2 U 54/05 – Schiebefenster

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 816

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 8. Februar 2007, Az. 2 U 54/05

Vorinstanz: 4b O 126/04

Die Berufung der Beklagten gegen das am 31. März 2xxx verkündete Urteil der 4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 100.000 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahrens wird auf 100.000 € festgesetzt.

G r ü n d e

I.

Die Kläger machen Ansprüche aus dem europäischen Patent EP 0 816 xxx (Anlage K 1, Klagepatent) geltend, welches unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 5. Juli 1996 (deutsche Voranmeldung 196 27 xxx) am 4. Juli 1997 angemeldet und dessen Erteilung am 15. Dezember 1999 veröffentlicht wurde. Die Anmeldung wurde am 7. Januar 1998 bekannt gemacht. Das Klagepatent, zu dessen Benennungsstaaten die Bundesrepublik Deutschland gehört, trägt die Bezeichnung „Laufelement“.

Der Patentanspruch 1 in der im Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt erhaltenen Fassung hat folgenden Wortlaut:

„Laufelement für einen Schiebemechanismus, insbesondere eines Schiebeflügels (16), wie eines Schiebefensters oder einer Schiebetür, wobei der Schiebemechanismus in einer Laufschiene (30; 31) verschiebbar gelagert ist, mittels eines über eine Handhabe (18) betätigbaren Schubstangenmechanismus (3, 3a, 7; 32; 40) gegen Verschieben arretierbar ist und durch mindestens ein Führungselement in der Laufschiene (30; 31) gehalten wird, wobei der Schiebemechanismus (16) nach seiner Entriegelung in der Schiebeebene bis zu einem Anschlag verschiebbar ist und in dieser Position über den Schubstangenmechanismus (3, 3a, 7, 32; 40) arretierbar ist, und in dieser Position Führungselement und Laufschiene (30; 31) zum Verdrehen des Schiebemechanismus (16) voneinander lösbar sind; wobei der Schiebemechanismus mit dem Laufelement (5) in einem Gehäuse (4) angeordnet ist, das in dem Flügelrahmen (2) des Schiebeflügels (10) einbaubar ist,

dadurch gekennzeichnet,

dass das Führungselement durch eine am Schiebemechanismus (16) gelagerte Laufrolle (5; 47) gebildet ist, die längs der Laufschiene (30; 31) führbar ist, und dass die Laufrolle (5; 47) in das Gehäuse (4) bei Betätigung des Schubstangenmechanismus (3, 3a, 7, 32; 40) durch eine Verstellung der Höhenlage der Laufrolle (5; 47) zur Laufschiene (30; 31) einfahrbar ist und so Laufrolle (5; 47) und Laufschiene (30; 31) außer Eingriff kommen.“

Die Kläger waren zudem Inhaber eines Gebrauchsmusters 297 23 xxx (Anlage K 3). Dieses Klagegebrauchsmuster, auf das die Kläger ihre Klage ursprünglich zusätzlich gestützt haben, ist am 3. Februar 2004 erloschen. Auf die Geltendmachung von Rechten hieraus haben die Kläger verzichtet (Bl. 166 GA).

Die Beklagte vertreibt Dreh-Schiebe-Flügel, die mit Laufelementen ausgerüstet sind, wie sie aus Figuren 7-9 der europäischen Patentanmeldung 0 905 xxx (Anlage K 10) und den als Anlage K 9 überreichten Fotos ersichtlich sind.

Die Kläger sind der Ansicht, die von der Beklagten hergestellten und auch in der Bundesrepublik Deutschland vertriebenen Dreh-Schiebe-Flügel machten von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch. Sie nehmen die Beklagte daher auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Schadensersatz in Anspruch.

Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten. Sie hat geltend gemacht, die angegriffene Ausführungsform verfüge nicht über ein „Gehäuse“, insbesondere nicht über ein solches, das „den Schiebemechanismus und das Laufelement aufnehme“. Auch stehe ihr ein privates Vorbenutzungsrecht zu, da sie sich bereits Anfang 1997 an die Entwicklung eines neuen Drehschiebefensters begeben habe. Bereits am 16. April 1997 habe sie die von den Klägern angegriffene Lösung gefunden und diese während der Stuttgarter Fensterbau-Messe in der Zeit vom 19. Juni bis 21. Juni 1997 öffentlich ausgestellt. Dieser Sachverhalt begründe darüber hinaus das Vorliegen einer offenkundige Vorbenutzung, welche der Schutzfähigkeit des Klagepatents entgegen stehe. Das Klageschutzrecht nehme zu Unrecht die Priorität der deutschen Voranmeldung 196 27 xxx in Anspruch, da in der ursprünglichen Anmeldung vom 5. Juli 1996 lediglich die aus den Figuren 4 bis 6 der Klageschutzrechte ersichtliche Ausführungsvariante einer höhenverstellbaren Laufrolle offenbart sei, nicht dagegen ein Laufelement, wie es Gegenstand der Figuren 9 und 10 der Klageschutzrechte und bei der angegriffenen Ausführungsform verwirklicht sei. Der Sachverhalt rechtfertige weiterhin den Einwand der widerrechtlichen Entnahme. Schließlich sei den Klägern bereits seit der Messeausstellung die jetzt angegriffene Ausführungsform bekannt, weswegen die Einrede der Verjährung erhoben werde.
Das Landgericht hat der Klage – unter Aufnahme eines Wirtschaftsprüfervorbehalts – stattgegeben mit der Begründung, die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre des Klagepatents Gebrauch. Der Beklagten stehe kein privates Vorbenutzungsrecht zu, ebenso wenig sei der Gegenstand der Erfindung im geltend gemachten Umfang offenkundig vorbenutzt, weil das Klagepatent die Priorität der Anmeldung DE 196 27 xxx zu Recht in Anspruch nehme. Die Klageansprüche seien auch nicht verjährt.

Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt,

I.
1.
es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den Geschäftsführern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,

Laufelemente für einen Schiebemechanismus, insbesondere eines Schiebeflügels, wie eines Schiebefensters oder einer Schiebetür, wobei der Schiebemechanismus in einer Laufschiene verschiebbar gelagert ist, mittels eines über eine Handhabe betätigbaren Schubstangenmechanismus gegen Verschieben arretierbar ist und durch mindestens ein Führungselement in der Laufschiene gelagert wird, wobei der Schiebemechanismus nach seiner Entriegelung in der Schiebeebene bis zu einem Anschlag verschiebbar ist und in dieser Position
über den Schubstangenmechanismus arretierbar ist und in dieser Position Führungselement und Führungsschiene zum Verdrehen des Schiebemechanismus voneinander lösbar sind, wobei der Schiebemechanismus mit dem Laufelement in einem Gehäuse angeordnet ist, das in den Flügelrahmen des Schiebeflügels einbaubar ist,

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei denen das Führungselement durch eine am Schiebemechanismus gelagerte Laufrolle gebildet ist, die längs der Laufschiene führbar ist, und dass die Laufrolle in das Gehäuse bei Betätigung des Schubstangenmechanismus durch eine Verstellung der Höhenlage der Laufrolle zur Laufschiene einfahrbar ist und so Laufrolle und Laufschiene außer Eingriff kommen;

2.
den Klägern darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagte), Dreh-Schiebe-Flügel mit denen zu 1. beschriebenen Laufelementen oder derartige Laufelemente gesondert seit dem 7. Februar 1998 angeboten, in Verkehr gebracht oder gebraucht oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen hat, und zwar unter Angabe,

a) der Menge der erhaltenen und bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten,
-preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten,
-preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei

– die Angaben zu e) nur für solche Handlungen zu machen sind, welche die
Beklagte seit dem 24. März 2001 begangen hat;
– der Beklagten vorbehalten bleibt, nach ihrer Wahl die Namen und Anschriften
der Angebotsempfänger statt den Klägern einem von diesen zu benennenden,
ihnen gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten
Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn
ermächtigt und verpflichtet, den Klägern auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob
ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnung enthalten ist.

II.
Es hat festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern

1. für die unter I. 2. bezeichneten, in der Zeit vom 7. Februar 1998 bis 23. März 2001 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;
2. allen Schaden zu ersetzen, der ihnen durch die zu I.2. bezeichneten, seit dem 24. März 2001 begangenen Handlungen entstanden ist oder noch entstehen wird.

