2 U 37/00 – Stapelbarer Transportbehälter

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 37 

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 13. Dezember 2001, Az. 2 U 37/00

1.
Die Berufung der Beklagten gegen das am 10. Februar 2000 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass in Ausspruch II.2. des angefochtenen Urteils hinter dem Wort „dieser“ eingefügt wird: „oder ihren Rechtsvorgängern, nämlich der s3 K1 GmbH, dem Rechtsanwalt J1. v1 O2 als Konkursverwalter über das Vermögen der s3 K1 GmbH sowie Frau I1 P5,“.

2.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung von 1 Mio. DM abwenden, wenn nicht die Klägerin ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheiten können jeweils durch die Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Bank oder öffentlichen Sparkasse geleistet werden.

4.
Beschwer der Beklagten und Streitwert für das Berufungsverfahren: 1 Mio. DM.

Tatbestand:

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 44 11 648 (im folgenden: Klagepatent), das auf einer am 2. April 1994 eingegangenen und am 5. Oktober 1995 offengelegten Anmeldung beruht. Veröffentlichungstag der Patenterteilung war der 16. Oktober 1997.

Anmelderin des Klagepatents war die s3 K3 und W4 GmbH, die ihre Firma später in s3 K1 GmbH geändert hat und die im Juni 1997 in Konkurs gefallen ist. Diese hatte mit Vertrag vom 2. Januar 1996 u.a. ihre Rechte an der Anmeldung des Klagepatents an Frau I1 P5 sicherungsübereignet. Mit Vertrag vom 11./13./ 18. Oktober 1999 zwischen der Klägerin, dem Rechtsanwalt J1. v1 O2 als Konkursverwalter im Konkurs der s3 K1 GmbH und Frau I1 P5 ist u.a. das Klagepatent auf die Klägerin übertragen worden. Mit Abtretungsvereinbarungen vom 21./24. Mai 2001 (zwischen dem Rechtsanwalt v1 O2 als Konkursverwalter und der Klägerin) sowie vom 22./24. Mai 2001 (zwischen Frau I1 P5 und der Klägerin) haben der Rechtsanwalt v1 O2 und Frau I1 P5 die jeweils ihnen (bzw. der Gemeinschuldnerin) zustehenden Ansprüche gegen Dritte auf Entschädigung und Schadensersatz wegen Benutzung des Gegenstandes des Klagepatents oder seiner Anmeldung während der Zeit ihrer (bzw. der Gemeinschuldnerin) Berechtigung am Klagepatent oder seiner Anmeldung an die Klägerin abgetreten.

Anspruch 1 (von 7) des Klagepatents lautet:

Stapelbarer Transportbehälter, bestehend aus einem Boden (1) und Seitenwänden (2) oder einem längs seiner Umfangskanten umlaufenden erhöhten Rand,

bei dem sich unter dem Boden (1) ein umlaufender Rahmen (3) befindet, welcher mittels Querrippen (4) unter Bildung von Taschen (6) mit dem Boden (1) verbunden ist und bei dem sich unter dem Boden (1) mindestens eine Verstärkungsleiste (7) befindet,

dadurch gekennzeichnet,

dass der Transportbehälter mitsamt der Verstärkungsleiste (7) einstückig aus Kunststoff hergestellt ist,

wobei die sich unter dem Boden (1) befindende Verstärkungsleiste (7) ebenfalls mittels Querrippen (8, 13) unter Bildung von Taschen (10) mit dem Boden (1) verbunden ist.

Die nachstehend wiedergegebenen Figuren 1 bis 3 aus der Klagepatentschrift zeigen: Figur 1 einen Schnitt durch einen erfindungsgemäßen Transportbehälter sowie Figuren 2 und 3 jeweils Ansichten des Bodens zweier verschiedener Ausführungsbeispiele eines solchen Behälters, bei denen die Rippen der Bodenkonstruktion gestrichelt dargestellt sind:

Die Beklagte stellt her und vertreibt Transportkästen, von denen die Klägerin ein Musterstück (Anl. CCP 1) überreicht hat. Wegen der Ausgestaltung der genannten Transportkästen wird außerdem Bezug genommen auf die nachstehend wiedergegebenen Figuren 1 und 2 aus der DE-OS 196 43 421 (Anl. B 1 der Beklagten), mit der eine Patentanmeldung der Beklagten offengelegt worden ist:

In den genannten Figuren ist der Boden des Behälters der Beklagten einmal von unten (Figur 1) und einmal von oben in einem Teilschnitt (Figur 2) dargestellt.

