2 U 86/99 – Optisches Nachrichtenkabel

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 4 

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 19. Oktober 2000, Az. 2 U 86/99

Die Berufung der Klägerin gegen das am 16. März 1999 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 61.02x DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheiten können auch durch die unbedingte Bürgschaft einer in Deutschland ansässigen, als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 25 23 738 (Anlage 1; nachfolgend: Klagepatent) das am 28. Mai 1993 durch Zeitablauf wirkungslos geworden ist. Das Klagepatent wurde unter Inanspruchnahme der britischen Priorität vom 31. Mai 1974 am 28. Mai 1975 beim Deutschen Patentamt angemeldet. Die Veröffentlichung der Patenterteilung erfolgte am 18. Dezember 1986.

Die Beklagte hatte gegen die Erteilung des Klagepatents Einspruch eingelegt. Mit Beschluß der Patentabteilung 51 des Deutschen Patentamtes vom 23. Januar 1990 wurde das Klagepatent in vollem Umfang aufrechterhalten. Die von der Beklagten dagegen eingelegte Beschwerde wurde mit Beschluß des Bundespatentgerichts vom 15. Juli 1991 zurückgewiesen (An-lage 2).

Der Patentanspruch 1 des Klagepatentes lautet wie folgt:

Optisches Nachrichtenkabel mit einem zugfesten Kern, der mittig innerhalb des optischen Kabels angeordnet ist, einem gegenüber äußeren Einflüssen schützenden Außenmantel sowie mehreren Kanälen, die jeweils zur Aufnahme von einem oder mehreren Lichtwellenleitern dienen,
dadurch gekennzeichnet ,

– daß die Kanäle (5) in einem Zwischenglied (1, 3, 4)
vorgesehen sind, das zwischen Kern (2) und Außenmantel
(9) angeordnet ist, und

– daß die Lichtwellenleiter (6) lose in den Kanälen (5)
liegen.

Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1, 2 und 3 der Klagepatentschrift zeigen Ausführungsbeispiele des erfindungsgemäßen Kabels, wobei die Figur 1 den Querschnitt eines Kabels nach einem ersten Ausführungsbeispiel, Figur 2 den Querschnitt eines Kabels nach einem zweiten Ausführungsbeispiel und Figur 3 den Querschnitt eines Kabels nach einem dritten Ausführungsbeispiel zeigt.

Anlage 1

Die Beklagte hat in der Vergangenheit optische Nachrichtenkabel hergestellt und vertrieben. Ein solches von ihr hergestelltes und vertriebenes optisches Nachrichtenkabel war so ausgestaltet, wie sich dies aus dem nachstehend wiedergegebenen Bild 9.13 ergibt, welches sich auf Seite 134 des Buches gemäß Anl. B 10 „Lichtwellenleiterkabel – Grundlagen, Kabeltechnik, Anlagenplanung“ befindet.

Anlage 2

Wegen der weiteren Einzelheiten dieses optischen Nachrichtenkabels wird auf die von der Klägerin überreichten Kabelstücke (Anlage zu Bl. 115 GA) auf die Fotos gemäß Anlagen 10, 11 und 18 a sowie auf die Querschnittsdarstellung in Anl. B 20 verwiesen. Bei diesem optischen Nachrichtenkabel sind acht Lichtwellenleiter in biegsamen Kunststoffröhrchen (= Hohl-
adern) geführt, die parallel und schraubenförmig („verseilt“) um einem Kern (= volldielektrisches Stützelement) aus massivem Kunststoff angeordnet sind. Das Hohladernbündel ist von einer Schicht aus hochreißfesten Zugelementen aus Aramidgarnen (= Kevlar) umgeben, die axiale Zugkräfte aufnehmen können. An die Schicht aus Aramidgarn schließt sich ein Außenmantel aus Polyethylen an. Die „Zwickel“-Bereiche zwischen Hohladern und Kern einerseits und Aramidgarn andererseits sind mit einer pastösen, Vaseline-ähnlichen Masse ausgefüllt. Die Hohladern sind ebenfalls mit einer pastösen, Vaseline-ähnlichen Füllmasse ausgefüllt.

In dem im Jahre 1986 erschienen Buch gemäß Anl. B 10 ist auf der Seite 115 ein anders gestaltetes optisches Nachrichtenkabel beschrieben und durch das Bild 9.6 dargestellt.

Mit ihrer im Jahre 1996 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, daß die beiden vorgenannten Ausgestaltungen eines optischen Nachrichtenkabels von der Lehre des Klagepatents Gebrauch machten und die Beklagte nicht nur das an erster Stellte genannte Nachrichtenkabel benutzt habe, sondern auch das an zweiter Stelle genannte optische Nachrichtenkabel zumindest im Sinne von § 6 PatG 1968 feilgehalten habe.

Die Klägerin hat beantragt,

I.
die Beklagte zu verurteilen,

ihr Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie in der Zeit vom 11. Januar 1976 bis zum 28. Mai 1993

optische Nachrichtenkabel mit einem zugfesten Kern, der mittig innerhalb des optischen Kabels angeordnet ist, einem gegenüber äußeren Einflüssen schützenden Außenmantel sowie mehreren Kanälen, die jeweils zur Aufnahme von einem oder mehreren Lichtwellenleitern dienen,

gewerbsmäßig hergestellt, feilgehalten, in Verkehr gebracht hat,

– bei denen die Kanäle aus mehreren sich axial er-
streckenden Hohlräumen bestehen, die in einem Material
ausgebildet sind, das zwischen Kern und Außenmantel
angeordnet ist, und

– bei denen die Lichtwellenleiter lose in den Kanälen
liegen,

und zwar

– aufgeschlüsselt nach Typen – und der Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach
Liefermengen (in laufende Meter), -zeiten und
-preisen sowie den Namen und Anschriften der Ab-
nehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach An-
gebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen
und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach
Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungs-
zeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufge-
schlüsselten Gestehungskosten und des erzielten
Gewinns,

wobei

– sich die Verpflichtung zur Rechnungslegung für die
vor dem 1. Mai 1992 begangenen Handlungen auf Hand-
lungen in dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland
in den bis zum 2. Oktober 1990 bestehenden Grenzen
beschränkt;

– die Angaben zu a) nur für die Zeit seit dem 1. Juli
1990 und die Angaben zu e) nur für die Zeit seit dem
18. Januar 1987 zu machen sind.