Die weitergehende Klage hat das Landgericht abgewiesen. Auf das Urteil des Landgerichts vom 31. März 2005 wird Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten. Sie macht weiter geltend, dass das Landgericht zu Unrecht eine Patentverletzung durch die angegriffene Ausführungsform angenommen habe, wenigstens stehe ihr ein privates Vorbenutzungsrecht zu. Im Hinblick auf die während des Berufungsrechtszuges erhobene Nichtigkeitsklage ist die Beklagte der Auffassung, der deutsche Teil des Klagepatents werde sich als nicht rechtsbeständig erweisen. Zum einen liege eine offenkundige Vorbenutzung vor, zum anderen ergebe sich aus der Kombination der DE 44 39 475 (Anlage K 3) mit der US-Patentschrift 4,064,591 (Anlage K 4/ROP 2), dass bezüglich des Klagepatents eine ausreichende Erfindungshöhe nicht angenommen werden könne.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung und den Aussetzungsantrag zurückzuweisen.

Sie trägt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages vor:

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist sachlich nicht gerechtfertigt.

1.
Die mit der Klage angegriffene Ausführungsform macht von der technischen Lehre des Patentanspruchs 1 des Klagepatents Gebrauch, weil sie, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, sämtliche Merkmale der unter Schutz gestellten Lehre des Klagepatents wortlautgemäß verwirklicht.

a)
Das Klagepatent betrifft ein Laufelement für einen Schiebemechanismus, insbesondere eines Schiebeflügels wie eines Schiebefensters oder einer Schiebetür, wobei der Schiebeflügel in einer Laufschiene verschiebbar gelagert ist. Derartige Schiebeflügel werden als Dreh-Schiebe-Flügel ausgebildet und insbesondere bei mehrflügeligen Schiebefenstern oder Schiebetüren verwendet. Solche Dreh-Schiebe-Flügel lassen sich nach Art eines Drehflügels öffnen. Aus DE 44 39 475 (Anlage K 6), welche die Klagepatentschrift auf S. 2 behandelt, sind Schiebeelemente mit mehreren Flügeln, die nach dem Verschieben aufgedreht, also in die Drehstellung gebracht werden können, bekannt. Diese sind mit Kugelrollen versehen, welche von Führungsrollen getrennt angeordnet sind. Diese Kugelrollen laufen auf einer Ebene im Blendrahmen, die Führungsrollen, davon getrennt, in einer Schiene im Blendrahmen. Als nachteilig hieran sieht das Klagepatent an, dass zusätzliche Ausnehmungen in den Rahmenprofilen bzw. den Laufschienen vorzusehen sind, durch die in der Verdrehstellung des Schiebeflügels die Führungsrollen hindurch verschwenkt werden können. Zudem seien die Laufeigenschaften von Kugelrollen nicht optimal und Abdrücke dieser Rollen beschädigten die häufig lackierten Oberflächen der Profilkonstruktion (Klagepatent, S. 1, Abs. 3, Zeilen 13-16).

Dem Klagepatent liegt daher, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, die Aufgabe zugrunde, ein Laufelement anzugeben, das ohne Beeinträchtigung des Blendrahmens auskommt (Klagepatent, S. 1, Abs. 8, Zeilen 38-39).

Zur Lösung dieser Aufgabe sieht der Patentanspruch 1 des Klagepatents die Kombination folgender Merkmale vor, wobei der Senat, abweichend von der Merkmalsgliederung im Urteil des Landgerichts, die von der Klägerseite eingereichte Merkmalsgliederung (Anlage K 7) zugrunde legt:

1. Laufelement für einen Schiebemechanismus, insbesondere eines Schiebeflügels (16) wie eines Schiebefensters oder einer Schiebetür, wobei
1.1. der Schiebemechanismus in einer Laufschiene (30; 31) verschiebbar gelagert ist,
1.2. mittels eines über eine Handhabe (18) betätigbaren Schubstangenmechanismus (3, 3a, 7; 32; 40) gegen Verschieben arretierbar ist,
1.3. durch mindestens ein Führungselement in der Laufschiene (30; 31) gehalten wird;
2. der Schiebemechanismus (16) ist
2.1. nach seiner Entriegelung in der Schiebeebene bis zu einem Anschlag verschiebbar und
2.2. in dieser Position über den Schubstangenmechanismus (3, 3a, 7, 32; 40) arretierbar, wobei
2.3. in dieser Position Führungselement und Laufschiene (30; 31) zum Verdrehen des Schiebemechanismus voneinander lösbar sind;
3. der Schiebemechanismus ist mit dem Laufelement in einem Gehäuse (4) angeordnet, das in dem Flügelrahmen (2) des Schiebeflügels (10) einbaubar ist;
4. das Führungselement ist durch eine am Schiebemechanismus gelagerte Laufrolle (5; 47) gebildet;
5. die Laufrolle (5; 47) ist längs der Laufschiene (30; 31) führbar;
6. die Laufrolle (5; 47) ist bei Betätigung des Schubstangenmechanismus (3, 3a, 7; 32; 40)
6.1. durch eine Verstellung der Höhenlage der Laufrolle (5) zur Laufschiene (30) in das Gehäuse (4) einfahrbar,
6.2. so dass Laufrolle (5; 47) und Laufschiene (30; 31) außer Eingriff kommen.