Die Klägerin hat geltend gemacht, der angegriffene Transportbehälter der Beklagten mache wortsinngemäß von allen Merkmalen des Anspruchs 1 des Klagepatents Gebrauch, und hat die Beklagte auf Unterlassung, Rechnungslegung sowie Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung und zur Leistung von Schadensersatz in Anspruch genommen.

Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten und eingewendet: Sie verletze das Klagepatent nicht, weil der angegriffene Kasten weder unter dem umlaufenden Rahmen noch bei den Verstärkungsleisten „Taschen“ aufweise; solche müßten nämlich, wie sich nicht nur aus dem Begriff „Tasche“, sondern auch aus den Figuren der Klagepatentschrift ergebe, an drei Seiten geschlossen sein, was bei dem angegriffenen Kasten nicht der Fall sei. Auch seien dort entgegen der Lehre des Klagepatents die Verstärkungsleisten nicht über Quer-, sondern über Längsrippen mit dem Kastenboden verbunden.

Das Landgericht hat antragsgemäß

I.
die Beklagte verurteilt,

1. es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu
unterlassen,

stapelbare Transportbehälter, bestehend aus einem
Boden und Seitenwänden, bei denen sich unter dem
Boden ein umlaufender Rahmen befindet, welcher
mittels Querrippen unter Bildung von Taschen mit
dem Boden verbunden ist und bei denen sich unter
dem Boden mindestens eine Verstärkungsleiste be-
findet,

herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder
zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken zu be-
sitzen,

bei denen der Transportbehälter mitsamt der Ver-
stärkungsleiste einstückig aus Kunststoff herge-
stellt ist, wobei die sich unter dem Boden befin-
dende Verstärkungsleiste ebenfalls mittels Querrippen
unter Bildung von Taschen mit dem Boden verbunden
ist;

2. der Klägerin Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie
die zu I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 5. No-
vember 1995 begangen habe, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und Herstellungszeiten,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach
Typenbezeichnungen, Liefermengen, Lieferzeiten
und Lieferpreisen sowie den Namen und Anschriften
der Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach
Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, Angebotszeiten
und Angebotspreisen sowie den Namen und Anschrif-
ten der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach
Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungs-
zeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufge-
schlüsselten Gestehungskosten und des erzielten
Gewinns,

wobei

– von der Beklagten die Angaben zu e) nur für die
Zeit seit dem 16. November 1997 zu machen seien
und

– der Beklagten vorbehalten bleibe, die Namen und
Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und
Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von
dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Ver-
schwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirt-
schaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte
dessen Kosten trage und ihn ermächtige und ver-
pflichte, der Klägerin auf konkrete Anfrage mit-
zuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Ange-
botsempfänger in der Aufstellung enthalten sei.

Außerdem hat das Landgericht

II.
festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet sei,

1. der Klägerin für die zu I.1. bezeichneten, in der
Zeit vom 5. November 1995 bis zum 15. November 1997
begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung
zu zahlen,

und

2. der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser
durch die zu I.1. bezeichneten, seit dem 16. Novem-
ber 1997 begangenen Handlungen entstanden sei und
noch entstehen werde.

Auf das Urteil vom 10. Februar 2000 wird Bezug genommen.

Die Beklagte hat Berufung eingelegt, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt und hilfsweise beantragt,

die Verhandlung des vorliegenden Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die von ihr im November 2000 gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen.

Die Klägerin bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels mit der aus dem Tenor dieses Urteils ersichtlichen Maßgabe sowie des Aussetzungsantrages.

Die Parteien wiederholen und ergänzen ihr bisheriges Vorbringen, wobei die Beklagte vor allem geltend macht, bei dem angegriffenen Kasten seien die Verstärkungsleisten entgegen der Lehre des Klagepatents nicht mittels Querrippen mit dem Boden verbunden; auch die Annahme einer Patentverletzung unter dem Gesichtspunkt der Äquivalenz scheide aus, und zwar deswegen, weil sich die möglicherweise als zur Lehre des Klagepatents äquivalent anzusehende Ausgestaltung des angegriffenen Kastens aus einer nicht erfinderischen Kombination des bereits aus der DE-PS 39 09 022 (Anlage 3 zur Klageschrift) be-kannten Transportkastens mit Hohlprofilkörpern gemäß dem
ebenfalls vor Anmeldung des Klagepatents veröffentlichten
DE-GM 93 11 597 (Anlage 5 zur Klageschrift) ergebe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet, weil das Landgericht mit Recht der Klage stattgegeben hat. Der Senat hat – entsprechend dem Antrag der Klägerin – lediglich dem Umstand Rechnung getragen, dass die Klägerin auch Schadensersatzansprüche geltend macht, die ursprünglich früheren Berechtigten zugestanden haben und an sie – die Klägerin – abgetreten worden sind.

