2 U 86/01 – Mop-Wischbezug

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 321

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 19. Februar 2004, Az. 2 U 86/01

1.
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10. Mai 2001 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

2.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung von 65.000,00 € abwenden, wenn nicht die Beklagte ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 767.000,00 €.

Tatbestand:

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 43 23 943 (im Folgenden: Klagepatent), das auf einer am 16. Juli 1993 eingegangenen Anmeldung beruht und dessen Erteilung am 8. September 1994 veröffentlicht worden ist. Anmelderin und frühere Inhaberin des Klagepatents war die T4 GmbH Gerätebau Reinigungsmittel in W, die das Klagepatent im Jahre 1997 auf die Klägerin übertragen und die außerdem ihr zustehende Ansprüche wegen Verletzung des Klagepatents an die Klägerin abgetreten hat.

Nach Prüfung eines Einspruchs der G4 GmbH hat das Deutsche Patentamt das Klagepatent mit Beschluss vom 17. Oktober 1995 in vollem Umfang aufrechterhalten; die dagegen gerichtete Beschwerde der Einsprechenden ist mit Beschluss des Bundespatentgerichts vom 19. Februar 1997 (Anlage K 9) zurückgewiesen worden.

Anspruch 1 des Klagepatents lautet:

Reinigungseinrichtung, insbesondere zur Bespannung eines Spannrahmens, mit einem textilen Grundstoff (2), von dem eine Reinigungswirkung entfaltende Florfäden (10) bzw. –fasern oder –schlingen abstehen, und einer an dem Grundstoff (2) gebildeten Befestigungseinrichtung (12, 12′) zur Aufnahme des Spannrahmens

dadurch gekennzeichnet,

dass auf dem Grundstoff (2) ein längliches Besatzstück (4) längs zweier beabstandeter Befestigungslinien (6, 8) entlang einer Randkante (6) derart befestigt ist, dass die Bahnbreite des Grundstoffs (2) zwischen den Befestigungslinien (6, 8) größer ist als die entsprechende Bahnbreite des Besatzstücks (4), so dass der Grundstoff (2) zwischen den Befestigungslinien (6, 8) gewölbt bzw. umgelegt ist.

Die nachstehend wiedergegebenen Figuren 1 bis 3 aus der Klagepatentschrift zeigen: Figur 1 einen in vergrößertem Maßstab dargestellten Querschnitt durch einen Randbereich einer Reinigungseinrichtung, bei welcher der Grundstoff entsprechend der ersten Alternative am Ende des Patentanspruchs 1 „zwischen den Befestigungslinien (6, 8) gewölbt“ ist, Figur 2 einen Längsschnitt durch die gesamte Reinigungseinrichtung gemäß Figur 1 und Figur 3 eine Draufsicht auf die Reinigungseinrichtung.

Die Beklagte stellt her und vertreibt unter der Bezeichnung „HEX“ eine Reinigungseinrichtung (Wischbezug) zur Bespannung eines Spannrahmens als Feuchtmop. Die Klägerin hat als Anlage K 11 ein Teilstück einer solchen Reinigungseinrichtung und als Anlage K 10 die dazugehörige Originalverpackung überreicht. Nähere Einzelheiten zur Beschaffenheit der von der Beklagten vertriebenen Reinigungseinrichtung ergeben sich auch aus der nachstehend wiedergegebenen, von der Klägerin als Anlage K 12 überreichten Zeichnung, die mit Bezugszahlen entsprechend dem Klagepatent versehen ist.

Die Klägerin sieht in der Herstellung und dem Vertrieb des genannten Wischbezuges eine Verletzung des Klagepatents und hat die Beklagte auf Unterlassung, Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen, während die Beklagte um Klageabweisung gebeten hat.

