2 U 44/02 – Beton-Schalungsteile

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 219 

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 6. November 2003, Az. 2 U 44/02 

1.

Die Berufung der Beklagten gegen das am 7. März 2002 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Rechnungslegungsverpflichtung des Beklagten zu 2. (= Ausspruch zu I 2 des angefochtenen Urteils) auf Handlungen in der Zeit bis zum 25. September 2001 beschränkt ist und dass sich auch die Schadensersatzverpflichtung des Beklagten zu 2. (= Ausspruch zu II) auf Handlungen beschränkt, die bis zum 25. September 2001 begangen worden sind.

2.

Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung von 250.000,– € abwenden, wenn nicht die Klägerin ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 250.000,– €

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Gebrauchsmusters 94 21 987.7 (im folgenden: Klagegebrauchsmuster), das aus der am 29. Juni 1994 eingegangenen deutschen Patentanmeldung 44 22 448 abgezweigt, am 24. Juli 1997 in die Gebrauchsmusterrolle des Deutschen Patent- und Markenamtes eingetragen und am 4. September 1997 bekannt gemacht worden ist.

Sie ist außerdem ausschließliche Lizenznehmerin an dem u.a. auch für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patent 0 692 352 (im folgenden: Klagepatent), dessen Inhaber ihr Geschäftsführer ist und das auf einer am 22. Juni 1995 unter Inanspruchnahme einer auf der deutschen Patentanmeldung 44 22 448 beruhenden Priorität vom 29. Juni 1994 eingegangenen Anmeldung beruht. Veröffentlichungstag der Anmeldung war der 17. Januar 1996; die Erteilung des Klagepatents ist am 23. September 1998 im Patentblatt bekannt gemacht worden.

Anmelderin beider Schutzrechte war die U GmbH aus Hockenheim. Diese hat das Klagegebrauchsmuster mit Vertrag vom 20./23. Mai 1997 auf die Klägerin und das Klagepatent mit Wirkung vom 1. Dezember 1998 auf den Geschäftsführer der Klägerin übertragen. Letzterer hat der Klägerin mit Vereinbarung vom 22. August 2000 eine ausschließliche Lizenz, und zwar rückwirkend für die Zeit seit seiner Inhaberschaft am Klagepatent, erteilt.

C GmbH aus Schwerte hat im Oktober 2001 gegen das Klagegebrauchsmuster Löschungsantrag beim Deutschen Patent- und Markenamt gestellt und gegen den deutschen Teil des Klagepatents Nichtigkeitsklage vor dem Bundespatentgericht erhoben. Dieses hat die Nichtigkeitsklage mit am Schluss der von ihm anberaumten mündlichen Verhandlung vom 8. Oktober 2003 verkündetem Urteil abgewiesen. Über den Löschungsantrag gegen das Klagegebrauchsmuster hat das Deutsche Patent- und Markenamt bisher noch nicht entschieden.

Anspruch 1 des Klagegebrauchsmusters lautet:

Die Sichtfläche eines Betonfertigteils bildendes Schalungsteil aus

faserverstärktem, feinkörnigem Material, das in das Betonfertigteil

eingegossen wird, wobei an der Nahtstelle zwischen dem

Schalungsteil und dem Beton an der Unterseite eine Wassernase

ausgespart wird,

dadurch gekennzeichnet,

dass das Schalungsteil (1) an der Nahtstelle zum Beton an seiner

Unterseite ein der Form der Wassernase entsprechendes Profil

(2) aus gummielastischem, an dem Schalungsteil haftenden

Material aufweist.

Anspruch 1 des Klagepatents hat folgenden Wortlaut:

Die Sichtfläche eines Betonfertigteils bildendes Schalungsteil aus

faserverstärktem, feinkörnigem Material, das in das Betonfertigteil

eingegossen wird,

dadurch gekennzeichnet,

dass an der Nahtstelle zwischen dem Schalungsteil und dem

Beton an der Unterseite eine Wassernase ausgespart wird, derart,

dass das Schalungsteil (1) an der Nahtstelle zum Beton an seiner

Unterseite ein der Form der Wassernase entsprechendes Profil

(2) aus gummielastischem, an dem Schalungsteil haftenden

Material aufweist.