Aufgrund des Streits der Parteien sind insbesondere die den Schiebemechanismus betreffenden Merkmale sowie das Merkmal 6.1 erörterungsbedürftig. Festzuhalten ist zunächst, dass der von der Klagepatentschrift angesprochene Durchschnittsfachmann bestrebt ist, dem Anspruch eine sinnvolle technische Lehre zu entnehmen. Das Verständnis des Fachmanns von den im Patentanspruch gebrauchten Worten orientiert sich entscheidend an dem in der Patentschrift zum Ausdruck gekommenen Zweck der von ihnen umschriebenen Merkmale.

Allgemein betrachtet daher der Durchschnittsfachmann den Schiebemechanismus als die Gesamtheit aller in Anspruch 1 genannten Funktionsteile, soweit sie in dem in Merkmal 3 angesprochenen Gehäuse angeordnet sind. Damit umfasst der Schiebemechanismus jedenfalls nicht die Laufschiene, in der er verschiebbar gelagert ist (Merkmal 1.1), und nicht den Schubstangenmechanismus, über den er gegen Verschieben arretierbar und entriegelbar ist (Merkmale 1.2, 2.1 und 2.2). Ein wichtiges Funktionsteil des Schiebemechanismus ist allerdings das Führungselement, also die Laufrolle, die wiederum mit weiteren Teilen, die im Klagepatent auf S. 5 in den Absätzen 33 und 40 beispielhaft genannt werden, Bestandteil des Laufelements ist. Das Gehäuse ist, wie das Landgericht zutreffend dargelegt hat, ein Vorrichtungsteil, welches die Funktionsteile des Schiebemechanismus aufzunehmen und zu halten in der Lage ist. Inwieweit das Gehäuse Wandungen und Öffnungen besitzt, bleibt dem Belieben des Durchschnittsfachmannes überlassen.

b)
Daraus folgt, wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, dass die angegriffene Ausführungsform von allen Merkmalen des Anspruchs 1 wortsinngemäß Gebrauch macht, insbesondere auch von den von der Beklagten in Abrede gestellten Merkmalen 3 und 6 nach der oben gegebenen Merkmalsgliederung.

Der Schiebemechanismus der angegriffenen Ausführungsform, entsprechend Figuren 7 bis 9 der europäischen Patentanmeldung 0 905 xxx der Beklagten, besteht u.a. aus den mit Bezugsziffern 13, 14, 39 und 41 bezeichneten Funktionselementen, die in einem Gehäuse angeordnet sind, welches in dem Flügelrahmen des Schiebeflügels einbaubar ist (Merkmal 3). Dieser Mechanismus ist durch Betätigen des Schubstangenmechanismus durch eine Verstellung seiner Höhenlage in das Gehäuse einfahrbar, so dass Laufrolle und Laufschiene außer Eingriff kommen (Merkmal 6). Entgegen der Auffassung der Beklagten trifft das Klagepatent keine Aussage darüber, auf welche Weise der in einem Gehäuse gelagerte Schiebemechanismus in denselben eingefahren wird. Entscheidend ist allein, dass im Ergebnis die Laufrolle und die Laufschiene außer Eingriff kommen.

2.
Ob die von der Beklagten behaupteten Handlungen aus dem Jahr 1997 überhaupt geeignet sind, einen Vorbenutzungstatbestand i.S.d. § 12 PatG zu begründen, hängt von der Prioritätsfrage ab. Diese hat das Landgericht ebenfalls zutreffend beschieden. Mit ihm ist davon auszugehen, dass ein privates Vorbenutzungsrecht der Beklagten nur dann in Betracht kommt, wenn die Kläger die Priorität der deutschen Voranmeldung 196 27 xxx vom 5. Juli 1996 für das Klagepatent nicht in Anspruch nehmen können.

