4a O 154/09 – Wälzlager

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1483

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 2. September 2010, Az. 4a O 154/09

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin war bis zum 23.04.2010 eingetragene Inhaberin des europäischen Patents 0 929 XXX (nachfolgend: Klagepatent; Anlage PBP 7). Das Klagepatent wurde am 01.10.1997 unter Inanspruchnahme der deutschen Priorität vom 04.10.1996 angemeldet. Die Offenlegung der Anmeldung erfolgte am 21.07.1999. Am 30.01.2002 wurde der Hinweis auf die Patenterteilung veröffentlicht. Das Klagepatent steht in Kraft und wurde am 23.04.2010 auf die A GmbH & Co. KG umgeschrieben, nachdem die Klägerin zuvor mit Wirkung zum 01.02.2010 das operative Geschäft einschließlich der Schutzrechte ausgegliedert und auf die A GmbH & Co. KG übertragen hatte. Die Beklagte hat unter dem 16.11.2009 Nichtigkeitsklage erhoben (Anlage B1), über die noch nicht entschieden wurde (Az: 5 Ni XXX/XX).

Das Klagepatent betrifft ein Wälzlager mit einer integrierten Drehzahlmesseinrichtung. Sein hier allein maßgeblicher Patentanspruch 1 lautet wie folgt:

Wälzlager, das einen Lagerinnenring (1), einen Lageraußenring (2) und zwischen diesen angeordnete Wälzkörper (3) für die radiale Lagerung enthält, wobei an dem Lagerinnenring (1) ein weiterer Ring stirnseitig angrenzt und der Lageraußenring (2) an dem Lagerinnenring (1) und dem weiteren Ring zusätzlich mit Axialwälzlagern (8) drehbar gelagert ist,
dadurch gekennzeichnet, dass es eine integrierte Drehzahlmesseinrichtung enthält, welche mindestens einen Messwert-Sensor (13) und einen Messwert-Geber aufweist, wobei der weitere Ring als Messwert-Geberring (9) und mit einer Laufbahn für eines der beiden Axialwälzlager (8) ausgebildet ist, der an einem der Lagerringe (1, 2) befestigt ist und an dessen Außenmantelfläche eine in Umfangsrichtung verlaufende Skala (12) angeordnet ist, wobei der Sensor (13) in einer den Geberring (9) in Umfangsrichtung umschließenden Trägerkonstruktion (14) angeordnet ist, die an dem Lageraußenring (2) stirnseitig angrenzt.

Die nachfolgend (verkleinert) wiedergegebenen Figuren der Klagepatentschrift veranschaulichen den Gegenstand der erfindungsgemäßen Lehre anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele. Figur 1 zeigt eine stirnseitige Ansicht eines Geberrings, der von einer Trägerkonstruktion umfasst ist. Figur 2 stellt einen Längsschnitt durch das Wälzlager mit dem Geberring und der Trägerkonstruktion gemäß der in Figur 1 eingezeichneten Linie II dar. Figur 3 gibt einen vergrößerten Teilbereich des Längsschnitts mit einem weiteren Lager wieder.

Die Beklagte stellt her und vertreibt unter der Bezeichnung „B“ bzw. „B“ Wälzlager mit integriertem Winkelmesssystem (Angegriffene Ausführungsform 1). Die Ausgestaltung dieser Wälzlager lässt sich anhand des nachfolgend auszugsweise wiedergegebenen Prospekts der Beklagten erkennen (vgl. Anlage PBP 11):
Daneben vertreibt die Beklagte komplette Rundtische, in die die vorgenannten Wälzlager eingebaut sind (Angegriffene Ausführungsform 2). Die Einbausituation der Wälzlager in den Rundtischen ist aus der nachfolgend wiedergegebenen Abbildung, die ebenfalls dem Prospekt der Beklagten entnommen ist, ersichtlich (Anlage PBP 13):
Die Klägerin ist der Auffassung, beide Ausführungsformen der Beklagten würden wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatentanspruchs 1 Gebrauch machen. Insbesondere sei auch im Hinblick auf die angegriffene Ausführungsform 1 eine unmittelbare Patentverletzung gegeben. Soweit der Klagepatentanspruch 1 eine Trägerkonstruktion vorsehe, werde hierdurch lediglich mittelbar die Anordnung des Sensors im Wälzlager beschrieben. Jedenfalls aber sei eine erfindungsgemäße Trägerkonstruktion vorhanden, sobald die Wälzlager in die Rundtische eingebaut seien. Denn die drehfesten Maschinenteile des Rundtisches würden den Geberring in Umfangsrichtung umschließen, an dem Lageraußenring stirnseitig angrenzen und den Sensor umgeben. Nicht erforderlich sei nach der erfindungsgemäßen Lehre, dass die Trägerkonstruktion die Position der einzelnen Bauteile des Wälzlagers zueinander festlege.