Die nachfolgend wiedergegebene Figur 1 beider Klageschutzrechte zeigt ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel:

Nach der Beschreibung der Klageschutzrechte (Klagepatentschrift: Spalte 1, Zeile 52 bis Spalte 2, Zeile 9; Klagegebrauchsmusterschrift: Seite 4, Zeilen 12 bis 23) wird das in Figur 1 gezeigte Schalungsteil in der Weise hergestellt, dass in die Form (4) mit den oberen und unteren Begrenzungsteilen (5, 6) das Profil (2) eingelegt wird und dass sodann zunächst Feinzement und anschließend faserverstärktes Material in die Form eingespritzt und verdichtet werden.

Die Beklagte zu 1., deren Geschäftsführer in der Zeit vom 24. Februar 1999 bis zum 25. September 2001 der Beklagte zu 2. war, stellt her und vertreibt Abschalelemente, wegen deren Ausgestaltung auf die von der Klägerin als Anlagen K 9 und K 10 vorgelegten Prospekte der Beklagten zu 1., insbesondere auf die nachfolgend wiedergegebene, in der Anlage K 9 enthaltene Abbildung verwiesen wird:

Diese Schalungsteile werden im Extrudierverfahren hergestellt; nach dem Aushärten wird in den unten rechts erkennbaren Aufnahmeschlitz des Schalungsteils die dort ebenfalls sichtbare Dichtleiste eingeschoben, die aus Polystyrol besteht und auf einer Seite mit einer PE-Schaumstoffbeschichtung versehen ist.

Die Abnehmer der Beklagten zu 1. setzen die Schalungselemente auf einen Schalungstisch auf und gießen anschließend Beton an, um z.B. Balkonplatten herzustellen. Dabei bildet die Dichtleiste eine Barriere für den eingegossenen Beton, so dass das fertige Betonteil in diesem Bereich eine Wassernase mit etwa dreieckigem Querschnitt aufweist.

Die Klägerin, die die Ansicht vertritt, mit der Herstellung und dem Vertrieb der genannten Schalungselemente verletzten die Beklagten beide Klageschutzrechte, hat die Beklagten auf Unterlassung, Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatz- und Entschädigungspflicht in Anspruch genommen, während die Beklagten um Klageabweisung gebeten haben.

Sie haben eingewendet:

Die angegriffenen Schalungsteile verletzten die Klageschutzrechte nicht, denn bei ihnen fehle ein der Form der Wassernase entsprechendes Profil aus gummielastischem Material, das an dem Schalungsteil hafte. Dafür stelle auch die Dichtleiste kein äquivalentes Ersatzmittel dar, weil mit ihr eine von den Klageschutzrechten erstrebte vereinfachte Herstellung nicht möglich sei und weil der Durchschnittsfachmann, der sich an der Lehre der Klageschutzrechte orientiere, eine solche Gestaltung nicht ohne erfinderische Bemühungen habe auffinden können.

Das Landgericht hat, im wesentlichen den Anträgen der Klägerin folgend,

I. die Beklagten verurteilt,

1.

es bei Meidung der (näher bezeichneten) gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,

die Sichtfläche eines Betonfertigteils bildende Schalungsteile aus faserverstärktem, feinkörnigem Material, das in das Betonfertigteil eingegossen wird,

herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei denen an der Nahtstelle zwischen dem Schalungsteil und dem Beton an der Unterseite eine Wassernase ausgespart wird, derart, dass das Schalungsteil an der Nahtstelle zum Beton an seiner Unterseite eine Profilleiste aus Polystyrol mit einer PE-Schaumstoffbeschichtung aufweist, die eine Barriere für den Beton darstellt und so die Form der Wassernase bestimmt;

2.

der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagten) die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 4. Oktober 1997 begangen hätten, und zwar unter Angabe

a)

der Herstellungsmengen und –zeiten,

b)

der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten,

-preisen, Typbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der jeweiligen Abnehmer,

c)

der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen, Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der jeweiligen Angebotsempfänger,

d)

der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e)

der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns.

Des weiteren hat das Landgericht

II.

festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet seien, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten Handlungen entstanden sei und noch entstehen werde, und zwar die Beklagte zu 1. für die seit dem 4. Oktober 1997 und der Beklagte zu 2. gesamtschuldnerisch mit ihr für die seit dem 24. Februar 1999 begangenen Handlungen.

Auf das Urteil vom 7. März 2002 wird Bezug genommen.

