2 U 60/05 – Herausgabe des Verletzergewinns

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  578

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 04. Mai 2006, Az. 2 U 60/05

Die Berufung der Beklagten gegen das am 3. Mai 2005 verkündete Zwi-schenurteil der 4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurück-gewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.

Entscheidungsgründe:

I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des europäischen Patents
0 529 xxx und des deutschen Gebrauchsmusters 91 10 xxx auf Zahlung weiteren Schadensersatzes nach der Berechnungsmethode „Herausgabe des Verletzergewinns“ in Anspruch.
Beide Schutzrechte betreffen Zerkleinerungsvorrichtungen mit einem trichterartigen Behälter, in dessen Auslassbereich zwei zueinander parallele Brecherwalzen gelagert sind, welche gegenläufig antreibbar sind.
Die Beklagte stellte her und vertrieb unter der Bezeichnung „XYZ“ eine Zerkleinerungsmaschine, die nach Ansicht der Klägerin eine Verletzung ihrer Klageschutzrechte darstellte. Sie nahm deshalb die Beklagte in dem Verfahren 4 O 29/97 vor dem Landgericht Düsseldorf auf Unterlassung, Rechnungslegung und Festlegung der Schadensersatzpflicht in Anspruch. Mit – rechtskräftigem – Urteil vom 7. April 1998 verurteilte das Landgerichts die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung und Rechnungslegung. Außerdem stellte das Landgericht fest, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr bzw. den vormaligen Schutzrechtsinhabern durch die Verletzungshandlungen entstanden ist.
In der Folgezeit erteilte die Beklagte Auskunft über die Verkäufe und Vermietungen der von ihr hergestellten Vorrichtungen, welche sie mit Schreiben vom 27. November 1998 ergänzte. Die Auskünfte wiesen einen Gesamtumsatz in Höhe von 5.642.052,00 DM aus. Nach Abzug näher spezifizierter Kosten teilte die Beklagte einen bei ihr entstandenen Gewinn in Höhe von 242.829,17 DM mit.
Nachdem die Parteien sich in anschließenden Verhandlungen nicht auf einen Lizenzsatz einigen konnten, nahm die Klägerin die Beklagte in dem Verfahren 4 O 288/99 LG Düsseldorf (2 U 69/00 OLG Düsseldorf) auf Zahlung von Schadensersatz nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie in Anspruch. Unter Zugrundelegung eines – ihrer Ansicht nach angemessenen, auf den erzielten Umsatz bezogenen – Lizenzsatzes von 6 % machte sie klageweise einen Betrag von 333.367,00 DM nebst Zinsen geltend. Die Beklagte hielt lediglich einen Lizenzsatz von 0,5 bis 1 % für angemessen. Das Landgericht entschied durch Urteil vom 30. März 2000, dass die Beklagte der Klägerin – unter Zugrundelegung eines angemessenen Umsatzlizenzsatzes von 5 % – Schadenersatz in Höhe von 280.473,60 DM nebst Zinsen zu leisten habe; die weitergehende Klage wies das Landgericht ab.
Gegen das Urteil vom 30. März 2000 legte die Beklagte – die weiterhin einen Lizenzsatz von 1 % für richtig hielt – form- und fristgerecht Berufung ein. Mit Schriftsatz vom 18. April 2000 schloss sich die Klägerin der Berufung unselbständig an, indem sie ihr ursprüngliches Klagebegehren (Zahlung von 333.367,00 DM) weiterverfolgte. Mit Schriftsatz vom 31. August 2001 kündigte die Klägerin während des Berufungsrechtszuges an, dass sie die Berechnungsmethode wechseln wolle und nunmehr die Herausgabe des Verletzergewinns begehre. Mit weiterem Schriftsatz vom 17. Juni 2002 erhöhte die Klägerin, gestützt auf die neue Berechnungsmethode, ihre Klageforderung auf insgesamt 410.569,73 € (803.004,60 DM). Die Beklagte nahm daraufhin mit Schriftsatz vom 24. Juni 2002, der am selben Tag bei Gericht einging, ihre Berufung zurück.
Nach Aufforderung der Klägerin vom 10. August 2002 zahlte die Beklagte im Vollzug des erstinstanzlichen Urteils einen Betrag in Höhe von 119.419,00 € an die Klägerin.
Die Klägerin vertritt die Ansicht, dass sie rechtzeitig – nämlich zu einer Zeit, als über den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch noch nicht rechtskräftig entschieden gewesen sei – erklärt habe, dass sie den Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen der Herausgabe des Verletzergewinns geltend mache. Infolge dessen handele es sich bei dem Urteil vom 30. März 2000 nur um ein Teilurteil, mit der Folge, dass nur der darin beschiedene Teil des Schadensersatzanspruchs in Rechtskraft erwachsen sei. Es stehe ihr daher frei, den weiteren ihr entstandenen Schaden ersetzt zu verlangen.
Die Klägerin hat ihren Schadensersatzanspruch an die Landesbank B-land –abgetreten und mit dieser vereinbart, dass ihr 50 % des Erfolgs der Klage zukommen solle.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Landesbank B-land –, 405.235,51 € zzgl. Zinsen