I.

Das Klagepatent betrifft einen stapelbaren Transportbehälter mit folgenden Merkmalen:

1. Der Behälter besteht aus einem Boden (1) und Seiten-
wänden (2) oder einem längs seiner Umfangskanten um-
laufenden erhöhten Rand;

2. unter dem Boden befinden sich ein umlaufender Rahmen
(3) und mindestens eine Verstärkungsleiste (7);

3. der Rahmen ist mittels Querrippen (4) unter Bildung
von Taschen (6) mit dem Boden verbunden.

Die Klagepatentschrift führt aus:
Aus der DE-PS 39 09 022 (Anlage 3 zur Klageschrift) sei ein Transportbehälter bekannt, der unter seinem Boden einen umlaufenden Rahmen aufweise, welcher mittels Querrippen unter Bildung von Taschen mit dem Boden verbunden sei. Dieser Transportbehälter zeichne sich nicht nur durch seine Lauffähigkeit und Laufruhe auf Röllchenbahnen aus, sondern auch durch die hohe Stabilität und Verwindungssteifigkeit seines Bodens. Dieser Transportbehälter sei unter seinem Boden auch mittig mit sich kreuzenden, senkrecht zum Boden stehenden Rippen versehen, um den Bodendurchhang zu vermindern; dabei wiesen diese sich kreuzenden Rippen eine geringere Höhe auf als die Rippen unter dem Rahmen, damit die sich kreuzenden Rippen auch bei einer Beladung des Kastens mit schweren Gütern nicht mit der Aufstellfläche oder der Oberfläche des Transportweges, insbesondere mit Röllchen einer Röllchenbahn, in Berührung kämen.

Um den mittigen Bodenteil mit seinen sich kreuzenden Rippen noch weiter abzustützen, sei es aus der deutschen Gebrauchsmusterschrift 91 12 561 (Anlage 4 zur Klageschrift) bekannt, zwischen den Rippen des Bodens durch Unterbrechung der Rippen nach unten offene Kanäle zu schaffen, in welche C- oder U-förmige Metallschienen eingelegt würden, die mittels Schrauben über ringförmige Noppen am Boden der offenen Kanäle mit dem Boden des Kastens verbunden würden.

Aus den nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1, 2 und 7 der genannten Gebrauchsmusterschrift ergibt sich die nähere Ausgestaltung des dort beschriebenen Kastens:

Die Klagepatentschrift (Spalte 1 Zeilen 41-63) kritisiert an diesem Stand der Technik, mit den dort vorhandenen Metallschienen lasse sich zwar die Stabilität des Kastens in Laufrichtung der Schienen erhöhen, die Bodenstabilität sei aber quer zur Laufrichtung der Schienen durch die für die Schaffung der nach unten offenen Kanäle notwendigen Unterbrechungen der Bodenrippen erheblich geschwächt. Ein weiterer Nachteil liege darin, dass der Kasten sich schlechter reinigen lasse: Während sich die bei dieser Art von Kästen unter dem Boden befindlichen Taschen gut durch Druckwasserstrahlen reinigen ließen, bildeten die ringförmigen Noppen in den Räumen zwischen den C- oder U-förmigen Schienen und dem Boden Hindernisse für Druckwasserstrahlen, hinter denen sich Schmutz ansammle, der einen guten Nährboden für Bakterien und Kleinlebewesen bilde, welche nur durch Demontage der Schienen zu beseitigen seien. Diese Demontage und die erneute Montage der Schienen sei aber sehr arbeits- und damit kostenaufwendig, so dass sie unterbleibe. Überall dort, wo die Sauberkeit der Kästen eine Rolle spiele, z.B. in der Lebensmittelindustrie und der Agrarwirtschaft, seien diese Kästen daher nicht einsetzbar.

