2 U 41/03 – Roggen (Sortenschutz)

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  573

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 21. Dezember 2006, Az. 2 U 41/03

I.
Die Berufung der Beklagten gegen das am 4. März 2003 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

II.
Der Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,– Euro abwenden, falls nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 20.000,– Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin ist Inhaberin der Sortenschutzrechte an den beiden Gemeinschaftssorten EU xxx „E“ (erteilt am 10. Dezember 1996) und EU xxx „U“ (erteilt am 2. März 1998), die beide Hybridroggensorten betreffen (nachfolgend: Klagesorten). Aus diesen Schutzrechten nimmt sie die Beklagte auf Unterlassung, Rechnungslegung und Feststellung ihrer Verpflichtung zum Schadenersatz in Anspruch.

Die Beklagte vermietet landwirtschaftliche Spezialmaschinen zur Aufbereitung von Getreide zur Aussaat und bereitet auch selbst für Dritte Getreide zur Aussaat auf.

Die Klägerin hat vor dem Landgericht geltend gemacht, die Beklagte habe die Sortenschutzrechte an den Klagesorten verletzt, indem sie für die A GmbH 107 dt Roggen der Sorte „E“ und für die P-Genossenschaft eG jeweils 32,5 dt beider Klagesorten zur Aussaat aufbereitet habe. Letzteres ergebe sich aus Nachbauerklärungen der vorbezeichneten Unternehmen aus der Zeit ab 1999, in denen unstreitig die genannten Sorten und Mengen als nachgebaut angegeben sind und die Beklagte als Fremdaufbereiter genannt ist (Anlagen K 2 und K 3). Beide Unternehmen haben sich gegenüber der Klägerin wegen dieser Nachbauhandlungen zur Unterlassung verpflichtet und ihr Schadenersatz geleistet (vgl. Anl. BB1).

Die Beklagte hat vor dem Landgericht eingewandt, sie habe nicht gewusst, dass das aufbereitete Getreide unter Sortenschutz gestanden habe. Im übrigen sei ihr unbekannt und für sie auch nicht voraussehbar gewesen, dass die Auftraggeber das aufbereitete Material als Saatgut hätten verwenden wollen. Danach habe sie – die Beklagte – sich auch nicht erkundigen müssen. Sie sei davon ausgegangen, die landwirtschaftlichen Unternehmen erfüllten gegenüber den Sortenschutzinhabern sämtliche Verpflichtungen, die sich im Rahmen eines möglichen Nachbaus ergäben. Die Nachbauerklärungen besagten auch nicht zwingend, dass tatsächlich Saatgut der Klagesorten nachgebaut und aufbereitet worden sei; häufig gäben Landwirte unzutreffend Hybridsorten an, weil sie irrtümlich meinten, für den Nachbau von Hybridsorten keine Entschädigung zahlen zu müssen. Mit Schriftsatz vom 5. Februar 2003 hat sie vorgetragen, wenn sie eine Spezialmaschine zur Getreidereinigung und Saatgutaufbereitung vermiete, werde diese auf dem Hof des mietenden Landwirts aufgestellt. Im vorliegenden Verfahren miete der Landwirt eine der beiden Maschinen auf sein eigenes Risiko; sie – die Beklagte – übernehme weder eine Haftung für den Erfolg der Saatgutbehandlung noch habe sie Einfluss auf die Art und Weise der Aufbereitung. Der Landwirt übernehme selbst das Befüllen der Maschine mit eigenem Getreide unter Verwendung eigener Arbeitskräfte und Arbeitsmittel.

Durch Urteil vom 4. März 2003 hat das Landgericht dem Klageantrag entsprochen und wie folgt erkannt:

I. Die Beklagte wird verurteilt,

1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– Euro – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen,

ohne Erlaubnis der Klägerin Vermehrungsmaterial der Hybridroggensorten „E“ und „U“ für Vermehrungszwecke aufzubereiten, es sei denn, die vorgenannten Handlungen erfolgen im privaten Bereich zu nicht gewerblichen Zwecken, zu Versuchszwecken oder zur Züchtung, Entdeckung und Entwicklung anderer Sorten oder stellen eine Handlung dar, deren Verbot gegen Art. 13 Abs. 8, Art. 14 oder Art. 29 GemSortVO verstoßen würde oder erstrecken sich auf Vermehrungsmaterial, für das der Sortenschutz erschöpft ist;