Die Klägerin beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Fall wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,

ein Wälzlager, das einen Lagerinnenring, einen Lageraußenring und zwischen diesen angeordnete Wälzkörper für die radiale Lagerung enthält, wobei an dem Lagerinnenring ein weiterer Ring stirnseitig angrenzt und der Lageraußenring an dem Lagerinnenring und dem weiteren Ring zusätzlich mit Axialwälzlagern drehbar gelagert ist,

in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

das eine integrierte Drehzahlmesseinrichtung enthält, welche mindestens einen Messwert-Sensor und einen Messwert-Geber aufweist, wobei der weitere Ring als Messwert-Geberring und mit einer Laufbahn für eines der beiden Axialwälzlager ausgebildet ist, der an einem der Lagerringe befestigt ist und an dessen Außenmantelfläche eine in Umfangsrichtung verlaufende Skala angeordnet ist, und wobei der Sensor in einer den Geberring in Umfangsrichtung umschließenden Trägerkonstruktion angeordnet ist, die an dem Lageraußenring stirnseitig angrenzt,

2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 21.08.1999 begangen hat, und zwar unter Angabe

a) der Namen und der Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse (inkl. Typenbezeichnungen) bestimmt waren,

b) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse (inkl. Typenbezeichnungen) sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,

c) der einzelnen Angebote (inkl. Typenbezeichnungen), aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Webeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

und dabei zu a) bis e) die zugehörigen Lieferscheine oder Rechnungen mit der Maßgabe vorzulegen, dass Daten, auf die sich die geschuldete Auskunft und Rechnungslegung nicht bezieht und hinsichtlich derer ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse der Beklagten besteht, abgedeckt oder geschwärzt sein können,

wobei die Angaben zu e) erst für die Zeit ab dem 12.08.2007 zu machen sind,

wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer sowie der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn berechtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nichtgewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnung enthalten ist;

II. festzustellen, dass

1. die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die zu I. 1. bezeichneten, in der Zeit vom 21.08.1999 bis zum 27.02.2002 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;

2. die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten, seit dem 28.02.2002 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird;

III. die Beklagte zu verurteilen, die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum befindlichen, unter I. 1. fallenden Wälzlager auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihr zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben;

IV. die Beklagte zu verurteilen, die oben unter I. 1. bezeichneten, im Besitz Dritter befindlichen Wälzlager aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Wälzlagern eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents EP 0 929 XXX B1 erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Wälzlager an die Beklagte zurückzugeben und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Wälzlager eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kostenrückgabe zugesagt wird

und

aus den Vertriebswegen endgültig zu entfernen, indem die Beklagte diese Wälzlager wieder an sich nimmt oder die Vernichtung derselben beim jeweiligen Besitzer veranlasst;

V. ihr die Befugnis zuzusprechen, den Urteilskopf und den Urteilstenor auf Kosten der Beklagten in zwei aufeinander folgenden Ausgaben der Fachzeitschrift „antriebstechnik“ der Forschungsvereinigung Antriebstechnik e.V. öffentlich bekannt zu machen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise die Klage bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Bundespatentgerichts über die als Anlage B1 vorgelegte Nichtigkeitsklage (Az.: 5 Ni XXX/XX) auszusetzen,

hilfsweise ihr für den Fall ihrer Verurteilung zur Rechnungslegung ihr nach ihrer Wahl vorzubehalten, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer sowie die Namen und Anschriften ihrer Empfänger von Angeboten statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, zur Verschwiegenheit verpflichteten und vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern sie dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt, der Klägerin darüber Auskunft zu geben, ob eine bestimmte Lieferung, ein bestimmter Abnehmer, ein bestimmtes Angebot oder ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist,

weiter hilfsweise ihr nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden.