Weiter sei aus der deutschen Gebrauchsmusterschrift 93 11 597 (Anlage 5 zur Klageschrift) ein Transportkasten bekannt, der unter seinem Boden zumindest zwei parallel zueinander angeordnete Laufleisten aufweise, welche mittels Längsrippen mit dem Boden des Kastens verbunden seien.

Die nachstehend wiedergegebene Figur 2 aus dieser Gebrauchsmusterschrift zeigt die nähere Ausgestaltung des genannten Kastens:

Die Klagepatentschrift (Spalte 1 Zeile 68 bis Spalte 2 Zeile 10) kritisiert an diesem Kasten, seine Laufleisten gäben ihm die Lauffähigkeit und Laufruhe auf Röllchenbahnen, aber auch seine Stabilität und Biegesteifigkeit nur in einer Richtung; durch ihre Verbindung mit dem Kastenboden über Längsrippen erhöhten sie die Stabilität des Kastenbodens nicht in demselben Ausmaß wie die Querrippen des Kastens gemäß der
DE-PS 39 09 022. Eine erhebliche Erhöhung der Verwindungssteifigkeit, wie sie bei der Bodenausbildung gemäß der soeben genannten Patentschrift erzielt sei, lasse sich mit parallelen Laufleisten nicht erzielen.

Die Klagepatentschrift bezeichnet es sodann (Spalte 2 Zeilen 11-14) als die Aufgabe der Erfindung, die Stabilität dieses Kastens, insbesondere hinsichtlich der Bodendurchbiegung, aber auch der Verwindungssteifigkeit, weiter zu erhöhen.

Das so bezeichnete technische Problem soll erfindungsgemäß gelöst werden durch einen Kasten, der außer den oben genannten Merkmalen 1 bis 3 die folgenden weiteren Merkmale aufweist:

4. Die Verstärkungsleiste (7) ist ebenfalls mittels
Querrippen (8, 13) unter Bildung von Taschen (10)
mit dem Boden (1) verbunden;

5. der Transportbehälter ist mitsamt der Verstärkungs-
leiste einstückig aus Kunststoff hergestellt.

Die Klagepatentschrift hebt hervor (Spalte 2 Zeilen 40-48), die Erfindung bestehe darin, dass sich mittig unter dem Boden mindestens eine Verstärkungsleiste befinde, welche ebenfalls mittels Rippen unter Bildung von Taschen mit dem Boden verbunden sei. Eine derartig aufgebaute und am Boden einstückig angebrachte Verstärkungsleiste vermöge den Boden auch bei schwerer Belastung wesentlich besser zu stabilisieren, als senkrecht zum Boden verlaufende Rippen dies jemals könnten.

Angesichts dessen, dass die Beklagte sich im Berufungsrechtszug nicht mehr gegen das von der Klägerin und auch vom Landgericht – zutreffend – vertretene Verständnis des Merkmals 3 des Anspruchs 1 des Klagepatents wendet, wonach „Taschen“ im Sinne des Klagepatents auch solche Gebilde sein können, die nur nach zwei Seiten geschlossen und nach den beiden anderen Seiten hin offen sind (wie es bei dem angegriffenen Kasten im Bereich des umlaufenden Rahmens der Fall ist), sondern nur noch geltend macht, bei dem angegriffenen Kasten sei das Merkmal 4 nicht verwirklicht, bedarf lediglich dieses Merkmal der näheren Erörterung.

Nach dem genannten Merkmal ist die Verstärkungsleiste „eben-falls“ – also wie der in Merkmal 3 genannte Rahmen – „mittels Querrippen (8, 13) unter Bildung von Taschen (10) mit dem Boden (1) verbunden“.

Der vom Klagepatent angesprochene Durchschnittsfachmann mag bei dem Begriff „Querrippe“ zunächst daran denken, damit sei entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch eine solche Rippe gemeint, die quer zur Längserstreckung des Vorrichtungsteils verlaufe, mit dem sie verbunden sei, also quer zum Rahmen
oder zur Verstärkungsleiste. Maßgebend für das Verständnis eines in einem Patentanspruch verwendeten Begriffs ist aber nicht so sehr der allgemeine Sprachgebrauch, sondern vielmehr der Inhalt, der sich für den angesprochenen Fachmann aus dem Gesamtzusammenhang der Patentschrift ergibt, die im Hinblick auf die dort gebrauchten Begriffe gleichsam „ihr eigenes
Lexikon“ darstellt (vgl. dazu BGH, GRUR 1999, 909, 911 = Mitt. 1999, 304, 306 – Spannschraube).