II.
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist,

1. ihr für die in der Zeit vom 11. Januar 1976 bis zum
17. Januar 1987 begangenen Handlungen der zu Zif-
fer I. bezeichneten Art eine angemessene Entschädi-
gung zu zahlen;

2. ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu
Ziffer I. bezeichneten, in der Zeit vom 18. Januar
1987 bis zum 28. Mai 1993 begangenen Handlungen ent-
standen ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, ihr für den Fall ihrer Verurteilung zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung vorzubehalten, die Namen und Anschriften der Abnehmer und Angebotsempfänger an statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden und dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern sie, die Beklagte, die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer und/oder bestimmte Lieferungen und/oder bestimmte Angebotsempfänger in der Auskunftserteilung/Rechnungslegung enthalten sind.

Die Beklagte hat eine in der Vergangenheit begangene Verletzung des Klagepatents in Abrede gestellt. Sie hat vorgetragen, daß sie ein optisches Nachrichtenkabel, wie es auf Seite 115 des als Anl. B 10 beschrieben und in Bild 9.6 dargestellt sei, nicht hergestellt, vertrieben und feilgehalten habe. – Die andere mit der Klage angegriffene Ausführungsform sei von ihr überhaupt nur bis spätestens 1986 angeboten und vertrieben worden. Diese Ausführungsform mache jedoch von der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch. Dieses optische Nachrichtenkabel weise nämlich kein Zwischenglied im Sinne der erfindungsgemäßen Lehre auf. Die Füllmasse, die die Zwischenräume zwischen den Hohladern und dem ersten Schutzmantel ausfülle, diene nicht dazu, die Lage der Hohladern relativ zueinander und relativ zum zugfesten Kern zu fixieren, um dem Kabel mechanische Zugfestigkeit zu verleihen. Es handele sich vielmehr um eine pastöse Füllmasse, wie sie sich auch im Inneren der Hohladern finde. Diese Füllmasse diene als Gleitmittel und sorge dafür, daß die Biegbarkeit des Kabels erhöht werde. Eine Übertragung der Reibungskräfte auf den zugfesten Kern könne durch diese Füllmasse nicht erfolgen. Auch könne die Füllmasse nicht eigenständig einen Kanal im Sinne der erfindungsgemäßen Lehre bilden. Die Zugkräfte würden bei der angegriffenen Ausführungsform durch eine Schicht von Aramidfasern aufgenommen. Mit den von der Lehre des Klagepatents abweichenden Mitteln habe die angegriffene Ausführungsform das Klagepatent aber auch nicht in patentrechtlich äquivalenter Weise verletzt. Im übrigen stehe ihr für diese Ausführungsform ein Benutzungsrecht aufgrund ihres Patentes 23 02 662 zu. Schließlich seien etwaige Ansprüche der Klägerin auch verjährt bzw. verwirkt. Die Klägerin habe nämlich seit mindestens 1977 den Aufbau der angegriffenen Kabel gekannt.

Das Landgericht hat nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens (vgl. hierzu Bl. 179-183 GA) und nach mündlicher Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen in der Sitzung vom 9. Februar 1999 (vgl. Bl. 251-255 GA) die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß die Klage hinsichtlich der Ausführungsform, die auf Seite 115 des Buches gemäß Anl. B 10 dargestellt ist, schon allein deshalb keinen Erfolg haben könne, weil die Beklagte eine solche Ausführungsform niemals hergestellt, angeboten oder in den Verkehr gebracht habe. In der Verbreitung des Buches gemäß Anl. B 10 liege kein Feilhalten dieser Ausführungsform. Bei dem in Rede stehenden Buch handele es sich um ein Fachbuch, mit dem Dritte nicht angeregt würden, das dort auf Seite 115 dargestellte optische Nachrichtenkabel zum Eigentum oder zur Benutzung zu erwerben. Es sei für den unbefangenen Leser nicht die Absicht erkennbar, daß die Beklagte das auf Seite 115 des Buches gemäß Anl. B 10 dargestellte optische Nachrichtenkabel veräußern oder Dritten zum Gebrauch überlassen wolle. In dem von der Beklagten herausgegebenen Fachbuch finde sich weder eine Typnummer noch eine Bestellanschrift. – Hinsichtlich der anderen Ausführungsform hat das Landgericht ausgeführt, daß diese Ausführungsform von der erfindungsgemäßen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch mache. Bei der angegriffenen Ausführungsform seien nämlich die Kanäle nicht, wie dies die erfindungsgemäße Lehre erfordere, in einem Zwischenglied vorgesehen. Aus der Sicht des Fachmannes sei im Sinne des Klagepatents unter einem Zwischenglied ein starres oder festes Kunststoffteil zu verstehen, das in der Lage sei, Kräfte vom Außenmantel auf den Kern zu übertragen. Ein derartiges Zwischenglied finde sich jedoch bei der angegriffenen Ausführungsform nicht. Die Kraftübertragung bei der angegriffenen Ausführungsform im Falle der Zugbeanspruchung des Kabels erfolge auf die Hülle aus Aramidfasern. Die weiche pastöse Masse, die sich zwischen Kern und Außenmantel befinde, sei auch im Verbund mit den Kunststoffröhrchen, die die Lichtwellenleiter aufnähmen, nicht in der Lage, Zugkräfte aufzunehmen und an den Kern weiterzuleiten. Entgegen der Auffassung der Klägerin verwirkliche die angegriffene Ausführungsform dieses erfindungsgemäße Merkmal auch nicht glatt äquivalent. Die weiche pastöse Masse in Verbindung mit der Anordnung der Lichtwellenleiter in den Kunststoffröhrchen unter Verwendung eines die Zugbeanspruchung aufnehmenden Außenmantels aus Aramidfasern habe dem Fachmann nicht ohne weitere Überlegungen als eine zur Lösung der erfindungsgemäßen Aufgabe gleichwirkende Maßnahme zur Verfügung gestanden, weil dieses Ersatzmittel die Funktion der Übertragung von Reibungskräften auf den Kern nicht erfülle. Schließlich lehre entgegen der Auffassung der Klägerin das Klagepatent auch nicht einen allgemeinen Erfindungsgedanken, der darin bestehe, daß die empfindlichen Lichtwellenleiter von schädlichen Zug- und Druckeinwirkungen dadurch freizuhalten seien, daß durch ein Zwischenglied lediglich eine Trennung zwischen Lichtwellenleitern und Kern/Außenmantel vorgesehen sei. Ein derartiger allgemeiner Erfindungsgedanke sei aus den Patentansprüchen nicht herleitbar und in der Klagepatentschrift auch nicht offenbart.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt und zwar nur insoweit, als die Klage im Hinblick auf das optische Nachrichtenkabel abgewiesen worden ist, welches in dem Buch gemäß Anl. B 10 auf Seite 134 beschrieben und in Bild 9.13 dargestellt ist (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform). In der Berufungsinstanz wiederholen die Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen und ergänzen es.