2. der Klägerin Rechnung über die vorstehend zu 1. bezeichneten, seit dem 1. Januar 1999 begangenen Handlungen zu legen, und zwar unter Vorlage eines Verzeichnisses, welches die Menge des aufbereiteten Vermehrungsgutes, die Zeiten und Preise der Aufbereitung sowie die Namen und Anschriften der Auftraggeber enthält.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten, seit dem 1. Januar 1999 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe die Sortenschutzrechte der Klägerin verletzt. Sie habe nicht bestritten, Aufbereitungshandlungen für die beiden genannten Auftraggeber vorgenommen zu haben. Ihr Vorbringen, sie vermiete Spezialmaschinen zur Getreidereinigung und Saatgutaufbereitung, während der Mieter den gesamten Aufbereitungsvorgang selbst und in eigener Verantwortung vornehme, enthalte nicht die Behauptung, auch im Streitfall sei so verfahren worden.

Als unstreitig zu gelten habe auch, dass Getreide der Klagesorten aufbereitet worden sei. Mit ihrem Vorbringen, es sei damit zu rechnen, dass die Angaben in den Nachbauerklärungen nicht zuverlässig und die Klagesorten unzutreffend genannt worden seien, um Nachbaugebührenforderungen zu entgehen, habe die Beklagte von der Klägerin behauptete Aufbereitung von Material der Klagesorten nicht ordnungsgemäß bestritten. Es sei Sache der Beklagten gewesen, bei den Auftraggebern nachzufragen, ob solche Erwägungen bei der Abgabe der Nachbauerklärungen eine Rolle gespielt hätten; in jedem Fall hätte die Beklagte konkret in Bezug auf die beiden hier interessierenden landwirtschaftlichen Betriebe behaupten müssen, gerade deren Nachbauerklärungen seien unrichtig, weil tatsächlich anderes Pflanzenmaterial nachgebaut worden sei.

Die Beklagte habe die Sortenschutzrechte der Klägerin zumindest fahrlässig verletzt. Unerheblich sei ihr Einwand, sie habe nicht gewusst, dass das aufbereitete Getreide sortengeschützt und zum Nachbau bestimmt gewesen sei. Da die Auftraggeber landwirtschaftliche Betriebe seien, die sich mit dem Anbau landwirtschaftlicher Nutzpflanzen befassten, und die Aufbereitungskosten sinnvollerweise nur für zu Vermehrungszwecken bestimmtes Material aufwendeten, sei es nach den Umständen offensichtlich gewesen und habe für die Beklagte auf der Hand gelegen, dass das von ihr aufbereitete Getreide nicht zum Konsum bestimmt gewesen sei. Mit der Vornahme der Aufbereitung habe die Beklagte zumindest billigend in Kauf genommen, dass es in der Folge zu einer Vermehrung der geschützten Sorten komme. Bei ihrer gewerblichen Tätigkeit habe sie sich über entgegenstehende Schutzrechte Dritter informieren müssen; dieser Obliegenheit lasse sich nicht entgegenhalten, der Auskunftsanspruch gegen den Aufbereiter umfasse die Sortennamen nur, wenn ihm die betreffende Sorte angegeben worden oder auf andere Weise bekannt gewesen sei. Art. 9 Abs. 2 Buchstabe b NachbauVO beschränke die sortenschutzrechtliche Haftung des Aufbereiters nicht insgesamt auf diejenigen Fälle, in denen er den bestehenden Sortenschutz positiv kenne. Im Hinblick auf den Unterlassungsanspruch sei dies schon deshalb zwingend, weil dieser kein Verschulden voraussetze. Auch hinsichtlich der weitergehenden ein Verschulden voraussetzenden Ansprüche rechtfertige die Rechtsfolgenregelung in Art. 9 Abs. 2 Buchstabe b NachbauVO keine einschränkenden Rückschlüsse darauf, unter welchen Voraussetzungen eine Haftung des Aufbereiters dem Grunde nach bestehe. Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie trägt unter Bezugnahme auf ihre erstinstanzlichen Ausführungen ergänzend vor:

Das Landgericht habe sie zu Unrecht verurteilt. Tatsächlich habe sie den beiden hier interessierenden Auftraggebern Aufbereitungsmaschinen lediglich vermietet und an dem Aufbereitungsvorgang selbst nicht mitgewirkt. Das habe sie auch vor dem Landgericht vorgetragen. Sie gehe weiterhin davon aus, dass die Angaben in den Nachbauerklärungen fehlerhaft seien und kein Nachbau mit den Klagesorten stattgefunden habe.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Ausführungen der Beklagten entgegen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben und Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses wird auf die Niederschriften der Sitzungen des Einzelrichters vom 14. April 2005 betreffend die Vernehmung des Zeugen Hans-Joachim Q (Bl. 268 – 290 d.A.) und des vom Senat um Rechtshilfe ersuchten Amtsgerichts Perleberg vom 14. Februar 2006 betreffend die Einvernahme des Zeugen Hans-Jürgen L (Bl. 348 – 353 d.A.) Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht sie zur Unterlassung, zur Rechnungslegung und zum Schadenersatz verurteilt, denn die Beklagte hat durch die Aufbereitung von Getreide der Klagesorten zur Aussaat die Sortenschutzrechte der Klägerin verletzt.

1.
Die Beklagte hat Getreide der Klagesorten zur Aussaat aufbereitet und damit Handlungen vorgenommen, die nach Art. 13 Abs. 2 Buchstabe b) der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates über den gemeinschaftlichen Sortenschutz (GSVO) ausschließlich dem Inhaber der Sortenschutzrechte oder mit seiner Zustimmung handelnden Personen vorbehalten sind. Diese Handlungen waren rechtswidrig, weil auch der durch sie vorbereitete Nachbau der Klagesorten rechtswidrig war. Da die beiden Nachbaubetriebe keine Erlaubnis der Klägerin besaßen, könnten der Nachbau und die vorbereitende Aufbereitung nur dann zulässig gewesen sein, wenn die in Artikel 14 GSVO niedergelegten Regelungen zum Nachbauprivileg, die nach Abs. 3, 2. Spiegelstrich dieser Bestimmung auch die Aufbereitung erfassen, im Streitfall eingriffen. Das ist jedoch nicht der Fall, denn bei den Klagesorten handelt es sich um Hybridsorten, deren Nachbau nach Art. 14 Abs. 1, letzter Halbsatz GSVO ausdrücklich verboten ist.

Erfolglos bleibt der – bei sachgerechtem Verständnis ihres erstinstanzlichen Sachvortrages auch schon vor dem Landgericht erhobene – Einwand, sie habe den beiden hier in Rede stehenden landwirtschaftlichen Betrieben die zur Aufbereitung benötigte Maschine lediglich zur Verfügung gestellt, und die beiden Kunden hätten die Aufbereitungshandlung ausschließlich allein und ohne Mitwirkung der Beklagten vorgenommen. Wer für die Aufbereitung von Erntegut, das ein Landwirt zulässigerweise zu Vermehrungszwecken im Feldanbau in seinem eigenen Betrieb verwenden will, eine Aufbereitungsvorrichtung zur Verfügung stellt, erbringt die Aussaat vorbereitende Dienstleistungen im Sinne des Art. 14 Abs. 3, 2. Spiegelstrich GSVO, wenn er in den Prozess der Aufbereitung eingeschaltet ist und nicht nur bei deren Gelegenheit tätig wird, nicht dagegen, wer sich auf die bloße Überlassung von Maschinen für die Aufbereitung beschränkt oder wer bei Gelegenheit der Aufbereitung Tätigkeiten vornimmt, die mit der Aufbereitung als solcher nichts zu tun haben, z.B. die Bewirtung des Personals. Die Abgrenzung muss dabei immer nach den konkreten Umständen des Einzelfalls erfolgen (vgl. BGH GRUR 2006, 405 ff. – Aufbereiter II). Entsprechendes muss auch gelten, wenn es wie hier, nicht um nach Art. 14 GSVO zulässigen, sondern um verbotenen Nachbau geht, denn die eine Aussaat vorbereitenden Dienstleistungen und ihre Beteiligung daran ist in beiden Fällen gleich. Zwar treffen den Aufbereiter verbotenerweise zum Nachbau bestimmten Pflanzenmaterials nicht die mit einem erlaubten Nachbau verbundenen Verpflichtungen zur Auskunft, sondern er unterliegt den allgemeinen für eine Verletzung von Sortenschutzrechten geltenden Bestimmungen (vgl. BGH, a.a.O. und GRUR 2005, 698 ff. – Aufbereiter I), Anknüpfungspunkt ist aber auch hier die Einwirkung auf das Saatgut, um es zur Aussaat vorzubereiten, oder zumindest eine Beteiligung an solchen Handlungen. Dass die Beklagte an den Aufbereitungshandlungen der hier in Rede stehenden landwirtschaftlichen Betriebe zusammen mit ihren Auftraggebern als Mittäterin beteiligt war, hat die Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats ergeben.

