2 U 146/00 – Scheibenbremse

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 121 

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 7. März 2002, Az. 2 U 146/00 

Unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten wird auf die Anschlussberufung der Klägerin das am 5. Oktober 2000 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

I.
Die Beklagte wird verurteilt,

1.
es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000,– (= Euro 255.645,94), ersatzweise Ordnungshaft,
oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,

a)
Scheibenbremsen für Fahrzeuge, insbesondere Straßenfahrzeuge, mit einem eine Bremsscheibe umfassenden, einteiligen Bremssattel, in dessen rückwärtigen, bremsscheibenabgewandten und weitgehend geschlossenen Bereich eine Zuspanneinheit angeordnet ist, wobei die Zuspanneinheit mit einem von einem Betätigungszylinder schwenkbaren Drehhebel versehen ist und der Drehhebel mittels eines Exzenters auf eine gegen Federkraft in Richtung der Bremsscheibe verschiebbare, mit einem Druckstück versehene Stellspindeln aufweisende Brücke einzuwirken vermag,

herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei denen

die Zuspanneinheit als vormontierte Einheit ausgebildet ist und die der Bremsscheibe zugewandte Öffnung im Bremssattel so groß bemessen ist, dass die vormontierte Zuspanneinheit bei von der Bremsscheibe abgenommenen Bremssattel durch diese Öffnung einführbar ist,

und/oder

b)
derartige Zuspanneinheiten für derartige Scheibenbremsen anzubieten und/oder zu liefern;

2.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie in der Bundesrepublik Deutschland die zu I. 1 a) bezeichneten Handlungen seit dem 7. März 1997 begangen hat und in welchem Umfang sie entsprechend I. 1 b) Zuspanneinheiten wie unter I.1 a) beschrieben für Scheibenbremsen wie unter I.1.a) beschrieben seit dem 7. März 1997 angeboten hat, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns.

II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die zu I. 1 a) bezeichneten, seit dem 7. März 1997 begangenen Handlungen und der zur I.1. b) bezeichneten, seit dem 7.März 1997 begangenen Angebotshandlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III.
Die weitergehende Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

IV.
Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsrechtszuges zu tragen.

V.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 800.000 (= Euro 409.033,50) abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheiten dürfen auch durch die schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts oder Hinterlegung von Geld oder solchen Wertpapieren bewirkt werden, die nach § 234 Abs. 1 und 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur Sicherheitsleistung geeignet sind.

VI.
Die Revision wird nicht zugelassen.

VII.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf DM 800.000
(= Euro 409.033,50) festgesetzt, davon entfallen DM 700.000
( = Euro 357.904,32) auf die Berufung der Beklagten und
DM 100.000 (= Euro 51.129,18) auf die Anschlussberufung der Klägerin.

Die Beschwer der Beklagten beträgt DM 790.000
(= Euro 409.920,58) und diejenige der Klägerin DM 10.000
(= Euro 5.112,92).

Tatbestand:

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 195 15 063 (An-lage K 1; nachfolgend: Klagepatent I). Dieses Patent beruht auf einer Anmel-
dung vom 27. April 1995. Der Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 6. Februar 1997. Das Klagepatent I steht in Kraft.

Gegen die Erteilung des Klagepatents I haben mehrere Einsprechende, unter ihnen auch die Beklagte, Einspruch eingelegt. Durch Beschluss der Patentabteilung 12 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 3. März 2000 ist das Klagepatent jedoch gegen die Einsprüche der Einsprechenden in vollem Umfang aufrechterhalten geblieben (vgl. Anlage K 30). Gegen diesen Beschluss hat die Beklagte Beschwerde eingelegt. Nach der am 5. Oktober 2000 erfolgten Verkündung des hier angefochtenen landgerichtlichen Urteils hat das Bundespatentgericht mit Beschluss vom 25. Januar 2001 (Anlage W 1) das Klagepatent I entsprechend einem Hilfsbegehren der Klägerin und Patentinhaberin beschränkt aufrechterhalten und die Beschwerde insoweit zurückgewiesen.

Der Patentanspruch 1 des Klagepatents I in der aufrechterhaltenen Fassung
lautet ausweislich Seite 4 der Entscheidung des Bundespatentgerichts vom 25. Januar 2001 (Anlage W 1) wie folgt:

„Scheibenbremse für Fahrzeuge, insbesondere Straßenfahrzeuge, mit einem eine Bremsscheibe umfassenden einteiligen Bremssattel, in dessen rückwärtigen, bremsscheibenabgewandten und weitgehend geschlossenen Bereich eine Zuspanneinheit angeordnet ist, wobei die Zuspanneinheit mit einem von einem Betätigungszylinder schwenkbaren Drehhebel versehen ist und der Drehhebel mittels eins Exzenters auf eine gegen Federkraft in Richtung der Bremsscheibe verschiebbare, wenigstens eine mit einem Druckstück versehene Stellspindel aufweisende Brücke einzuwirken vermag, gekennzeichnet durch folgende Merkmale: die Zuspanneinheit (13 ) ist als vormontierte Einheit bei von der Bremsscheibe (3) abgenommenen Bremssattel (1) durch die der Bremsscheibe zugewandte Öffnung in den Bremssattel einführbar.“

Die Klägerin ist ferner eingetragene Inhaberin des europäischen Patents
0 824 639 (Anlage K 31; nachfolgend: Klagepatent II). Das Klagepatent II ist unter Inanspruchnahme der Priorität des Klagepatents I vom 27. April 1995 am 1. Februar 1996 angemeldet worden. Die Veröffentlichung der Anmeldung erfolgte am 25. Februar 1998 und die Veröffentlichung und Bekanntmachung des Hinweises auf die Patenterteilung des Klagepatents II erfolgten am 28. Juli 1999. Zu den benannten Vertragsstaaten gehört die Bundesrepublik Deutschland. Das Klagepatent II steht in Kraft.

Gegen die Erteilung des Klagepatents II hat die Beklagte Einspruch eingelegt. Über diesen Einspruch hat das Europäische Patentamt mit einer „Zwischen-entscheidung“ nach Artikel 102 Abs. 3 und Artikel 106 Abs. 3 EPÜ in der münd-
lichen Verhandlung vom 7. November 2001 wie folgt entschieden:

„Es wird festgestellt, daß unter Berücksichtigung der vom Patent- inhaber im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen das Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des Übereinkommens genügen.“

Aus den Entscheidungsgründen dieser Entscheidung ergibt sich, dass erst Anspruch 1 des 2. Hilfsantrages der Patentinhaberin allen Erfordernissen des EPÜ genügt (vgl. Anlage H 2). Dieser Anspruch lautet wie folgt:

Scheibenbremse für Fahrzeuge, insbesondere für Schienenfahr- zeuge, mit einem eine Bremsscheibe (3) umfassenden Bremssattel, in dessen rückwärtigem, bremsscheibenabgewandten und weitgehend geschlossenem Bereich eine Zuspanneinheit (13) angeord-net ist, wobei die Zuspanneinheit (13) mit einem von einem Betä-tigungszylinder schwenkbaren Drehhebel (15) versehen ist und der Drehhebel (15) mittels eines Exzenters auf eine gegen Federkraft in Richtung der Bremsscheibe (3) verschiebbare, wenigstens eine mit einem Druckstück (35; 37) versehene Stellspindel (33) aufweisende Brücke (29) einzuwirken vermag, gekennzeichnet durch folgende Merkmale:

a) der Bremssattel ist einteilig ausgebildet,
b) die Zuspanneinheit (13) ist als vormontierte Einheit aus-
gebildet und
c) die der Bremsscheibe (3) zugewandte Öffnung im
Bremssattel (1) ist so groß bemessen, daß die vormon-
tierte Zuspanneinheit (13) bei von der Bremsscheibe ab-
genommenen Bremssattel (1) durch diese Öffnung ein-
führbar ist.

Die nachfolgend verkleinert wiedergegebenen Figuren 1 und 2 der beiden Klagepatentschriften verdeutlichen die Erfindung anhand eines Ausführungsbeispiels, wobei die Figur 1 eine Längsschnittansicht einer Scheibenbremse unter Darstellung des einteiligen Bremssattels mit im Bremssattel vormontiert eingefügter Zuspanneinheit und die Figur 2 eine Einzelschnittansicht unter Darstellung der vormontierten Zuspanneinheit zeigt.