Die Klägerin macht geltend, die angegriffene Ausführungsform verletze die Lehre des Klagepatents wortlautgemäß, jedenfalls aber hinsichtlich des „Zwischengliedes“ mit äquivalenten Mitteln. Der Fachmann, der die Patentansprüche 1 und 4 in ihrem Sinnzusammenhang auslege, erkenne ohne weiteres, daß es dem Klagepatent nicht darauf ankomme, Reibungskräfte zum zugfesten Kern zu übertragen. Vielmehr gehe es darum, die Lichtwellenleiter vor der Einwirkung schädlicher Kräfte durch das lose Vorsehen in Kanälen bzw. Hohlräumen, die sich zwischen Kern und Außenmantel befänden zu schützen.Dabei weisen die Kanäle bzw. Hohlräume notwendiger Weise jeweils eine äußere Umrandung auf (wodurch letztendlich Hohladern gebildet würden), die in einem Zwischenglied vorgesehen sei. Das Zwischenglied könne dabei je nach Anforderung andere Eigenschaften aufweisen. Seien z.B. gemäß Patentanspruch 4 zwei Zugglieder vorhanden, nämlich der mittige Kern und die äußere Zughülle und werde an beiden Zuggliedern gezogen, so werde die Zugbeanspruchung auf das Kabel während des Verlegens durch beide Zugglieder übernommen. In einem solchen Fall seien Relativbewegungen zwischen Außenmantel und Kern zwar ebenfalls möglich, was insbesondere bei Biegebeanspruchung gelte, sie seien jedoch geringer. Auch bei solchen Beanspruchungen wolle das Klagepatent den Lichtwellenleitern aber einen Schutz gewähren (vgl. Spalte 2, Zeilen 28-30). Mit dem Patentanspruch 1 wolle das Klagepatent auch solche schädlichen Zugbeanspruchungen von den empfindlichen Lichtwellenleitern fernhalten, die sich in so engen Grenzen hielten, wie dies bei einer Gestaltung gemäß Anspruch 4 der Fall sei. Bei der angegriffenen Ausführungsform liege eine Gestaltung gemäß Patentanspruch 4 vor, wonach zwei Zugglieder vorhanden seien, nämlich mittiger Kern und äußere Zughülle. Die auch bei dieser Ausgestaltung auftretenden Probleme löse die angegriffene Ausführungsform mit den Mitteln des Klagepatents. Dies gelte, weil die Kanäle in den Kunststoffröhrchen gebildet seien und jedes Kunststoffröhr-chen ein Teil des Zwischenglieds sei, da es sich zwischen Kern und Mantel befinde. Die Kunststoffröhrchen könnten Kräfte übertragen und böten den Fasern Schutz gegen die auftretenden Zug-, Druck- und Biegebeanspruchungen. Daß dann, wenn eine Übertragung von Reibungskräften vom Außenmantel auf den Kern oder vom Kern auf den Außenmantel nur in geringerem Umfang in Betracht komme (Gestaltung gemäß Patentanspruch 4), das Zwischenglied bereits so ausgebildet werden könne, daß es dazu beitrage, schädliche Zugbeanspruchung von den Lichtwellenleitern fernzuhalten, liege im Wortsinne des Klagepatents. Die von der Beklagten eingesetzte Viskosemasse hindere die Reibungsübertragung vom Kern auf die Kunststoffröhrchen und von diesen auch auf den Außenmantel (und umgekehrt) nicht. Das Klagepatent erfasse seinem Wortsinne nach auch ein aus mehreren Teilen bestehendes Zwischenglied. Das Wort „einem“ vor dem Wort „Zwischenglied“ in dem Patentanspruch 1 werde nur als unbestimmter Artikel benutzt, der einen Plural nicht ausschließe.

Die Klägerin beantragt,

I.
auf ihre Berufung das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 16. März 1999 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,

ihr Rechnung darüber zu legen, in welchem Umfang die Beklagte in der Zeit vom 11. Januar 1976 bis zum 28. Mai 1993

optische Nachrichtenkabel mit einem zugfesten Kern, der mittig innerhalb des optischen Kabels angeordnet ist, einem gegenüber äußeren Einflüssen schützenden Außenmantel sowie mehreren Kanälen, die jeweils zur Aufnahme von einem oder mehreren Lichtwellenleitern dienen,

gewerbsmäßig hergestellt, feilgehalten, in Verkehr gebracht oder gebraucht hat,

– bei denen die Kanäle in einem Zwischenglied vorge-
sehen sind, das zwischen Kern und Außenmantel ange-
ordnet ist, und

– bei dem die Lichtwellenleiter lose in den Kanälen
liegen,

insbesondere wenn eine Zughülle außerhalb und um das Zwischenglied vorgesehen ist,

