2 U 95/03 – Lemon Symphony/Seimora (Sortenschutz)

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 322

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 11. März 2004, Az. 2 U 95/03

1.
Die Berufung des Antragstellers gegen das am 11. September 2003 verkündete Urteil der 4 a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

2.
Der Antragsteller hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 100.000,– €.

Entscheidungsgründe:

I.

Der Antragsteller ist eingetragener Inhaber des Gemeinschafts-Sortenschutzes für die Osteospermumecklonis („Kapmargeriten“)-Sorten „Lemon Symphony“ (E.U. 4282 – im Folgenden: Verfahrenssorte 1) und „Seimora“ (E.U. 8536 – im Folgenden: Verfahrenssorte 2).

Der Antrag auf Sortenschutz für die Verfahrenssorte 1 ist am 5. September 1996 beim Gemeinschaftlichen Sortenamt eingegangen, der auf Sortenschutz für die Verfahrenssorte 2 am 14. April 2000. Das Gemeinschaftliche Sortenamt hat dem Antragsteller Sortenschutz für die Verfahrenssorte 1 am 6. April 1999 und für die Verfahrenssorte 2 am 17. Dezember 2001 erteilt.

Nach der offiziellen Sortenbeschreibung weisen die Verfahrenssorten folgende Ausprägungsmerkmale auf:

a)
Verfahrenssorte 1 („Lemon Symphony“):

b)

Verfahrenssorte 2 („Seimora“):

Der Antragsteller hat an beiden Verfahrenssorten für die Vermarktung in Deutschland der Firma L GmbH & Co. KG in H2 eine ausschließliche Lizenz erteilt, wobei die Lizenznehmerin an ihn vertragsgemäß umsatzabhängige Lizenzgebühren zu zahlen hat.

Die Antragsgegnerin vertreibt Jungpflanzen, die sie in ihren Betrieben in Deutschland und auf Teneriffa sowie in den Niederlanden erzeugt. Zu ihrem Angebot gehören auch Osteospermum-Jungpflanzen, die sie unter den Bezeichnungen „Summerdaisy’s Alexander“ (Farbe: gelb) und „Summerdaisy’s Maxima“ (Farbe: orange) vertreibt.

Sie hat für beide Sorten beim Gemeinschaftlichen Sortenamt Sortenschutz beantragt, und zwar für „Summerdaisy’s Alexander“ unter der Bezeichnung „SUMOST 01“ und für „Summerdaisy’s Maxima“ unter der Bezeichnung „SUMOST 02“. Über diese Anträge der Antragsgegnerin ist noch nicht entschieden.

Der Antragsteller hat geltend gemacht:

Nachdem ihm Lizenznehmer im Sommer 2002 mitgeteilt gehabt hätten, die Antragsgegnerin stelle auf Fachmessen Osteospermum-Pflanzen aus, die den geschützten Sorten „Lemon Symphony“ und „Seimora“ sehr ähnlich seien, sei es erst im Februar 2003 der mit seiner deutschen Lizenznehmerin zusammenarbeitenden Firma G in Angers/Frankreich gelungen, bei der Antragsgegnerin je 200 Stecklinge der Pflanzen „Summerdaisy’s Alexander“ und „Summerdaisy’s Maxima“ zu beziehen. Von diesen sei jeweils ein Teil an die in Ahlem befindliche Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau der Landwirtschaftskammer Hannover und ein anderer Teil an die Firma L gesandt worden, wo sie jeweils zu Vergleichszwecken zusammen mit Stecklingen der Sorten „Lemon Symphony“ und „Seimora“ kultiviert worden seien, und zwar im Gewächshaus, weil ein Freilandanbau in jener Jahreszeit noch nicht möglich gewesen sei. Es habe sich gezeigt, dass die Pflanzen der Antragsgegnerin so weitgehend mit den Pflanzen der geschützten Sorten übereinstimmten (und zwar „Summerdaisy’s Alexander“ mit „Lemon Symphony“ und „Summerdaisy’s Maxima“ mit „Seimora“), dass sie von den Verfahrenssorten nicht unterscheidbar seien. Dasselbe Ergebnis hätten auch ein vergleichender Freilandanbau im Juni/Juli 2003 bei der Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau der Landwirtschaftskammer Hannover und vergleichende DNA-Untersuchungen durch das Centrum Grüne Gentechnik der Staatlichen Lehr- und Forschungsanstalt für Landwirtschaft, Weinbau und Gartenbau in O erbracht.