Die Beklagte ist ein schwedisches Unternehmen, welches auf dem deutschen Markt Scheibenbremsen anbietet und in den Verkehr bringt und überdies Komponenten für Scheibenbremsen auf diesem Markt anbietet. Zu den von ihr in Deutschland auf den Markt gebrachten Scheibenbremsen gehören u. a. die „H1xxxx DB 20“ und die „H1xxxx DB 30“, über die sich die Werbeunterlagen der Beklagten gemäß Anlagen K 15, K 16 und K 17 verhalten. Die nachfolgend wiedergegebenen Abbildungen dieser von der Beklagten in Deutschland vertriebenen Scheibenbremse sind der Werbeunterlage gemäß Anlage K 16 entnommen.

Die aus den zuvor wiedergegebenen Abbildungen ersichtliche vormontierte Einheit, die in den Bremssattel eingeführt wird, setzt sich so zusammen, wie sich dies aus der nachstehend verkleinert wiedergegebenen Darstellung der Beklagten gemäß Anlage BK 1 ergibt, d. h. sie umfasst u. a. einen Drehhebel 15, eine Brücke 29, Verstellspindeln 31,33, Druckstücke 35, 37 sowie eine Verschluss-
platte 41.

Aus der deutschsprachigen und in Deutschland verteilten Werbeunterlage gemäß K 15 bzw. der dieser Unterlage entnommenen Anlage W 3 sowie der Werbeunterlage gemäß Anlage K 17 sowie der deutschsprachigen Werbeunterlage gemäß Anlage W 3 sowie der im Rahmen der Anlage W 4, einer in Hannover erschienenen deutschsprachigen Veröffentlichung aus September 2000, vorgelegten „Werbeanzeige“ der Beklagten ergibt sich, dass der Kunde in Deutschland bei ihr nicht nur eine komplette Bremse bestellen kann, sondern auch eine vormontierte Betätigungseinheit, wobei diese als in sich geschlossene Einheit als Einzelteil direkt in eine Bremse eingebaut werden kann, wobei in der Werbeunterlage gemäß Anlage W 2 die Einheit „DBM 20“ bildlich insgesamt vier rechts daneben übereinander abgebildeten Bremssätteln der Typen DB 19 LD, DB 19 HD, DB 22 LD und DB 22 HD zugeordnet ist. – In der Werbeunterlage gemäß Anlage K 15 Seiten 6, 7 (vgl. auch Anlage W 3) werden ein die Bremsscheibe umfassender einteiliger Bremssattel und gesondert davon die vormontierte (Betätigungs-) Einheit gezeigt, die in den Bremssattel einführbar ist. Insoweit heißt es in diesem Prospekt:
„H1xxxx DB 30 und DB 20 können entweder als eine komplette Bremse einschließlich Bremsbeläge, Bremszylinder und Bremsbelagverschleiß-Sensor oder in einzelnen Modulen geliefert werden. Die Betätigungseinheit kann z. B. als separate Einheit in die Radbremse des Fahrzeugherstellers eingebaut werden. … Die Betätigungseinheit der neuen Scheibenbremse ist beidseitig, für den Einbau rechts oder links, verwendbar, wovon der Fahrzeughersteller durch eine vereinfachte Logistik profitiert.“

Die Klägerin hat geltend gemacht, die mit der Klage angegriffenen Scheibenbremsen der Beklagten gemäß den Anlagen K 15 bis K 21 , K 26 und BK 1 machten wortsinngemäße von der technischen Lehre der Patentansprüche 1 der beiden Klagepatente Gebrauch. Sie hat deshalb die Beklagte auf Unterlassung, Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat antragsgemäß wie folgt erkannt:

I.
Die Beklagte wird verurteilt,

1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,- DM –
ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,

Scheibenbremsen für Fahrzeuge, insbesondere Straßenfahrzeuge, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

mit einem eine Bremsscheibe umfassenden Bremssattel, in dessen rückwärtigen, bremsscheibenabgewandten und weitgehend geschlossenen Bereich eine Zuspanneinheit angeordnet ist, wobei die Zuspanneinheit mit einem von einem Betätigungszylinder schwenkbaren Drehhebel versehen ist und der Drehhebel mittels eines Exzenters auf eine gegen Federkraft in Richtung der Bremsscheibe verschiebbare, wenigstens eine mit einem Druckstück versehene Stellspindel aufweisende Brücke einzuwirken vermag, und die Zuspanneinheit als vormontierte Einheit ausgebildet ist und die in der Bremsscheibe zugewandte Öffnung so groß bemessen ist, daß die vormontierte Zuspanneinheit bei von der Bremsscheibe abgenommenem Bremssattel durch diese Öffnung einführbar ist,

2.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 7. März 1997 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns.

II.
Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1. bezeichneten, seit dem 7. März 1997 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die angegriffene Ausführungsform die technische Lehre der Patentansprüche 1 der beiden Klagepatente wortsinngemäß verwirkliche. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei bei der angegriffenen Ausführungsform auch entsprechend dem Wortsinn der erfindungsgemäßen Lehre die Zuspanneinheit im rückwärtigen, bremsscheibenabgewandten und weitgehend geschlossenen Bereich des Bremssattels angeordnet. Die Zuspanneinheit im Sinne der Erfindung umfasse mindestens eine Stellspindel mit einem Druckstück und einen schwenkbaren Drehhebel, der mittels eines Exzenters auf eine Brücke einwirken könne, ohne auf diese Bauteile jedoch beschränkt zu sein. Eine diese Teile umfassende Zuspanneinheit sei auch bei der angegriffenen Ausführungsform im rückwärtigen, bremsscheibenabgewandten Bereich des Bremssattels angeordnet, wobei dieser Bereich auch „weitgehend geschlossen“ sei. Soweit die erfindungsgemäße Lehre entsprechend den Klageschutzrechten verlange, dass der rückwärtige Bereich „weitgehend geschlossen“ sei, lasse dies nicht nur eine Öffnung für den Drehhebel zu, sondern , wie sich aus der Beschreibung von bevorzugten Ausführungsbeispielen der Erfindung in den Klagepatentschriften ergebe, noch weitere Öffnungen, so dass auch die bei der angegriffenen Ausführungsform vorhandene seitliche Öffnung nicht der Annahme entgegenstehe, dass es sich auch bei dem dortigen rückwärtigen Bereich des Bremssattels um einen „weitgehend geschlossenen“ Bereich handele. Die bei der angegrifffenen Ausführungsform gewählte Gestaltung ermögliche auch mit der seitlichen Öffnung eine direkte Übertragung der Bremskräfte in den Sattel. Die Beklagte habe auch nicht in Frage gestellt, dass die bei der angegriffenen Ausführungsform in diesem Bereich vorhandenen Öffnungen und Durchbrechungen, die Einleitung, Übertragung und Aufnahme von Bremsreaktionskräften in den Bremssattel in Frage stelle. Auch sei bei der angegriffenen Ausführungsform entsprechend dem Wortsinn der Patentansprüche 1 der beiden Klagepatente die Zuspanneinheit als vormontierte Einheit ausgebildet und die der Bremsscheibe zugewandte Öffnung im Bremssattel so groß bemessen, dass die vormontierte Zuspanneinheit durch diese Öffnung einführbar sei. Dabei stehe es der Verwirklichung des Wortsinnes der Patentansprüche 1 nicht entgegen, dass über die eigentliche Zuspanneinheit hinaus die vormontierte Einheit noch weitere Bauteile umfasse wie zum Beispiel die Verschlussplatte und diese durch die Öffnung im Bremssattel nicht einführbar sei.

Die Beklagte hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt, der sich die Klägerin mit dem Ziel angeschlossen hat, der Beklagten auch zu verbieten, die in ihrem Antrag der Anschlussberufung näher bezeichneten Zuspanneinheiten für die dort näher bezeichneten Scheibenbremsen anzubieten und/oder zu liefern und wegen dieser Handlungen die Beklagten auch zur Rechnungslegung zu verurteilen sowie deren Schadensersatzpflicht festzustellen.