äußerst hilfsweise, wenn das Zwischenglied aus Kunststoffröhrchen besteht, die im reibschlüssigen Kontakt zum Kern und zum Außenmantel sowie untereinander stehen,

und zwar

– aufgeschlüsselt nach Typen – unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach
Liefermengen (in laufende Meter), -zeiten und
-preisen sowie den Namen und Anschriften der Ab-
nehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach An-
gebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen
und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach
Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungs-
zeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufge-
schlüsselten Gestehungskosten und des erzielten
Gewinns,

wobei

– sich die Verpflichtung zur Rechnungslegung für die vor
dem 1. Mai 1992 begangenen Handlungen auf Handlungen
in dem Gebiet der Bundesrepublik in den bis zum
2. Oktober 1990 bestehenden Grenzen beschränkt;

– die Angaben zu a) nur für die Zeit seit dem 1. Juli
1990 und die Angaben zu e) nur für die Zeit seit dem
18. Januar 1987 zu machen sind,

II.
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist,

1. an sie für die in der Zeit vom 11. Januar 1976 bis
zum 15. Januar 1987 begangenen Handlungen der zu Zif-
fer I. bezeichneten Art eine angemessene Entschädi-
gung zu zahlen;

2. ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die
zu Ziffer I. bezeichneten in der Zeit vom 18. Januar
1987 bis zum 28. Mai 1993 begangenen Handlungen ent-
standen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und macht geltend, zwingendes Funktionserfordernis der erfindungsgemäßen Lehre sei es, daß das erfindungsgemäße Zwischenglied Reibungskräfte, die sich bildeten, wenn das Kabel eingezogen werde, zum zugfesten Kern übertrage. Die Hohladern der angegriffenen Ausführungsform könnten dies jedoch nicht. Da sie vollständig von einer Vaseline-ähnlichen Substanz umgeben seien, sei die Aramidfaserschicht gegenüber den Hohladern in Zugrichtung beweglich, so daß auf die Hohladern keine Reibungskräfte bei Zugbeanspruchung übertragen werden könnten. Außerdem sei wegen der Vaseline-ähnlichen Substanz auch der Kern gegenüber den Hohladern in Zugrichtung beweglich. Diese doppelte Beweglichkeit der einzelnen Kabelschichten gegeneinander bleibe auch bei Verlegung in großen Längen erhalten. Überdies müsse das erfindungsgemäße Zwischenglied zwingend einstückig sein. Dies belegten der Gang des Erteilungsverfahrens und die dort abgegebenen Erklärungen der Anmelderin. Demgegenüber stelle Spalte 2, Zeilen 51/52 der Klagepatentschrift, wie der durch die Klagepatentschrift angesprochene Fachmann erkenne, eine vom Prüfer übersehene, aus den ursprünglichen Anmeldeunterlagen übernommene und dem beschränkten Erfindungsgegenstand nicht angepaßte Formulierung dar. Den Wortsinn des Begriffs „Zwischenglied“ allein auf die Mehrzahl von Hohladern zu beziehen, würde sich auch als unzulässige Erweiterung darstellen, die vom Verletzungsgericht nach dem Patentgesetz 1968, welches hier zur Anwendung komme, zu berücksichtigen sei. Der Begriff „Zwischenglied“ sei nämlich aus den Bestandteilen „Nabe, Rippen und Außenwand“ zusammengefaßt worden. Ein Zwischenglied im Sinne der Erfindung müsse daher – um eine unzulässige Erweiterung zu vermeiden – diese Bestandteile aufweisen und nicht nur hohle Adern für Fasern. Die Hohladern der angegriffenen Ausführungsform seien auch keine Kanäle im Sinne der Erfindung. Schließlich würden bei der angegriffenen Ausführungsform die Lichtwellenleiter auch nicht „lose“ in ohnehin nicht vorhandenen erfindungsgemäßen Kanälen liegen, sondern sie seien in den Hohladern in einer Vaseline-ähn-lichen Substanz eingebettet. – Schließlich berufe sie sich auf ein besseres Recht gemäß ihrem deutschen Patent 23 02 662 (Anl. B 2) bzw. auf ein innerbetriebliches Weiterbenutzungsrecht gemäß ihrer Anl. B 1. Hilfsweise mache sie auch weiterhin in der Berufungsinstanz Verjährung bzw. Verwirkung geltend. Äußerst hilfsweise weise sie darauf hin, daß ihr zumindest für die Zeit vor dem 1. Juli 1990 ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen sei. Aus Verhältnismäßigkeitsgründen sei ihr ein solcher aber auch für die Zeit danach bis zum Ablauf des Klagepatents im Jahre 1993 einzuräumen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht die Lehre des Klagepatents weder dem Wortsinne nach noch mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln. Sie macht auch nicht von einem aus den Patentansprüchen des Klagepatents herleitbaren und in der Klagepatentschrift offenbarten allgemeinen Erfindungsgedanken Gebrauch.

I.

Die technische Lehre des Klagepatents bezieht sich auf ein optisches Nachrichtenkabel mit einem zugfesten Kern, der mittig innerhalb des optischen Kabels angeordnet ist, einem gegenüber äußeren Einflüssen schützenden Außenmantel sowie mehreren Kanälen, die jeweils zur Aufnahme von einem oder mehreren Lichtwellenleitern dienen (Spalte 1, Zeilen 39-44 der Klagepatentschrift).

Wie der Durchschnittsfachmann der Patentschrift (Spalte 1, Zeilen 45 ff) entnehmen kann, ist ein derartiges Kabel aus der DE-OS 23 47 408 (Anlage 3) bekannt. Die nachfolgend wiedergegebene Figur 1 der DE-OS 23 47 408 (Anlage 3) zeigt eine Schnittansicht eines erfindungsgemäßen 6-Faser-Stranges nach dieser Offenlegungsschrift

Anlage 3

Die Klagepatentschrift würdigt das aus der Offenlegungsschrift bekannte optische Nachrichtenkabel dahin, daß der bei ihm mittig angeordnete Kern aus einem profilierten Kunststoffaden mit zackenartigen Vorsprüngen bestehe, zwischen denen Kanäle gebildet seien, in denen Lichtwellenleiter lägen. Diese Lichtwellenleiter würden durch einen Außenmantel festgehalten und in die V-förmigen Kanäle gepreßt (Spalte 1, Zeilen 46-51).