Der Zeuge Q hat bekundet, die fragliche Aufbereitung für die P-Genossenschaft Groß-Warnow habe auf deren Betriebsgelände mit einer von der Beklagten dorthin gebrachten Maschine stattgefunden; ein Mitarbeiter der Beklagten habe die Maschine bedient und das behandelte Saatgut in Säcke abgefüllt, während Mitarbeiter des Auftraggebers das Aufbereitungsgut aus der Lagerhalle geholt, die Maschine beschickt und das aufbereitete und verpackte Saatgut wieder in die Halle gefahren hätten (vgl. Einzelrichterprotokoll S. 7, 8 und 10; Bl. 274, 275, 277 d.A.). Zwar hat der Zeuge die Frage des Einzelrichters, ob er diese Arbeitsweise selbst gesehen habe, nicht eindeutig bejaht, sondern nur den Rückschluss gezogen, da er – der Zeuge – und seine Mitarbeiter die Maschine nicht bedient hätten, müsse dies der anwesende Mitarbeiter der Beklagten getan haben (Einzelrichterprotokoll S. 8 und 9; Bl. 275, 276 d.A.). Da jedoch nach seinen weiteren Bekundungen weder er noch seine Mitarbeiter zu einer Bedienung der Maschine in der Lage waren (Einzelrichterprotokoll, S. 9; Bl. 276 d.A.), enthalten seine Bekundungen auch die Aussage, der bei der Aufbereitung mit anwesende Mitarbeiter der Beklagten habe die betreffenden Handlungen vorgenommen. Dem steht nicht entgegen, dass der Zeuge der Erklärung des Geschäftsführers der Beklagten zugestimmt hat, nach kurzer Einweisung könne jeder die Maschine bedienen (Einzelrichterprotokoll S: 14; Bl. 281 d.A.). Dafür, dass eine solche Einweisung stattgefunden hat, ist jedoch nichts ersichtlich, denn von den für den Auftraggeber an der Aufbereitung beteiligten Personen war zur Bedienung niemand in der Lage; auch die Beklagte behauptet insoweit nichts Gegenteiliges. Da die vom Zeugen beschriebene Verfahrensweise jedenfalls insoweit auch mit der von der Beklagten als Anlage zum Schriftsatz vom 5. August 2004 vorgelegten Rechnung vom 17. August 1999 übereinstimmt (die berechnete Leistung wurde darin nicht etwa als Überlassung einer Maschine oder sinngemäß bezeichnet, sondern als „folgende Menge … gereinigt, sortiert und gebeizt“), hat der Senat keine Bedenken, der Aussage des Zeugen Q in diesem Punkt zu folgen, mag sie auch in anderen Punkten Ungenauigkeiten, Unsicherheiten und im Zusammenhang mit der Bestimmung der aufbereiteten Sorten auch Erinnerungslücken aufweisen.

Eine ähnliche Arbeitsteilung hat auch der Zeuge L für die Aufbereitung bei der Agenossenschaft Nebelin beschrieben; auch hier war von den Mitarbeitern des Auftraggebers niemand dazu in der Lage, die von der Beklagten mit Personal bereitgestellte Maschine zu bedienen, wobei der Zeuge L im Gegensatz zum Zeugen Q noch hinzugefügt hat, selbst nach einer Einweisung sei dies nicht möglich gewesen (vgl. Rechtshilfeprotokoll, S. 2; Bl. 351 d.A.). Die Aussage dieses Zeugen stimmt mit dem Inhalt der von der Beklagten ebenfalls als Anlage zum Schriftsatz vom 5. August 2004 überreichten Rechnung vom 1. September 1998 überein, die auch der Zeuge anlässlich seiner Vernehmung mitgebracht hatte (vgl. Bl. 352 d.A.). Dementsprechend hat der Zeuge weiterhin ausgesagt, den – zu der genannten Rechnung gehörenden – Lieferschein der Beklagten (Bl. 353 d.A.) müsse man zutreffender als Arbeitsleistungsschein bezeichnen (Rechtshilfeprotokoll S. 1; Bl. 350 d.A.). Lieferschein und Rechnung stimmen auch darin überein, dass die jeweils in der dritten Zeile angegebenen 10,5 t Roggen auch gebeizt und nicht nur wie die in den Zeilen darunter aufgeführten Materialien nur gereinigt worden sind.