Aus dem Gesamtzusammenhang der Klagepatentschrift ergibt sich hinsichtlich des Begriffs „Querrippe“ folgendes:

Regelmäßig wird dort der Begriff „Querrippe“ entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch verwendet und (vgl. z.B. Spalte 1 Zeilen 66 f., Spalte 2 Zeilen 59 f.) von der „Längsrippe“ abgegrenzt, die eine Laufleiste oder eine Verstärkungsleiste in Längsrichtung mit dem Boden verbindet. Darin erschöpft sich jedoch weder der Inhalt des Patentanspruchs noch die Beschreibung des Klagepatents. Die vom Klagepatent als „Quer-rippen“ bezeichneten – und in aller Regel auch „quer“ zur Längserstreckung der auf allen vier Seiten des Kastenbodens angeordneten Rahmenteile sowie der Verstärkungsleiste verlaufenden – Rippen werden vor allem durch die Funktion beschrieben, die sie patentgemäß zu erfüllen haben. Sie sollen nämlich die genannten Teile unter Bildung von Taschen mit dem Boden verbinden.

Soweit es den Bereich des umlaufenden Rahmens betrifft, versteht die Klagepatentschrift den Begriff „Querrippen“ auch im Zusammenhang mit der genannten Funktion im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs. Denn insoweit übernimmt das Klagepatent grundsätzlich das, was es bezüglich der „Taschen“ im Stand der Technik gemäß der DE-PS 39 09 022 vorgefunden hat (vgl. Spalte 1 Zeilen 11-15), während die Klagepatentschrift die nur über Längsrippen mit dem Boden verbundenen Laufleisten aus dem DE-GM 93 11 597 nicht als Teil von Taschen bezeichnet (vgl. Spalte 1 Zeile 64 bis Spalte 2 Zeile 10).

Anders ist es aber, soweit es um den Bereich der patentgemäß vorgesehenen Verstärkungsleiste(n) geht. In diesem Zusammenhang verwendet die Klagepatentschrift den Begriff „Quer-rippen“ für diejenigen Rippen, die die Verstärkungsleiste(n) unter Bildung von Taschen mit dem Boden verbinden. Dass die Klagepatentschrift unter „Querrippen“ alle Rippen versteht, die die genannte Funktion erfüllen, auch wenn sie nicht „quer“ zur Längserstreckung der Verstärkungsleiste(n) verlaufen, ergibt sich nicht nur aus der allgemeinen Charakterisierung der Erfindung in Spalte 2 Zeilen 40-43, wonach die Erfindung darin besteht, dass sich mittig unter dem Boden mindestens eine Verstärkungsleiste befindet, welche „ebenfalls mittels Rippen unter Bildung von Taschen mit dem Boden verbunden ist“, sondern drängt sich dem Durchschnittsfachmann insbesondere auch aufgrund des Anspruchs 5 des Klagepatents und der dazugehörigen Beschreibung in Spalte 4 Zeile 3 ff. auf. Es leuchtet ohne weiteres ein, dass die in Anspruch 5 genannten, sich „unter der Kastenmitte befindlichen, sich kreuzenden Querrippen (13)“ keine Taschen bilden können, die sich, wie es im Anspruch 5 weiter heißt, „von dem äußeren Rand des Rahmens (3) bis zur Kastenmitte oder kurz vor die Kastenmitte erstrecken“. Insoweit ist die Beschreibung der Klagepatentschrift (Spalte 4 Zeilen 14-17) präziser, wie der Durchschnittsfachmann durchaus erkennt und wie ihm auch sofort einleuchtet: Dort wird zutreffend darauf hingewiesen, dass die die Bezugszahl 13 aufweisenden (nur als „Rippen“ und nicht als „Querrippen“ bezeichneten) Teile „die durch die Querrippen 4 und Längsrippen 12 sowie den Boden 1 und die Verstärkungsleiste 11 gebildeten Taschen 14 beenden“. Angesichts dessen sind die Längsrippen 12 nach dem Verständnis des Durchschnittsfachmanns funktional Teil von Taschen bildenden Querrippen. Das bringt die Beschreibung (Spalte 4 Zeilen 7-11) auch mit den Sätzen zum Ausdruck: „Querrippen 4 sind unterhalb der Verstärkungsleiste 11 bis in den Mittenbereich verlängert. Diese verlängerten Querrippen 4 stellen unter den Verstärkungsleisten 11 Längsrippen 12 dar“.