Die Beklagte macht geltend, dass bei der angegriffenen Ausführungsform die Zuspanneinheit im Sinne der Erfindung nicht im „rückwärtigen“ Bereich des Bremssattels angeordnet und der Bereich, in dem sie angeordnet sei, auch nicht „weitgehend geschlossen“ im Sinne der Erfindung sei. Vor allem aber habe das Landgericht das erfindungsgemäße Merkmal verkannt, wonach die Zuspanneinheit als vormontierte Einheit ausgebildet sein solle. Dies bedeute nämlich, dass „nur“ die Zuspanneinheit als vormontierte Einheit ausgebildet sein solle und die vormontierte Einheit nicht noch aus weiteren Elementen wie zum Beispiel eine Verschlussplatte bestehen solle, wie dies bei der angegriffenen Ausführungsform der Fall sei. Auch sei die der Bremsscheibe zugewandte Öffnung im Bremssattel bei der angegriffenen Ausführungsform nicht lediglich so groß bemessen, dass die vormontierte Zuspanneinheit durch sie einführbar sei, sondern sie werde bei der angegriffenen Ausführungsform durch die darüber hinausgehende Größe der mit zur vormontierten Einheit gehörenden Verschlußplatte bestimmt und sei damit schädlich für die Stabilität des Bremssattelgehäuses. – Die Anschlussberufung sei schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil, wie dargelegt, durch die angegriffene Gesamtvorrichtung die technische Lehre der Patentansprüche 1 der beiden Klagepatente nicht benutzt werde. Überdies sei darauf hinzuweisen, dass sie isolierte Zuspanneinheiten für die von der Klägerin in Bezug genommene „modulare Bauweise“ noch an keinen einzigen Abnehmer in die Bundesrepublik Deutschland geliefert habe. Dies gelte nicht nur für die Zuspanneinheiten gemäß Anlagen W 2 und W 4, die sich auf ein fortentwickeltes Scheibenbremsenmodell bezögen, welches keinen patentgemäßen einteiligen Bremssattel aufweise, sondern auch für die Zuspanneinheit ge-mäß Anlage K 15 bzw. W 3 und K 17. Letztere sei nicht als etwaiges Ersatzteil für ihre eigenen Scheibenbremsen angeboten worden, sondern als für einen „möglichen Einbau in mögliche Fremdfabrikate“, von denen seitens der Klägerin nicht dargelegt sei, wie sie im einzelnen ausgestaltet seien und ob sie die Merkmale der erfindungsgemäßen Scheibenbremsen erfüllten.

Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage ab-
zuweisen sowie
die Anschlussberufung der Klägerin als unzulässig zu ver-
werfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

Sie beantragt ferner,
den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Erledigung des
gegen das europäische Patent EP 0 824 639 B 1 bei dem
Europäischen Patentamt in München unter dem Akten-
zeichen 96 901 709.4 anhängigen Einspruchsverfahrens
auszusetzen.

Die Klägerin beantragt,
zu erkennen wie geschehen und darüber hinaus die Be-
klagte auch wegen der im Urteilsausspruch zu I.1. b)
bezeichneten Lieferungen zur Rechnungslegung zu ver-
urteilen und ihre Schadensersatzpflicht auch insoweit
festzustellen.

Die Klägerin beantragt ferner,
den gegnerischen Aussetzungsantrag zurückzu-
weisen.

Die Klägerin verteidigt das landgerichtliche Urteil als zutreffend und macht geltend, dass die Beklagte auch mit dem Angebot und der Lieferung von vormontierten Zuspanneinheiten entsprechend ihrem Klageantrag I. 1 a) für Scheibenbremsen, wie sie in ihrem Klageantrag I. 1 b) beschrieben seien, unter dem Gesichtspunkt der mittelbaren Patentverletzung gemäß § 10 PatG ihre Rechte aus den Klagepatenten verletze. Dass diese Zuspanneinheiten den Kunden in Deutschland isoliert angeboten worden seien, ergebe sich aus der Werbung der Beklagten, insbesondere der Anlage K 15, Seiten 6, 7 (= Anlage W 3), aus der sich auch ergebe, dass sie für Scheibenbremsen angeboten würden, wie sie in ihrem Klageantrag zu I.1 a) beschrieben seien. Im übrigen seien ihr keinerlei Bremssättel bekannt geworden , in die diese Zuspanneinheit hineinpasse, die im Sinne der neugefassten Ansprüche 1 der Klagepatente nicht „einteilig“ ausgebildet seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten hat, soweit die Klägerin das landgerichtliche Urteil in der Berufungsinstanz noch verteidigt, in der Sache keinen Erfolg, während die ebenfalls zulässige Anschlussberufung der Klägerin im wesentlichen sachlich gerechtfertigt ist.

Die wechselseitig geltend gemachten Einwände der Parteien gegen die Zulässigkeit der von ihnen eingelegten Rechtsmittel sind nicht gerechtfertigt. Entgegen der Auffassung der Klägerin entspricht die Berufungsbegründung der Beklagten den gesetzlichen Erfordernissen, insbesondere auch dem Erfordernis von § 519 Abs. 2 Nr. 2 ZPO a. F. Die Berufungsbegründung der Beklagten läßt durchaus erkennen, weshalb die Beurteilung durch das Landgericht angegriffen wird. Zum einen wird nämlich geltend gemacht, dass zwischenzeitlich die Grundlage der Verurteilung, soweit sie sich auch auf Scheibenbremsen mit „nicht einteiligem“ Bremssattel erstreckt, hinsichtlich des Klagepatents I entfallen sei. Zum anderen wird ausdrücklich ausgeführt, dass das angefochtene Urteil insoweit nicht zutreffe, als es davon ausgehe, dass bei der angegriffenen Ausführungsform das Merkmal C 1 der landgerichtlichen Merkmalsgliederung (Anordnung der Zuspanneinheit im rückwärtigen, bremscheibenabgewandten und weitgehend geschlossenen Bereich des Bremssattels) verwirklicht sei. Es wird also gesagt, dass ein Verständnis dieses Merkmals, das sich auf eine Gestaltung erstreckt, wie sie die angegriffene Ausführungs-form aufweist, nicht zutreffend sei bzw. der durch die Klagepatentsschrift angesprochene Durchschnittsfachmann die mit diesem Merkmal gegebene Lehre so verstehe, dass davon eine Ausgestaltung, wie sie bei der angegriffenen Ausführungsform verwirklicht sei, nicht mehr erfasst würde. Schließlich ergibt sich aus der Berufungs-begründung auch, dass die Beklagte das landgerichtliche Urteil insoweit für fehlerhaft hält, als das Landgericht bei der angegriffenen Ausführungsform das Merkmal F (vormontierte Zuspanneinheit) als verletzt angesehen hat. wobei sich aus den Ausführungen der Beklagten ergibt, dass nach ihrer Auffassung der durch die Klagepatentschrift angesprochene Durchschnittsfachmann die mit diesem Merkmal gegebene Lehre, die Zuspanneinheit als vormontierte Einheit auszubilden, dahin versteht, sie nicht noch mit weiteren Bauteilen wie zum Beispiel die Verschlussplatte „zu belasten“. Nach alledem entsprach die Berufungsbegründung der Beklagten durchaus den gesetzlichen Erfordernissen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist aber auch die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 11. Juli 2001 eingelegte Anschlussberufung nicht als unzulässig zu verwerfen. Auch sie genügt den gesetzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen. Die von der Beklagten erhobenen Einwände betreffen die Schlüssigkeit der mit ihr gel-tend gemachten mittelbaren Patentverletzung und damit die Begründetheit.

Die mit der Klage angegriffene Scheibenbremse macht von der technischen Lehre der beschränkt aufrecht erhaltenen Patentansprüche 1 der beiden Klagepatente wortsinngemäß Gebrauch. Die Betätigungseinheit, die in der Anlage BK 1 und un-ter anderem in den Anlage K 15 und K 17 dargestellt ist, und von der Beklagten auf dem deutschen Markt isoliert auch für diese Scheibenbremse angeboten wird (vgl. u.a. Anlage K 15 Seiten 6, 7 = Anlage W 3 sowie Anlage K 17), stellt überdies ein Mittel dar, welches sich im Sinne von § 10 PatG auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht. – Da die Klägerin jedoch nichts dafür dargetan hat, dass diese Betätigungseinheit von der Beklagten bisher isoliert auf den deutschen Markt geliefert worden ist, geschweige denn für eine Scheibenbremse, wie sie im Urteilsausspruch zu I.1. a) beschrieben ist, konnte sie mit ihrem im Wege der Anschlussberufung geltend gemachten Rechnungslegungsanspruch und dem auf Feststellung einer Schadenersatzpflicht gerichteten Begehren insoweit keinen Erfolg haben, als sich dieser Anspruch und dieses Begehren auf erfolgte Lieferungen vormontierter Betätigungseinheiten beziehen.

I.
Die Lehre des Klagepatents I betrifft nach Spalte 1, Zeilen 3, 4 der Klagepatentschrift I eine Scheibenbremse nach dem Gattungsbegriff des Patentanspruches 1, der sich merkmalsmäßig gegliedert nunmehr nach der im Einspruchs-Beschwerde-erfahren erfolgten Beschränkung (vgl. nachstehendes Merkmal B) wie folgt darstellt:

A.
Scheibenbremse für Fahrzeuge, insbesondere Straßenfahrzeuge, mit einem eine Bremsscheibe umfassenden Bremssattel.

B.

Der Bremssattel ist einteilig.

C.

In dem rückwärtigen, bremsscheibenabgewandten Bereich des Bremssattels, der weitgehend geschlossen ist, ist eine Zuspanneinheit angeordnet.