Sie hat eingewendet: Es könne dahingestellt bleiben, ob der angegriffene Wisch-bezug von der Lehre des Klagepatents Gebrauch mache, denn jedenfalls stehe ihr hinsichtlich dieses Bezuges ein Vorbenutzungsrecht zu. Sie habe bereits Anfang 1993 die Firma P s.r.l. in Zola Predosa (Italien) mit der Entwicklung eines neuen flachen Feuchtwischbezuges beauftragt gehabt. Das genannte Unternehmen habe ihr im Mai 1993 eine Reihe von Mustern („A“ bis „G“) für derartige Wischbezüge übersandt, darunter auch drei als Muster „C“ gekennzeichnete Wischbezüge, deren einer das als Anlage B 27 überreichte Exemplar gewesen sei. Sie – die Beklagte – habe sich daraufhin entschieden, Wischbezüge gemäß dem Muster „C“ auf dem Markt einzuführen, was sie der Firma P s.r.l. mit Telefax vom 24. Mai 1993 mitgeteilt habe; gleichzeitig habe sie dieses Unternehmen beauftragt, bereits in den Monaten Juni/Juli 1993 eine Menge von 170.000 Stück zu liefern. Am 30. Juni 1993 habe sie die Firma F & Z in Mannheim mit der Anfertigung eines Offsetlithos für einen Sales-Folder „Wisch-mat Voll im Trend“ (entsprechend dem als Anlage B 9 überreichten Exemplar) beauftragt, den dann die Druckerei Dr. I GmbH in Heidelberg hergestellt habe, wobei eine erste Menge von 4.200 Exemplaren bereits vor dem 16. Juli 1993 ausgeliefert und ihr von der Firma Dr. I unter diesem Datum in Rechnung gestellt worden sei.

Eines der mit „C“ gekennzeichneten Muster, nämlich das gemäß Anlage B 27, habe sie dem von ihr damals mit der Ausarbeitung einer Gebrauchsmuster- und einer Patentanmeldung beauftragten H in München übersandt, der am 25. Juni 1993 sowohl eine Gebrauchsmusteranmeldung (G 93 09 489, vgl. die Gebrauchsmusterschrift gemäß den Anlagen K 6 und K 14) als auch eine Patentanmeldung (vgl. die spätere Patentschrift 43 41 242, Anlage K 15) beim Deutschen Patentamt eingereicht habe, mit denen ein dem Muster „C“ entsprechender Wischbezug habe geschützt werden sollen. Nur aufgrund eines Versehens sei dabei in den nachstehend wiedergegebenen Figuren dieser Anmeldungen bei der Figur 3 die Naht „40“ nicht bis zu der „Wischstoffschicht (16)“ durchgezeichnet worden, obwohl bei dem Muster „C“ eine derartige Naht vorhanden gewesen sei.

Da es bei der Firma P s.r.l. zunächst Produktionsschwierigkeiten gegeben habe, sei sie – die Beklagte – erst im September 1993 mit dem neuen Wischbezug auf den Markt gekommen, nachdem dieser von ihren Mitarbeitern bereits im Juni/Juli 1993 verschiedenen Kunden vorgestellt worden sei.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme mit Urteil vom 10. Mai 2001 antragsgemäß

I.
die Beklagte verurteilt,

1.
es bei Meidung der (näher bezeichneten) gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,

Reinigungseinrichtungen zur Bespannung eines Spannrahmens mit einem textilen Grundstoff, von dem eine Reinigungswirkung entfaltende Florfäden bzw. –fasern abstehen, und einer an dem Grundstoff gebildeten Befestigungseinrichtung zur Aufnahme des Spannrahmens

herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

bei denen auf dem Grundstoff ein längliches Besatzstück längs zweier beabstandeter Befestigungslinien entlang einer Randkante derart befestigt ist, dass die Bahnbreite des Grundstoffs zwischen den Befestigungslinien größer ist als die entsprechende Bahnbreite des Besatzstücks, so dass der Grundstoff zwischen den Befestigungslinien umgelegt ist;

2.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 8. Oktober 1994 begangen habe, und zwar unter Angabe

a)
der Herstellungsmengen und –zeiten,

b)
für den Fall der Auftragsherstellung durch Dritte unter Angabe der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

c)
der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen und ggf. Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,

d)
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen und ggf. Typenbezeichnungen,

e)
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

f)
der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns.