Ob die Kläger die Priorität in Anspruch nehmen können, bemisst sich danach, ob in der Voranmeldung 196 27 xxx bereits dieselbe Erfindung wie im Klagepatent offenbart ist. Für den Offenbarungsgehalt sind nicht nur die vorläufigen Patentansprüche maßgebend, sondern der Gesamtoffenbarungsgehalt der Gesamtheit der Anmeldungsunterlagen, als deren Inhalt alles anzusehen ist, was der Durchschnittsfachmann ihnen ohne weiteres Nachdenken oder Überlegen als zur Erfindung gehörend entnehmen kann. (Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl., § 38, Rdnr. 18 m.w.N.; Benkard/Schäfers, PatG, 10. Aufl., § 38 Rdn. 9-12).

Mit zutreffender Begründung, die sich der Senat zu eigen macht, hat das Landgericht angenommen, dass der Gegenstand der Ursprungsanmeldung für den Fachmann ersichtlich nicht auf eine verschwenkbare Lagerung der Laufrolle – insbesondere an einem Achsschenkel, wie in Figuren 4 – 6 dargestellt und in Anspruch 3 sowie auf Seite 4 im letzten Absatz der Ursprungsanmeldung beschrieben – beschränkt ist. Die Verschwenkbarkeit der Laufrolle ist vielmehr eine bloße Besonderheit des dort gezeigten Ausführungsbeispiels. Die allgemeinere, die gestellte Aufgabe lösende und eine Ein- bzw. Ausfahrbarkeit in Bezug auf das Gehäuse offenbarende Lehre ist auf Seite 4 der Ursprungsanmeldung wiedergegeben und ist, wie das Landgericht richtig gesehen hat, insbesondere von der Merkmalsgruppe 6 sachlich inhaltsgleich aufgegriffen worden.

3.
Zum Einwand der Beklagten, es liege eine „widerrechtliche Entnahme“ vor, macht sich der Senat die Argumentation des Landgerichts zu eigen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird. Gleiches gilt zur Frage der Verjährung.

4.
Dass und warum die Beklagte angesichts der von ihr begangenen Patentverletzung in dem zugesprochenen Umfang der Klägerin zur Unterlassung, zur Entschädigung bzw. zum Schadensersatz und zur Rechnungslegung verpflichtet ist, hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt. Auf diese Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

5.
Eine Aussetzung der Verhandlung bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem das Klagepatent betreffenden Nichtigkeitsverfahren (§ 148 ZPO) kommt nicht in Betracht.

Angesichts des Umstandes, dass ein Patent seinem Inhaber nur ein zeitlich begrenztes Ausschließlichkeitsrecht gewährt, dessen Durchsetzung durch eine Aussetzung der Verhandlung eines Verletzungsrechtsstreits – selbst dann, wenn bereits, wie hier, ein nur gegen Sicherheitsleistung des am Patent Berechtigten vorläufig vollstreckbares Urteil vorliegt – jedenfalls erheblich erschwert würde, kommt eine Aussetzung nur in Betracht, wenn ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents in dem gegen dieses Recht anhängigen Verfahren nicht nur möglich, sondern überwiegend wahrscheinlich ist (vgl. dazu außer BGH, GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug – auch Senat, Mitt. 1997, 257 ff – Steinknacker – sowie GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe). Dabei ist zwar, wie der Senat in seiner Entscheidung „Steinknacker“ ausgeführt hat, bei der Prüfung der Aussetzungsfrage im Berufungsverfahren dann ein weniger strenger Maßstab anzulegen, wenn der Berechtigte bereits – wie hier – über einen erstinstanzlichen Titel gegen seinen Prozessgegner verfügt, aus dem er – wenn auch gegen Sicherheitsleistung – vorläufig vollstrecken kann; eine hinreichende Erfolgsaussicht für den Angriff auf das Klageschutzrecht ist aber auch in derartigen Fällen erforderlich. Vorliegend fehlt es jedoch an einer solchen.

Wie dargelegt, steht die Rechtsbeständigkeit des Klagepatents nicht durch eine offenkundige Vorbenutzung seitens der Beklagten in Frage, da die Klägerin insoweit die Priorität ihrer deutschen Voranmeldung in Anspruch nehmen kann.