D.
Die Zuspanneinheit ist mit einem von einem Betätigungszylinder schwenkbaren Drehhebel versehen.

E.

Der Drehhebel vermag mittels eines Exzenters auf eine Brücke einzuwirken.

F.
Die Brücke ist gegen Federkraft in Richtung der Bremsscheibe verschiebbar und weist wenigstens eine mit einem Druckstück versehene Stellspindel auf.

In Spalte 1, Zeilen 5 ff der Klagepatentschrift I befasst sich diese zunächst mit Scheibenbremsen einer Bauart, wie sie aus DE 40 32 886 A 1 (Anlage K 5) bekannt ist und sich ausweislich Figur 1 dieser Offenlegungsschrift wie folgt darstellt:

Die Klagepatentschrift I würdigt die aus der vorgenannten Druckschrift bekannte Scheibenbremse dahin, dass bei ihr innerhalb des rückwärtigen Teiles eines eine Bremsscheibe umfassenden Bremssattels eine mit einem von einem Betätigungszylinder beaufschlagbaren Drehhebel versehene Zuspanneinrichtung vorgesehen sei, welche eine zwei Stellspindeln mit Druckstücken tragende, am Bremssattel verschiebbar abgestützte Brücke aufweise. Das auf den bremsscheibenabgewandten Teil der Brücke exzentrisch einwirkende Ende des Drehhebels stütze sich mittels Gleit- oder Wälzlagerelementen am rückwärtigen Ende des Bremssattels ab. – Die Klagepatentschrift I sieht es bei dieser Scheibenbremse bekannter Bauart als nachteilig an, dass der rückwärtige Abschnitt des Bremssattels als gesondertes Gehäuse ausgeführt sei, welches entlang einer Trennlinie mit dem Bremssattel verschraubbar sei. Die Bremsreaktionskräfte würden bei Bremsbetätigung rückwärtig in den aufgeschraubten Gehäuseabschnitt eingeleitet, was Verschraubungs-, Festigkeits- und Dichtprobleme hervorrufen könne, insbesondere bei den bei Scheibenbremsen der in Rede stehenden Art geforderten Standzeiten. Probleme der vorstehend genannten Art könnten auch bei mit lediglich einer Stell- bzw. Druckspindel ausgeführten Scheibenbremsen zutage treten (Spalte 1, Zeilen 5 bis 27).

Die Klagepatentschrift erwähnt in Spalte 1, Zeilen 27 ff weiteren Stand der Technik und führt insoweit aus, dass bei Scheibenbremsen „gattungsgemäßer“ Art, wobei sie auf die DE 26 14 321 C 2 (Anlage K 6) und die DE 36 10 569 A 1( Anlage K 7) verweist, bereits ein einteiliger Bremssattel bekannt sei. Die nachstehend verkleinert wiedergegebenen Figuren 2 und 3 der DE 36 10 569 verdeutlichen diesen Stand der Technik, wobei die Figur 2 einen zur Ansicht des Drehhebels etwa mittig durch den Bremssattel gelegten Axialschnitt und Figur 3 einen durch eine Spindeleinrichtung geführten Axialschnitt zeigt.

Aus diesen Figuren ersieht man, dass die durch diese bekannte Patentschrift vorgestellte Scheibenbremse für Fahrzeuge eine Bremsscheibe 1 und einen diesen übergreifenden Bremssattel 2 aufweist. Dieser Bremssattel ist einteilig. Man erkennt in der Figur 2 überdies eine Zuspannvorrichtung 3, die einen Drehhebel 4, Wälzlager 5, drehbar gelagerter Exzenterwelle 6 und Exzenter 7 umfasst, wobei der Drehhebel 4 drehfest mit der Exzenterwelle 6 verbunden ist und das Ende des Drehhebels mittels einer gegabelten Kolbenstange 10 angelenkt ist. Die Exzenter stehen mit einem im wesentlichen senkrecht zur Radialebene verlaufenden Druckbolzen 18 (vgl. Figur 3) in Eingriff, um eine verschiebbar im Bremssattel gelagerter Bremsbacke 30 gegen die Bremsscheibe 1 zu drücken, wenn eine am Ende des Drehhebels 4 angelenkte und zu diesem im wesentlichen rechtwinklig und radial nach außen verlaufende Kolbenstange von einem druckmittelbeauf-schlagbaren Zylinder 15 betätigt wird. Die Zuspannvorrichtung ist, wie insbesondere Figur 2 deutlich macht, im rückwärtigen, bremsscheibenabgewandten Bereich angeordnet, der, wie ebenfalls diese Figur zeigt, weitgehend geschlossen ist. Es besteht im wesentlichen lediglich eine Durchgriffsöffnung für die Kolbenstange 10.

Diese bekannte Scheibenbremse mit einteiligem Bremssattel wird in der Klagepatentschrift I dahin gewürdigt, dass bei ihr der Bremssattel in seinem rückwärtigen, die Reaktionskräfte der Zuspanneinheit aufnehmenden Bereich weitgehend geschlossen sei. – An dieser Scheibenbremse bemängelt die Klagepatentschrift I jedoch, dass bei ihr die Zuspanneinheit in ihren Einzelteilen durch eine im wesentlichen seitlich angesetzte Öffnung eingeführt werde und die endgültige Montage innerhalb des Bremssattels erfolge, was mit beträchtlichem Zeitaufwand und gegebenenfalls mit dem Problem ungenauer Einpassung verbunden sei (Spalte 1, Zeilen 28 bis 38).

Ausgehend von dem zuvor erörterten Stand der Technik liegt der Erfindung nach dem Klagepatent I das technische Problem zugrunde, eine Scheibenbremse der gattungsgemäßen Art, also mit den oben genannten Merkmalen A bis F, so auszugestalten, dass bei problemfreier Einleitung der Brems-Reaktionskräfte am Bremssattel, wie sie an sich schon der in der Klagepatentschrift I erörterte Stand der Technik mit einteiligem Bremssattel (vgl. Anlage K 6 und K 7) bietet, eine noch weitergehende Schließung des Bremssattelgehäuses ermöglicht wird, um so bei Formstabilität des Bremssatttelgehäuses die geforderte Betriebssicherheit während längeren Einsatzes zu gewährleisten, und dass die Montage der Zuspanneinheit mit dem Bremssattel vereinfacht und der dafür erforderliche zeitliche Aufwand reduziert wird. (vgl. zum einen die Aufgabenformulierung in Spalte 1, Zeilen 39 bis 49, soweit nach der erfolgten Beschränkung noch von Relevanz, und die Angabe der Nachteile des gattungsgemäßen Standes der Technik in Spalte 1, Zeilen 35 bis 38, die die erfindungsgemäße Lehre vermeiden will).

Zur Lösung der vorgenannten Aufgabe wird vom Klagepatent I vorgeschlagen, bei einer Scheibenbremse mit den oben genannten Merkmalen A bis F folgende weitere Merkmale vorzusehen:

G.
Die Zuspanneinheit (13) ist als vormontierte Einheit ausgebildet.

H.

Als solche (d.h. als vormontierte Einheit) ist sie bei von der Bremsscheibe (3) abgenommenen Bremssattel (1) durch die der Bremsscheibe zugewandte Öffnung in den Bremssattel einführbar.

Es sind also im wesentlichen zwei Maßnahmen, die nach dem Klagepatent I für eine Scheibenbremse mit den Merkmalen A bis F neu vorgeschlagen werden, und zwar zum einen, die Zuspanneinheit bereits als vormontierte Einheit auszubilden, so dass es nicht mehr erforderlich ist, sie in Einzelteilen durch eine im wesentlichen seitlich angesetzte Öffnung in den Bremssattel einzuführen und dort zu montieren. Der mit einer solchen Montage verbundene beträchtliche Zeitaufwand wird verringert und die bei einer solchen Montage auftretenden Probleme der ungenauen Einpassung werden vermieden. Zum anderen wird, wie es in der Aufgabenformulierung der Klagepatentschrift I Spalte 1, Zeilen 38 – 44 heißt, eine noch weitergehende Schließung des Bremssattelgehäuses dadurch ermöglicht, dass man vorsieht, die der Bremsscheibe zugewandte Öffnung im Bremssattel so groß zu bemessen, dass die vormontierte Zuspanneinheit bei von der Bremsscheibe abgenommenen Bremssattel durch diese Öffnung einführbar ist. Es sind keine weiteren Öffnungen erforderlich, um die Zuspanneinheit einführen zu können. Es wird so eine besonders hohe Formstabilität des Bremssattelgehäuses und damit die geforderte Betriebssicherheit während längeren Einsatzes gewährleistet.