Außerdem hat das Landgericht in seinem Urteil

II.
festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr oder der früheren Patentinhaberin, der T4 GmbH Gerätebau Reinigungsmittel, durch die zu I. 1. bezeichneten Handlungen entstanden sei und noch entstehen werde, und zwar der Klägerin durch Benutzungshandlungen seit dem 20. Mai 1997 und der T4 GmbH Gerätebau Reinigungsmittel durch Benutzungshandlungen in der Zeit vom 8. Oktober 1994 bis 19. Mai 1997.

Das Landgericht hat ausgeführt, der angegriffene Wischbezug mache von der Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch; die Beklagte habe nicht bewiesen, dass die von ihr behaupteten Benutzungshandlungen in der Zeit vor dem Tage der Anmeldung des Klagepatents, dem 16. Juli 1993, sich auf Wischbezüge bezogen hätten, bei denen die Naht am inneren Rand des Besatzstückes bis zu dem Grundstoff durchgezogen gewesen sei.

Die Beklagte hat Berufung eingelegt, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt, während die Klägerin um Zurückweisung des Rechtsmittels bittet. Die Parteien wiederholen und ergänzen ihr bisheriges Vorbringen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 31. Oktober 2002 (Bl. 319 f. GA). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom 13. Januar 2003 (Bl. 335 – 351 GA) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat Erfolg und führt zur Abweisung der Klage, weil diese nicht begründet ist.

I.

Das Klagepatent betrifft eine Reinigungseinrichtung, insbesondere zur Bespannung eines Spannrahmens, und zwar vorzugsweise als Feucht- und Trockenmop, gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1.

Wie die Klagepatentschrift ausführt, ist eine solche Einrichtung aus der DE-PS 31 39 245 (Anlage K 4) bekannt. Die Klagepatentschrift kritisiert an dieser Vorrichtung, sie bewirke bei der Anlage an einer Fußleiste oder dergleichen nur eine ungenügende Reinigung des unmittelbar an die Fußleiste grenzenden Teiles des Fußbodens sowie evtl. vorhandener Fugen, weil der Grundstoff, auch wenn er sich hochbiege, sich nicht exakt in 90° hochstelle und deswegen den zwischen Fußleiste und Fußboden gebildeten Totraum nicht erreiche. Ein ähnlicher Mop, bei dem Randwülste ausgebildet seien, sei aus der DE-GM 89 01 061 (Anlage K 5) bekannt.

Nachdem die Klagepatentschrift noch den aus dem – nachveröffentlichten – oben genannten Gebrauchsmuster der Beklagten (93 09 489) bekannten Wischbezug sowie einen Staubmop gemäß der US-PS 29 19 457 (Anlage K 7) erwähnt hat, bezeichnet sie es als Aufgabe der Erfindung, eine Reinigungseinrichtung anzugeben, die eine besonders wirksame Reinigung von Böden auch im Bereich von Hindernissen, beispielsweise Fußleisten und dergleichen, ermögliche.

Das so bezeichnete technische Problem soll gemäß Patentanspruch 1 gelöst werden durch eine

Reinigungseinrichtung, insbesondere zur Bespannung eines Spannrahmens,

1.
mit einem textilen Grundstoff (2),

2.
von dem eine Reinigungswirkung entfaltende Florfäden (10) bzw. –fasern oder –schlingen abstehen,

3.
und einer an dem Grundstoff (2) gebildeten Befestigungseinrichtung (12, 12′) zur Aufnahme des Spannrahmens;

4.
auf dem Grundstoff (2) ist ein längliches Besatzstück (4) längs zweier beabstandeter Befestigungslinien (6, 8) entlang einer Randkante (6) befestigt,

5.
die dergestalt erfolgt, dass die Bahnbreite des Grundstoffs (2) zwischen den Befestigungslinien (6, 8) größer ist als die entsprechende Bahnbreite des Besatzstücks (4), so dass der Grundstoff (2) zwischen den Befestigungslinien (6, 8) gewölbt bzw. umgelegt ist.