An diesem Stand der Technik bemängelt die Klagepatentschrift, daß die Lichtwellenleiter an auftretenden Zugbeanspruchungen vermöge der Reibungskräfte beteiligt würden. Es könne deshalb nicht sichergestellt werden, daß bei starken Zugbeanspruchungen kein Bruch des Lichtwellenleiters erfolge (Spalte 1, Zeilen 51-56).

Die Patentbeschreibung erwähnt überdies den aus der DE-OS 20 12 293 (Anlage 4) bekannten Stand der Technik, der ein Übertragungskabel zwischen einem raketengetriebenen Flugkörper und seiner Leitstelle betrifft. Auch insoweit bemängelt sie, daß infolge der festen Zuordnung der Lichtwellenleiter zwischen dem zugfesten Kern und der Umhüllung schädliche Zugbeanspruchungen von den empfindlichen Lichtwellenleitern nicht ferngehalten werden (vgl. Spalte 1, Zeilen 57-67).

Schließlich befaßt sich die Beschreibung der Klagepatent-schrift noch mit dem Stand der Technik gemäß der US-PS 36 99 950 (Anlage 5), die biegsame faseroptische Lichtrohre für insbesondere medizinische Zwecke betrifft. Die Klagepatentschrift würdigt diesen Stand der Technik dahin, daß bei ihm Glasfasern in einem elastomeren Schlauch zwar lose eingelegt seien, es aber keinen zentralen zugfesten Kern gebe, sondern lediglich ein zugfester Faden mit selbstschmierenden Eigenschaften vorhanden sei, der mit dem Anschlußstück verknotet werden müsse und eine übermäßige Zugbeanspruchung von den Fasern fernhalten solle (Spalte 1, Zeile 68 bis Spalte 2, Zeile 7).

An diesem Stand der Technik kritisiert die Klagepatentschrift das Fehlen einer räumlichen Trennung von Zugorgan und Lichtwellenleitern. Infolge des Fehlens einer räumlichen Trennung von Zugorgan und Lichtwellenleitern könnten die empfindlichen Fasern durch den Zugfaden beschädigt werden. Außerdem sei das Verknoten unter Beachtung der richtigen Länge schwierig und zeitaufwendig (Spalte 2, Zeilen 8-12).

Der Erfindung nach dem Klagepatent liegt das technische Problem zugrunde, ein Nachrichtenkabel der eingangs geschilderten Art dahingehend zu verbessern, daß bei großen Zugbeanspruchungen des Kabels unerwünschte Beschädigungen der Lichtwellenleiter weitgehend ausgeschlossen sind (Spalte 2, Zeilen 13-17).

Zur Lösung dieser Aufgabe wird gemäß Patentanspruch 1 des Klagepatents ein optisches Nachrichtenkabel vorgeschlagen, das merkmalsmäßig gegliedert sich wie folgt darstellt:

a) Optisches Nachrichtenkabel

1. mit einem zugfesten Kern, der mittig innerhalb des
optischen Kabels angeordnet ist,

2. einem gegenüber äußeren Einflüssen schützenden
Außenmantel

3. sowie mehreren Kanälen, die jeweils zur Aufnahme
von einem oder mehreren Lichtwellenleitern dienen.

b) Die Kanäle (5) sind in einem Zwischenglied (1, 3, 4)
vorgesehen;

c) das Zwischenglied (1, 3, 4) ist zwischen Kern (2) und
Außenmantel (9) angeordnet;

d) die Lichtwellenleiter (6) liegen lose in den Kanälen
(5).

In einer bevorzugten Ausführungsform nach Patentanspruch 4 des Klagepatents kann ein Nachrichtenkabel gemäß den vorgenannten Merkmalen noch durch eine Zughülle (8), die außerhalb und um die Außenwand (4) vorgesehen ist, gekennzeichnet sein.

Zur Lösung der dem Klagepatent zugrundeliegenden Aufgabe wird mithin ein Kabel vorgeschlagen, welches die Merkmale der auf-
zeigten Merkmalsanalyse aufweist und sich vom Stand der Technik, von dem das Klagepatent ausgeht, nämlich der DE-OS 23 47 408 (Anlage 3) zunächst einmal dadurch unterscheidet, daß vorgesehen ist, zwischen Kern und Außenmantel ein Zwischenglied anzuordnen. Außerdem sollen die bisher durch (zackenförmigen) Kern und Außenmantel gebildeten Kanäle nicht mehr in dieser Weise gebildet sein, sondern sie sollen sich in diesem Zwischenglied befinden. Schließlich ist vorgesehen, daß die Lichtwellenleiter – ähnlich wie bei dem Stand der Technik nach der US-PS 36 99 950 (Anlage 5), wo sie lose in einem elastomeren Schlauch liegen – lose in den Kanälen liegen.