Der Antragsteller hat beantragt,

der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung der
der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen,

1.
die von ihr unter der Bezeichnung „Summerdaisy’s Alexander“ vertriebenen
Pflanzen der sortenschutzrechtlich geschützten Osteospermum-Sorte E.U.
4282 LEMON SYMPHONY, wie nachstehend abgebildet,

und gekennzeichnet durch die nachstehend wiedergegebenen, für die Sorte
festgestellten Ausprägungen der Merkmale

2.
sowie die von ihr unter der Bezeichnung „Summerdaisy’s Maxima“ ver-
triebenen Pflanzen der sortenschutzrechtlich geschützten Osteospermum-
Sorte E.U. 8536 SEIMORA, wie nachstehend abgebildet,

und gekennzeichnet durch die nachstehend wiedergegebenen, für die Sorte
festgestellten Ausprägungen der Merkmale

in den Ländern der Europäischen Gemeinschaft zu vermehren und/oder
vermehren zu lassen und/oder in die Europäische Union einzuführen, dort gewerbsmäßig anzukündigen, anzubieten oder zu verkaufen, soweit sie aus unlizenzierter Vermehrung stammen.

Die in diesen Anträgen enthaltenen Merkmalsausprägungen waren dabei die, die im Erteilungsverfahren für die jeweilige Verfahrenssorte festgestellt worden waren, obwohl nach dem Sachvortrag des Antragstellers die angegriffenen Sorten davon teilweise abweichen.

Die Antragsgegnerin hat um Zurückweisung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gebeten und eingewendet:

Der Antrag sei schon unzulässig. Der Antragsteller, der nach seinem eigenen Vorbringen bereits im Sommer 2002 von den angeblichen Sortenschutzverletzungen Kenntnis gehabt habe, habe erst im Februar 2003 vergleichende Untersuchungen in die Wege geleitet, obwohl er Pflanzen der angegriffenen Sorten schon seit September 2002 auf dem Markt habe beschaffen können. Es fehle dem Antrag daher an der erforderlichen Dringlichkeit.

Bei der Abwägung, ob im summarischen Verfahren der einstweiligen Verfügung zu ihren – der Antragsgegnerin – Lasten ein sie ganz erheblich beeinträchtigendes Verbot ergehen könne, sei zu Lasten des Antragstellers auch zu berücksichtigen, dass seine Lizenznehmer Pflanzen der geschützten Sorten gar nicht vertrieben, sondern nur solche, die diesen ähnlich seien, aber nicht in den Schutzbereich der Verfahrenssorten fielen, so dass die Interessen des Antragstellers durch den Vertrieb der angegriffenen Pflanzen praktisch nicht berührt würden.

Darüber hinaus bestünden Zweifel daran, ob der Antragsteller hinsichtlich der im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Ansprüche aktiv legitimiert sei, weil er an den Verfahrenssorten ausschließliche Lizenzen vergeben habe und angenommen werden könne, dass er hinsichtlich seiner Lizenzansprüche von den Lizenznehmern bereits voll abgefunden worden sei.

Jedenfalls aber könne die beantragte einstweilige Verfügung deshalb nicht erlassen werden, weil die angegriffenen Pflanzen hinsichtlich einer Reihe von Ausprägungsmerkmalen von den Merkmalen abwichen, die die Verfahrenssorten nach dem Inhalt der Erteilungsbeschlüsse aufwiesen. Solche Abweichungen gebe es im übrigen auch bei den als „Lemon Symphony“ und „Seimora“ bezeichneten Pflanzen, die bei den vom Antragsteller veranlassten vergleichenden Untersuchungen verwendet worden seien und die ersichtlich nicht zu den Verfahrenssorten gehört hätten. Bei den orangefarbenen Pflanzen, die mit solchen der Sorte „Summerdaisy’s Maxima“ verglichen worden seien, habe es sich in Wahrheit nicht um solche der Verfahrenssorte 2 („Seimora“) gehandelt, welche verhältnismäßig helle Blüten aufweise, sondern vermutlich um solche der in Europa nicht geschützten Sorte „Seikimora“, und die angeblich zur Sorte „Lemon Symphony“ gehörenden Pflanzen, die mit Pflanzen der Sorte „Summerdaisy’s Alexander“ verglichen worden seien, seien in Wahrheit vermutlich solche der Sorte „Seikilrem“ gewesen. Dafür spreche auch der Umstand, dass die deutsche Lizenznehmerin des Antragstellers in ihren Prospekten bei den dort beworbenen orangefarbenen Pflanzen (von ihr als „Orange Symphony“ bezeichnet) die Sortenangabe „Seikimora“ hinzufüge und bei den gelben, von ihr als „Lemon Symphony“ bezeichneten die Sortenangabe „Seikilrem“.

Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Auf das Urteil vom 11. September 2003 wird Bezug genommen.

Der Antragsteller hat Berufung eingelegt, mit der er seine bisherigen Anträge weiterverfolgt, wobei er allerdings die angegriffenen Pflanzen nicht mehr mit den Ausprägungsmerkmalen beschreibt, die in den Erteilungsbeschlüssen für die Verfahrenssorten aufgeführt sind, sondern mit denen, die sich nach seinem Vortrag bei dem Freilandanbau dieser Pflanzen im Juni/Juli 2003 ergeben haben.

Die Antragsgegnerin bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.

Die Parteien wiederholen und ergänzen ihr bisheriges Vorbringen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist nicht begründet.

a)
Entgegen der von der Antragsgegnerin vertretenen Ansicht ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung allerdings zulässig, insbesondere fehlt es ihm nicht an der erforderlichen Dringlichkeit.

Zwar hatte der Antragsteller nach seinem Vorbringen schon im Sommer 2002 den Verdacht, die damals von der Antragsgegnerin auf Fachmessen ausgestellten Osteospermum-Pflanzen verletzten seine Rechte an den Verfahrenssorten.
Einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, der wenigstens eine gewisse Aussicht auf Erfolg bot, konnte er aber jedenfalls nicht stellen, bevor er Pflanzen aus dem Angebot der Antragsgegnerin genau untersucht und mit den zu den jeweiligen Verfahrenssorten gehörenden Ausprägungsmerkmalen verglichen hatte, weil er nur dann hoffen konnte, es werde ihm gelingen, eine Sortenschutzverletzung durch die Antragsgegnerin glaubhaft zu machen. Dazu aber war es unumgänglich, dass er in den Besitz solcher Pflanzen gelangte. Darum hat er sich auch alsbald bemüht, indem er die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 12. August 2002 (Anlage ASt 1) um Übersendung von Pflanzenmaterial der Sorten „Summerdaisy’s Alexander“ und „Summerdaisy’s Maxima“ gebeten hat, was diese jedoch mit ihrem Schreiben vom 21. August 2002 (Anlage ASt 2) abgelehnt hat. Der Antragsteller behauptet, vor der Übersendung von Pflanzen der angegriffenen Art durch die Antragsgegnerin an die Firma G im Februar 2003 sei es nicht möglich gewesen, solche Pflanzen zu erhalten. Dem ist die Antragsgegnerin nicht substantiiert entgegengetreten. Zwar behauptet sie, Pflanzen dieser Sorten seien „ab September 2002 am Markt zu erwerben“ gewesen, ohne das jedoch näher zu erläutern und konkret anzugeben, wo und wie bereits in dieser Zeit Pflanzen der in Rede stehenden Sorten auf dem Markt erhältlich gewesen seien.

Konnte aber, wovon daher auszugehen ist, der Antragsteller sich erstmals im Februar 2003 Pflanzen (Stecklinge) der angegriffenen Sorten beschaffen, so konnte er vor Mai 2003 keinen auch nur einigermaßen aussichtsreichen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung stellen, weil er vorher die Stecklinge kultivieren und vergleichend untersuchen lassen musste. Aus dem Umstand, dass der Antragsteller seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erst am 28. Mai 2003 gestellt hat, lässt sich daher nicht der Schluss ziehen, es sei ihm mit der Geltendmachung seiner Ansprüche nicht so eilig und er bedürfe schon deshalb nicht einer einstweiligen Verfügung.

b)

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, der mit der jetzigen Antragsfassung dem vom Antragsteller selbst vorgetragenen Umstand Rechnung trägt, dass die angegriffenen Pflanzen sowohl bei ihrem Freilandanbau im Juni/Juli 2003 als auch bei dem vorangegangenen Vergleichsanbau im Gewächshaus hinsichtlich mehrerer Ausprägungsmerkmale Unterschiede gegenüber den in den Sortenschutz-Erteilungsbeschlüssen angegebenen Ausprägungsmerkmalen aufgewiesen haben, ist jedoch nicht begründet.