Die Klagepatentschrift hebt hervor (Spalte 1, Zeilen 33 – 54), der Grundstoff und das Besatzstück seien längs der Befestigungslinien miteinander verbunden, auch wenn die Befestigungslinien keine durchgehenden Nähte seien. Die erfindungsgemäße Reinigungsvorrichtung sei dadurch gekennzeichnet, dass durch die Aufstellung und Wölbung des Grundstoffes im Randbereich Florfäden in ausreichender Höhe auch in Richtung auf ein seitlich auftretendes Hindernis gerichtet seien. Derartige Florfäden könnten beispielsweise bei Anlage an einer Fußleiste sowohl eine zwischen Fußleiste und Fußboden befindliche Fuge als auch die Fußleiste selbst auf ihrer gesamten Höhe reinigen. Auch wenn sich der Grundstoff bei Anlage an der Fußleiste insgesamt hochstelle, könnten die im Randbereich abstehenden Florfäden noch eine gute Reinigungswirkung entfalten. Diese sei besonders ausgeprägt bei strukturierten Fußleisten, die nur durch senkrecht eindringende Florfäden wirksam gereinigt werden könnten. Auch Ecken könnten besser als bisher gereinigt werden. Das befestigte Besatzstück erhöhe die Stabilität der Reinigungseinrichtung und verhindere insbesondere ein Durchhängen bzw. „Ausleiern“ des Grundstoffes im nassen Zustand.

II.

Der angegriffene Wischbezug der Beklagten macht von allen Merkmalen des Anspruchs 1 des Klagepatents – hinsichtlich des Merkmals 5 von der zweiten Alternative („umgelegt“) – wortsinngemäß Gebrauch. Das ist nicht nur offensichtlich, sondern wird von der Beklagten auch nicht in Abrede gestellt, so dass es dazu keiner weiteren Ausführungen bedarf.

Gleichwohl verletzt die Beklagte mit der Herstellung und dem Vertrieb des angegriffenen Wischbezuges das Klagepatent nicht, weil ihr insoweit ein Vorbenutzungsrecht (§ 12 Abs. 1 PatG) zusteht, so dass die Wirkung des Klagepatents gegen sie nicht eintritt.

Wie die Beklagte durch Vorlage zahlreicher Schriftstücke, insbesondere von ihr in der ersten Jahreshälfte 1993 geführter Korrespondenz, nachgewiesen hat und wie auch die Klägerin nicht bestreitet, hat sie – die Beklagte – in der Zeit seit Januar 1993 einen neuen – flachen – Wischbezug entwickeln lassen (nämlich durch die Firma P s.r.l.) und bereits vor dem Prioritätstage des Klagepatents, dem 16. Juli 1993, zumindest Veranstaltungen getroffen, diesen neuen Wischbezug herzustellen und zu vertreiben, indem sie z.B. bereits im Mai 1993 der Firma P s.r.l. ihre Entscheidung mitgeteilt hat (vgl. das Telefax vom 24. Mai 1993, Anlage B 19), Wischbezüge gemäß dem ihr kurz zuvor (vgl. das Telefax der Firma P s.r.l. an die Beklagte vom 12. Mai 1993, Anlage B 18) zugesandten Muster des Typs „C“ im Markt einzuführen, und diesem Unternehmen einen Auftrag zur Lieferung von 170.000 Stück dieses Wischbezuges für Juni/Juli 1993 erteilt hat; des weiteren, indem sie z.B. den Sales-Folder gemäß Anlage B 9 bereits in der Zeit vor dem 16. Juli 1993 hat herstellen lassen, wie die Klägerin auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 8. Januar 2004 nicht bestritten hat, in welcher der Prozessbevollmächtigte der Beklagten ausdrücklich darauf hingewiesen hat, das Vorbringen der Beklagten zu diesem Sales-Folder und seiner Entstehungszeit sei unstreitig.

Dass die Beklagte bereits vor dem 16. Juli 1993 einen neuen Wischbezug entwickelt hatte, ergibt sich darüber hinaus aus dem Umstand, dass sie am 25. Juni 1993 sowohl das Deutsche Gebrauchsmuster 93 09 489 (Anlagen K 6 und K 14) als auch das Deutsche Patent 43 21 242 (Anlage K 15) angemeldet hat, die beide einen Wischbezug betreffen.