Im übrigen sorgen die Einteiligkeit des Bremsattels gemäß Merkmal B und die Anordnung der Zuspanneinheit im rückwärtigen, bremsscheibenabgewandten und weitgehend geschlossenen Bereich des Bremssattels gemäß Merkmal C dafür, dass der Bremssattel kostensparend als Gußteil ausgebildet sein kann und dass eine direkte Übertragung der Bremskräfte in den Sattel ermöglicht ist (vgl. Spalte 1, Zeilen 51 bis 58).

Die Erfindung stellt sich nach der Klagepatentschrift II in der Fassung, die sie ausweislich der Anlage H 2 am 7. November 2001 im Einspruchsverfahren erhalten hat, redaktionell zwar etwas anders dar, was jedoch nichts an der sachlich-inhaltlichen Übereinstimmung mit Erfindung ändert, die durch das Klagepatent I geschützt ist.

Nach Spalte 1, Zeilen 3, 4 der Klagepatentschrift II betrifft die Erfindung eine Scheibenbremse nach dem Gattungsbegriff des Patentanspruches 1, der merkmalsmäßig gegliedert abweichend von dem Gattungsbegriff des Patentanspruches 1 des Klagepatents I nur die Merkmale A, C, D, E und F der obigen Merkmalsgliederung des Patentanspruches 1 des Klagepatents I aufweist, nicht aber das Merkmal B betreffend die einteilige Ausbildung des Bremssattels.

Die Klagepatentschrift II verweist darauf, dass eine Scheibenbremse gattungsgemäßer Bauart, also mit den Merkmalen A, C, D, E und F aus der bereits oben gewürdigten DE-A 40 32 886 (Anlage K 5) bekannt sei. Sie bemängelt an dieser Scheibenbremse dasjenige, was auch die Klagepatentschrift I daran bemängelt (Spalte 1, Zeilen 19 bis 27).
Die Klagepatentschrift II (vgl Anlage H 2) erwähnt anschließend, dass es bei Scheibenbremsen bekannter Art, z. B. gemäß FR- A 2 306 372 und gemäß DE-A-36 10 569 (Anlage K 7) bekannt sei, den Bremssattel einteilig auszubilden. Dabei erwähnt sie, dass die FR-A -2 306 372 eine Zuspanneinheit zeige, die zwar einen Drehhebel und einen Exzenter, aber keine Stellspindel aufweise. Hinsichtlich der oben im einzelnen gewürdigten DE-A – 36 10 569 (Anlage K 7) führt sie aus, dass sie eine Zuspanneinheit mit Drehhebel, Exzenter und Stellspindel , aber keine Brücke zeige. – Im übrigen bemängelt sie an diesen bekannten Scheibenbremsen aber die gleichen Nachteile wie die Klagepatentschrift I an der DE-A-36 10 569 (vgl. Spalte 1, Zeilen 33 bis 38).

Die Klagepatentschrift II verweist ferner in Spalte 1, Zeilen 39 ff darauf, dass bei einer gattungsfremden Scheibenbremse (EP-A-0 436 906) in einem gemeinsamen Gehäuse die Bestandteile einer mechanischen Festellbremse und die Bestandteile einer hydraulischen Betriebsbremse durch die der Bremsscheibe zugewandte Öffnung einführbar seien, wobei zusätzliche Mittel in Form eines im Inneren des Gehäuses zu fixierenden Befestigungsringes erforderlich seien, um die Wirkposition beider Bremsen zueinander festzulegen.

Schließlich verweist die Klagepatentschrift II noch darauf, dass eine gattungsgemäße Scheibenbremse auch aus der DE 43 07019 A 1 bekannt sei, bei der jedoch der rückwärtige Abschnitt des Bremssattels als gesondertes Teil, nämlich als Deckel, ausgebildet sei, was zu den eingangs beschriebenen Verschraubungs-, Festigkeits- und Dichtproblemen führen könne.

Die Aufgabenstellung ist in der Klagepatentschrift II dahin formuliert, eine Scheibenbremse der gattungsgemäßen Art, also mit den Merkmalen A, C, D. E und F der obigen Merkmalsanalyse, so auszugestalten, dass bei problemfreier Einleitung der Bremsreaktionskräfte am Bremssattel eine noch weitergehende Schließung des Bremssattelgehäuses ermöglicht ist. Hierdurch sollen am Bremssattel vorhande Dichtbereiche vollkommen unbeeinflußt sein von Brems- bzw, Bremsreaktionskräften, um bei Formstabilität des Bremssattelgehäuses die geforderte Betriebssicherheit während längeren Einsatzes zu gewährleisten (Spalte 1, Zeilen 48 bis 58).

Zur Lösung dieser Aufgabe dienen die Merkmale nach dem Kennzeichnungsteil des Patentanspruches 1 des Klagepatents II , die sich merkmalsmäßig gegliedert als drei Merkmale darstellen , nämlich als die Merkmale B und G der obigen Merkmalsanalyse und als ein sprachlich etwas abgewandeltes Merkmal H, welches etwas deutlicher zum Ausdruck bringt, was auch mit dem Merkmal H des Patentanspruches 1 des Klagepatents I gemeint ist, und das wie folgt lautet:

H.

Die der Bremsscheibe (3) zugewandte Öffnung im Bremssattel (1) ist so groß bemessen, dass die vormontierte Zuspanneinheit (13) bei von der Bremsscheibe (3) abgenommenen Bremssattel (1) durch diese Öffnung einführbar ist.

Die technischen Lehren der Patentansprüche 1 der beiden Klagepatente unterscheiden sich mithin nicht inhaltlich, sondern lediglich formal, indem ein Merkmal, welches im Patentanspruch 1 des Klagepatents I bereits im Oberbegriff erscheint, im Patentanspruch 1 des Klagepatents II erst Teil des Kennzeichens ist.

Nachdem die Beklagte in Abrede stellt, dass bei der angegriffenen Ausführungsform die vorgenannten Merkmale C, G und H verwirklicht seien, bedürfen diese Merkmale näherer Erörterung.

In Merkmal C wird zunächst der Begriff der „Zuspanneinheit“ aufgegriffen, hinsichtlich dessen gesagt wird, dass diese an einer ganz bestimmten Stelle anzuordnen sei. Damit stellt sich zunächst das Problem, was der fachkundige Leser der Klagepatentschriften unter „Zuspanneinheit“ versteht, wobei diese Frage jedoch von der Frage zu trennen ist, ob die erfindungsgemäße vormontierte Einheit ausschließlich aus der Zuspanneinheit bestehen darf.

Zuspanneinheit im Sinne der Erfindung ist die Einheit von Bauteilen , die sich aus den in den Merkmalen D, E und F genannten folgenden funktionsnotwendigen Bauteilen zusammensetzt: a) Schwenkbarer Drehhebel, b) ein Exzenter, der auf eine Brücke einzuwirken vermag, c) eine Brücke, die gegen Federkraft verschiebbar ist, und d) wenigstens eine mit einem Druckstück versehene Stellspindel.

Dem Fachmann bleibt es allerdings nach der Lehre der Klagepatente überlassen, die Zuspanneinheit darüber hinaus mit weiteren nicht unbedingt funktions-notwendigen Bauteilen auszugestalten, da die Lehre der Klagepatente nicht dahingeht, als Zuspanneinheit nur die vorgenannten, in den Merkmalen D, E und F erwähnten Bauteile einzusetzen.

Von der Zuspanneinheit mit ihren vorgenannte funktionsnotwendigen Bauteilen heißt es, dass sie im „rückwärtigen, bremsscheibenabgewandten“ Bereich des Bremssattels anzuordnen sei. Hier stellt sich nun die weitere Frage, was im Sinne der Erfindung der „rückwärtige, bremsscheibenabgewandte“ Bereich des Bremssattels ist, in dem die Zuspanneinheit anzuordnen ist, und wie weit dieser Bereich des Bremssattels in Relation zum gesamten Bremssattel geht, der eine bestimmte endliche Ausdehnung mit einem auch „vorderen, bremsscheibenzugewandten Bereich“ hat. Insoweit findet der Fachmann. in der Klagepatentschrift I (Spalte 2, Zeilen 1 bis 9) und Klagepatentschrift II (Spalte 2, Zeilen 23 bis 29) folgende Beschreibung der Position der Zuspanneinheit: „ihre Position innerhalb des als Gehäuse wirkenden Abschnittes des Bremssattels wird durch die am rückwärtigen Wandabschnitt des Bremssattels innenseitig sich abstützende Lage und bremsscheibenzugewandt durch die die Zuspanneinheit rückwärtig verspannende, an der Verschlußplatte sich abstützende Druckfeder bestimmt.“ Dies ist also der erfindungsgemäße „rückwärtige, bremsscheibenabgewandte“ Bereich des Bremssattels.