Die Beklagten haben Berufung eingelegt, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgen und hilfsweise darum bitten, die Verhandlung des vorliegenden Rechtsstreits auszusetzen bis zum rechtskräftigen Abschluss der oben erwähnten, gegen die Klageschutzrechte anhängigen Verfahren auf Löschung bzw. Nichtigerklärung.

Die Klägerin bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels mit der aus dem Tenor dieses Urteils ersichtlichen Maßgabe und widerspricht der von den Beklagten beantragten Aussetzung.

Die Parteien wiederholen und ergänzen ihr bisheriges Vorbringen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist nicht begründet. Der Senat hat lediglich, dem Antrag der Klägerin folgend, dem Umstand Rechnung getragen, dass der Beklagte zu 2. inzwischen nicht mehr Geschäftsführer der Beklagten zu 1. ist.

A.

Die Erfindung nach den Klageschutzrechten betrifft Schalungsteile aus feinkörnigem Material mit Faserverstärkung, die – als sogenannte verlorene Schalungsteile – in Betonfertigteile wie z.B. Balkonplatten oder dergleichen integriert werden und wegen ihrer geschlossenen, sauberen Oberfläche dazu verwendet werden, die Sichtfläche des jeweiligen Betonfertigteils zu bilden.

Die Klageschutzrechte (Klagegebrauchsmuster: Seite 3, Zeilen 12 bis 21; Klagepatent: Spalte 1, Zeilen 5 bis 15) bezeichnen derartige Schalungsteile als bekannt und weisen dabei auch darauf hin, Betonfertigteile würden üblicherweise mit einer Wassernase versehen, um das Kriechen von Regenwasser – nämlich an der Unterseite des Betonfertigteils entlang zur Hauswand hin – zu unterbinden.

Die Klagepatentschrift (Spalte 2, Zeilen 16 bis 20) nennt insoweit die FR-A 2 645 565 (Anlage K 5) und die US-A-4 223 502 (Anlage K 6), die derartige Schalungselemente und ihre Herstellung betreffen; sie kritisiert an diesem Stand der Technik, dass dort die Wassernase nachträglich (z.B. durch Ausstemmen) hergestellt werden müsse.

Beide Klageschutzrechte bezeichnen es als Aufgabe der Erfindung, bei Verwendung der genannten Schalungsteile die Wassernasen in kostengünstiger Weise herzustellen.

Das so bezeichnete technische Problem soll nach Anspruch 1 beider Klageschutzrechte erfindungsgemäß gelöst werden durch eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen:

1.

Ein Schalungsteil (1), das

a) aus faserverstärktem, feinkörnigem Material besteht,

b) in ein Betonfertigteil eingegossen wird und

c) die Sichtfläche des Betonfertigteils bildet.

2.

An der Nahtstelle zwischen dem Schalungsteil (1) und dem

Beton wird an der Unterseite eine Wassernase ausgespart.

3.

Zu diesem Zweck weist das Schalungsteil (1) an der Naht-

stelle zum Beton an seiner Unterseite ein der Form der Wasser-

nase entsprechendes Profil (2) auf.

4.

Das Profil besteht aus gummielastischem, an dem Schalungs-

teil (1) haftenden Material.

Die schutzrechtsgemäße Lösung mit den genannten Merkmalen betrifft ein „fertiges“ Schalungsteil, ohne dass es darauf ankommt, nach welchem Verfahren dieses hergestellt wird. Mit der Art der Herstellung beschäftigt sich nämlich keines der Merkmale des Anspruchs 1.

Es ist daher nicht erforderlich, dass bei der Herstellung des Schalungsteils so verfahren wird, wie es die Beschreibung der Klageschutzrechte hinsichtlich des Ausführungsbeispiels gemäß Figur 1 darstellt, dass also das Schalungsteil im Guss- oder Spritzverfahren produziert wird, wobei das in den Merkmalen 3 und 4 genannte Profil schon vor der Herstellung des Schalungsteils in die dafür bestimmte Form eingelegt werden muss. Die Klageschutzrechte überlassen die Wahl des Herstellungsverfahrens vielmehr dem Durchschnittsfachmann, der deshalb auch z.B. ein Extrudierverfahren wählen kann, bei welchem derjenige Teil der – gemäß Merkmal 2 an der Nahtstelle zwischen dem Schalungsteil und dem daran angegossenen Beton vorgesehenen – Wassernase, der sich an dem Schalungsteil befindet, allein aufgrund der Gestaltung der Negativform (aus der das Schalungsteil extrudiert wird) beim Extrudieren entsteht. Das in den Merkmalen 3 und 4 genannte Profil kann daher, ohne die Lehre der Klageschutzrechte zu verlassen, auch nachträglich mit dem Schalungsteil verbunden werden, wobei allerdings angesichts der ausdrücklich genannten Aufgabenstellung nur eine solche Art der Verbindung in Betracht kommt, die „kostengünstig“ ist, also nur einen geringen Aufwand erfordert.