Aufgrund der im Berufungsverfahren durchgeführten – weiteren – Beweisaufnahme, nämlich der Vernehmung der Zeugen L und H, ist der Senat davon überzeugt, dass der damals von der Beklagten entwickelte, alsbald herzustellende und zu vertreibende Wischbezug so beschaffen war, wie es dem als Anlage B 27 vorgelegten und mit „C“ gekennzeichneten Musterstück entspricht, das offensichtlich und unbestritten alle Merkmale von Anspruch 1 des Klagepatents (mit der Alternative „umgelegt“ aus Merkmal 5) verwirklicht.

Da es sich bei dem Wischbezug gemäß dem Klagepatent um eine sehr einfache Konstruktion handelt und die vom Klagepatent erstrebten Wirkungen zwangsläufig eintreten, wenn man einen patentgemäß ausgestalteten Wischbezug nach dem Aufspannen auf einen Spannrahmen als Feucht- oder Trockenmop verwendet – ihn also in eben der Weise benutzt, wie derartige Wischbezüge nicht nur allgemein eingesetzt werden, sondern wie es auch den Hinweisen z.B. auf dem Sales-Folder der Beklagten gemäß Anlage B 9 entspricht –, reicht der Besitz eines solchen Wischbezuges (zu dem Zwecke, ihn in der genannten Weise zu verwenden) aus, um einen Erfindungsbesitz im Sinne des § 12 Abs. 1 PatG bejahen zu können (vgl. dazu auch BGH, GRUR 1964, 673, 674 – Kasten für Fußabtrittsroste).

Der im Jahre 1993 als Produktmanager im Hause der Beklagten mit der Neuentwicklung des Wischbezuges befasste Zeuge L hat bei seiner Aussage nicht nur bekundet (vgl. Seite 13 des Beweisaufnahmeprotokolls vom 13. Januar 2003, Bl. 347 GA), die – ihm vorgehaltene – Anlage B 27 entspreche jedenfalls in etwa dem Bezug, den die Beklagte dann – nämlich seit September 1993 – tatsächlich vertrieben habe, sondern auch (vgl. Seite 15 a.a.O., Bl. 349 GA), nach seiner Erinnerung sei bei den damals – also in der Zeit ab etwa Mai 1993 – im Hause der Beklagten vorliegenden Wischbezügen die Naht am Rande der Einfassung immer bis unten zur Wischschicht durchgegangen; er hat hinzugefügt: „Anders kann man das Ganze ja gar nicht fertigen“. Der Zeuge hat darüber hinaus ausgesagt (vgl. Seite 15 a.a.O., Bl. 349 unten GA), seines Wissens sei nach der im Juli 1993 erfolgten Vorstellung der neuen Wischbezüge gegenüber dem Außendienst der Beklagten bis zur Markteinführung an diesen nichts mehr geändert worden.

Der Zeuge H hat es bei seiner Aussage (vgl. Seite 3 des Beweisaufnahmeprotokolls vom 13. Januar 2003, Bl. 337 GA) als durchaus möglich bezeichnet, dass ihm vor der (am 25. Juni 1993 erfolgten, vgl. Anlagen K 6 und K 14 sowie K 15) Einreichung der Schutzrechtsanmeldungen betreffend den neuen Wischbezug auch irgendein Exemplar eines solchen vorgelegen habe. Wie sich aus dem aus Anlage L 19 vorgelegten Schreiben der Beklagten an den Zeugen H vom 11. Mai 1993 (das u.a. einen Eingangsstempel der Patentanwaltskanzlei trägt, welcher der Zeuge H im Jahre 1993 angehörte) ergibt, hatte er seit Mai 1993 jedenfalls ein Exemplar eines damals neu entwickelten Wischbezuges der Beklagten vorliegen, das mit „5“ bezeichnet war und dem ebenso gekennzeichneten Exemplar gemäß Anlage L 18 der Beklagten entsprochen haben dürfte.