Aber auch der Einwand der Beklagten, der Gegenstand des Klagepatents beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, begründet keine hinreichende Erfolgsaussicht für den Angriff auf das Klageschutzrecht. Auch eine Kombination der Patentschrift DE 44 39 479 mit der US-Patentschrift 4,064,5912 offenbart keine Merkmalskombination, die geeignet ist, die dem Klagepatent zu grunde liegende Aufgabe zu lösen.

Die DE 44 39 479 bildet auch nach Aussage der Klagepatentschrift (S. 1, Zeile 11) den Oberbegriff des Anspruchs 1, so dass dieser wohl die Merkmale 1. bis 3 zu entnehmen sind. Nicht zu entnehmen sind dieser Schrift hingegen die kennzeichnenden Merkmale 4 bis 6. Insbesondere ist das Führungsröllchen (7a) der DE 44 39 475 nicht das Laufelement oder der Schiebemechanismus. Das Führungsröllchen (7a) hat keinerlei tragende Funktion. Vielmehr sind Lauf- oder Kugelrollen (5) an der Unterseite des Schiebeflügels angebracht, die auf einer ebenen Laufschiene (6) bei einer Verschiebung des Schiebeflügels laufen können. Diese Laufrollen (5) haben keinerlei Führungsfunktion. Die Führungsfunktion hat nur das Führungsröllchen (7a) in der Führungsschiene (18). Der Schiebemechanismus gemäß DE 44 39 475 wird somit sowohl durch das Führungsröllchen (7a) als auch durch mindestens eine Laufrolle (5) gebildet, die in Längsrichtung in unterschiedlichen Bahnen laufen. Insbesondere ist zu erkennen (Figuren 6 und 7), dass für die Last tragende Laufrolle (5) eine Ausklinkung nicht erforderlich ist, da sie über den entsprechenden Rand der Führungsschiene (18) hinweg schwenkbar ist. Die Würdigung dieser Entgegenhaltung durch die Klagepatentschrift ist daher zutreffend.

Die US-Patentschrift befasst sich nicht mit der hier anstehenden Problematik. Es geht dort nicht darum, die Laufrolle in das Gehäuse einzufahren, um – gemäß der Vorgabe des Merkmals 2.3 – ein Drehen der Schiebetür zu ermöglichen. Vielmehr dient das Einfahren der Laufrollen dazu, die Schiebetür „festzusetzen“. Hingegen soll das Ausfahren der Laufrollen ein Verschieben ermöglichen, wobei auch das Schiebetor insgesamt mittels eines Hebels (25) angehoben wird, wie dies in Spalte 3, Zeilen 18-32 der US-Patentschrift im einzelnen beschrieben wird. Die Aufgabenstellung, mit der sich der Durchschnittsfachmann befassen muss, der die beschriebenen Problemen bei einer Dreh-Schiebe-Tür lösen möchte, wird hingegen nicht erfasst. In rückschauender Betrachtungsweise und in Kenntnis der Lösung des Klagepatents lassen sich zwar konstruktive Parallelen aufzeigen, und die kennzeichnenden Merkmale mögen sich dann auch in der US-Patentschrift auffinden lassen. Es ist aber nicht anzunehmen, dass der Durchschnittsfachmann, der die in S. 1, Zeile 8 bis 16 des Klagepatents beschriebenen Probleme der DE 44 39 479 erkannt hat, in der US-Patentschrift das Lösungsprinzip gesucht und gefunden hätte.

6.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Es besteht kein Anlass, der Klägerin einen Teil der Kosten aufzuerlegen, weil sie auf Rechte aus dem mit dem Klagepatent inhaltsgleichen Klagegebrauchsmuster verzichtet hat. Hierin ist keine teilweise Klagerücknahme zu sehen, sondern nur das Abstandnehmen von einer Anspruchsgrundlage (vgl. Benkard/Rogge/Grabinski, PatG,. 10. Aufl., § 139 Rdn. 8 a.E., 110), weil auf der Grundlage des Klagegebrauchsmusters keine weitergehenden Ansprüche geltend gemacht worden waren.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) kam nicht in Betracht, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht gegeben sind: Die vorliegende Rechtssache, die einen reinen Einzelfall betrifft, hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.