Es fehlt allerdings nicht an der Aktivlegitimation des Antragstellers, auch wenn dieser jedenfalls für Deutschland ausschließliche Lizenzen an den Verfahrenssorten erteilt hat. Denn das verwehrt es ihm – weil er nach wie vor Sortenschutzinhaber ist – nicht, weiterhin auch selbst Verletzungen seiner Sortenschutzrechte zu verfolgen, weil er nämlich mit seiner deutschen Lizenznehmerin, der Firma L, lediglich umsatzabhängige Lizenzzahlungen vereinbart hat, seine Ansprüche für die Lizenzierung also noch nicht voll abgefunden sind und er daher durch Sortenschutzverletzungen weiterhin beeinträchtigt ist.

Der Antragsteller hat aber nicht glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin mit der Vermehrung und dem Vertrieb der Osteospermum-Pflanzen „Summerdaisy’s Alexander“ und „Summerdaisy’s Maxima“ seine Rechte aus dem Sortenschutz für die Verfahrenssorten verletzt.

Der Antragsteller beruft sich in erster Linie darauf, die Antragsgegnerin verletze seine Rechte an den Verfahrenssorten, weil die angegriffenen Pflanzen von den geschützten Sorten nicht unterscheidbar seien (Art. 7 sowie Art. 13 Abs. 5 lit. b der VO (EG) Nr. 2100/94 = Gem.Sort.VO). Soweit er – erstmals in der Berufungsinstanz (S. 21 ff. seines Schriftsatzes vom 4. Februar 2004) – geltend macht, die angegriffenen Pflanzen seien jedenfalls als von den Verfahrenssorten im wesentlichen abgeleitet im Sinne des Art. 13 Abs. 5 lit. a, Abs. 6 Gem.Sort.VO anzusehen, hat er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, dass er sich auf diesen Gesichtspunkt nur hilfsweise berufe.

Maßgebend für den Schutzumfang eines Sortenschutzrechts ist die Kombination der Ausprägungsmerkmale im Sortenschutz-Erteilungsbeschluss (vgl. Keukenschrijver, SortG, 2001, § 10 Rdnr. 46). An diese Kombination ist der Verletzungsrichter gebunden und darf sie auch nicht relativieren, indem er etwa zwischen solchen Ausprägungsmerkmalen unterscheidet, die für die Funktion der geschützten Pflanzensorte wesentlich sind, und solchen, bei denen das nicht der Fall ist (vgl. Jestaedt, GRUR 1982, 595 ff., vor allem 598/599).

Zu beachten ist allerdings, dass sich der Sortenschutz anders als etwa der Patentschutz nicht auf künstlich und damit stets identisch herstellbare Gegenstände bezieht, sondern auf Pflanzen, also auf Naturprodukte, und dass sich bei Pflanzen, auch wenn sie alle derselben Sorte angehören, immer gewisse Variationen zeigen. Zum Schutzumfang einer geschützten Sorte gehört daher außer dem Identitätsbereich – bei dem alle festgelegten Ausprägungsmerkmale übereinstimmend verwirklicht sind – auch der sog. Toleranzbereich, der bestimmte zu erwartende Variationen umfasst (vgl. Keukenschrijver, a.a.O., Rdnrn. 47, 48; Jestaedt, a.a.O., S. 598).

Dieser Toleranzbereich darf jedoch – schon aus Gründen der Rechtssicherheit und angesichts der Bindung des Verletzungsrichters an die im Sortenschutz-Erteilungsbeschluss festgelegte Kombination der Ausprägungsmerkmale – nicht zu weit ausgedehnt werden; seine Grenzen lassen sich nur bestimmen, wenn man weiß, welche Variationen bei der jeweils geschützten Sorte konkret zu erwarten sind, also Kenntnisse hat, über die Verletzungsrichter im allgemeinen und die Richter des Senats im besonderen von sich aus nicht verfügen, so dass sie in der Regel – und so auch hier – auf die Unterstützung durch einen neutralen Sachverständigen angewiesen sind.