Schaut der Fachmann in die Figuren der Klagepatentschriften , sieht er, dass der „rückwärtige, bremsenscheibenabgewandte“ Bereich des Bremssattels einen großen Teil des gesamten Bereiches des Bremssattels ausmacht, wobei allerdings die Zuspanneinheit sich am rückwärtigen Wandabschnitt des Bremssattels innenseitig abstützt (vgl. Fig. 1) und in ihrer Position bremsscheibenzugewandt durch die sich an der Verschlußplatte abstützende Druckfeder 47 bestimmt wird, wobei die wohl zur Zuspanneinheit zählenden Druckstücke im bremsscheibenzugewandten Bereich des Bremssattels zu finden sind.

Entscheidend ist damit für den Fachmann, wenn er die Anweisung erhält, die Zuspanneinheit im „rückwärtigen, bremsscheibenabgewandten“ Bereich des Bremssattels anzuordnen, sie so anzuordnen, dass sie sich am rückwärtigen Wandabschnitt des Bremssattels innenseitig abstützt. Wenn dann Teile der Zuspanneinheit bis in den bremsscheibenzugewandten Bereich des Bremssattels hineinragen, steht dies der mit dem Merkmal C gegebenen Anweisung nicht entgegen.

Schließlich sprechen die Klagepatente noch davon, dass der rückwärtige, bremsscheibenabgewandte Bereich weitgehend geschlossen sein soll. Er soll also nicht völlig geschlossen sein, sondern nur weitgehend, was also Durchbrechungen und Öffnungen zuläßt. Dass neben der Öffnung für den Betätigungszylinder für den Drehhebel auch andere Öffnungen bzw. Durchbrechungen des rückwärtigen Bereichs des Bremssattelbereichs im zuvor erläuterten Sinne zulässig sein sollen, ergibt sich aus zahlreichen Passagen der Klagepatentschriften, die sich mit bevorzugten Ausführungsbeispielen befassen, z. B. aus Spalte 4, Zeilen 43 bis 45, aus Spalte 4, Zeilen 51 bis 56 der Klagepatentschrift I und aus Spalte 5, Zeilen 33 ff der Klagepatentschrift II. Den Begriff „weitgehend“ wird der Fachmann im Sinne von „überwiegend“ oder auch, so das DPA gemäß Anlage K 30 Seite 9, im Sinne von „im wesentlichen“ verstehen (vgl. auch Spalte 1, Zeile 58 der Klagepatentschrift I bzw. Spalte 2, Zeilen 11/12 der Klagepatentschrift II), wobei es letztlich nur darauf ankommt, dass eine hinreichende Formstabilität des Bremssattels gewährleistet ist und eine direkte Übertragung der Bremskräfte in den Sattel ermöglicht wird, da sich bei einer Anordnung der Zuspanneinheit nach Merkmal C das auf den bremsscheibenabgewandten Teil der Brücke exzentrisch einwirkende Ende des Drehhebels mittels Gleit- oder Wälzlagerelemente am rückwärtigen Ende des Bremssattels abstützt (vgl. Spalte 1, Zeile 46, Spalte 1, Zeilen 51 bis 58 und Spalte 1, Zeilen 12 bis 15). Solange Öffnungen und Durchbrechungen des rückwärtigen Bereichs die Erreichung der insoweit angestrebten Wirkungen nicht in Frage stellen und auch im Verhältnis zu den geschlossenen Teilen nicht überwiegen, wird der Fachmann daher den entsprechenden Bereich des Bremssattels als „weitgehend geschlossen“ ansehen.

Nach Merkmal G soll die Zuspanneinheit, die oben im einzelnen erläutert worden ist, als vormontierte Einheit ausgebildet sein. Aus dieser Anweisung ergibt sich für den Fachmann lediglich, dass zumindest sämtliche Teile, die für die Zuspanneinheit funktionsnotwendig sind, als vormontierte Einheit zur Verfügung gestellt werden sollen, wobei dem Fachmann jedoch nicht gesagt wird, dass er nur diese Teile als Einheit vormontieren dürfe. Dem Fachmann bleibt es vielmehr überlassen, die vormontierte Einheit um weitere, nicht zur Zuspanneinheit gehörende Bauteile anzureichern, wenn er meint, damit einen noch größeren Nutzen bei der Montage zu erzielen. Die Lehre der Klagepatente verwehrt im dies nicht. Solange die vormontierte Einheit die Zuspanneinheit umfaßt, ist das Merkmal G verwirklicht.

Was schließlich die mit dem Merkmal H gegebene Bemessungsregel angeht, betrifft diese die vormontierte Zuspanneinheit. Die Öffnung ist also danach so groß zu bemessen, dass die vormontierte Zuspanneinheit in den Bremssattel einführbar ist, was allerdings nicht ausschließt, sie auch etwas größer zu bemessen, solange dadurch die Formstabilität des Bremssattels nicht entscheidend leidet. Sofern mit der Zuspanneinheit auch andere Bauteile vormontiert worden sind, die nicht in den Bremssattel eingeführt werden müssen, muß die Öffnung aber auch nicht so groß sein, dass diese nicht einzuführenden Bauteile in den Bremssattel eingeführt werden können.

II.

Von der sich so darstellenden technischen Lehre der beiden Klageschutzrechte macht die angegriffene Ausführungsform wortsinngemäß Gebrauch. Es handelt sich bei ihr um eine Scheibenbremse für Fahrzeuge, insbesondere für „nahezu jedes Nutzfahrzeug“( vgl. Werbeprospekt der Beklagten gemäß Anlage K 15 Seite 6), mit einem eine Bremsscheibe umfassenden Bremssattel. Dies lehrt der Augenschein der Abbildungen in den Werbeunterlagen der Beklagten gemäß Anlagen K 15, Seiten 6 und 7 (= W 3), K 16 und K 17. Die mit Bezugszeichen versehenen Abbildungen in Anlage K 26, die diesen Werbeunterlagen entnommen sind, zeigen mit dem Bezugszeichen 1 den eine Bremsscheibe, die das Bezugszeichen 3 trägt, umfassenden Bremssattel.

Neben dem Merkmal A verwirklicht die angegriffene Ausführungsform auch das Merkmal B dem Wortlaut nach, da – wie sich aus den zuvor genannten Anlagen ergibt – der Bremssattel bei der angegriffenen Ausführungsform einteilig ist.

Die angegriffene Ausführungsform weist auch eine Zuspanneinheit auf, die unter anderem einen schwenkbaren Drehhebel, der gemäß Merkmal D von einem Betätigungszylinder beaufschlagt wird, und einen Exzenter, der entsprechend Merkmal E auf eine Brücke einzuwirken vermag, umfasst. Entsprechend dem Wortsinn des Merkmals F ist die Brücke gegen Federkraft in Richtung der Bremsscheibe verschiebbar und weist zwei mit Druckstücken versehene Stellspindeln auf (vgl. insbes. Anlage BK 1 sowie Anlage K 26). In der von der Beklagten überreichten Anlage BK 1 sind diese Teile näher bezeichnet. Mit 15 ist der Drehhebel gekennzeichnet, wobei der untere, nicht mit einer Bezugsziffer versehene Teil des Drehhebels 15 als Exzenter dient, der auf eine Brücke 29 einzuwirken vermag. Außerdem sind zwei mit Druckstücken 35,37 versehene Stellspindeln 31, 33 vorhanden.

Diese im Sinne der erfindungsgemäßen Lehre im wesentlichen die „Zuspanneinheit“ ausmachenden Bauteile sind, wie sich aus den überreichten, die angegriffene Ausführungsform darstellenden Anlagen ergibt, als „vormontierte Einheit“ im Sinne von Merkmal G ausgebildet, wobei die erfindungsgemäße Lehre es offenläßt, durch welche Mittel die Zusammenfügung zu einer vormontierten Einheit erfolgt und lediglich Unteranspruch 3 für eine bevorzugte Ausführungsform der Erfindung angibt, dass dies durch ein Bügelelement erfolgen könne. Bei der angegriffenen Ausführungsform ist die Zusammenfügung mittels der aus Anlage BK 1 ersichtlichen Klammer c erfolgt.

Wie oben bereits ausgeführt, verlangt die Verwirklichung der Merkmals G nicht, dass nur die Zuspanneinheit bzw. die für sie notwendigen Bauteile Bestandteil(e) der vormontierten Einheit ist (sind). Der wortsinngemäßen Verwirklichung des Merkmals G steht daher nicht entgegen, dass bei der angegriffenen Ausführungsform über die Zuspanneinheit im Sinne der Erfindung hinaus weitere Teile, wie zum Beispiel die Verschlussplatte 41, zur vormontierten Einheit gehören.