In Einklang mit den Bekundungen beider Zeugen steht auch der Umstand, dass in den Nachbauerklärungen der beiden landwirtschaftlichen Betriebe die Beklagte ausdrücklich als Fremdaufbereiterin von Saatgut angegeben ist.

Dass die von Mitarbeitern der Beklagten vorgenommenen Handlungen Aufbereitungshandlungen im vorstehend beschriebenen Sinne darstellen, unterliegt keinem Zweifel. Der Vernehmung der von der Klägerin weiterhin als Zeugin angebotenen Christina Naumann bedurfte es unter diesen Umständen nicht; ohnehin war sie während der hier in Rede stehenden Vorgänge nicht anwesend und hätte hierzu nichts bekunden können.

2.
Der Senat ist auch davon überzeugt, dass Getreide der Klagesorten Gegenstand der von den Zeugen bekundeten Aufbereitungshandlungen war, auch wenn den Bekundungen der Zeugen insoweit keine hinreichend konkreten Angaben zu entnehmen sind.

Der Zeuge Q hat lediglich angegeben, aufbereitet worden seien Winterroggen, Weizen und wohl auch Hafer und war selbst auf Vorhalt nicht in der Lage, die Namen der Klagesorten dem von ihm geschilderten Aufbereitungsvorgang zuzuordnen (Einzelrichterprotokoll S. 3; Bl. 270 d.A.). Auch die von ihm unterschriebene, aber nicht ausgefüllte Nachbauerklärung vom 10. Januar 2001 (Anl. K 3) konnte er mit dem hier in Rede stehenden Vorgang nicht in Verbindung bringen (Einzelrichterprotokoll S. 4 und 5; Bl. 271, 272 d.A.). Der Zeuge hatte weiterhin keine konkrete Erinnerung daran, ob er die Angaben in der Nachbauerklärung vor deren Unterzeichnung auf deren Richtigkeit überprüft hat; letzteres hat er lediglich vermutet, indem er bekundete, normalerweise verfahre er so (Einzelrichterprotokoll, S. 5, 6; Bl. 272, 273 d.A.), und da die Klagesorten in der Nachbauerklärung aufgelistet seien, gehe er davon aus, dass Material dieser Sorten mit den dort angegebenen Mengen nachgebaut worden sei, auch wenn er sich daran nicht mit hundertprozentiger Sicherheit erinnern könne (Einzelrichterprotokoll, S. 6; Bl. 273 d.A.). Der Zeuge konnte sich ferner nicht daran erinnern, wann die Nachbauerklärung entstanden ist. Zunächst sagte er aus, sie sei „irgendwo dann später gemacht worden“ und stellte einen Zusammenhang mit einer Prüfung her (Einzelrichterprotokoll, S. 4; Bl. 271 d.A.); später hat er gesagt, er gehe davon aus, dass die Erklärung abgegeben worden sei, bevor die Klägerin den Betrieb der P-Genossenschaft habe überprüfen lassen (Einzelrichterprotokoll, S. 13; Bl. 280 d.A.). Letzteres ist richtig, denn die Nachbauerklärung gemäß Anl. K 3 datiert vom 10. Januar 2001, und die Überprüfung hat am 21. Juni 2001 stattgefunden (vgl. Anl. BB 2, S. 1). Auch der Zeuge L konnte sich an den Namen der aufbereiteten Sorte selbst auf Vorhalt nicht mehr erinnern (Rechtshilfeprotokoll, S. 2; Bl. 351 d.A.).