Bei der Ermittlung der Grenzen des Toleranzbereiches wird nicht zuletzt auch darauf abzustellen sein, wann nach der Praxis der Erteilungsbehörden im Sortenschutz-Erteilungsverfahren Merkmale einer zu prüfenden Sorte als unterscheidbar von Merkmalen anderer Sorten angesehen werden, so dass eines der für die Erteilung von Sortenschutz erforderlichen Kriterien (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 SortG, Art. 6 lit. a Gem.Sort.VO) erfüllt ist. Denn wenn in einem solchen Fall – vorausgesetzt, es sind auch die weiteren Sortenschutzkriterien der Homogenität und der Beständigkeit erfüllt – für die zu prüfende Sorte eigener Sortenschutz zu erteilen ist, kann sie nicht mehr innerhalb des Toleranzbereiches einer bereits geschützten Sorte liegen, mit der sie verglichen worden ist.

Maßgebend sind insoweit die „Grundsätze des Bundessortenamts für die Prüfung auf Unterscheidbarkeit, Homogenität und Beständigkeit von Pflanzensorten“ (abgedruckt u.a. bei Wuesthoff-Leßmann-X, Handbuch zum Deutschen und Europäischen Sortenschutz, 1999, Band 2, S. 598 ff.), die inhaltlich in Einklang stehen mit der revidierten Fassung der allgemeinen Einführung zu den Richtlinien für die Durchführung der Prüfung auf Unterscheidbarkeit, Homogenität und Beständigkeit von neuen Pflanzensorten, die der internationale Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV) erstellt hat (abgedruckt u.a. bei Wuesthoff-Leßmann-X, a.a.O., S. 588 ff.).

Nach den genannten „Grundsätzen“ des Bundessortenamtes werden bei der Prüfung einer Sorte nach Möglichkeit Merkmale festgelegt, die nur in geringem Maße von Umweltfaktoren beeinflusst werden (a.a.O. Tz. 2.1). Im übrigen unterscheidet das Bundessortenamt zwischen qualitativen (a.a.O., Tz. 2.2.1) und quantitativen (a.a.O., Tz. 2.2.2) Merkmalen. Danach sind qualitative Merkmale solche, die diskrete, diskontinuierliche Ausprägungsstufen aufweisen, ohne dass die Anzahl der Stufen (die – ebenso, wie es bei den quantitativen Merkmalen der Fall ist – jeweils mit einer Nummer – „Note“ – bezeichnet werden) willkürlich begrenzt ist. Gemäß Tz. 2.5 Satz 1 der „Grundsätze“ werden qualitative Merkmale in der Regel visuell erfasst. Zu ihnen gehören z.B. die Merkmale „Haltung der Triebe“, „Farbe“ und dergleichen. Nach der Definition des Bundessortenamtes (a.a.O. Tz.2.2.2) sind quantitative Merkmale solche, die auf einer eindimensionalen Skala messbar sind und eine kontinuierliche Variation von einem Extrem (z.B. „kurz“) zum anderen (z.B. „lang“) aufweisen. Sie werden (vgl. a.a.O., Tz. 2.5 Satz 2) bei der Prüfung in der Regel gemessen. Zu ihnen gehören etwa Merkmale wie „Länge“ und „Breite“ von Trieben, Blättern oder bestimmten Teilen der Blüten.

Gemäß Tz. 3.2.1 der „Grundsätze“ besteht zwischen zwei zu beurteilenden Sorten ein deutlicher Unterschied – mit der Folge, dass sie in der Regel „unterscheidbar“ im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 SortG, Art. 6 lit. a Gem.Sort.VO sind (vgl. a.a.O., Tz. 3.1) -, wenn sie bei einzelnen Merkmalen Ausprägungen aufweisen, die in zwei verschiedene Ausprägungsstufen fallen; dabei sollen bei solchen Merkmalen, die gemäß Tz. 2.2.1 wie qualitative Merkmale behandelt werden, eventuelle Fluktuationen bei der Feststellung der Unterscheidbarkeit berücksichtigt werden.

Angesichts dieser Praxis der Erteilungsbehörden wird jedenfalls im allgemeinen der Toleranzbereich bei einzelnen Merkmalen dann als überschritten anzusehen sein, wenn die zu vergleichenden Merkmale unterschiedliche Ausprägungsstufen aufweisen.

Nach dem vom Antragsteller vorgelegten Bericht über die Freilandprüfung der angegriffenen Sorten (Anlage ASt 10) weisen diese jeweils eine Reihe von Ab-weichungen – und zwar von solchen, die zu unterschiedlichen Ausprägungs- stufen führen – gegenüber den Merkmalen auf, die in den Sortenschutz-Erteilungsbeschlüssen für die Verfahrenssorten festgelegt sind.