– von 82.877,35 € seit dem 01.02.1996,
– von 185.157,65 € seit dem 01.02.1997,
– von 158.814,31 € seit dem 01.02.1998,
– von 21.613,80 € seit dem 01.02.1999,
jeweils in Höhe von 3,5 % über dem jeweiligen Bundesbankdiskontsatz, ab dem 1. Januar 1999 in Höhe von 3,5 % über dem Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie vertritt die Ansicht, dass nach ihrer Berufungsrücknahme in dem Verfahren das dort ergangene erstinstanzliche Urteil vom 30. März 2000 in Rechtskraft erwachsen sei, weswegen es der Klägerin verwehrt sei, nunmehr erneut Klage auf Zahlung von Schadensersatz auf der Grundlage derselben Verletzungshandlungen zu erheben. Das der Klägerin ursprünglich zustehende Wahlrecht in Bezug auf die Berechnungsmethode sei durch die rechtskräftige Entscheidung, jedenfalls aber durch die im August 2002 erfolgte vorbehaltlose Entgegennahme der Schadensersatzleistung, verbraucht. Die vorliegende Klage sei daher wegen der entgegenstehenden rechtskräftigen Entscheidung unzulässig.
Im vorliegenden Rechtsstreit hat das Landgericht mit einem Zwischenurteil vom 3. Mai 2005 entschieden, dass die Klage auf Zahlung weiteren Schadensersatzes wegen Patent- und Gebrauchsmusterverletzung zulässig sei.
Zur Begründung führt das Landgericht aus, zwischen den drei Berechnungsmethoden des Schadensersatzanspruches stehe dem Berechtigten ein freies Wahlrecht zu, das erst dann in Fortfall gerate, wenn der nach einer bestimmten Methode ermittelte Schadensersatzanspruch vom Schuldner erfüllt oder über den nach einer bestimmten Methode bezifferten Schadensersatzanspruch rechtskräftig entschieden worden sei. Das Wahlrecht komme daher in dem Augenblick zum Erliegen, in dem die Erfüllungswirkung bzw. die Rechtskraft eintrete. Im vorliegenden Fall habe die Klägerin die entsprechenden Erklärungen zur Änderung der Berechnungsmethode abgegeben, bevor das Urteil des Landgerichts rechtskräftig geworden sei. Die Rücknahme der Berufung durch die Beklagte habe zu einer Rechtskraftwirkung mit Wirkung ex nunc geführt, da im Zeitpunkt der Rücknahme die Berufungsfrist für beide Parteien abgelaufen gewesen sei und die Klägerin kein selbständiges Rechtsmittel eingelegt habe. Der Einwand anderweitiger Rechtskraft stehe diesem Ergebnis nicht entgegen. In materielle Rechtskraft erwachse nur der Entscheidungssatz, wobei jedoch der Tatbestand und die Entscheidungsgründe mit herangezogen werden müssten, wenn der Streitgegenstand und damit der Umfang der Rechtskraft bestimmt werden solle. Im Verfahren 4 O 288/99 sei erstinstanzlicher Streitgegenstand die Höhe des der Klägerin nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie zustehenden Schadensersatzanspruchs gewesen. Über diesen Streitgegenstand mit den dazugehörigen Tatsachen sei mit Urteil vom 30. März 2000 entschieden worden. Andere Fragen, insbesondere andere Berechnungsmethoden seien nicht Gegenstand des Streites und der rechtskräftigen Entscheidung gewesen. Der Klägerin sei die Geltendmachung eines weitergehenden Schadensersatzes auch nicht deswegen verwehrt, weil sie den in dem vorangegangenen Höheverfahren erstinstanzlich ausgeurteilten Betrag gegenüber der Beklagten vollstreckt habe. Dieses sei erst nach dem Wechsel der Berechnungsmethode geschehen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung der Beklagten.
Die Beklagte macht unter Widerholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens geltend, die materielle Rechtskraft erfasse nicht die Berechnungsart eines streitgegenständlichen (materiell-rechtlichen) (Schadens-) Anspruchs, sondern den materiell-rechtlichen Anspruch als Ganzen. Bezüglich des Eintritts der Rechtskraft sei zwischen der formellen Rechtskraft gemäß § 705 ZPO und dem Eintritt der materiellen Rechtskraft gemäß § 322 ZPO zu unterscheiden. Bezüglich der materiellen Rechtskraft sei festzustellen, dass das Landgericht mit seinem Urteil über den Schadensersatzanspruch nach Maßgabe der Lizenzanalogie verhandelt und geurteilt habe, ohne dass es den geringsten Hinweis darauf gebe, dass es sich um ein Teilurteil gemäß § 301 ZPO gehandelt haben könnte. Daran änderten auch die im Berufungs- und Anschlussberufungsverfahren von den Parteien eingereichten Schriftsätze nichts, da diese nicht Bestandteil des erstinstanzlichen Urteils vom 30. März 2000 gewesen seien. Diese seien mithin kein legitimes Auslegungsmittel zur Bestimmung des Streitgegenstandes.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil der 4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 3. Mai 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie tritt den Ausführungen der Beklagten unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags entgegen.