Da Patentanspruch 1 nur eine Bildung von Taschen und nicht auch ihre Beendung erwähnt, gilt für die in Merkmal 4 genannten Taschen dasselbe, was die Klagepatentschrift in Spalte 3 Zeilen 48-52 zu den (in Merkmal 3 genannten) Taschen im Bereich des Rahmens sagt, das sie nämlich einseitig (nach außen) oder beidseitig (nach innen und außen) offen sein können.

II.

Bei dem angegriffenen Kasten sind alle Merkmale des Anspruchs 1 des Klagepatents wortsinngemäß verwirklicht. Das ist hinsichtlich der Merkmale 1 bis 3 und 5 nicht nur offensichtlich, sondern wird auch von der Beklagten nicht (mehr) in Zweifel gezogen, so dass es dazu keiner näheren Erörterung bedarf. Wie sich aus den obigen Ausführungen zur Auslegung des Merkmals 4 ohne weiteres ergibt, macht der angegriffene Kasten aber auch von diesem Merkmal wortsinngemäß Gebrauch, so dass es auf Überlegungen zur Äquivalenz nicht ankommt.

III.

Dass und warum die Klägerin angesichts der – wie ausgeführt, gegebenen – Verletzung des Klagepatents durch die Beklagte von dieser nicht nur Unterlassung, sondern im geltend gemachten Umfang auch Rechnungslegung und Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung sowie zur Leistung von Schadensersatz verlangen kann (wobei die zunächst zugunsten der früheren Berechtigten am Klagepatent oder seiner Anmeldung bestehenden Ansprüche durch Abtretung auf die Klägerin übergegangen sind, § 398 BGB), hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil im einzelnen dargelegt, ohne dass die Beklagte diese Ausführungen gesondert angegriffen hätte. Der Senat kann daher zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit im wesentlichen auf das landgerichtliche Urteil verweisen. Entgegen der dort geäußerten Ansicht bezieht sich die Verurteilung zur Rechnungslegung allerdings nur auf Handlungen der Beklagten bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz, also im vorliegenden Berufungsverfahren, weil die Voraussetzungen für eine zulässige Klage auf künftige Leistung (§ 259 ZPO) nicht gegeben sind.

IV.

Zu einer Aussetzung der Verhandlung des vorliegenden Rechtsstreits mit Rücksicht auf die von der Beklagten gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage (§ 148 ZPO) besteht kein Anlaß.

Angesichts des Umstandes, dass ein Patent seinem Inhaber nur ein zeitlich begrenztes Ausschließlichkeitsrecht einräumt, dessen Durchsetzung durch eine Aussetzung der Verhandlung des Verletzungsrechtsstreits für die Zeit der Aussetzung – auch wenn diese erst im Berufungsrechtszug nach Erwirkung eines erstinstanzlichen, der Klage stattgebenden, aber nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbaren Urteils erfolgt – nicht unerheblich behindert wird, kommt eine Aussetzung der Verhandlung des Verletzungsrechtsstreits bis zur abschließenden Entscheidung über einen gegen das Klagepatent eingelegten Rechtsbehelf wie etwa eine Nichtigkeitsklage nur in Betracht, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine Vernichtung des Klagepatents zu erwarten ist (vgl. dazu BGH, GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug), was in der Regel dann nicht angenommen werden kann, wenn der Rechtsbehelf gegen das Klagepatent nur auf Stand der Technik gestützt wird, der bereits im bisherigen Erteilungsverfahren berücksichtigt und nicht als patenthindernd angesehen worden ist (vgl. BGH, a.a.O.). So liegt der Fall auch hier: Die Beklagte hält mit ihrer Nichtigkeitsklage dem Klagepatent nur Stand der Technik entgegen, den bereits das Deutsche Patentamt im Erteilungsverfahren berücksichtigt und der es gerade nicht dazu veranlaßt hat, das Klagepatent zu versagen. Dementsprechend hat auch das Bundespatentgericht mit Urteil vom 20. November 2001 die Nichtigkeitsklage der Beklagten abgewiesen.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

S7 K2 R2