Die Beklagte ist der Auffassung, die angegriffenen Ausführungsformen würden das Klagepatent nicht verletzen. Im Hinblick auf die angegriffene Ausführungsform 1 scheide die Annahme einer unmittelbaren Patentverletzung schon deshalb auf, weil das Wälzlager selbst keine Trägerkonstruktion aufweise. Aber auch das Maschinengestell des Rundtisches, in den das Wälzlager eingebaut werde, stelle keine erfindungsgemäße Trägerkonstruktion dar. Denn diese sei funktional dadurch gekennzeichnet, dass sie die einzelnen Bauteile des Wälzlagers in ihrer spezifischen Position zueinander halte. Diese Funktion nehme das Maschinengestell nicht wahr.

Im Übrigen werde sich das Klagepatent in dem eingeleiteten Nichtigkeitsverfahren nicht als rechtsbeständig erweisen, da seine technische Lehre weder neu noch erfinderisch sei.

Mit ihrem nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 10.08.2010 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 18.08.2010 hat die Klägerin ihre Anträge zu Ziffer I. 2. und Ziffer II.2. im Hinblick auf den mit Wirkung zum 01.02.2010 erfolgten Betriebsübergang auf die A GmbH & Co. KG umgestellt.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den sonstigen Inhalt der Akten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig. Der Entscheidung sind die in der mündlichen Verhandlung vom 10.08.2010 gestellten Anträge zugrunde zu legen, §§ 261 Abs. 2, 297 ZPO (vgl. auch Zöller/Greger, ZPO, 27. Auflage, § 296a Rn 2a). Soweit der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ein Schriftsatznachlass bis zum 18.08.2010 gewährt worden ist, umfasst dies nicht die Stellung neuer Anträge. Von einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO aufgrund des Schriftsatzes der Klägerin vom 18.08.2010 sieht die Kammer ab, weil die Klage unbegründet ist. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Feststellung einer Entschädigungs- und Schadensersatzverpflichtung, Vernichtung, Rückruf und Urteilsveröffentlichung nicht zu (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1 und 3, 140b Abs. 1 und 3, 140e PatG, §§ 242, 259 BGB). Die angegriffenen Ausführungsformen machen von der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 keinen Gebrauch.

I.
Das Klagepatent betrifft ein Wälzlager mit einer integrierten Drehzahlmesseinrichtung.

Wälzlager sind Lager, bei denen zwei zueinander bewegliche Komponenten, der Innenring und der Außenring, durch rollende Körper (Wälzkörper) drehbar zueinander geführt sind. Sie dienen der Abstützung von radialen und/oder axialen Kräften bei Achsen und Wellen und sollen dabei den durch Reibung entstehenden Leistungsverlust und den Verschleiß gering halten. Unterschieden werden können Axial- und Radialwälzlager, wobei auch Wälzlager bekannt sind, die sowohl für die Aufnahme von Axial- als auch von Radialkräften vorgesehen sind. Die Komplexität einer Lagervorrichtung ist umso höher, je höher die Anzahl der Lastzustände ist, für die die Lagervorrichtung ausgelegt ist. Jede Messvorrichtung erhöht die Komplexität der Lagervorrichtung zusätzlich.

Aus dem Stand der Technik sind Messvorrichtungen, insbesondere Winkel- oder Drehzahlmessvorrichtungen, an Wälzlagern bekannt. Typischerweise sind solche Messvorrichtungen derart an ein Lager angebaut, dass sie gesonderten Bauraum beanspruchen.