Da erfindungsgemäß das – aus dem (allein) geschützten Schalungsteil und dem daran angegossenen Beton bestehende – Betonfertigteil als Ganzes erst hergestellt werden kann, wenn das Schalungsteil bereits vollständig fertig ist, an welches nämlich anschließend der Beton angegossen wird, erkennt der Durchschnittsfachmann ohne weiteres, dass das zur Herstellung der Wassernase an der Nahtstelle zwischen dem Schalungsteil und dem Beton dienende Profil eine – der Form der Wassernase entsprechende (so Merkmal 3) – Gestaltung eigentlich nur in dem Bereich aufweisen muss, der auf der Seite des anzugießenden Betons liegt und die Ausformung des vom Beton gebildeten Teiles der Wassernase bewirkt. Denn vor Beginn des Angießens des Betons an das Schalungsteil muss dieses selbst – und damit auch der von ihm gebildete Teil der Wassernase – bereits vollständig fertig sein.

Dass das Profil darüber hinaus eine besondere Ausgestaltung haben müsse, die eine zuverlässige Abdichtung zur Oberfläche des Schalungstisches hin bewirkt, um zu vermeiden, dass beim Angießen des Betons „ein Kriechen des Zements in den Sichtbereich des Schalungsteils 1“ (so die Klagepatentschrift in Spalte 2, Zeilen 21 bis 24, und die Klagegebrauchsmusterschrift auf Seite 5, Zeilen 4 bis 7) hinein stattfindet, ist nicht Inhalt des Anspruchs 1 der beiden Klageschutzrechte, sondern erst des jeweiligen Anspruchs 2, welcher lehrt, das Profil an seiner Unterseite mit Stegen (2 a) auszustatten, die über die Unterseite des Schalungsteiles geringfügig vorstehen. Zwar wird der Durchschnittsfachmann auch von einem nur dem Anspruch 1 entsprechenden Schalungsteil erwarten, dass das Profil weitgehend dicht auf dem Schalungstisch aufliegt, damit beim Gießen möglichst weder Beton noch Betonmilch in den Sichtbereich des Schalungsteiles gelangen. Er wird aber als selbstverständlich voraussetzen, dass die Oberfläche des Schalungstisches, auf welchen das erfindungsgemäße Schalungsteil aufgesetzt wird, eben und von Betonresten aus früheren Gießvorgängen frei ist, so dass der genannte Erfolg eintritt, wenn das Profil mit seiner dem anzugießenden Beton zugewandten Seite glatt auf dem Schalungstisch aufliegt.

Was das Material des Profils betrifft, so spricht Merkmal 4 nur davon, es solle „gummielastisch“ sein und an dem Schalungsteil „haften“. Es ist also nicht erforderlich, das Profil wirklich aus Gummi herzustellen, sondern nur, eine Gestaltung zu wählen, die einerseits eine ausreichende Elastizität aufweist, andererseits aber auch geeignet ist, aufgrund seiner Beschaffenheit an dem Schalungsteil zu „haften“, also mit ihm – und zwar, ohne dass es aufwendiger Maßnahmen wie etwa des Aufbringens von Klebstoff oder dergleichen bedarf -, so verbunden zu werden, dass man das Schalungsteil mitsamt dem bereits in der richtigen Position befindlichen Profil nur auf einen Schalungstisch aufzusetzen braucht, um anschließend mit dem Angießen des Betons zur Herstellung des endgültigen Betonfertigteils mit der darin vorhandenen Wassernase zu beginnen.