So soll bei der Verfahrenssorte 1 („Lemon Symphony“) die „Haltung der Triebe“ (Merkmal 1) „aufrecht (1)“ sein, während sie nach dem Bericht gemäß Anlage ASt 10 bei „Summerdaisy’s Alexander“ „halbaufrecht (3)“ ist. Die „Blattbreite“ (Merkmal 4) ist bei „Lemon Symphony“ nach dem Inhalt des Sortenschutz-Erteilungsbeschlusses „schmal (3)“, während sie bei den verglichenen Pflanzen der Antragsgegnerin „1,4 cm (1)“ sein soll. Abweichungen von mindestens einer Stufe gibt es nach dem Bericht gemäß Anlage ASt 10 auch bei den Merkmalen 10 (Blütenstandsdurchmesser), nämlich „groß (7)“ einerseits, „6,3 cm (4)“ andererseits, oder 13 (Breite der Zungenblüte), nämlich „schmal bis mittel (4)“ einerseits, „0,54 cm (2)“ andererseits. Hinzu kommen noch Unterschiede bei den die Farbe der Blüten betreffenden Merkmalen 14, 15 und 17.

Bei der Verfahrenssorte 2 („Seimora“) soll gemäß Merkmal 2 die Trieblänge „kurz (3)“ sein, während sie nach dem Bericht gemäß Anlage ASt 10 bei „Summer-daisy’s Maxima“ „30,5 cm (1)“ beträgt. Der Blütenstandsdurchmesser (Merk- mal 10), der für „Seimora“ mit „mittel bis groß (6)“ festgelegt ist, beträgt nach dem Bericht gemäß Anlage ASt 10 bei „Summerdaisy’s Maxima“ „6,1 cm (3)“. Abweichungen gibt es auch bei den Merkmalen 12 (Länge der Zungenblüte), nämlich „lang bis sehr lang (8)“ einerseits, „3,1 cm (6)“ andererseits, und 13 (Breite der Zungenblüte), nämlich „schmal bis mittel (4)“ einerseits, „0,53 cm (2)“ andererseits.

Zwar gibt der Bericht gemäß Anlage ASt 10 bei den mit „Lemon Symphony“ bzw. „Seimora“ bezeichneten Pflanzen, die mit den Pflanzen der Antragsgegnerin („Summerdaisy’s Alexander“ bzw. „Summerdaisy’s Maxima“) verglichen worden sind, jeweils Merkmale an, die den aufgeführten Merkmalen bei „Summerdaisy’s Alexander“ hinsichtlich der genannten Stufen vollständig und bei „Summerdaisy’s Maxima“ fast vollständig (mit Ausnahme des Merkmals 12) entsprechen. Das muss aber nicht unbedingt besagen, die angegriffenen Pflanzen der Antragsgegnerin seien – unter Berücksichtigung der zu erwartenden Variationen – von denen der Verfahrenssorten nicht unterscheidbar, sondern kann – insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass gemäß Tz. 2.1 der „Grundsätze“ des Bundessortenamtes die bei der Sortenschutzerteilung festzulegenden Merkmale möglichst solche sein sollen, die nur in geringem Maße von Umweltfaktoren beeinflusst werden – ebensogut darauf zurückzuführen sein, dass die zum Vergleichsanbau verwendeten Pflanzen ihrerseits nicht zu den Verfahrenssorten gehörten. Zumindest ein gewisses Indiz dafür ist auch der Umstand, dass die deutsche Lizenznehmerin des Antragstellers in ihren Katalogen (vgl. Anlagen AG 2 und AG 11) seit Jahren bei den von ihr als „Lemon Symphony“ angebotenen Pflanzen die Sortenbezeichnung „Seikilrem“ und bei den Pflanzen „Orange Symphony“ – die nach dem Vorbringen des Antragstellers der Sorte „Seimora“ angehören sollen – die Sortenbezeichnung „Seikimora“ hinzufügt.