Der Wortlaut der Anweisungen, die Kanäle in einem Zwischen-glied vorzusehen, das zwischen Kern und Außenmantel angeordnet ist, und die Lichtwellenleiter lose in den Kanälen liegend anzuordnen, vermittelt dem Durchschnittsfachmann die Vorstellung, daß das Kanäle aufweisende Zwischenglied den Raum zwischen Kern und Außenmantel vollständig ausfüllt. Abgesehen davon, daß keine weiteren zwischen Kern und Außenmantel angeordneten Vorrichtungsteile genannt sind – außer den in den Kanälen des Zwischengliedes liegenden Lichtwellenleitern -, kommt in dem Wort „Zwischenglied“ plastisch zum Ausdruck, daß es sich um ein Glied handelt, das Kern und Außenmantel beabstandet, aber auch, was mit dem Wortbestandteil „Glied“ nahegelegt wird, funktionsmäßig verbindet. Bereits dies vermittelt dem Durchschnittsfachmann die Vorstellung eines in sich festen Körpers. Dabei läßt es der Patentanspruch 1 offen, ob dieser feste Körper material-einheitlich einstückig ausgebildet ist. Er kann – auch wenn dies aus praktischen Gründen kaum in Betracht kommt (vgl. Spalte 3, Zeilen 13-15 der Klagepatentschrift) – aus mehreren Teilen bestehen, die jedoch so zusammengefügt sein müssen, daß die Gesamtheit der Teile noch als Zwischenglied angesprochen werden kann. In diesem Zusammenhang versteht der Durchschnittsfachmann das Wort „einem“ vor dem Wort „Zwischenglied“ in dem Kennzeichen des Patentanspruches 1 als Zahlwort, zumal die mehreren Kanäle gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruches 1 in diesem Zwischenglied vorgesehen sein sollen; nicht dagegen soll je ein Zwischenglied nur einen Kanal enthalten bzw. soll jedem Kanal je ein Zwischenglied zugeordnet sein.

In diesen bereits an dem Wortlaut des Patentanspruches 1 anknüpfenden Überlegungen sieht sich der Durchschnittsfachmann durch die Beschreibung bestätigt. Beschreibung und Zeichnungen der Klagepatentschrift zeigen ein einziges, einheitliches Zwischenglied, das die Kanäle umschließt, den Kern von dem Außenmantel beabstandet, und zwar durch Teile, die in der Beschreibung des Ausführungsbeispieles als Nabe 1 und Außenwand 4 sowie Rippen 3, die die zwischen den Kanälen liegenden Wände bilden, bezeichnet werden. Dabei wird eine in sich feste Struktur vorausgesetzt, wie der Durchschnittsfachmann auch und insbesondere aufgrund der in der Beschreibung dargestellten Funktionszusammenhänge erkennt.

Bei dem Nachrichtenkabel, von dem die Klagepatentschrift als Stand der Technik ausgeht, nämlich dem Nachrichtenkabel nach der DE-OS 23 47 408 (Anlage 3) werden die Lichtwellenleiter gleichsam zwischen Kern und Außenmantel eingeklemmt. Es ist ohne weiteres ersichtlich, daß sie über den Außenmantel seitlich einwirkenden Druckkräften unmittelbar ausgesetzt sind. Das gleiche gilt für Biegebeanspruchungen, weil die Lichtwellenleiter in gleichem Maße gebogen werden wie Kern und Außenmantel, mit denen sie über Reibung verbunden sind. Vor allem aber werden die Lichtwellenleiter, die nur beschränkt dehnungsfähig sind, vermöge der Reibungskräfte an den Beanspruchungen beteiligt, denen der Kern aber auch der Außenmantel durch Zug beim Einziehen der Kabel ausgesetzt ist. Gerade durch die Verwendung eines erfindungsgemäß ausgestalteten Zwischengliedes werden die vorgenannten über Kern und Außenmantel einwirkenden schädlichen Kräfte von den Lichtwellenleitern abgehalten. Sie werden vom Zwischenglied aufgenommen und nicht mehr an die Lichtwellenleiter weitergeleitet.

In der Klagepatentschrift werden diese Zusammenhänge dem Durchschnittsfachmann in Spalte 2, Zeilen 21-30 bei den Vorteilsangaben des erfindungsgemäßen Nachrichtenkabels im einzelnen dargestellt. Dabei ist dem Durchschnittsfachmann ohne weiteres klar, daß der Außenmantel mit dem zugfesten Kern zumindest in reibschlüssiger Verbindung stehen muß, wie dies selbstverständlich auch bei dem aus der DE-OS 23 47 408 (An-lage 3) bekannten optischen Nachrichtenkabel der Fall ist. Werden Kern und Außenmantel wie bei der Erfindung räumlich entkoppelt, muß für eine mechanisch wirkende Verbindung Sorge getragen werden, weil anderenfalls beim Einziehen des Nachrichtenkabels der nicht zugfeste Außenmantel durch Außenreibung nach und nach abgezogen würde, was die Gefahr einer Schädigung auch der Lichtwellenleiter mit sich brächte (vgl. insoweit auch die erstinstanzliche Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen Prof. R2xxxxx, Seite 4, 1. Absatz – Bl. 254 GA). Die erforderliche mechanische reibschlüssige Verbindung zwischen Kern und Außenmantel wird bei dem erfindungsgemäßen Nachrichtenkabel durch das Zwischenglied hergestellt, das auch aus diesem Grunde nach der Vorstellung des Durchschnittsfachmanns eine in sich feste Gesamtheit darstellen muß, dessen Teile sich nicht gegeneinander im Zwischenraum zwischen Kern und Außenmantel relativ frei bewegen dürfen. Anderenfalls könnte das Zwischenglied nicht bewirken – jedenfalls nicht in ausreichendem Maße -, daß sich beim Einziehen des Kabels bildende Reibungskräfte vom Außenmantel zum zug-festen Kern übertragen werden (vgl. auch die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen gemäß Seite 1 des Anhörungsprotokolls – Bl. 251 GA). In diesem Verständnis wird der Durchschnittsfachmann auch durch die Beschreibungsstelle Spalte 2, Zeilen 64-67 der Klagepatentschrift bestärkt. Der Durchschnittsfachmann hat schon deshalb keine Veranlassung, diese Beschreibungsstelle als Besonderheit des Ausführungsbeispiels zu werten, weil damit nur das aufgegriffen und mit etwas anderen Worten erklärt wird, was sich bereits aus den allgemeinen Vorteilsangaben in Spalte 2, Zeilen 21-25 ergibt (so auch der Sachverständige bei seiner Anhörung gemäß Seite 2 des Anhörungsprotokolls – Bl. 252 GA).