Gleichwohl lässt sich die Feststellung treffen, dass Getreide der Klagesorten nachgebaut und zum Zwecke der Aussaat aufbereitet worden ist. Allerdings erbringt die Ablichtung der Nachbauerklärungen keinen (Urkunds)Beweis dafür, dass die darin enthaltenen Angaben zutreffen. Da selbst das Original nach § 416 ZPO nur beweisen könnte, dass die Nachbauerklärung mit dem dokumentierten Inhalt abgegeben worden ist (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 25. Aufl., vor § 415 Rdn. 6 und § 416, Rdn. 9), kann auch die Beweiskraft einer Ablichtung nicht weiterreichen, selbst wenn man zugunsten der Klägerin davon ausgeht, dass regelmäßig auch der Ablichtung der Beweiswert der Originalurkunde zukommt (abl. BGH, NJW 1992, 829, 830; Zöller/Geimer, a.a.O., vor § 415, Rdn. 2 und § 416, Rdn 2). Hier könnte jedoch den Originalen der Nachbauerklärungen der Beweiswert des § 416 ZPO schon deshalb nicht zukommen, weil der als Unterschrift bezeichnete Namenszug auf dem ersten Blatt der Nachbauerklärungen steht und nicht am Ende des Zusatzblattes, auf dem die nachgebauten Sorten aufgelistet sind, und deshalb die einer Unterschrift zukommende Funktion, des Urkundentext räumlich und zeitlich abzuschließen, nicht erfüllen kann (vgl. BGH, a.a.O., S. 830 [betr. „Oberschrift“ über dem Text von Überweisungsträgern]). Aus diesen Gründen greift auch die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der in den Nachbauerklärungen enthaltenen Angaben nicht ein.

Gleichwohl unterliegt ihr Inhalt der freien Beweiswürdigung. Den in den Nachbauerklärungen dokumentierten Inhalt hätte man nur dann anzweifeln können, wenn die Beklagte konkrete Umstände dargetan hätte, aus denen sich greifbar ergibt, dass andere Sorten als nachgebaut angegeben worden sind als tatsächlich geschehen. Dass die Ablichtungen den Originalen der Nachbauerklärungen entsprechen, ist unstreitig; auch die Beklagte behauptet nicht, die Erklärungen seien beim Fertigen der Ablichtungen verändert oder entstellt worden. Dafür, dass die Klagesorten in den hier interessierenden Nachbauerklärungen von vornherein falsch angegeben sind, weil ihre Urheber durch die Deklarierung von Hybridsorten der Nachbauentschädigungspflicht entgehen wollten, bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Die Vernehmung des Zeugen Q hat keinen diesbezüglichen Hinweis ergeben. Eine solche Gepflogenheit war ihm unbekannt (vgl. Einzelrichterprotokoll, S: 6 und 11; Bl. 273 uns 278 d.A.) und kann daher bei der Erstellung der Erklärung gemäß Anl. K 3 keine Rolle gespielt haben, unabhängig davon, ob der Nachbauratgeber der Saatgut Treuhand-Verwaltung für das Erntejahr 1999 missverständliche Äußerungen enthält, weil sie nicht hinreichend deutlich zwischen erlaubtem und unerlaubten Nachbau unterscheidet. Dafür, dass tatsächlich entsprechend den Angaben in den Nachbauerklärungen Getreide der Klagesorten nachgebaut worden ist, spricht auch der Umstand, dass beide Nachbaubetriebe von der Klägerin in Anspruch genommen worden sind und unstreitig die von ihnen geforderten Zahlungen geleistet haben. Wie die Schreiben gem. Anl. BB 1 und BB 2 zeigen, ist die Schadenersatzforderung jeweils auf der Grundlage der Angaben in den Nachbauerklärungen berechnet worden. Die Schuldner haben gegenüber diesen Forderungen nicht eingewandt, die Klagesorten seien falsch angegeben worden, um eine Nachbaugebühr zu vermeiden, sondern sie haben sich als Verletzer behandeln lassen und auch strafgesicherte Unterlassungsversprechen abgegeben. Nach der Lebenserfahrung hätten sie das mit Sicherheit nicht getan, wenn sie die ihnen vorgeworfenen Verletzungshandlungen überhaupt nicht begangen hätten. Darin unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von dem der Entscheidung des LG Hamburg vom 15. April 2004 – 315 O 626/02 – zugrunde liegenden Sachverhalt: Hinzu kommt, dass die dort vernommenen Zeugen anders als ihm hiesigen Fall sogar Anhaltspunkte bekundet hatten, die dagegen sprachen, dass Material der dortigen Klagesorte aufbereitet worden war. Der Einwand der Beklagten, Hybridsorten seien zum Nachbau völlig ungeeignet, kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil sie in dem bereits erwähnten Nachbauratgeber mit aufgeführt sind, was nicht der Fall wäre, wenn ein Nachbau mit solchen Sorten von vornherein nicht funktionierte.