Wie im einzelnen das von Merkmal 4 gelehrte „Haften“ bewirkt wird, schreiben die Klageschutzrechte nicht vor. Es kommt daher nicht nur eine solche Haftung in Betracht, die auf der mikroskopischen Oberflächenbeschaffenheit zweier Materialien – hier also des Schalungsteiles und des Profils – beruht, sondern jede andere, solange diese auf der Beschaffenheit des Schalungsteils und des Profils beruht und keine zusätzlichen aufwendigen Maßnahmen wie etwa Kleben oder dergleichen erfordert. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht aus dem Vorbringen der Klägerin in ihrem Widerspruch gegen den das Klagegebrauchsmuster betreffenden Löschungsantrag (Anlage L 6). Denn das dortige, von den Beklagten auf Seite 9 ihrer Berufungsbegründung (Bl. 95 GA) hervorgehobene Zitat auf Seite 10 der Widerspruchsschrift befasst sich mit einer Gestaltung, bei der ein Gummiprofil durch Kleben mit der Stirnseite des Schalungsteils verbunden worden sein soll.

B.

Von der oben dargestellten Lehre der Klageschutzrechte macht das angegriffene Schalungsteil teils wortsinngemäß, teils äquivalent Gebrauch.

Das ist hinsichtlich der – wortsinngemäß verwirklichten – Merkmale 1 (mit den Untermerkmalen 1 a bis 1 c) und 2 offensichtlich und wird auch von den Beklagten nicht in Abrede gestellt, so dass es keiner weiteren Erörterung bedarf.

Auch das Merkmal 3 ist erfüllt, allerdings nicht seinem Wortsinne nach, denn die angegriffene Ausführungsform weist an ihrer Unterseite kein „der Form der Wassernase entsprechendes Profil“ auf. Das würde nämlich voraussetzen, dass an der Unterseite des Schalungsteiles etwas vorhanden wäre, das spiegelbildlich die Form der (gesamten) Wassernase aufwiese und nach oben und zur Seite hin den gesamten Raum einnähme, der später ausgespart bleiben muss, um die Wassernase zu bilden. Demgegenüber weist die angegriffene Ausführungsform an ihrer Unterseite in dem Bereich, in dem die Wassernase vorgesehen ist, nur eine streifenförmige Dichtleiste auf, die beim Angießen des Betons für diesen eine Barriere bildet und so dafür sorgt, dass sich der zunächst noch fehlende betonseitige Teil der Wassernase bildet.

Mit dieser Ausgestaltung ist das Merkmal 3 aber in äquivalenter Weise verwirklicht:

Wie oben (unter A.) bereits ausgeführt, kommt es, weil das Schalungsteil samt dem von ihm gebildeten Teil der Wassernase bereits fertig sein muss, bevor mit dem Angießen des Betons begonnen wird, nur darauf an, dass das gemäß Merkmal 3 vorgesehene „Profil“ (oder ein an seine Stelle tretendes Teil wie etwa eine Leiste) eine Form hat, die dem betonseitigen Teil der Wassernase entspricht und damit gewährleistet, dass sich beim Gießen auch dieser Teil ausbildet. Das ist bei der Dichtleiste, mit der die angegriffene Ausführungsform ausgestattet ist, der Fall. Sie bildet sozusagen die Schalung für die Ausbildung des betonseitigen Teiles der Wassernase, indem sie den eingegossenen Beton daran hindert, in den Raum einzudringen, der von der fertigen Wassernase ausgespart bleiben muss. Sie ist hinreichend steif, um unter dem Druck des Betons nicht einzuknicken, und sie legt sich mit ihrem unteren Rand unter dem Druck des Betons so an den Schalungstisch an, dass sie – entsprechend ihrer Bezeichnung als „Dichtleiste“ – eine Abdichtung bewirkt, die das Eindringen sowohl von Beton als auch von Betonmilch in den Bereich der Wassernase verhindert, worauf die Beklagte zu 1. in ihren Prospekten (Anlagen K 9 und K 10) ausdrücklich hinweist.

Dass die Dichtleiste erst nach dem Extrudieren und Aushärten des eigentlichen Schalungsteils in dessen Aufnahmeschlitz eingeschoben wird, ändert an der Verwirklichung des Merkmals 3 nichts, weil es – wie oben (unter A.) ausgeführt – für die Frage, ob ein Schalungsteil unter Anspruch 1. der Klageschutzrechte fällt, nicht darauf ankommt, nach welchem Verfahren das Schalungsteil hergestellt worden ist.