II.
Die Berufung ist unbegründet.

Zu Recht hat das Landgericht entschieden, dass die Klage der Klägerin auf weiteren Schadensersatz, berechnet nach den Grundsätzen der Herausgabe des Verletzergewinns, zulässig ist. Die materielle Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 30. März 2000, mit der das Landgericht über das Bestehen bzw. Nichtbestehen eines Anspruchs der Klägerin auf Schadensersatz nach der Berechnungsmethode der Lizenzanalogie entschieden hat, steht der vorliegenden Klage nicht entgegen, da die Klägerin während der Rechtshängigkeit des Vorprozesses in zulässiger Weise von der Berechnung ihres Schadensersatzanspruchs nach der Methode der Lizenzanalogie auf die nach der Herausgabe des Verletzergewinns übergegangen ist. Die Klage im Vorprozess stellt sich damit als Teilklage dar, welche der Geltendmachung eines weitergehenden Schadensersatzanspruchs nicht entgegensteht.

1.
Der Übergang der Klägerin von der Berechnung ihres Schadensersatzanspruchs nach der Methode der Lizenzanalogie auf die nach der Herausgabe des Verletzergewinns war zulässig.

Im Übergang von der Berechnung des Schadensersatzanspruchs nach der Methode der Lizenzanalogie auf die nach der Herausgabe des Verletzergewinns liegt keine – möglicherweise unzulässige – Einführung eines neuen Streitgegenstandes in den Prozess, da es sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei den verschiedenen Berechnungsarten eines wettbewerbsrechtlichen Schadens nur um verschiedene Liquidationsformen eines einheitlichen Schadensersatzanspruchs und nicht um verschiedene Ansprüche mit unterschiedlichen Rechtsgrundlagen handelt (BGH, GRUR 2003, 55, 57 – Tchibo/Rolex II m.w.N.).

Der Übergang ist zu einem Zeitpunkt geschehen, in dem die Klägerin das ihr zustehende Wahlrecht noch nicht verloren hatte. Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass das Wahlrecht erlischt, wenn über den nach einer bestimmten Methode bezifferten Schadensersatzanspruch rechtkräftig entschieden ist oder der Schuldner den Anspruch erfüllt hat (BGH, GRUR 1966, 375, 376, 379 – Meßmer-Tee II; GRUR 1993, 55, 57 – Tchibo/Rolex II; GRUR 1999, 226, 227 – Planungsmappe).

Zum Zeitpunkt der Umstellung der Klage im Berufungsverfahren mit Schriftsätzen vom 31. August 2001 (Bl. 142 BA) und 12. September 2001 (Bl. 161 BA) und Schriftsatz vom 17. Juni 2002 (Bl. 184 BA) war beides nicht der Fall.