Eine nachvollziehbare und substantiierte Begründung dafür, dass die bei dem Freilandanbau im Juni/Juli 2003 festgestellten Abweichungen von der jeweils in den Erteilungsbeschlüssen festgelegten Merkmalskombination nicht nur bei den Pflanzen der Antragsgegnerin, sondern auch bei den von der deutschen Lizenznehmerin des Antragstellers als „Lemon Symphony“ bzw. „Seimora“ zum Zwecke der Untersuchung gelieferten Pflanzen lediglich auf die große Hitze und Trockenheit des Sommers 2003 zurückzuführen seien – eine solche Begründung wäre vor allem im Hinblick auf die o.a. Tz. 2.1 der „Grundsätze“ des Bundessortenamtes unumgänglich gewesen -, findet sich auch in der vom Antragsteller im Berufungsverfahren als Anlage ASt 23 vorgelegten Äußerung des Herrn Dr. M2 vom 21. November 2003 nicht, so dass der Senat offenlassen kann, ob diese Stellungnahme und der ihr entsprechende Sachvortrag des Antragstellers angesichts der Regelung in § 531 Abs. 2 ZPO n.F. überhaupt berücksichtigt werden könnte.

Angesichts der aufgezeigten Unsicherheiten reichen die vom Antragsteller vorgelegten Berichte der Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau der Landwirtschaftskammer Hannover nicht aus, um es als glaubhaft gemacht ansehen zu können, die Antragsgegnerin habe die Sortenschutzrechte des Antragstellers an den Sorten „Lemon Symphony“ und/oder „Seimora“ dadurch verletzt, dass sie Pflanzen vermehrt und vertrieben habe, die sich von diesen Sorten nicht unterschieden.

Dass die angegriffenen Pflanzen von solchen der Verfahrenssorten nicht im Sinne des Art. 7 Gem.Sort.VO unterscheidbar seien, ist auch durch die Berichte der Leiterin des Centrums Grüne Gentechnik der Staatlichen Lehr- und Forschungsanstalt für Landwirtschaft, Weinbau und Gartenbau in O, Frau Dr. L2 (Anlagen ASt 6 und ASt 34), nicht glaubhaft gemacht (unabhängig davon, ob der erst im Berufungsverfahren vorgelegte Bericht vom 11. Februar 2004, Anlage ASt 34, angesichts der Regelung in § 531 Abs. 2 ZPO n.F. überhaupt berücksichtigt werden könnte).

Eine völlige Übereinstimmung der untersuchten DNA – Fragmente der Pflanzen der Antragsgegnerin und der als „Lemon Symphony“ oder „Orange Symphony“ bezeichneten Pflanzen haben die den genannten Berichten zugrundeliegenden Untersuchungen nicht ergeben; vielmehr lagen danach die Ähnlichkeiten der jeweils verglichenen Pflanzen bei dem Bericht gemäß Anlage ASt 6 nur zwischen 87,1 % und 94,6 %; auch bei den Untersuchungen, die dem Bericht gemäß Anlage ASt 34 zugrundeliegen, sollen sich nur Ähnlichkeiten von knapp 90 % bis maximal 97,3 % ergeben haben. Ob solche Werte ausreichen würden, um die verglichenen Sorten als nicht unterscheidbar anzusehen, kann dahingestellt bleiben, weil nämlich schon unklar ist, ob es sich bei den zum Vergleich herangezogenen, als „Lemon Symphony“ und „Orange Symphony“ bezeichneten Pflanzen (die nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers denen entsprachen, die auch von der Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau der Landwirtschaftskammer Hannover verwendet worden sind) überhaupt um Pflanzen der geschützten Sorten gehandelt hat.

Unabhängig davon, ob der Antragsteller angesichts der Regelung in § 531 Abs. 2 ZPO n.F. mit seinem erstmals im Berufungsverfahren gebrachten (Hilfs)- Vorbringen dazu, bei den angegriffenen Pflanzen handele es sich um von den Verfahrenssorten im wesentlichen abgeleitete Sorten, überhaupt gehört werden könnte, scheitert dieses Vorbringen jedenfalls daran, dass es angesichts der dargestellten Unsicherheiten auch nicht als glaubhaft gemacht angesehen werden könnte, die angegriffenen Pflanzen seien im wesentlichen von einer der Verfahrenssorten abgeleitet.

c)

Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit kam nicht in Betracht, weil gegen das vorliegende Urteil als zweitinstanzliche Entscheidung im Verfahren der einstweiligen Verfügung die Revision nicht stattfindet (§ 542 Abs. 2 ZPO), so dass dieses Urteil ohne besonderen Ausspruch nicht nur vorläufig, sondern endgültig vollstreckbar ist.

R1 R2 Dr. C2