Die erfindungsgemäße Zuspanneinheit, die bei der angegriffenen Ausführungsform aus den oben im einzelnen genannten Bauteilen besteht, ist entsprechend Merkmal C der Erfindung nach den beiden Klageschutzrechten im rückwärtigen Bereich des Bremssattels angeordnet. Sie stützt sich, wie insbesondere aus den Abbildungen der angegriffenen Ausführungsform in den Anlagen K 16 – oben im Tatbestand wiedergegeben – und K 26 ersichtlich ist, an der Innenseite der rückwärtigen Wand des Bremssatteles ab und reicht dann allerdings, was jedoch, wie oben ausgeführt, für die Verwirklichung des Merkmals C unschädlich ist, mit ihren Druckstücken 35,37 in die Nähe der Bremsscheibe.

Dieser rückwärtige Bereich des Bremssattels ist im Sinne des Merkmals C auch „weitgehend geschlossen“, wie ebenfalls die Abbildungen in den Anlagen K 16 und K 26 deutlich machen. Es gibt in diesem Bereich im wesentlichen nur zwei Öffnungen, nämlich zum einen die Öffnung für den Drehhebel, die stets erforderlich ist und auch in den Figuren der Klagepatentschriften gezeigt wird, und überdies eine im Verhältnis zu der gesamten rückwärtigen Gehäusefläche des Bremssattels verhältnismäßig kleine seitliche Öffnung. Ihre Ausdehnung ist nicht geeignet, den rückwärtigen Bereich des Bremssattels, in dem die Zuspanneinheit angeordnet ist, nicht mehr als „weitgehend geschlossen“ bzw. als „im wesentlichen geschlossen“ anzusehen, zumal nichts dafür ersichtlich ist, dass dadurch die Formstabilität des Bremssattels nicht gewahrt sei und dass es dadurch nicht mehr ermöglicht werde, die Bremskräfte direkt in den Bremssattel zu übertragen.

Schließlich ist auch das Merkmal H dem Wortsinne nach verwirklicht, da die der Bremsscheibe zugewandte Öffnung so bemessen ist, dass durch sie die vormontierte Zuspanneinheit in den Bremssattel einführbar ist, was wiederum besonders deutlich aus den oben im Tatbestand wiedergegebenen Abbildungen aus Anlage K 16 und auch aus den Abbildungen in Anlage K 26 ersichtlich ist. – Dass bei der angegriffenen Ausführungsform zur vormontierten Einheit nicht nur die Zuspanneinheit gehört, sondern weitere Teile wie die Verschlussplatte und diese durch die Öffnung nicht einführbar ist, steht der Verwirklichung des Merkmals H nach den obigen Erläuterungen zur Lehre der Klageschutzrechte nicht entgegen. Nach Merkmal H soll nur die vormontierte Zuspanneinheit einführbar sein, sind aber zur vormontierten Zuspanneinheit Bauteile hinzugefügt, die, wie die Verschlussplatte, die Öffnung verschließen sollen, müssen sie nicht durch die Öffnung in den Bremssattel „einführbar“ sein – Soweit schließlich bei der angegriffenen Ausführungsform die Öffnung über die zur Einführung der vormontierten Zuspanneinheit erforderliche Ausdehnung etwas hinausgehen sollte, steht auch dies der Verwirklichung des Merkmals H nicht entgegen, da zum einen der Patentanspruch mit diesem Merkmal ohnehin keine Angaben dazu macht, mit welchen Baumaßen die vormontierte Zuspanneinheit ausgeführt werden soll, so dass auch relativ große Öffnungen von dem Merkmal H erfaßt werden, und da zum anderen, worauf auch schon das Landgericht im angefochtenen Urteil zutreffend hingewiesen hat (vgl. Seite 26 – Bl. 156 GA), nichts dafür ersichtlich sei, dass aufgrund der Größe dieser Öffnung bei der angegriffenen Ausführungsform die Stabilität des Bremssattelgehäuses beeinträchtigt sei.

Nach alledem ist die landgerichtliche Beurteilung einer wortsinngemäßen Verwirklichung der Patentansprüche 1 der beiden Klagepatente auch dann zutreffend, wenn man berücksichtigt, dass der Bremssattel nach der nunmehr eingeschränkten Lehre dieser beiden Ansprüche einteilig ausgebildet sein muß.

III.

1.
Da die Beklagte den Gegenstand der beiden Klageschutzrechte in der Bundesrepublik Deutschland rechtswidrig benutzt hat, ist sie gemäß §139 Abs. 1 PatG in Verb. mit §§ 9, 14 PatG bzw. gemäß Art. 64 EPÜ in Verbindung mit den vorgenannten Vorschriften des Patentgesetzes zur Unterlassung entsprechend dem Urteilsausspruch zu I. 1. a) verpflichtet.

Entsprechend dem von der Klägerin mit der Anschlussberufung verfolgten Begehren war der Unterlassungstitel aber auch entsprechend dem Urteilsausspruch zu Ziffer I. 1. b) auf das Anbieten und/oder Liefern von Zuspanneinheiten, wie sie im Antrag zu I.1 a) der Klägerin beschrieben sind, für Scheibenbremsen, wie sie ebenfalls im Antrag zu I.1 a) der Klägerin beschrieben sind, zu erstrecken.

Diese Zuspanneinheit ist , wie oben dargelegt, erfindungsgemäß als vormontierte Einheit ausgebildet (Merkmal G) und kann so entsprechend Merkmal H – bei entsprechender Gestaltung der Bremssattels – in den Bremssattel eingeführt werden. Diese vormontierte Einheit stellt sich jedenfalls dann, wenn sie für eine Scheibenbremse für Fahrzeuge mit einem eine Bremsscheibe umfassenden einteilig ausgebildeten Bremssattel, in welchen sie durch eine der Bremsscheibe zugewandte Öffnung des Bremssattels einführbar ist und in welchem sie in dem rückwärtigen, bremsscheibenabgewandten Bereich des Bremssattels, der weitgehend geschlossen ist, anzuordnen ist, angeboten und/oder geliefert wird, als ein Mittel im Sinne von § 10 PatG dar, welches sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht. Wesentliche Elemente der Erfindung sind solche Merkmale (Bauteile) eines Erzeugnisses, denen für die Verwirklichung der Erfindung mehr als nur untergeordnete Bedeutung zukommt (vgl. Benkard, PatG, 9. Aufl., § 10 Rdn. 14). Es kann – wie sich aus den obigen Erläuterungen unter Ziffer I. dieser Entscheidungsgründe ergibt – keinem Zweifel unterliegen, dass die erfindungsgemäß vormontiert ausgebildete Zuspanneinheit der angegriffenen Ausführungsform, die in den Bremssattel einführbar ist, für die Verwirklichung der Erfindung nicht von untergeordneter Bedeutung ist, sondern von ganz erheblicher Bedeutung. Sie stellt das Kernstück der Erfindung dar.

Nach § 10 Abs. 1 PatG, der über Art. 64 EPÜ auch für das Klagepatent II gilt, hat jedoch das Patent die Wirkung, dass es jedem Dritten verboten ist, ohne Zustimmung des Patentinhabers anderen als zur Benutzung der Erfindung berechtigten Personen solche Mittel zur Benutzung der Erfindung im Geltungsbereich des Patentgesetzes anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, dass diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Der Ausnahmetatbestand von § 10 Abs. 2 PatG liegt hier nicht vor, da es sich bei der hier in Rede stehenden vormontierten Zuspanneinheit nicht um ein allgemein im Handel erhältliches Erzeugnis handelt.

Die Beklagte hat die vormontierte Zuspanneinheit, wie sie im Antrag zu I.1 a) beschrieben ist in der Bundesrepublik Deutschland für Scheibenbremsen, wie sie die Klägerin im Antrag I. 1 a) ebenfalls beschrieben hat, ausweislich der überreichten Werbeunterlagen angeboten. Damit ist die Wiedeholungsgefahr begründet, sie weiterhin für derartige Scheibenbremsen anzubieten, und zugleich die Begehungsgefahr, sie entsprechend dem Angebot in die Bundesrepublik Deutschland für derartige Scheibenbremsen zu liefern. Aus der Anlage K 15 Seiten 6, 7 (= Anlage W 3) und der Anlage K 17, beides Werbeunterlagen, welche die Beklagte in der Bundesrepublik Deutschland bezüglich der mit der Klage angegriffenen Scheibenbremse verbreitet hat, ergibt sich für den Adressaten, dass er die vormontierte Zuspanneinheit (Betätigungseinheit) bei der Beklagten separat (isoliert) bestellen kann und sie in eine Scheibenbremse einbauen kann, die entsprechend aufgebaut ist, wie die in diesen Werbeunterlagen der Beklagten dargestellte Scheibenbremse der Beklagten, also mit einem einteiligen Bremssattel, welcher eine Öffnung auf der bremscheibenzugewandten Seite hat, durch die die Zuspanneinheit einführbar ist und mit einem entsprechend der angegriffenen Scheibenbremse ausgebildeten rückwärtigen Bereich des Bremssattels, in welchem die Zuspanneinheit anzuordnen ist.

