgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat, kommt in Fällen der vorliegenden Art eine Aussetzung des Verletzungsprozesses nur dann in Betracht, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Vernichtung oder jedenfalls Einschränkung des Klagepatents zu erwarten ist. Daß das hier der Fall sei, kann aber nicht angenommen werden.

Wie sich aus den obigen Ausführungen zum Gegenstand des Klagepatents ergibt, ist es hinreichend klar, was unter dem in Anspruch 1 des Klagepatents genannten „jeweiligen Radius des Grundkörpers“ gemeint ist, so daß entgegen der Ansicht der Beklagten der Nichtigkeitsgrund der unzureichenden Offenbarung (§§ 21 Abs. 1 Nr. 2, 22 Abs. 1 PatG) nicht vorliegt.

Es kann auch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erwartet werden, daß der von der Beklagten zu 1) im Nichtigkeitsverfahren dem Klagepatent entgegengehaltene Stand der Technik zu einer Vernichtung oder auch nur Einschränkung des Klagepatents führen wird. Denn dieser oder doch ein damit praktisch genau übereinstimmender Stand der Technik ist bereits im Erteilungsverfahren und dem anschließenden Einspruchsbeschwerdeverfahren geprüft und vom Bundespatentgericht in seinem Beschluß vom 15. Februar 1996 nicht als patenthindernd angesehen worden.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit (bei der zu berücksichtigen war, daß, weil die gesamten Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben worden sind, eine (Kosten-) Vollstreckung der Beklagten gegen die Klägerin nicht in Betracht kommt) beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

S3xxxxxxxx K2xxxxxxxx R1xx