Die Klagepatentschrift verweist zunächst auf die DE 3 905 XXX (Anlage PBP 3), die ein Wälzlager mit einer Vorrichtung zum Ermitteln des in der Welle übertragenen Drehmoments offenbart. Das Wälzlager besteht aus zwei im gegenseitigen axialen Abstand auf der Welle angeordneten Messwertgebern, denen Messwertfühler berührungsfrei zugeordnet sind. Die Welle bildet den Lagerinnenring für die als Zylinderrollen ausgebildeten Wälzkörper. Der Lageraußenring benötigt für die Sensoren axiale Verlängerungen mit Ausnehmungen, in denen die Sensoren gehalten werden. Letzteres bedingt ausweislich der Klagepatentschrift eine aufwendige Konstruktion (Klagepatentschrift Abs. [0002]).

Weiter offenbart die FR 2 531 XXX (Anlage PBP 9) ein Wälzlager, das einen Lagerinnenring und einen Lageraußenring aufweist und bei dem sich auf beiden Seiten des Lagerinnenrings ein Laufring anschließt. Zwischen dem Lagerinnenring und dem Lageraußenring ist ein Radialwälzkörper angeordnet. Zwischen den beiden Laufringen und dem Lageraußenring befinden sich Axialwälzlager. Der erste Laufring ist von einer Lippendichtung und einem diese haltenden Aufnahmering umgeben. Der Aufnahmering ist stirnseitig an dem Lageraußenring angeschraubt. Eine Drehzahlmesseinrichtung weist diese Vorrichtung nicht auf. Als nachteilig bezeichnet die Klagepatentschrift es, dass ein hoher Konstruktions- und Montageaufwand entsteht (Klagepatentschrift Abs. [0003]).

Ein weiteres Wälzlager ist aus der DE 3 733 XXX (Anlage PBP 4) bekannt. Das dort beschriebene Wälzlager weist eine Dichtungsanordnung sowie eine von einem Sensor abtastbare Winkelcodierung auf. Der Dichtungsaufnahmering ist an dem Lageraußenring befestigt. In dem Dichtungsring ist eine Winkelcodierung in Form einer Verzahnung eingearbeitet. Hieran kritisiert die Klagepatentschrift, dass sich die Verzahnung als Messwertgeber außerhalb des Lageraußenrings befinde und der Sensor daher weit entfernt von dem Lageraußenring angeordnet werden müsse, was einen großen Bauraum für das Lager erforderlich mache (Klagepatentschrift Abs. [0005]).

Vor diesem Hintergrund formuliert die Klagepatentschrift die Aufgabe, ein kostengünstig herstellbares Wälzlager mit nur geringem Bauraum zu schaffen, in welchem ein Drehzahlsensor integriert werden kann (Klagepatentschrift Abs. [0006]).

Dies geschieht nach Patentanspruch 1 durch eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen:

1. Wälzlager, das enthält
a. einen Lagerinnenring (1),
b. einen Lageraußenring (2),
c. zwischen diesen angeordnete Wälzkörper (3) für die radiale Lagerung,
d. einen an dem Lagerinnenring (1) stirnseitig angrenzenden weiteren Ring und
e. eine integrierte Drehzahlmesseinrichtung.

2. Der Lageraußenring (2) ist an dem Lagerinnenring (1) und dem weiteren Ring zusätzlich mit Axialwälzlagern (8) drehbar gelagert.

3. Die integrierte Drehzahlmesseinrichtung weist auf
a. mindestens einen Messwert-Sensor (13) und
b. einen Messwert-Geber.

4. Der weitere Ring
a. ist als Messwert-Geberring (9) ausgebildet,
b. ist mit einer Laufbahn für eines der beiden Axialwälzlager (8) ausgebildet,
c. ist an einem der Lagerringe (1, 2) befestigt und
d. weist an seiner Außenmantelfläche eine in Umfangsrichtung verlaufende Skala (12) auf.

5. Der Sensor (13) ist in einer Trägerkonstruktion (14) angeordnet, die
a. den Geberring (9) in Umfangsrichtung umschließt und
b. an dem Lageraußenring stirnseitig angrenzt.