So finden sich zum Beispiel in dem Werbesprospekt gemäß Anlage K17 auf der linken Seite neben der Abbildung der angegriffenen Scheibenbremse mit ihren einzelnen noch nicht zusammengebauten Bauteilgruppen, nämlich u. a. der vormontierte Betätigungseinheit, die die vormontierte Zuspanneinheit umfaßt, und der entsprechend der Erfindung ausgebildete Bremssattel (Bremssattelgehäuse), in dem die vormontierte Betätigungeinheit einführbar ist, folgende Werbeaussagen der Beklagten:

„H1xxxx Scheibenbremsen werden entsprechend den Anfor- derungen der Kunden geliefert, entweder als eine komplette Bremse einschließlich Bremsbelägen, Bremszylinder und Bremsbelagverschleiß-Sensor oder als einzelne Module, z. B. die Betätigungseinheit. In diesem Fall kann der in sich geschlossene Mechanismus direkt in die Bremse eingebaut werden.“

„H1xxxx Scheibenbremsen können als eine komplette Brem- se oder in einzelnen Modulen geliefert werden. Die Betäti- gungseinheit kann z. B. als separate Einheit in die Rad- bremse des Fahrzeugherstellers eingebaut werden.“

„Die Betätigungseinheit kann separat geliefert werden, wenn sie in eine Scheibenbremse des Fahrzeugherstellers inte- griert werden soll.“

„Falls die Betätigungseinheit direkt in die Bremse integriert werden soll, wird sie als eine in sich geschlossene Bremsein- heit geliefert.“

In Verbindung mit der bildlichen Darstellung der mit der Klage angegriffenen Scheibenbremse, die, wie oben dargestellt, wortsinngemäß die Lehre der Patentansprüche 1 der beiden Klageschutzrechte verwirklicht, wird damit den Adressaten dieser in Deutschland verteilten Werbung angeboten, die die erfindungsgemäß vormontierte Zuspanneinheit umfassende vormontierte Betätigungseinheit zu erwerben, und zwar für Scheibenbremsen, wie sie auch die Beklagte anbietet, die also einen einteilig ausgebildeten Bremssattel haben, der auf der bremsscheibenzugewandten Seite eine Öffnung zur Einführung der vormontierten Zuspanneinheit hat und der auf der anderen (rückwärtigen, bremsscheibenabgewandten) Seite einen weitgehend geschlossenen Bereich hat, in welchem die vormontierte Betätigungseinheit eingebaut werden kann.

Dieses mit dem Antrag der Anschlussberufung zu I.1 b) erfasste Verhalten der Beklagten, welches die Gefahr begründet, dass sie entsprechend dem Angebot, auch liefern wird, erfüllt die Voraussetzungen des § 10 PatG, da damit ein Mittel angeboten wird, welches sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht, und bei welchem es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, dass dieses Mittel dazu geeignet und bestimmt ist, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.

Soweit die Beklagte die in Rede stehenden vormontierten Betätigungseinheiten auch für Scheibenbremsen mit einem mehrteiligen Bremssattel oder mit einem Bremssattel anbietet, der sich in anderer Hinsicht von dem Bremssattel unterscheidet, den die Klägerin in ihrem Antrag zu I.1.a) beschrieben hat, wird dies von den mit der Anschlussberufung der Klägerin geltend gemachten Anträgen und damit auch von dem Urteilsausspruch nicht erfasst.

2.
Die Beklagte ist der Klägerin überdies gemäß § 139 Abs. 2 PatG bzw. Art. 64 EPÜ in Verbindung mit der vorgenannten Vorschrift zum Schadensersatz verpflichtet, wobei sich diese Verpflichtung nicht nur darauf bezieht, dass die Beklagte die Erfindung nach den beiden Klageschutzrechten gemäß § 9 PatG zuwider benutzt hat, sondern sich auch darauf erstreckt, dass sie, wie zuvor dargelegt, entgegen § 10 PatG Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der patentierten Erfindung nach den beiden Klageschutzrechten beziehen, angeboten hat.

Dagegen ließ sich jedoch eine Schadensersatzverpflichtung der Beklagten wegen der Lieferung von vormontierten Zuspanneinheiten nicht feststellen, da die Beklagte bestritten hat, separat (isoliert) vormontierte Zuspanneinheiten, wie sie sich aus ihren Werbeunterlagen gemäß Anlagen K 15, K 16 und K 17 ergeben, in die Bundesrepublik Deutschland geliefert zu haben, und die Klägerin, die insoweit darlegungs- und beweispflichtig ist, einen Lieferfall nicht dargetan hat. Die Anschlussberufung der Klägerin war daher insoweit zurückzuweisen.

Zutreffend hat das Landgericht im angefochtenen Urteil bereits darauf verwiesen, dass die Beklagte die begangenen Patentverletzungen auch schuldhaft begangen hat, da sie als Fachunternehmen bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt (§ 276 BGB) zumindest seit dem 7. März 1997 hätte wissen müssen, dass sie mit den beanstandeten Handlungen den §§ 9, 10 PatG zuwiderhandelte.

Die Schadensersatzverplichtung der Beklagten konnte die Klägerin auch gemäß § 256 ZPO feststellen lassen. Dass der Klägerin durch die im Urteilsausspruch zu Ziffer I. 1. a) beschriebenen Handlungen sowie durch die zu Ziffer I. 1. b) beschriebenen Angebotshandlungen ein Schaden entstanden ist, ist hinreichend wahrscheinlich, seine Bezifferung der Klägerin derzeit aber nicht möglich, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Handlungen ohne ihr Verschulden nicht im einzelnen kennt. Auf die Stufenklage als Leistungsklage muß sie sich nicht verweisen lassen.

3.

Schließlich ist die Beklagte wegen der zu Ziffer I.1. a) des Urteilsausspruches beschriebenen Benutzungshandlungen und wegen der zu Ziffer I. 1. b) des Urteilsausspruches bezeichneten Angebotshandlungen auch gemäß §§ 242 BGB, 140 b PatG zur Rechnungslegung verpflichtet, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern und Kenntnis über Herkunft und Vertriebsweg der rechtsverletzenden Erzeugnisse zu erhalten.. Die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, die die Beklagte ihr unschwer, d. h. ohne unzumutbar belastet zu sein, erteilen kann, wobei sich diese Verpflichtung zur Rechnungslegung abweichend vom landgerichtlichen Urteil nur auf die Zeit bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung bezieht, allerdings nunmehr auf den Schluß der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz. – Das weitergehende Rechnungslegungsbegehren der Klägerin auch betreffend die im Urteilsausspruch zu I. 1. b) bezeichneten Lieferhandlungen ist dagegen nicht gerechtfertigt, weil – wie bereits ausgeführt – die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Klägerin nicht dargetan hat, dass die Beklagte die hier in Rede stehenden vormontierten Zuspanneinheiten tatsächlich jemals separat (isoliert) in die Bundesrepublik Deutschland geliefert hat.

IV.
Eine Aussetzung des Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Erledigung des gegen das europäische Patent EP 0 824 639 B 1 (Klagepatent II) bei dem Europäischen Patentamt in München unter dem Aktenzeichen 96 901 709.4 anhängigen Einspruchsverfahren kam nicht in Betracht, da zum einen das Klagepatent I im Einspruchs-Beschwerdeverfahren in dem von der Klägerin in der Berufungsinstanz geltend gemachten Umfang Bestand gehabt hat, und zum anderen und vor allem auch das Klagepatent II nach der „Zwischenentscheidung“ des Europäischen Patentamtes vom 7. November 2001 in dem von der Klägerin in der Berufungsinstanz geltend gemachten Umfang mit einer den Senat überzeugenden Begründung aufrecht erhalten worden ist und überdies nicht erkennbar ist, ob gegen diese Entscheidung überhaupt Beschwerde eingelegt worden ist und/oder noch Beschwerde eingelegt werden kann – was nach den Stempelaufdrucken und Vermerken auf der Anlage H 2 für den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (7. Februar 2002) allerdings zu vermuten ist – und wird.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO a. F.. Die von der Klägerin mit ihrer Anschlussberufung geltend gemachte Zuvielforderung war verhältnismäßig gering und hat keine besonderen Kosten verursacht.

Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 ZPO a. F..

Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichtes nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO n. F.).

S6xxxxxxxx R2xx Dr. B4xxxx