Ein anderes Ergebnis gewinnt der Durchschnittsfachmann auch nicht aus Anspruch 4 und der Beschreibung in Spalte 3, Zeilen 19-35 nebst Figur 2 der Klagepatentschrift, weil die Rückbeziehung auf Anspruch 1 in Anspruch 4 dem Durchschnittsfachmann verdeutlicht, daß die Zughülle nur unterstützend wirkt, das Zwischenglied aber nicht entbehrlich macht. Das zeigt auch der Hinweis in Spalte 3, Zeilen 31-35, der dem Durchschnittsfachmann klar macht, daß die äußere Zughülle allein nicht für ausreichende Druckfestigkeit und Schutz vor schädlichen Biegebeanspruchungen (vgl. hierzu Spalte 2, Zeilen 26-30) sorgen kann.

II.

Von der zuvor dargestellten technischen Lehre des Klagepatents dessen Schutzbereich sich nach § 6 PatG 1968 bemißt, macht die angegriffene Ausführungsform weder dem Wortlaut nach (unmittelbar gegenständlich) noch mit äquivalenten Mitteln Gebrauch.

1.
Eine wortlautgemäße Verwirklichung des Patentanspruches 1 des Klagepatents liegt bereits deshalb nicht vor, weil bei der angegriffenen Ausführungsform kein Zwischenglied im Sinne des Merkmals b der obigen Merkmalsanalyse vorhanden ist.

Die sich bei der angegriffenen Ausführungsform zwischen dem Kern und dem Außenmantel befindlichen Kunststoffröhrchen stellen entgegen der Auffassung der Klägerin (vgl. Schriftsatz vom 28. Juli 2000 Seite 8 – Bl. 373 GA) nicht jeweils einen Teil des einen erfindungsgemäßen Zwischengliedes dar. In der Verwendung von acht Hohladern, die jeweils einen Kanal bilden, sieht der durch die Klagepatentschrift angesprochene Fachmann schon angesichts der räumlich-körperlichen Ausgestaltung kein Zwischenglied im Sinne der Erfindung, nämlich ein Teil, das zwischen dem zugfesten Kern und dem Außenmantel des Kabels angeordnet ist und in dessen Innerem eine Anzahl von Kanälen vorgesehen ist, sondern es sind für ihn acht separate Teile, die jeweils nur einen Kanal aufweisen.

Aber auch von der Funktion her stellt sich dieses Hohladernbündel nicht als Zwischenglied im Wortsinne der Erfindung dar, da es wegen der weichen Füllmasse und wegen der damit verbundenen Beweglichkeit nicht die im Klagepatent beschriebene Aufgabe erfüllt, die es, wie oben unter Ziffer I. dieser Entscheidungsgründe im einzelnen ausgeführt, erfüllen muß, nämlich Reibungskräfte vom Außenmantel zum zugfesten Kern zu übertragen (vgl. insoweit auch das schriftliche Gutachten des erstinstanzlich bestellten Sachverständigen Seite 3, Absatz 5 – Bl. 182 GA). Der gegenteiligen Auffassung der Klägerin, daß das erfindungsgemäße Zwischenglied diese Funktion überhaupt nicht zu erfüllen habe, kann aus den oben unter Ziffer I. dieser Entscheidungsgründe dargelegten Gründe nicht gefolgt werden.

2.
Aber auch eine patentrechtlich äquivalente Benutzung, sei es eine sogenannte glatt äquivalente oder auch eine sogenannte nicht-glatt äquivalente Benutzung, der erfindungsgemäßen Lehre durch die angegriffene Ausführungsform läßt sich nicht feststellen.

Eine äquivalente Benutzung der patentierten Erfindung ist gegeben, wenn die angegriffene Ausführungsform sich vom Anspruchswortlaut abweichender Mittel bedient und der Fachmann mit dem Wissen des Prioritätszeitpunktes das (oder die) in der angegriffenen Ausführungsform verwendete(n) vom unmittelbaren Wortlaut des Patentanspruches abweichende(n) Lösungsmerkmal(e) ohne weitere Überlegung als eine zur Lösung der erfindungsgemäßen Aufgabe gleichwirkende Maßnahme entnimmt (glatte Äquivalenz). Äquivalenz – nach dem hier anzuwendenden Patentgesetz 1968 – kann aber auch dann vorliegen, wenn die angegriffene Ausführungsform abweichende technische Merkmale aufweist, die dem Fachmann nicht ohne weiteres, sondern erst aufgrund besonderer, wenn auch nicht erfinderischer Überlegungen naheliegen (nicht-glatte Äquivalenz). Glatte und nicht-glatte Äquivalenz unterscheiden sich nur dadurch, daß sie sich dem Durchschnittsfachmann aufgrund eines unterschiedlichen Grades an Überlegungen aus dem Inhalt der Patentschrift erschließen, nämlich im ersteren Falle „ohne weiteres“, im anderen Falle „nicht ohne weiteres, sondern erst aufgrund besonderer, wenn auch nicht erfinderischer Überlegungen“.

Der Durchschnittsfachmann mag nun zwar auf den Gedanken kommen, daß „ausreichende“ Druckfestigkeit (Spalte 2, Zeile 26) und Schutz vor schädlichen Verlängerungen der Lichtwellenleiter durch „Biegebeanspruchungen“ (Spalte, Zeilen 28-30) auch dann in ausreichendem Maße gegeben sind, wenn mehrere – entsprechend Merkmal d der obigen Merkmalsanalyse gestaltete – Kanäle vorhanden sind, von denen jeder von einer festen Hülle umgeben ist, die in dem Raum zwischen Kern und Außenmantel angeordnet und dort gegeneinander – in gewissen Grenzen – beweglich sind. Diesen Gedanken wird der Durchschnittsfachmann jedoch letztendlich verwerfen, wenn es ihm darum geht, das erfindungsgemäße Zwischenglied durch ein hinreichend gleichwirkendes Ersatzmittel zu ersetzen. Er sieht nämlich, wie bereits oben ausgeführt, daß das erfindungsgemäße Zwischenglied auch und vor allem dazu beitragen soll, daß die beim Hindurchziehen durch lange Kabelkanäle auftretenden Zugbeanspruchungen einwandfrei aufgenommen werden können, ohne die Lichtwellenleiter zu beschädigen (Spalte 2, Zeilen 21-24). Hierzu können jedoch die Kunststoffröhrchen, in denen sich Kanäle für die Lichtwellenleiter befinden, nicht beitragen.