Der Zeuge H hat dann anschließend (vgl. a.a.O., Seite 6 unten / 7 oben, Bl. 340 f. GA) ausgesagt, er habe, soweit er wisse, die in der jeweiligen Figur 3 der von ihm ausgearbeiteten Schutzrechtsanmeldungen mit der Bezugszahl „40“ bezeichnete Naht, mit der die kordel- oder drahtartige Verstärkung 38 fixiert sei, von sich aus – in Ergänzung der ihm von der Beklagten mit Telefax vom 17. Juni 1993 (Anlage L 40 der Beklagten) übersandten Zeichnung – eingetragen, „weil ich das Muster vorliegen hatte“. Bei diesem Muster muss es sich demnach um ein solches gehandelt haben, das bereits die – bei dem Wischbezug gemäß Anlage L 18 noch fehlende – Verstärkung aufwies, die in Figur 3 sowohl der Gebrauchsmusterschrift (Anlagen K 6 und K 14) als auch der Patentschrift (Anlage K 15) mit der Bezugszahl 38 bezeichnet ist. Wie unten noch ausgeführt werden wird, muss das von dem Zeugen H in diesem Zusammenhang angesprochene Muster die Anlage B 27 gewesen sein.

In den soeben genannten Gebrauchsmuster- und Patentschriften ist zwar bei der jeweiligen Figur 3 die Naht 40 nicht so dargestellt, wie sie sowohl bei der Anlage B 27 als auch bei dem angegriffenen Wischbezug (Anlage K 11) ausgeführt ist, nämlich durchgezogen bis zur Wischstoffschicht (die in den jeweiligen Figuren 3 die Bezugszahl 16 trägt), vielmehr verbindet die Naht 40 in diesen Figuren lediglich die an der Oberseite (14) der „Tragschicht (12)“ befindliche „Umrandung (20)“ – nach der Terminologie des Klagepatents also das „Besatzstück“ – mit der „Tragschicht (12)“ und nicht auch mit der darunterliegenden „Wischstoffschicht“ ( = nach der Terminologie des Klagepatents: dem „Grundstoff“).

Der Senat ist aber gleichwohl davon überzeugt, dass die bei der Beklagten seit Mai 1993 vorliegenden Musterexemplare „C“, von denen die Beklagte eines dem Zeugen H überlassen hatte, so beschaffen waren wie der Wischbezug gemäß Anlage B 27 und dass in den jeweiligen Figuren 3 der genannten Schutzrechtsanmeldungen die Naht 40 nur aufgrund eines Versehens des Patentanwalts H so erscheint, dass sie nicht bis zu der Wischstoffschicht ( = dem „Grundstoff“) durchgezogen ist.

Die Zeichnungen (Figuren 3) in der jeweils erwähnten Gebrauchsmuster- und Patentschrift zeigen ersichtlich nicht den tatsächlichen Zustand des zu schützenden Wischbezuges, sondern stellen diesen aus Gründen der besseren Anschaulichkeit „auseinandergezogen“, nämlich so dar, dass sich zwischen der „Tragschicht (12)“ und der „Wischstoffschicht (16)“ ein in Wahrheit nicht vorhandener deutlicher Zwischenraum befindet.