3.
a) Da somit von einer widerrechtlichen Aufbereitung von Saatgut der Klagesorten durch die Beklagte auszugehen ist, kann die Klägerin sie nach Art 94 GSVO auf Unterlassung in Anspruch nehmen. Der Unterlassungsanspruch setzt ein Verschulden nicht voraus.

b) Die Beklagte ist der Klägerin ferner zum Schadenersatz verpflichtet und kann dem nicht mit Erfolg entgegenhalten, als Aufbereiter hafte sie schon deshalb nicht für Sortenschutzverletzungen, weil nach Art. 9 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe b) der Verordnung (EG) 1768/95 (NachbauVO) Aufbereiter bei ihrer Mitteilung an den Sortenschutzinhaber den Sortennamen nur anzugeben brauchen, wenn ihnen die Sorte angegeben oder auf andere Weise bekannt geworden ist, sie aber nicht verpflichtet sind, sich selbst nach dem Sortennamen zu erkundigen. Die Haftung der Beklagten als Aufbereiter ergibt sich daraus, dass die Aufbereitung zum Zweck der Vermehrung nach § 13 Abs. 2 Buchstabe b) der GSVO zu den dem Sortenschutzinhaber vorbehaltenen Rechten gehört und der Zuwiderhandlende nach Art. 94 Abs. 1 u. 2 der GSVO für Verletzungshandlungen, zu denen auch die Aufbereitung zum Nachbau nicht freigegebener Hybridsorten gehört, auf Schadenersatz haftet. Da auch die Beklagte als einschlägig tätige Gewerbetreibende sich unbeschadet geringerer Anforderungen im Rahmen des erlaubten Nachbaues vor der Vornahme von Aufbereitungshandlungen darüber vergewissern muss, dass siel keine entgegenstehenden Schutzrechte Dritter verletzt und dies offenbar unterlassen hat, hat sie zumindest fahrlässig im Sinne des § 276 Abs. 1 S. 2 BGB gehandelt. Die Beklagte hätte sich bei ihren Auftraggebern zumindest darüber vergewissern müssen, dass das aufzubereitende Saatgut keiner Hybridsorte angehört. Auch der Inhalt des Ratgebers zur Nachbauerklärung entlastet die Beklagte nicht; er ist an den nachbauenden Landwirt und nicht an Aufbereiter gerichtet und er befasst sich nur mit den Folgen des privilegierten Nachbaues und nicht mit den davon zu unterscheidenden Konsequenzen eines von vornherein unzulässigen und daher stets schutzrechtsverletzenden Nachbaues.

Ihre grundsätzliche Verpflichtung zum Schadenersatz kann die Beklagte auch nicht mit dem Hinweis in Abrede stellen, die A-Genossenschaften hätten bereits Schadenersatz geleistet. Da es nur um die Feststellung der Verpflichtung zum Schadenersatz dem Grunde nach geht, genügt die Wahrscheinlichkeit, dass durch die Aufbereitungshandlungen irgendein Schaden entstanden ist, der durchaus im Höheverfahren den Betrag „Null“ erreichen kann. Die für ein Feststellungsurteil erforderliche Wahrscheinlichkeit besteht nur dann nicht, wenn sich im Grundverfahren schon absehen lässt, dass die Schadenshöhe gleich Null sein wird. Davon kann hier aber keine Rede sein, weil bisher nicht einmal bekannt ist, ob die A-Genossenschaften nur den durch ihre verbotenen Nachbauhandlungen entstandenen Schaden ersetzt oder auch für die dem Sortenschutzinhaber vorbehaltenen Aufbereitungshandlungen Ersatz geleistet haben. Da auch die Aufbereitung dem Ausschließlichkeitsrecht des Sortenschutzinhabers unterliegt, kann er seine Zustimmung nach Art. 13 Abs. 2 S. 2 GSVO von Bedingungen und Einschränkungen abhängig machen und insbesondere sich seine Gestattung vergüten lassen. Diese Möglichkeit hat die Beklagte durch ihre angemaßten Nutzungshandlungen vereitelt; der sich daraus ergebende Vermögensnachteil reicht aus, um die Wahrscheinlichkeit eines Schadens zu begründen, dessen konkrete Bezifferung dem Höheverfahren vorbehalten bleiben kann.