Wie noch – im Zusammenhang mit Merkmal 4 – auszuführen sein wird, konnte schließlich der Durchschnittsfachmann am Prioritätstag der Klageschutzrechte eine Ausgestaltung wie die hier gegebene ohne weiteres auffinden, wenn er sich an der Lehre der Klageschutzrechte orientierte.

Verwirklicht ist bei dem angegriffenen Schalungsteil darüber hinaus auch das Merkmal 4, und zwar weitgehend wortsinngemäß mit der einzigen Abweichung, dass die Dichtleiste bei der angegriffenen Ausführungsform, wie oben dargelegt, kein „Profil“ im Wortsinne der Merkmale 3 und 4 ist.

Die Dichtleiste, die aus Polystyrol besteht, das auf seiner einen Seite mit einer PE-Schaumstoffbeschichtung versehen ist, besteht damit aus „gummielastischem“ Material in dem oben (unter A.) dargelegten Sinne.

Die Dichtleiste ist nämlich einerseits – aufgrund der PE-Schaumstoffbeschichtung – so elastisch, dass sie in den Aufnahmeschlitz des Schalungsteils eingesteckt werden kann, auch wenn dieser schmaler ist, als die Dichtleiste (ohne Zusammendrücken der Schaumstoffbeschichtung) dick ist. Andererseits bewirkt gerade diese Elastizität, dass die Dichtleiste nach ihrem Hineinschieben in den Aufnahmeschlitz dort hinreichend fest sitzt, also an dem Schalungsteil „haftet“, weil sich nämlich die Schaumstoffschicht im Schlitz wieder etwas ausdehnt, so dass die gesamte Dichtleiste eingeklemmt wird. Dieses „Haften“ wird auch im Sinne der Aufgabenstellung der Klageschutzrechte „kostengünstig“ erreicht, weil der Aufwand für das schlichte Einstecken der Dichtleiste in den – ebenfalls ohne zusätzlichen Aufwand bereits beim Extrudieren des Schalungsteiles hergestellten – Aufnahmeschlitz nicht größer ist als der, den das positionsgerechte Einlegen des Profils in die Form für das Schalungsteil bei einer dem Ausführungsbeispiel der Klageschutzrechte entsprechenden Ausführungsform erfordert.

Der Durchschnittsfachmann mit den Kenntnissen des Prioritätstages der Klageschutzrechte konnte eine Lösung wie die angegriffene Ausführungsform, bei der statt eines „Profils“ eine Dichtleiste der dort gegebenen Art verwendet wird, auch ohne erfinderische Bemühungen aufgrund von Überlegungen auffinden, die sich an der Lehre der Klageschutzrechte orientierten.

Wie oben bereits ausgeführt, sah er, dass das Teil, das beim Angießen des Betons an das Schalungsteil die Ausbildung der Wassernase bewirkt, eigentlich nur in dem Bereich der Form der Wassernase entsprechen muss, der zu dem anzugießenden Beton hin liegt; ihm waren hinreichend steife Streifen aus Polystyrol bekannt, und er kannte schließlich auch Schaumstoff aus PE, mit dem man Polystyrolstreifen beschichten kann, so dass sie insgesamt „gummielastisch“ werden.

Die Beklagten verletzen daher mit der Herstellung und dem Vertrieb der angegriffenen Schalungsteile beide Klageschutzrechte.

C.

Darauf, ob das Klagegebrauchsmuster als rechtsbeständig angesehen werden kann, kommt es für die Zeit ab dem 23. Oktober 1998 nicht an, weil sich die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche seitdem auch bereits aus dem Klagepatent ergeben. Auf den Rechtsbestand des Klagegebrauchsmusters kommt es nur für die Schadensersatzansprüche der Klägerin aus der Zeit vom 4. Oktober 1997 (= einen Monat nach Veröffentlichung des Klagegebrauchsmusters) bis zum 22. Oktober 1998 an.