Da die angegriffene Ausführungsform sich aber nicht nur durch das zwischen dem Kern und dem Außenmantel befindliche Hohladernbündel (Kunststoffröhrchen) auszeichnet, sondern bei ihr auch außerhalb und um dieses Hohladernbündel herum eine Zughülle aus Aramidfasern vorhanden ist, stellt sich die Frage, ob die Kombination der in dem Raum zwischen Kern und Außenmantel angeordneten Kunststoffröhrchen mit der äußeren Zughülle aus Aramidfasern ein für den Durchschnittsfachmann naheliegendes, jedenfalls aber ohne erfinderisches Bemühen auffindbares Ersatzmittel für die Funktion des Zwischengliedes darstellt, die vor allem auch in der mechanischen Kopplung von Kern und Außenmantel, also in der Übertragung von Reibungskräften liegt. Diese Frage ist mit dem erstinstanzlich gehörten gerichtlichen Sachverständigen zu verneinen (vgl. Seite 4/5 des Anhörungsprotokolles – Bl. 254, 255 GA).

Spalte 3, Zeilen 28 ff der Klagepatentschrift spricht zwar davon, daß bei Vorhandensein einer äußeren Zughülle die Zugbeanspruchung auf das Kabel während des Verlegens durch beide Zugglieder übernommen werde, jedoch ist dort keine Rede davon, damit entfiele die Funktion des Zwischengliedes, Reibungskräfte zu übertragen, vollständig, zumal Zughülle und Kern, wie sich aus Spalte 2, Zeilen 45-48 und Spalte 3, Zeilen 21-27 ergibt, aus unterschiedlichen Materialien mit unterschiedlichen Dehnungsverhalten bestehen können, so daß auch dann das Vorhandensein eines eine mechanische Kopplung zwischen Kern und Außenmantel mit Zughülle vermittelnden Zwischengliedes dem Durchschnittsfachmann durchaus sinnvoll und erforderlich erscheint. Der Gedanke der Kraftübertragung durch das Zwischenglied erscheint dem Durchschnittsfachmann vielmehr auch in einem solchen Fall „essentiell“ (vgl. auch den erstinstanzlich gehörten Sachverständigen gemäß Seite 5 des Anhörungsprotokolls – Bl. 255 GA).

Die Annahme patentrechtlicher Äquivalenz scheitert mithin da-ran, daß die bei der angegriffenen Ausführungsform abweichend von der Lehre des Patentanspruches eingesetzten Ersatzmittel den patentgemäßen Mitteln nicht hinreichend gleichwirkend sind und der Fachmann sie der Klagepatentschrift nicht als hinreichend gleichwirkend entnehmen kann.

3.
Ein die angegriffene Ausführungsform erfassender allgemeiner Erfindungsgedanke, der darin besteht, das Zwischenglied in mehrere „lose“ Teile aufzulösen, die eine mechanische Kopplung zwischen Kern und Außenwandung nicht mehr bewirken können, ist aus den Patentansprüchen des Klagepatents nicht herleitbar und in der Klagepatentschrift auch nicht offenbart, wobei dies auch dann gilt, wenn die Lichtwellenleiter lose in zwischen dem Kern und dem Außenmantel angeordneten Kanälen liegen, die einzeln in Kunststoffröhrchen vorgesehen sind, und wenn außerhalb um das durch die Kunststoffröhrchen gebildete Bündel herum eine Zughülle aus Aramidfasern vorhanden ist. Dies ergibt sich bereits aus den obigen Ausführungen zu Ziffer I. dieser Entscheidungsgründe. Ergänzend wird auf die auch insoweit zutreffenden Ausführungen im landgerichtlichen Urteil (Seiten 18, 19) verwiesen.

Zudem bestehen aber auch erhebliche Zweifel, ob ein solcher Erfindungsgedanke schutzfähig wäre. Das Bundespatentgericht hat auf Seite 11 seines Beschlusses vom 15. Juli 1991 (An-lage 2) ausgeführt, daß das Merkmal b, also vorzusehen, daß die Lichtwellenleiter lose in Kanälen liegen, nicht zur Stützung der Erfindungshöhe nach dem Patentanspruch 1 beitragen könne. Um die Kanäle herum jedoch eine Zughülle vorzusehen, um Beanspruchungen der hier in Rede stehenden Art von den lose in den Kanälen liegenden Lichtwellenleitern abzuwenden, dürfte kaum erfinderischen Gehalt haben. Das Erfinderische des Klagepatents hat das Bundespatentgericht vielmehr darin gesehen, die Kanäle in einem Zwischenglied vorzusehen, das zwischen Kern und Außenmantel eingefügt ist, wobei das vom Bundespatentgericht insoweit benutzte Wort „eingefügt“ noch einmal deutlich macht, was der Fachmann unter einem erfindungsgemäßen Zwischenglied versteht und was dieses Zwischen-glied bewirken soll, nämlich ein den Raum zwischen Kern und Außenmantel vollständig ausfüllendes Bauteil, das Reibungskräfte vom Außenmantel zum zugfesten Kern übertragt. Letztendlich kann jedoch die Frage, ob ein solcher allgemeiner Erfindungsgedanke die Schutzvoraussetzungen des Patentschutzes erfüllt, hier dahingestellt bleiben, da aus den vorgenannten Gründen ein solcher allgemeiner Erfindungsgedanke bereits aus den Patentansprüchen nicht herleitbar ist und in der Klagepatentschrift nicht offenbart ist.

Die Berufung der Klägerin war daher zurückzuweisen, ohne daß es auf die weiteren Fragen betreffend ein besseres Recht und/oder der Verjährung bzw. Verwirkung ankäme.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.