II.
Die angegriffenen Ausführungsformen machen von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch, da das streitgegenständliche Wälzlager auch unter Berücksichtigung des Rundtisches, in den es eingebaut wird, keine erfindungsgemäße Trägerkonstruktion im Sinne der Merkmalsgruppe 5 aufweist.

Die erfindungsgemäße Lehre setzt das Vorhandensein einer Trägerkonstruktion voraus, die den Geberring in Umfangsrichtung umschließt (Merkmal 5.a) und an dem Lageraußenring stirnseitig angrenzt (Merkmal 5.b). Damit wird ein räumlich-körperlicher Gegenstand beschrieben, mit dessen konkreter Ausgestaltung sich auch die Unteransprüche 2 und 6 befassen. Der Auffassung der Klägerin, Merkmal 5 beschreibe nur mittelbar die Anordnung des Sensors, kann vor diesem Hintergrund nicht gefolgt werden. Die grundsätzlich gebotene funktionale Betrachtung darf bei einem räumlich-körperlich klar definierten Merkmal nicht dazu führen, dass sein Inhalt auf die bloße Funktion reduziert und das Merkmal in einem Sinne interpretiert wird, der mit der räumlich-körperlichen Ausgestaltung, wie sie dem Merkmal eigen ist, nicht mehr in Übereinstimmung steht (vgl. Meier-Beck, GRUR 2003, 905, 907).

Der Trägerkonstruktion kommt schon nach dem Anspruchswortlaut eine Tragefunktion zu. Entsprechend heißt es in Absatz [0008] der Klagepatentschrift: „In dem Bereich des Lageraußenrings wird also eine Trägerkonstruktion eingesetzt, die gleichzeitig mehrere Funktionen erfüllen kann.“ Aus Abs. [0009] der Klagepatentschrift lässt sich entnehmen, dass die erfindungsgemäße Trägerkonstruktion vor allem die Funktion übernimmt, die einzelnen Bauteile des Wälzlagers in ihrer spezifischen Position zueinander zu fixieren, d.h. sie zu tragen. Dies gilt nach der allgemeinen Patentbeschreibung jedenfalls für den Messwert-Sensor, der durch die Trägerkonstruktion in seiner exakten Stellung in Bezug auf den Geberring gehalten wird (Klagepatentschrift Abs. [0008]).

Hiervon ausgehend misst der Fachmann dem Merkmal 5 nicht lediglich den Sinngehalt bei, dass sich der Sensor überhaupt innerhalb einer Konstruktion befindet, die das Wälzlager aufnimmt. Entsprechend der in der Patentbeschreibung hervorgehobenen technischen Funktion der Trägerkonstruktion wird er Merkmal 5.a vielmehr dahingehend verstehen, dass durch die Anordnung des Sensors in der Trägerkonstruktion sichergestellt wird, dass (zumindest) der Sensor in einer vorbestimmten Position zum Geberring gehalten bzw. getragen wird.

Die drehfesten Maschinenteile des Rundtisches können nicht als erfindungsgemäße Trägerkonstruktion begriffen werden, weil ihnen nicht die Funktion zukommt, die einzelnen Bauteile des Wälzlagers, insbesondere den Messwert-Sensor und den Geberring, in ihrer spezifischen Position zueinander zu halten. Zwar wird durch die Befestigung des Lageraußenrings an den festen Maschinenteilen des Rundtisches das gesamte Wälzlager an dem Rundtisch gehalten, allerdings wird hierdurch nicht die Position der einzelnen Bauteile des Wälzlagers zueinander bestimmt. Eben dies ist aber – wie vorstehend ausgeführt – die Aufgabe der erfindungsgemäßen Trägerkonstruktion. Dass die technische Lehre des Klagepatents zwischen der Trägerkonstruktion und dem Maschinengestell (des verwendeten Rundtisches) klar trennt, ergibt sich im Übrigen auch aus Unteranspruch 6, der eine Vorrichtung beansprucht, bei der die Trägerkonstruktion mit dem Lageraußenring in einer kreiszylindrischen Ausnehmung des Maschinengestells angeordnet ist.

V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 709 S. 1 und 2, 108 ZPO.

Der Streitwert wird auf 500.000,00 € festgesetzt.