Die Schutzfähigkeit des Klagegebrauchsmusters ist zu bejahen. C GmbH beruft sich in dem gegen das Klagegebrauchsmuster anhängigen Löschungsverfahren lediglich darauf, sein Gegenstand sei durch Handlungen in der Zeit ab Ende Mai 1994 offenkundig vorbenutzt worden (§§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 GebrMG) . Weiteres machen auch die Beklagten, die insoweit lediglich auf das Vorbringen der C GmbH in dem genannten Löschungsverfahren Bezug nehmen, im vorliegenden Rechtsstreit nicht geltend. Der Vortrag der C GmbH – unabhängig davon, ob er hinsichtlich des Vorbenutzungstatbestandes überhaupt hinreichend substantiiert ist – bezieht sich aber lediglich auf eine Gestaltung, bei der eine Dreikantleiste aus Gummi an ein Schalungsteil angeklebt worden sein soll, was – wie oben dargelegt – nicht der Lehre der Klageschutzrechte entspricht.

Dieses Vorbringen kann daher den Rechtsbestand des Klagegebrauchsmusters nicht in Frage stellen, wie sich nicht zuletzt daran zeigt, dass das mit sachkundigen Richtern besetzte Bundespatentgericht die auf dasselbe Vorbringen gestützte Nichtigkeitsklage gegen den deutschen Teil des Klagepatents mit Urteil vom 8. Oktober 2003 abgewiesen, die in Rede stehende Erfindung also sogar für patentfähig gehalten hat.

D.

Dass und warum die Beklagten angesichts ihrer Verletzungen der Klageschutzrechte der Klägerin nicht nur zur Unterlassung, sondern auch zum Schadensersatz und zur Rechnungslegung verpflichtet sind, wobei die Klägerin zulässigerweise auf bloße Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten klagen kann, hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt, ohne dass die Beklagten diese Ausführungen besonders angegriffen haben. Der Senat kann daher zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit auf das landgerichtliche Urteil verweisen.

E.

Zu einer Aussetzung der Verhandlung des vorliegenden Rechtsstreits bis zum rechtskräftigen Abschluss der gegen die Klageschutzrechte anhängigen Verfahren (§ 148 ZPO) besteht kein Anlass.

Für die Zeit ab 23. Oktober 1998 kommt es – wie dargelegt – auf die Rechtsbeständigkeit des Klagegebrauchsmusters (die, wie soeben ausgeführt worden ist, nach Ansicht des Senats zu bejahen ist) nicht an, insoweit ist also das Löschungsverfahren gegen das Klagegebrauchsmuster schon nicht vorgreiflich.

Im übrigen gilt: Angesichts des Umstandes, dass ein Patent oder ein Gebrauchsmuster seinem Inhaber nur ein zeitlich begrenztes Ausschließlichkeitsrecht gewährt, dessen Durchsetzung (vor allem die Durchsetzung des im Vordergrund dieses Ausschließlichkeitsrechts stehenden Unterlassungsanspruchs) durch eine Aussetzung der Verhandlung eines Verletzungsrechtsstreits jedenfalls erheblich erschwert würde, kommt eine Aussetzung nur in Betracht, wenn eine Vernichtung des Klageschutzrechts in einem gegen dieses anhängigen Verfahren nicht nur möglich, sondern überwiegend wahrscheinlich ist (vgl. dazu außer BGH, GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug – auch Senat, Mitt. 1997, 257 ff. – Steinknacker – sowie GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe). Das gilt grundsätzlich auch, wenn die klagende Partei bereits über ein erstinstanzliches, gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbares Urteil gegen den als Patent- oder Gebrauchsmusterverletzer in Anspruch genommenen Gegner verfügt, mag auch in einem solchen Fall, wie der Senat in seiner „Steinknacker“-Entscheidung ausgeführt hat, bei der Prüfung der Aussetzungsfrage ein weniger strenger Maßstab anzulegen sein, wobei aber auch hier eine Aussetzung nur in Betracht kommt, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Vernichtung oder dergleichen des jeweiligen Klageschutzrechtes zu erwarten ist.

Das ist hier jedoch nicht der Fall, wie sich aus den obigen Ausführungen zur Frage der Rechtsbeständigkeit des Klagegebrauchsmusters, insbesondere auch aus dem Umstand ergibt, dass das Bundespatentgericht die gegen den deutschen Teil des Klagepatents gerichtete Nichtigkeitsklage der C GmbH abgewiesen hat.

F.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung

über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Zu einer Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) besteht kein Anlass, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht vorliegen: Weder hat die vorliegende Sache – als reine Einzelfallentscheidung – grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortentwicklung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

R1 R2 Dr. C6