2 U 89/05 – Nachladen von Prepaid-Karten

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  589

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 19. Januar 2006, Az. 2 U 89/05

Vorinstanz: 4b O 167/05

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 23. Juni 2005
verkündete Urteil der 4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf
abgeändert. Unter Aufhebung der in dem genannten Urteil erlassenen einstweiligen Verfügung wird der auf deren Erlass gerichtete Antrag zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfügungsverfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.

Entscheidungsgründe:

I.
Auf Antrag der Antragstellerin, die eingetragene Inhaberin des am 11. April 2002 veröffentlichten und in Kraft stehenden deutschen Patentes 199 46 xxx betreffend ein Verfahren zum telefonischen Nachladen eines Gesprächsguthabens bei einem Provider ist, hat das Landgericht der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung durch Urteil vom 23. Juni 2005 unter Androhung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel untersagt, die in diesem Patent unter Schutz gestellte technische Lehre zu nutzen, nämlich

1.
ein Verfahren zum telephonischen Nachladen eines Gesprächsguthabens bei einem Provider für Telephoneinheiten eines Teilnehmers einer Prepaid-Karte mit folgenden Schritten:

Anrufen eines Providers durch den Teilnehmer;
Mitteilen einer Teilnehmernummer des Teilnehmers an den Provider;
Mitteilen einer PIN des Teilnehmers an den Provider;
Überprüfen durch den Provider, ob die PIN der Teilnehmernummer zugeordnet ist;
Aufstocken des Gesprächsguthabens des Teilnehmers bei einem Provider um einen bestimmten Betrag durch den Provider;
Einleiten eines Telephonats durch Wählen einer Telephonnummer;
wobei dies nach dem Mitteilen der Teilnehmernummer und/oder nach dem Mitteilen der PIN und/oder nach dem Überprüfen geschehen kann,
dadurch gekennzeichnet, dass
das Aufstocken während des Telephonats erfolgt;

in der Bundesrepublik Deutschland ohne Zustimmung der Antragstellerin anzuwenden;

2.
Telefonkarten für Mehrwertdienste in der Telefonie in der Bundesrepublik Deutschland ohne Genehmigung der Antragstellerin anzubieten oder zu liefern,

mit denen es Dritten ermöglicht wird,

ein Verfahren zum telephonischen Nachladen eines Gesprächsguthabens bei einem Provider für Telephoneinheiten eines Teilnehmers einer Prepaid-Karte mit folgenden Schritten:

Anrufen eines Providers durch den Teilnehmer;
Mitteilen einer Teilnehmernummer des Teilnehmers an den Provider;
Mitteilen einer PIN des Teilnehmers an den Provider;
Überprüfen durch den Provider, ob die PIN der Teilnehmernummer zugeordnet ist;
Aufstocken des Gesprächsguthabens des Teilnehmers bei einem Provider um einen bestimmten Betrag durch den Provider;
Einleiten eines Telephonats durch Wählen einer Telephonnummer;
wobei dies nach dem Mitteilen der Teilnehmernummer und/oder nach dem Mitteilen der PIN und/oder nach dem Überprüfen geschehen kann,
dadurch gekennzeichnet, dass
das Aufstocken während des Telephonats erfolgt,

zu nutzen.

Dieses Urteil wurde der Antragsgegnerin zwar von Amts wegen, nicht jedoch durch die Antragstellerin im Parteibetrieb zugestellt.

Gegen dieses Urteil hat die Antragsgegnerin Berufung eingelegt, die sie u.a. darauf stützt, die einstweilige Verfügung sei nicht vollzogen worden. Sie beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung insgesamt zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Berufung der Antragsgegnerin zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig und begründet. Die einstweilige Verfügung ist schon deshalb aufzuheben, weil auch die Antragstellerin einräumt, sie nicht vollzogen zu haben. Auch die Urteilsverfügung bedarf der in den §§ 936, 929 Abs. ZPO vorgeschriebenen Vollziehung innerhalb einer Frist von einem Monat nach der Verkündung des Urteils (vgl. Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 2. Auflage, Rdn. 305). Das Unterlassen der Vollziehung bedeutet einen veränderten Umstand im Sinne des § 927 ZPO, der zur Aufhebung der einstweiligen Verfügung führt und im Berufungsverfahren geltend gemacht werden kann (OLG Düsseldorf [20. Zivilsenat], WRP 1993, 327, 328).

Die Vollziehung ist notwendig, um dem Unterlassungsschuldner vor Augen zu führen, dass das erwirkte Verbot auch vollstreckt werden soll; dies geschieht in aller Regel dadurch, dass sie neben der gesetzlich vorgeschriebenen Amtszustellung auch im Parteibetrieb an den Antragsgegner zugestellt wird (vgl. hierzu BGH NJW 1993, 1076 ff. [1077, 1078] und 1990, 122, 124; Berneke, a.a.O., Rdnr. 312 ff. m. w. Nachw. FN. 58, 59). Ebenso wenig wie die von der Antragsgegnerin auf S. 4 ihres Schriftsatzes vom 25. Mai 2005 und in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht abgegebene Erklärung, sie werde den von der Insolvenzschuldnerin tb Communications AG übernommenen Geschäftsbetrieb zum 31. Mai 2005 einstellen, zum Wegfall einer etwa gegebenen Wiederholungsgefahr hätte führen können, erübrigte sie die Vollziehung der Urteilsverfügung durch Parteizustellung. Zwar kann der Gläubiger seinen Willen zur Durchsetzung der von ihm erwirkten Unterlassungsverfügung auch auf andere Weise dem Schuldner gegenüber bekunden, etwa indem er beantragt, Ordnungsmittel nach § 890 Abs. 2 ZPO durch einen gesonderten Beschluss anzudrohen (OLG Karlsruhe, WRP 1982, 44, 45; Berneke, a.a.O., Rdn. 313; Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, Bd. 2, 3. Aufl. § 929 ZPO, Rdn. 22, jeweils m.w.N.) oder wegen Zuwiderhandlung Ordnungsmittel zu verhängen (BGH, NJW 1990, 122, 124; Senat, GRUR 1984, 75, 77; OLG Düsseldorf [20. Zivilsenat], a.a.O., S. 329), aber auch derartige Maßnahmen hat die Antragstellerin hier unstreitig nicht ergriffen, und sie hat auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat keine Gründe vorgetragen, aus denen von einer Vollziehung des erwirkten Verbotes hätte abgesehen werden können. Infolge dessen war die vom Landgericht erlassene einstweilige Verfügung aufzuheben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückzuweisen.

Da die Antragstellerin im Berufungsverfahren unterlegen ist, hat sie nach § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

R1 R2 Dr. R3