Wie sich aus dem von dem Zeugen L unterschriebenen Telefax der Beklagten vom 17. Juni 1993 – Anlage L 40 – an den Zeugen H (mit dessen Eingangsstempel vom 18. Juni 1993) ergibt, sind die Zeichnungen in den am 25. Juni 1993 eingereichten Schutzrechtsanmeldungen der Beklagten nicht in der Kanzlei des Patentanwalts H gefertigt, sondern ihm von der Beklagten zugesandt worden, nachdem diese sie in ihrem Hause oder durch einen von ihr beauftragten „externen“ Zeichner hatte herstellen lassen. Die dem H unter dem 17. Juni 1993 übersandten Zeichnungen entsprachen den in der späteren Gebrauchsmuster- und der Patentanmeldung enthaltenen Figuren 1 bis 3 mit der Abweichung, dass sie nicht nur keine Bezugszahlen aufwiesen, sondern auch in Figur 3 keinerlei Nähte zeigten. Ersichtlich sind diese Zeichnungen nach einem dem Zeichner vorliegenden Musterexemplar eines Wischbezuges angefertigt worden, und zwar nach einem solchen, das mit dem Buchstaben „C“ gekennzeichnet war, wobei das „C“ in derselben Weise geschrieben war wie bei dem Wischbezug gemäß Anlage B 27; das ergibt sich daraus, dass die dem Zeugen H mit dem Telefax vom 17. Juni 1993 übersandten Zeichnungen in den beiden oberen Figuren (in den späteren Anmeldungen als Figuren 1 und 2 bezeichnet) ein solches „C“ tragen, das auch in den Figuren 1 und 2 der Gebrauchsmusterschrift 93 09 489 (Anlagen K 6 und K 14) wiederkehrt, obwohl es für die technische Beschaffenheit des zu schützenden Wischbezuges offensichtlich ohne jede Bedeutung ist. Zwar ist das „C“ in den Figuren 1 und 2 der genannten Schrift mit einer anderen Neigung zur Längsachse des Wischbezuges eingetragen als bei der Anlage B 27; das erklärt sich aber ohne weiteres daraus, dass die Vorlage für diese Zeichnungen nicht die Anlage B 27 gewesen sein kann. Diese ist nämlich gemäß der Aussage des Zeugen S2 vom 27. März 2001 vor dem Landgericht (vgl. Bl. 152 GA) im Mai 1999 – die auf Bl. 152 GA stehende Jahreszahl „1998“ stellt einen offensichtlichen Fehler dar, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Aussage des genannten Zeugen ergibt – auf Anforderung des Zeugen S2 von dem H an die Beklagte zurückgesandt worden, hat sich bis dahin also im Besitz des Zeugen H befunden und muss daher das von ihm in seiner Aussage erwähnte Muster gewesen sein, aufgrund dessen er die Naht 40 in die Figuren 3 seiner am 25. Juni 1993 eingereichten Schutzrechtsanmeldungen eingezeichnet hat, wobei er es – wohl aufgrund eines Versehens – lediglich unterlassen hat, die Naht auch über den in der jeweiligen Figur 3 abweichend von den wahren Verhältnissen dargestellten größeren Zwischenraum zwischen der „Tragschicht“ und der „Wischstoffschicht“ hinweg bis nach unten weiterzuführen. Da mithin als Vorlage für die Zeichnungen in den genannten Schutzrechtsanmeldungen nicht die Anlage B 27 gedient haben kann, muss es sich bei dieser Vorlage um eines der beiden weiteren Muster „C“ gehandelt haben, die die Beklagte (vgl. das Telefax gemäß Anlage B 18) im Mai 1993 von der Firma P s.r.l. erhalten hatte.

Bei dem von der Beklagten als Anlage B 27 vorgelegten, mit „C“ gekennzeichneten Wischbezug ist die aus rotem Faden bestehende Naht am inneren Rand des Besatzstückes, welches seinerseits eine etwas geringere Bahnbreite aufweist als der darunter befindliche Teil des Grundstoffes (der „Wischstoffschicht“), so dass sich der Grundstoff zwischen der soeben genannten und der weiter außen befindlichen Naht umlegt, durch die Tragschicht (in der Gebrauchsmuster- und der Patentschrift der Beklagten mit der Bezugszahl 12 versehen) hindurch bis zum Grundstoff (zur „Wischstoffschicht“) durchgezogen, wie es auch der Lehre des Klagepatents entspricht.

Nach der Aussage des Zeugen L (die insoweit übereinstimmt mit den Bekundungen des vom Landgericht vernommenen Zeugen T2, des früheren Geschäftsführers der Firma P s.r.l., der in der Patentschrift der Beklagten – Anlage K 14 – als Erfinder angegeben ist) war bei allen im Hause der Beklagten seit etwa Mai 1993 vorhandenen Musterstücken des neuen Wischbezuges die genannte Naht in eben dieser Weise durchgezogen.