Das Urteil des Landgerichts im Vorprozess ist am 24. Juni 2002, mit dem Tag des Eingangs der Rücknahme der Berufung durch die Beklagte bei Gericht, formell und materiell rechtskräftig geworden (§ 522 Abs. 1 ZPO a.F. i.V.m. Art. 26 Nr. 5 EGZPO). Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das landgerichtliche Urteil nicht mit dem Tag seiner Verkündung, dem 30. März 2000 formell und materiell rechtskräftig geworden. Die formelle Rechtskraft nach § 705 ZPO, die Voraussetzung des Eintritts der materiellen Rechtskraft nach § 322 ZPO ist, bedeutet die Unanfechtbarkeit einer Entscheidung, da gegen sie kein Rechtsbehelf oder Rechtsmittel mehr zur Verfügung steht (Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., Vor § 322 RN 6). Da bei Rücknahme der Berufung die Berufungsfrist für beide Parteien abgelaufen war und die Klägerin kein selbständiges Rechtsmittel eingelegt hatte, erwuchs das landgerichtliche Urteil am Tag des Eingangs der Rücknahmeerklärung bei Gericht formell und materiell in Rechtskraft (Musielak/Ball, ZPO, 4.Aufl., § 516 RN 14; Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 516 ZPO Rn 17). Eine Rückdatierung des Eintritts der formellen und damit auch der materiellen Rechtskraft gemäß § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO, wie sie die Beklagte vorträgt, widerspricht § 705 Satz 2 ZPO, wonach der Eintritt der formellen Rechtskraft durch rechtzeitige Einlegung des Rechtsmittels gehemmt, folglich während der Anhängigkeit des Rechtsmittels suspendiert wird.

Das Wahlrecht ist auch nicht durch Erfüllung durch die Beklagte erloschen, da die Klägerin es schon ausgeübt hatte, als die Beklagte nach Rechtskraft des landgerichtlichen Urteils im Vorprozess die ausgeurteilte Summe bezahlt hat.

Die Beklagte konnte das Wahlrecht der Klägerin nicht rückwirkend wieder beseitigen, indem sie die Berufung gegen das landgerichtliche Urteil im Vorprozess zurückgenommen hat und damit die Schriftsätze der Parteien im Berufungs- bzw. Anschlussberufungsverfahren gegenstandslos geworden wären. Die eintretende Rechtkraft des landgerichtlichen Urteils hat ihre Wirkung nämlich erst ab dem Tag des Eingangs der Berufungsrücknahme bei Gericht entfaltet. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin ihre Berechnung aber bereits umgestellt.

2.
Die jetzt vorliegende Klage wird von der materiellen Rechtskraft der Klage im Vorprozess nicht erfasst.

Die materielle Rechtskraft nach § 322 ZPO erstreckt sich auf den Inhalt der Entscheidung und legt fest, in welchem Umfang das Gericht und die Parteien in einem neuerlichen, auf dem gleichen Lebenssachverhalt beruhenden Rechtsstreit um dieselbe Rechtsfolge an die rechtskräftige Entscheidung gebunden sind (Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 705 RN 1f.). Der Streitgegenstand bestimmt sich nach dem s.g. zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff. Dieser wird bestimmt durch den vorgetragenen Lebenssachverhalt und die daraus abgeleitete Rechtsfolge. Der Tenor einer Entscheidung über einen erhobenen prozessualen Anspruch, d.h. das Bestehen oder Nichtbestehen der mit der Klage beanspruchten Rechtsfolge aufgrund der vorgetragenen Tatsachen bei Schluss der mündlichen Verhandlung erwächst in Rechtskraft. Soweit der Streitgegenstand des zweiten Rechtsstreits mit dem des ersten Rechtsstreits identisch ist, ist die Rechtskraft eine negative Prozessvoraussetzung, d.h. sie verbietet nicht nur eine abweichende Entscheidung, sondern macht das neue Verfahren und eine Entscheidung darin schlechthin unzulässig (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., Vor § 322 RN 19, 21).

Eine jede neue Verhandlung und Entscheidung über denselben Anspruch ausschließende materielle Rechtskraft eines Urteils reicht nach § 322 Abs. 1 ZPO im übrigen nur soweit, wie über den durch die Klage erhobenen Anspruch entschieden ist. Hat der Kläger im vorangegangenen Prozess nur einen Teilanspruch geltend gemacht, so erfasst die Rechtskraft des Urteils nur diesen Teil des Anspruchs und erstreckt sich nicht auf den nicht eingeklagten restlichen Anspruch (BGH, NJW 1985, 1340, 1341; NJW 1994, 3165, 3166; NJW 1997, 1990 m.w.N.; Zöller/Vollkommer, a.a.O., Vor § 322 RN 47; Musielak, a.a.O., § 322 RN 67). Voraussetzung ist, dass der nur zum Teil eingeklagte Anspruch seiner Natur nach teilbar ist. Der Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung eines Patentrechts ist auf Zahlung einer Geldsumme gerichtet und daher teilbar.