c) Die Beklagte hat ferner nach § 242 BGB über den Umfang ihrer Verletzungshandlungen Rechnung zu legen, um der Klägerin die Bezifferung ihrer Schadenersatzansprüche zu ermöglichen. Der von der Klägerin in der Klageschrift zitierte § 37b SortG ist zwar auf die nur den Bestimmungen über den gemeinschaftlichen Sortenschutz unterliegenden Klagesorten nicht anwendbar, aber unabhängig davon unterliegt die Beklagten dem allgemeinen Rechnungslegungsanspruch nach § 242 BGB, der nach Art. 97 GSVO auch für Verletzungen gemeinschaftlicher Sortenschutzrechte gilt; auf diesen allgemeinen Anspruch bezieht sich auch der Vorbehalt in Art. 9 Abs. 2 NachbauVO, wo ausdrücklich klargestellt ist, dass die Auskunft wegen privilegierter Nachbauhandlungen nicht abschließend geregelt ist und insbesondere keine weitergehenden Auskunftspflichten für den hier vorliegenden Fall eines unerlaubten Nachbaus ausgeschlossen sind. Die grundsätzliche Auskunftspflicht des Verletzers wird auch durch die von der Beklagten zitierten Ausführungen bei Wuesthoff/Leßmann/Würtenberger nicht in Frage gestellt, die sich nur mit der Anwendbarkeit des § 37b SortG über die Verweisungsnorm des Art. 97 GemSortVO befassen und diese Möglichkeit zu Recht verneinen. Die von der Klägerin begehrten Angaben lassen sich sämtlich auch auf § 242 BGB stützen, dessen Anwendbarkeit für den nationalen Sortenschutz höchstrichterlich anerkannt ist (BGH, GRUR 2002, 238, 241, 242, l.Sp., Abs. 2 – Nachbau-Auskunftspflicht); die dortigen Ausführungen gelten sinngemäß auch im Rahmen des Art. 97 GSVO.
Auch ihrer Verpflichtung zur Rechnungslegung nach § 242 BGB kann die Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, nach Art. 9 Abs. Satz 2 Buchstabe b) NachbauVO habe ein Aufbereiter nur dann Auskunft zu erteilen, wenn er wisse, welche Sorte er zur Vermehrung aufbereitet habe; er sei jedoch nicht gehalten, sich aus eigener Initiative danach zu erkundigen. Art. 9 NachbauVO betrifft nur den in Art. 14 Abs. 3, Spiegelstrich 6 GSVO statuierten Auskunftsanspruch des Sortenschutzinhabers gegen den Aufbereiter im Falle des erlaubten Nachbaus, der dazu dient, dem Rechtsinhaber die Berechnung der Entschädigung für diesen von ihm nicht untersagbaren Nachbau zu ermöglichen. Da Hybridsorten, wie sie hier in Rede stehen, nach Art. 14 Abs. 1 GSVO nicht nachgebaut werden dürfen, ist ihr Nachbau stets eine Verletzung bestehender Sortenschutzrechte. Der im Verletzungsfall gegen den Aufbereiter nach Art. 97 Abs. 2 GSVO in Verbindung mit § 242 BGB bestehende Rechnungslegungsanspruch steht unabhängig neben dem Anspruch aus Art. 9 NachbauVO (vgl. BGH, a.a.O., Aufbereiter I und II). Dass Art. 9 NachbauVO den dortigen Auskunftsanspruch davon abhängig macht, dass der Aufbereiter den bestehenden Sortenschutz kennt, bedeutet nicht, dass er auch für Sortenschutzverletzungen nur unter denselben Voraussetzungen zur Verantwortung gezogen werden kann. Beim Auskunftsanpruch wegen Nachbaues bzw. Aufbereitung zum Nachbau verwendeten Erntegutes mag eine Beschränkung gerechtfertigt sein, weil die Auskünfte der Aufbereiter nur zur Vorbereitung der von den nachbauenden Landwirten zu leistenden Entschädigung dienen und die Aufbereiter selbst keinen Entschädigungsforderungen unterliegen, der Rechnungslegungsanspruch zur Vorbereitung und Bezifferung von Schadenersatzansprüchen betrifft jedoch einen Anspruch, dem der Aufbereiter selbst ausgesetzt ist. Die durch die Verletzung entstandene Rechtsbeziehung zwischen dem Aufbereiter und dem Inhaber der Sortenschutzrechte rechtfertigt es auch, von dem Verletzer die Angabe der Namen und Anschriften der Auftraggeber zu verlangen, um die Rechnungslegung auf ihre Plausibilität und Richtigkeit überprüfen zu können.

III.

Da die Berufung der Beklagten keinen Erfolg hatte, muss die Beklagte nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres vergeblich eingelegten Rechtsmittels tragen. Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Es bestand keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Als reine Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine revisionsgerichtliche Entscheidung nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.