Der Senat ist von der Richtigkeit dieser Angabe des Zeugen L überzeugt, und zwar aufgrund folgender Überlegungen:

Zwar ist es nach der von der Beklagten als Anlage L 42 vorgelegten „Gutachtlichen Stellungnahme“ der Professorin Dr.-Ing. G und des Professors Dipl.-Ing. U2 von der Hochschule Niederrhein, Fachbereich Textil- und Bekleidungstechnik, nicht unmöglich, bei einem Wischbezug der angegriffenen Art die Naht am inneren Rande des Besatzstückes so auszuführen, wie es in den Figu-ren 3 der Gebrauchsmuster- und der Patentschrift der Beklagten (Anlagen K 6 sowie K 14 und K 15) dargestellt ist; eine derartige Ausführung der Naht bringt aber, wie nicht nur die genannte „Gutachtliche Stellungnahme“ hervorhebt, sondern wie unabhängig davon auch für einen Nichtfachmann ohne weiteres einsichtig ist, einen ganz erheblichen Aufwand mit sich, den der Hersteller eines Wischbezuges vernünftigerweise nur dann treiben wird, wenn eine solche Ausgestaltung der Naht irgendwelche Vorteile mit sich bringen würde. Für derartige Vorteile ist aber nichts ersichtlich, insbesondere auch nicht aus der Beschreibung des genannten Gebrauchsmusters und des genannten Patentes der Beklagten, die jedoch beide (vgl. Seite 1, Zeile 27 f. und Seite 2, Zeile 6 f. der Gebrauchsmusterschrift, Anlagen K 6 und K 14, sowie Spalte 2, Zeile 5 und Zeile 16 f. der Patentschrift, Anlage K 15) darauf hinweisen, die erfindungsgemäße Lösung biete den Vorteil eines besonders sparsamen Materialeinsatzes, also das Bestreben der Beklagten als der Anmelderin nach einer möglichst großen Kosteneinsparung klar erkennen lassen.

Für die Richtigkeit der Bekundungen des Zeugen L hinsichtlich der Beschaffenheit der bereits vor dem 16. Juli 1993 bei der Beklagten vorhandenen neuen Wischbezüge spricht schließlich auch der Sales-Folder der Beklagten (Anlage B 9), von dem, wie oben bereits ausgeführt, unstreitig ist, dass die Beklagte ihn schon vor dem Prioritätstag des Klagepatents hat drucken lassen.

In diesem Sales-Folder ist auf der Innenseite mehrfach der neue Wischbezug abgebildet, und zwar einmal in der Ansicht von oben mit der Darstellung der roten Naht am inneren Rande des Besatzstückes, und des weiteren, nämlich in den beiden Abbildungen links unten, in der Ansicht von unten. Vor allem in der kleineren, ganz links befindlichen Abbildung sieht man in dem Bereich, in dem die Ansicht von oben die rote Naht zeigt, ebenfalls eine rote Naht, bei der es sich nur um diejenige handeln kann, die auch in der Ansicht von oben zu sehen ist; denn dass die in der Ansicht von unten zu erkennende Naht nur eine Ziernaht sei, also eine solche, die allein in der Wischstoffschicht vorhanden wäre, nicht aber entsprechend der normalen Funktion einer Naht die Wischstoffschicht mit der darüber liegenden Schicht verbinden würde, kann nicht angenommen werden. Mit dem – wie soeben dargelegt, in den Schutzrechtsanmeldungen vom 25. Juni 1993 deutlich hervorgehobenen – Bestreben der Beklagten nach Kostenminimierung wäre es unvereinbar, bei einem Massenartikel wie einem Wischbezug eine technisch völlig überflüssige reine Ziernaht anzubringen, die sich noch dazu an einer Stelle des Wischbezuges befinden würde, die man bei seiner bestimmungsgemäßen Benutzung, nämlich bei der Reinigung des Fußbodens, überhaupt nicht sehen könnte.

III.

Steht damit fest, dass die Beklagte bereits vor dem Prioritätstage des Klagepatents über einen Wischbezug mit allen Merkmalen des Patentanspruchs 1 (bei Merkmal 5 mit der Alternative „umgelegt“) verfügt hat und sich daher hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform auf ein Vorbenutzungsrecht (§ 12 Abs. 1 PatG) berufen kann, so war die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Zu einer Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) besteht kein Anlass, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht vorliegen: Weder hat die vorliegende Sache – als reine Einzelfallentscheidung – grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortentwicklung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

R1 R2 R3