In Rechtskraft erwachsen ist der Ausspruch des Landgerichts in Vorprozess, dass der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch in Höhe von 280.473,60 DM auf Schadensersatz wegen Verletzung des Klagepatents nach der Berechnungsmethode der Lizenzanalogie zusteht und ein weitergehender Anspruch nach dieser Berechnungsmethode in Höhe von 52.893,40 DM nicht besteht. Dabei handelt es sich bei dem im Vorprozess geltendgemachten Anspruch um eine solche Teilklage. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 12. September erklärt, ihre Klage sei als Teilklage zu verstehen und sich weitergehende Ersatzforderungen ausdrücklich vorbehalten. Sie hat damit dem Gericht und der Beklagten gegenüber offen zum Ausdruck gebracht, dass der geltend gemachte prozessuale Anspruch den Streitgegenstand in quantitativer Hinsicht nicht vollumfänglich ausschöpfen soll.

Hiergegen kann nicht eingewandt werden, dass die Teilklage erst nach Erlass des landgerichtlichen Urteils im Rahmen der Anschlussberufung als solche bezeichnet wurde, da die Klägerin noch vor Eintritt der materiellen Rechtskraft zum Ausdruck gebracht hat, dass der von ihr geltend gemachte prozessuale Anspruch die aus der Verletzung ihrer Schutzrechte resultierenden Ersatzansprüche nicht abdeckt.

Selbst wenn man annehmen wollte, dass die Erklärung über das Vorliegen einer Teilklage im Berufungsverfahren nicht ausreicht und diese mit der Rücknahme der Berufung gegenstandslos wurde, läge eine zulässige, sog. verdeckte Teilklage vor. Auch die Rechtskraft des einer verdeckten Teilklage stattgebenden Urteils steht Mehr- und Nachforderungen aus demselben Sachverhalt nicht entgegen. Für den Rechtskraftumfang ist ein Vorbehalt von Nachforderungen grundsätzlich ohne Bedeutung, denn das frühere Urteil hat nur über den zur Entscheidung gestellten prozessualen Antrag zu befinden. Weitergehende Ansprüche aus demselben Sachverhalt hat es nicht zum Gegenstand, weshalb sich die Rechtskraft dieses Urteils auch nicht auf solche Ansprüche erstrecken kann (BGH, NJW 1997, 1990; Zöller/Vollkommer, a.a.O., Vor § 322 RN 48f.; Musielak, a.a.O., § 322 RN 68).

3.
Die Klage ist auch zulässig, soweit mit ihr weiterhin ein Schadensersatzbetrag in Höhe von 52.893,40 DM geltend gemacht wird, der seinem nominellen Betrag nach genau dem Betrag entspricht, in dessen Höhe das Landgericht im Vorprozess die Klage rechtskräftig abgewiesen hat.

Bei der Bestimmung des Umfangs der Rechtskraft eines eine Leistungsklage abweisenden Urteils sind der Tatbestand und die Entscheidungsgründe einschließlich des Parteivorbringens heranzuziehen, da sich allein aus der Urteilsformel der Streitgegenstand und damit Inhalt und Umfang der getroffenen Entscheidung nicht notwendig erkennen lassen. Eine Einschränkung des Umfangs der Rechtskraft eines die Leistungsklage abweisenden Urteils wird danach angenommen, wenn dem Urteil zu entnehmen ist, dass das Gericht einen rechtlichen Gesichtspunkt bewusst ausgespart hat. Sie ist danach dann geboten, wenn der Entscheidung unmissverständlich der Wille des Prozessgerichts zu entnehmen ist, über den zu Grunde liegenden Sachverhalt nicht abschließend zu erkennen und dem Kläger so eine Klage zu diesem Anspruch auf der gleichen tatsächlichen Grundlage und aufgrund von bereits im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegenden Umständen vorzubehalten (vgl. u.a. BGH, NJW 1990, 1795; GRUR 2002, 787, 788f. m.w.N. – Abstreiferleiste).

Die Rechtskraft des landgerichtlichen Urteils steht der Geltendmachung des abgewiesenen Betrages nicht entgegen, da das Landgericht über den Schadensersatzanspruch der Klägerin nur unter dem Gesichtspunkt der Berechnung nach der Lizenzanalogie entschieden hat und, aufgrund der Besonderheiten der Rechtsnatur der unterschiedlichen Berechnungsarten eines Schadensersatzanspruchs wegen Patentverletzung, ein Ausspruch über die Berechtigung des nach einer anderen Berechnungsmethode errechneten Anspruchs weder dem Grund noch der Höhe nach veranlasst war, weil der zulässige Wechsel der Berechnungsmethode erst nach Erlass des landgerichtlichen Urteils, nämlich im Berufungsverfahren erfolgt ist.

4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO veranlasst, weil die in diesem Rechtsstreit zu entscheidenden Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung sind und auch in dem Urteil „Abstreiferleiste“ (BGH, GRUR 2002, 787 ff.) nicht abschließend geklärt sind.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 405.235,51 €

R1 Dr. R3 R2